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Unterhaltsgrundsätze der Familiensenate des OLG Frankfurt/M.

(Stand: 01.01.2002)

           

I.

Vorbemerkung

 

Die von den Richtern der Familiensenate des für ganz Hessen zuständigen OLG Frankfurt am Main erarbeiteten Grundsätze beruhen auf der Rechtsprechung des Bundesgerichts und sollen im Interesse der Einheitlichkeit und der Überschaubarkeit Orientierungslinien für die Praxis geben. Sie binden den Richter nicht; dieser wird in eigener Verantwortung die angemessenen Lösungen des Einzelfalls finden müssen.

II.

Verfügbares Einkommen

1.

Ausgangspunkt sind alle Einkünfte und Bezüge einschließlich Sachzuwendungen abzüglich der Steuer und Vorsorgeaufwendungen, bezogen auf das Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum). Soweit die Abzüge nicht in gesetzlich/tariflich vorgegebener Höhe zu berücksichtigen sind, kann eine Angemessenheitskontrolle stattfinden.

2.

Sonderzuwendungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Tantiemen etc.) sind mit dem Jahresnettobetrag anteilig auf den Monat zu verteilen. Nicht jährlich wiederkehrende Zuwendungen (z.B. Jubiläumsgaben, Abfindungen) können auf längere Zeiträume umgelegt werden.

3.

Leistungen nach den Vermögensbildungsgesetzen beeinflussen das Einkommen nicht, d.h. der vermögenswirksame Anlagebetrag mindert das Einkommen nicht; andererseits erhöhen vermögenswirksame Beiträge des Arbeitgebers und die Sparzulage nicht das Einkommen.

4.

Über die Anrechenbarkeit von Spesen und Auslösungen ist nach Maßgabe des Einzelfalles zu entscheiden. Als Anhaltspunkt kann von einer anzurechnenden häuslichen Ersparnis von einem Drittel in Betracht kommen.

5.

Einkommen sind auch Arbeitslosengeld, Krankengeld sowie staatliche Transferleistungen wie z.B. Blindengeld, Wohngeld, Pflegegeld, BAföG, Erziehungsgeld, soweit gesetzliche Bewertungsregeln nicht entgegen stehen (z.B. § 9 BErzG, § 1610a BGB, § 13 SGB XI). Soll mit der Leistung ein Mehr- oder Sonderbedarf wegen der Lebenssituation des Empfängers gedeckt werden, ist dieser Bedarf konkret darzulegen – ggf. zu schätzen – und in erster Linie von diesen Leistungen, sonst vom Einkommen abzusetzen.

6.

Überstundenvergütungen werden voll angerechnet, soweit sie berufstypisch sind oder in geringem Umfang anfallen (BGH FamRZ 1980, 984 = NJW 1980, 2251) oder der Mindestbedarf der Kinder nicht gedeckt ist. Im übrigen ist der Anrechnungsteil nach Zumutbarkeit zu ermitteln. Die Weiterführung überobligationsmäßiger Überstundenleistungen kann regelmäßig nicht verlangt werden.

 

Dies gilt sinngemäß für Nebentätigkeitsvergütungen.

7.

Sozialhilfe ist bei dem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich subsidiär. Dies gilt für in der Zukunft liegende Ansprüche auch dann, wenn ein Übergang auf den Sozialhilfeträger nicht erfolgt (etwa bei lediglich fiktiver Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners). Für vergangene Zeiträume (vor Rechtshängigkeit) kommt nach § 242 BGB eine abweichnde Bewertung in Betracht (vgl. BFH FamRZ 1999, 843, 847).

 

Arbeitslosenhilfe ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen stets anrechenbares Einkommen, auf Seiten des Unterhaltsberechtigten dann, wenn eine Überlegung nicht mehr erfolgen kann (BGH FamRZ 1996, 1067, 1070).

8.

Soweit Steuervorteile auf nicht abzugsfähigen Aufwendungen beruhen, sind sie nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen; die anzusetzende Steuerlast ist dann fiktiv zu ermitteln.

9.

Kindergeld und andere kindbezogene Leistungen (i.S. von § 1612 c BGB) sind grundsätzlich kein unterhaltsrechtliches Einkommen. Dies gilt sowohl für die Bedarfsermittlung als auch für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit. Es wird bei der Ermittlung des Kindesunterhalts anderweit ausgeglichen. Der Zählkindvorteil ist ausnahmsweise dann Einkommen, wenn der das erhöhte Kindergeld beziehende Ehegatte dem anderweit betreuten Zählkind keinerlei Unterhaltsleistungen gewährt (BGH, FamRZ 1997, 806, 810).

10.

Bei freiwilligen Zuwendungen Dritter ist die Zweckrichtung zu beachten. Regelmäßig sollen sie nicht über den Empfänger einem anderen Unterhaltsberechtigten/Unterhaltspflichtigen zugute kommen.

11.

Ein Einkommen ist auch bei unentgeltlicher Haushaltsführung für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist (BGH, FamRZ 1987, 1011 = NJW- RR 1987, 1282; BGH, FamRZ 1989, 487 = NJW 1989, 1083; BGH, FamRZ 1995, 344).

 

Mangels abweichender Anhaltspunkte kann bei einer Haushaltsführung durch einen Nichterwerbstätigen in der Regel ein Betrag von 350 EUR angesetzt werden.

12.

Einkommen ist auch die Vermögensnutzung, etwa das Wohnen im eigenen Haus. Dabei ist grundsätzlich vom Verkehrswert der Nutzung auszugehen. In der Trennungszeit können für einen begrenzten Zeitraum auch geringere Nutzungswerte zum Ansatz kommen, bemessen an der dadurch ersparten Miete für eine kleinere Wohnung entsprechend dem ehelichen Lebensstandard, wobei hierbei ein im Verhältnis zu der sonstigen wirtschaftlichen Situation unangemessener Aufwand unberücksichtigt bleibt (BGH, FamRZ 1998, 899, 901). Als Untergrenze ist der Kaltmietanteil im kleinen Selbstbehalt anzusetzen. Bei höherem Einkommen ist der Wohnwert angemessen zu erhöhen.

 

Für die Zeit nach der Scheidung kann eine vom Verkehrswert abweichende Bemessung des Wohnwerts nur in Ausnahmefällen erfolgen, zum Beispiel wenn die markt- mäßige Verwertung des Wohnraums nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

13.

Berufsbedingte Aufwendungen sind nur aufgrund konkreten Einzelnachweises absetzbar, wobei eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen kann. Hierzu zählen auch Aufwendungen für einen Kindergarten (Hort) oder eine Fremdbetreuung, wenn anders das Erwerbseinkommen nicht erzielt werden kann.

14.

Ein Abzug der Fahrtkosten zur Arbeitsstätte mit dem eigenen PKW erfolgt grundsätzlich nur in Höhe der Fahrkosten öffentlicher Verkehrsmittel, wenn deren Benutzung zumutbar ist. Ist wegen schwieriger öffentlicher Verkehrsverbindungen oder aus sonstigen Gründen die Benutzung eines Pkw als angemessen anzuerkennen, so wird eine Kilometerpauschale in Höhe des Betrages nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG (z. Zt. 0,27 EUR für jeden gefahrenen Kilometer) berücksichtigt. Anhaltspunkte für die Bestimmung der Angemessenheit können einerseits die ehelichen Lebensverhältnisse und andererseits das Verhältnis der Fahrtkosten zu dem Einkommen sein.

 

Die Fahrtkostenpauschale deckt in der Regel sowohl die laufenden Betriebskosten als auch die Anschaffungskosten des PKW ab.

 

Bei hoher Fahrleistung ist, da die Fahrtkosten nicht gleichmäßig ansteigen, eine abweichende Bewertung veranlasst. In der Regel kann bei einer Entfernung von mehr als 30 km (einfach) und einer PKW- Nutzung an ca. 220 Tagen im Jahr für jeden Mehrkilometer die Pauschale auf die Hälfte des Satzes herabgesetzt werden.

 

Bei unverhältnismäßig hohen Fahrtkosten infolge weiter Entfernung zum Arbeitsplatz kommt auch eine Obliegenheit zu einem Wohnortwechsel in Betracht (BGH, FamRZ 1998, 1501, 1502).

15.

Schulden sind im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplans absetzbar, wenn nach einer umfassenden Gesamtabwägung ihre Berücksichtigung der Billigkeit entspricht. Dabei sind Art, Grund und Zeitpunkt ihres Entstehens zu würdigen. Regelmäßig werden voreheliche und eheliche Schulden die Lebensverhältnisse geprägt haben und sind dann leistungsmindernd anzuerkennen. Ein strenger Maßstab gilt, wenn bei der Ermittlung des Unterhalts minderjähriger Kinder deren Mindestbedarf nicht gesichert ist. Außer bei der Unterhaltsbemessung nach einem fiktiven Einkommen ist auch ein fiktiver Schuldendienst berücksichtigungsfähig.

16.

Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb wird regelmäßig an den Gewinn (§ 4 Abs. 1, 3 EStG) aus einem zeitnahen Dreijahreszeitraum angeknüpft. Mit der Vorlage der ESt- Bescheide und der entsprechenden Bilanzen mit G+V- Rechnung oder den Einnahme/Überschuss- Rechnungen wird der besonderen Darlegungslast (BGH, FamRZ 1993, 789, 792) idR genügt. Auf substantiierten Einwand sind ggf. weitere Erläuterungen vorzunehmen oder Belege vorzulegen.

III.

Kindesunterhalt

A.

Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.01.2002)

(in Euro)

 

Ein- kom- mens- gruppe

Verfügb. Eink. d. Bar- unterhalts- pflichtigen

Altersstufen in Jahren

1612 a Abs. 3 BGB)

Vom-

hundert-

satz

 

 

 

0–5

6–11

12–17

ab 18

 

 

1.

Bis 1.300

188

228

269

311

100

 

2.

1.300- 1.500

202

244

288

333

107

 

3.

1.500- 1.700

215

260

307

355

114

 

4.

1.700- 1.900

228

276

326

377

121

 

5.

1.900- 2.100

241

292

345

399

128

 

6.

2.100- 2.300

254

308

364

420

135

 

7.

2.300- 2.500

267

324

382

442

142

 

8.

2.500- 2.800

282

342

404

467

150

 

9.

2.000- 3.200

301

365

431

498

160

 

10.

3.200- 3.600

320

388

458

529

170

 

11.

3.600- 4.000

339

411

485

529

170

 

12.

4.000- 4.400

358

434

512

591

190

 

13.

4.400- 4.800

376

456

538

622

200

 

        über 4.800

Je nach den Umständen des Falles

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

B.

Minderjährige Kinder

1.

Für den monatlichen Grundbedarf sind die Richtsätze der Düsseldorfer Tabelle (oben A.) ohne Bedarfskontrollbeträge maßgeblich. Die Tabellensätze sind bezogen auf einen gegenüber einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhaltspflichtigen. Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter ist eine Einstufung in niedrigere/höhere Einkommensgruppen angemessen. Eine Aufstufung um zwei Einkommensgruppen kommt in Betracht, wenn die Unterhaltspflicht nur gegenüber einem Kind besteht. Liegt insoweit das verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen im Bereich der Einkommensgruppe 1, ist für die Aufstufung eine besondere Prüfung notwendig. Ein Kranken- /Pflegeversicherungsbeitrag ist in den Tabellensätzen nicht enthalten, gehört jedoch zum Grundbedarf.

2.

Der sorgeberechtigte Elternteil, der ein minderjähriges Kinde betreut, leistet in der Regel hierdurch seinen Beitrag zum Kindesunterhalt (§ 1606 Abs.3 Satz 2 BGB). Nur bei wesentlich höherem verfügbaren Einkommen als dem des barunterhaltspflichtigen Eltern- teils kommt eine Beteiligung des Betreuenden am laufenden Grundbedarf des Kindes in Betracht (etwa bei dreifach höherem verfügbarem Einkommen und guten Vermögensverhältnissen – vgl. BGH, FamRZ 1984, 39 = NJW 1984, 303).

 

Die Einstandspflicht des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB bleibt hiervon unberührt.

 

An Sonder- und Mehrbedarf des Kindes hat sich der leistungsfähige betreuende Elternteil in der Regel zu beteiligen.

3.

Erzielt das unterhaltsberechtigte Kind eigenes Erwerbseinkommen, so ist dieses nach Abzug der konkret zu belegenden Werbungskosten hälftig auf den Barunterhalt anzurechnen.

C.

Volljährige Kinder

1.

Der Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes richtet sich grundsätzlich nach der Altersgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle aus dem zusammengerechneten verfügbaren Einkommen beider Eltern. Hierbei findet z.B. bei einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber nur einem Kind eine Höherstufung nur um eine Einkommensgruppe statt (OLG Hamm FamRZ 1993, 353, 355, bestätigt durch BGB FamRZ 1994, 686, 697).

 

Dies gilt auch für ein Kind i.S. des § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB.

 

Ein volljähriges Kind, das nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, hat i.d.R. einen Unterhaltsbedarf (ohne Kranken- /Pflegeversicherungsbedarf) in Höhe von 600 EUR monatlich.

 

Erzielt das volljährige Kind, das bei einem Elternteil wohnt, eigenes Einkommen, beträgt der Unterhaltsbedarf (ohne Kranken- /Pflegeversicherungsbedarf) mindestens monatlich 500 EUR.

 

Das Eigeneinkommen ist nach Abzug der konkret zu belegenden Werbungskosten voll auf diesen Bedarf anzurechnen.

2.

Für den Bedarf des Volljährigen haften die Eltern anteilig nach dem Verhältnis ihrer verfügbaren Einkommen. Vor der Bildung der Haftungsquote ist der angemessene Selbstbehalt jedes Elternteils und der Unterhalt vorrangig Berechtigter (im Fall des privilegierten Kindes i.S. des § 1603 Abs. 2 2 BGB der Unterhalt minderjähriger Kinder) abzusetzen (vgl. zur Berechnungsmethode BGH, FamRZ 1986, 151 = NJW- RR 1986, 426; BGH, FamRZ 1986, 153 = NJW- RR 1986, 293). Die Haftung ist auf den Tabellenbetrag nach Maßgabe des eigenen Einkommens des jeweils Verpflichteten begrenzt.

D.

Kindergeld

 

Die Anrechnung von Kindergeld und anderer kindbezogener Leistungen richtet sich nach den §§ 1612 b, 1612 c BGB.

 

Wegen der Kindergeldanrechnung nach § 1612 b Abs. 5 BGB wird auf die Anlage zur Düsseldorfer Tabelle verwiesen.

E.

Leistungsfähigkeit

1.

Der notwendige Eigenbedarf (= kleiner Selbstbehalt – § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB) gegenüber minderjährigen und volljährigen Kindern i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB beträgt 840 EUR monatlich. Davon entfallen 480 EUR auf den allgemeinen Lebensbedarf und 360 EUR auf den Wohnbedarf (285 EUR Kaltmiete, 75 EUR Nebenkosten und Heizung).

2.

Der angemessene Eigenbedarf (= großer Selbstbehalt) gegenüber anderen volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 1 BGB) beträgt monatlich 1-1.000 EUR. Davon entfallen 560 EUR auf den allgemeinen Lebensbedarf und 440 EUR auf den Wohnbedarf (360 EUR Kaltmiete, 80 EUR Nebenkosten und Heizung).

3.

Die Wohnanteile in den Ziff. 1. und 2. können angemessen erhöht werden, wenn der Einsatzbetrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist.

IV.

Ehegattenunterhalt

1.

Unterhaltsanspruch

 

Der Unterhaltsanspruch eines bedürftigen Ehegatten (§§ 1361, 1569 ff. BGB) besteht in dem Unterschiedsbetrag zwischen seinem eheangemessenen Bedarf und seinen tatsächlich erzielten oder zurechenbaren Einkünften im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.

2.

Eheangemessener Bedarf

 

Der eheangemessene Bedarf eines Ehegatten (ohne Vorsorgebedarf) beträgt 1/2 des den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechenden Einkommens eines oder beider Ehegatten, bereinigt um die berücksichtigungsfähigen Lasten und den Kindesunterhalt (ab 135% ohne Abzug des hälftigen Kindergeldes, in den unteren Einkommensgruppen bleibt eine Hinzurechnung des gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB nicht angerechneten Teils des Kindergeldes offen.).

3.

Erwerbsaufnahme/-ausweitung nach Trennung

 

Einkünfte eines Ehegatten, die aus einer erst nach der Trennung aufgenommenen oder ausgeweiteten Erwerbstätigkeit erzielt werden, sind bei der Bedarfsermittlung nur zu berücksichtigen, wenn diese Berufstätigkeit schon während des Zusammenlebens geplant war, sie auch ohne die Trennung aufgenommen oder ausgeweitet worden wäre und der Plan im Zeitpunkt der Scheidung zumindest schon teilweise verwirklicht worden ist (BGH, FamRZ 1986, 783 = NJW- RR 1987, 58).

 

Anmerkung: Nach einer bei Verabschiedung diese Unterhaltsgrundsätze noch nicht veröffentlichten Entscheidung des BGH vom 13.06. 2001 (XII ZR 343/99) kann eine nach der Scheidung aufgenommene oder ausgeweitete Erwerbstätigkeit gleichsam als Surrogat für bisherige Familienarbeit angesehen werden. Dies kann dazu führen, dass dieses Einkommen in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach der Differenzmethode – nicht wie bisher nach der Anrechnungsmethode – einzubeziehen ist. Daraus sich ergebende Änderungen sind auch bei den folgenden Berechnungsbeispielen noch nicht berücksichtigt.

4.

Erwerbstätigenbonus

 

Auf Erwerbstätigkeit beruhendes Einkommen der Ehegatten wird vorab um einen Bonus von 1/5 (2. FamSenat in Kassel: 1/7) bereinigt. Dieser wird jeweils nach Abzug der mit der Erzielung des Erwerbseinkommens verbundenen Aufwendungen (Werbungskosten) sowie grundsätzlich der ehelichen Lasten und des von dem Erwerbstätigen zu leistenden Kindesunterhalts (ohne Abzug des hälftigen Kindergeldes) berechnet.

 

Sind mit der Erzielung von Nichterwerbseinkommen (insbes. Wohnvorteil, Kapitaleinkünfte pp) besondere Aufwendungen verbunden, werden diese von der jeweiligen Einkunftsart abgezogen.

5.

Eigeneinkünfte

 

Auf den eheangemessenen Bedarf sind die vom bedürftigen Ehegatten erzielten oder zurechenbaren Eigeneinkünfte anzurechnen. Erwerbseinkünfte werden vor der Anrechnung um einen Erwerbstätigenbonus von 1/5 (Senat Kassel: 1/7) gekürzt.

6.

Überobligatorische Berufstätigkeit

 

Geht ein Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl er wegen der Betreuung eines oder mehrerer minderjähriger Kinder hierzu nicht gehalten ist, so kann ihm wegen der Mehrbelastung neben konkret nachgewiesener Aufwendungen nach II 13 ein Betrag bis zu 200 EUR anrechnungsfrei belassen werden (§ 287 ZPO).

 

Darüber hinaus bleibt eine völlige oder teilweise Nichtanrechnung von Einkünften des Bedürftigen aus zumutbarer Tätigkeit nach den Umständen des Falles gemäß § 1577 Abs. 2 BGB vorbehalten.

7.

Vorsorgebedarf

 

Der Vorsorgebedarf des berechtigten Ehegatten ist in der Unterhaltsquote nicht enthalten. Er ist vorweg vom Einkommen des Verpflichteten abzusetzen. Bei der Bemessung des Altersvorsorgebedarfs kann nach den Grundsätzen der Bremer Tabelle verfahren werden. Altersvorsorgeunterhalt kann grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn der angemessene Eigenbedarf (großer Selbstbehalt) gedeckt ist.

 

Der Betrag für Krankenversicherung und Pflegeversicherung ist in jeweils nachzuweisender konkreter Höhe zu berücksichtigen.

8.

Trennungsbedingter Mehrbedarf

 

Der Anspruch des berechtigten Ehegatten richtet sich nach den Einkommensverhältnissen der Ehegatten, nicht nach einem objektivierten Mindestbedarf (etwa notwendigem Selbstbehalt). Im Rahmen der Anrechnungsmethode gewinnt der Gesichtspunkt des trennungsbedingten Mehrbedarfs, der grundsätzlich konkret darzulegen ist, ein besonderes Gewicht, wenn der Berechtigte mit seinem Eigeneinkommen und dem Unterhaltsanspruch nicht den notwendigen Selbstbehalt erreicht. Obergrenze ist das Ergebnis der Differenzmethode.

9.

Konkrete Darlegung des Unterhaltsbedarfs (?Relative Sättigungsgrenze?)

 

Ein eheangemessener Unterhaltsbedarf (Elementarunterhalt) kann bis zu einem Betrag von 2.000 EUR als Quotenunterhalt geltend gemacht werden. Ein darüber hinausgehender Bedarf muss konkret dargelegt werden. Eigenes Einkommen des bedürftigen Ehegatten – Erwerbseinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus – ist hierauf anzurechnen

 

(6. Familiensenat in Darmstadt: ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus).

10.

Leistungsfähigkeit

 

Der notwendige Eigenbedarf (= kleiner Selbstbehalt) gegenüber dem getrennt lebenden Ehegatten beträgt 840 EUR monatlich. Im Geschiedenenunterhalt und der dabei nach § 1581 BGB zu treffenden Billigkeitsabwägung ist sicherzustellen, dass dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ein angemessener Betrag zur Sicherung seiner Existenz verbleibt. Dabei dient ein Betrag in Höhe des großen Selbstbehalts (1.000 EUR) monatlich als Anhaltspunkt; Abweichungen sind im Einzelfall möglich. Wegen der Kaltmieten- , Nebenkosten- und Heizungsanteile in den Bedarfsbeträgen wird auf III.E. Bezug genommen.

11.

Die Bedarfssätze (Ziff. 10) können auch auf Seiten des Berechtigten als Abwägungskriterium dienen, etwa im Rahmen des § 1579 BGB.

12.

Berechnungsbeispiele:

 

(Die Berechnungsbeispiele sowie die Berechnungen unter V stehen für den 2. Familiensenat in Kassel unter dem in der Vorbemerkung formulierten Vorbehalt. Sie sind nur in DM angegeben, da sich an der Struktur durch die Einfügung anderer Beträge in Euro nichts ändert).

a.

Differenzmethode.

 

Geschiedene Eheleute ohne Kinder, Manneserwerbseinkommen 4.000 DM + 500 DM Kapitaleinkünfte, eheprägendes Fraueneinkommen 1.500 DM. Beide Ehegatten haben Fahrtkosten in Höhe von je 200 DM. Es gibt eine berücksichtigungsfähige Schuldrate in Höhe von monatlich 350 DM, die der Mann trägt.

 

 

Manneseinkommen

4.000 DM

 

– Fahrtkosten

200 DM

 

– Schulden

350 DM

 

verbleiben

3.450 DM

 

– Erwerbstätigenbonus (* 0,8)

 

2.760 DM

+ Kapitaleinkünfte (ohne Bonus)

 

500 DM

Fraueneinkommen

1.500 DM

 

– Fahrtkosten

200 DM

 

verbleiben

1.300 DM

 

– Erwerbstätigenbonus (* 0,8)

 

1.040 DM

eheprägendes Gesamteinkommen

 

4.300 DM

eheangemessener Bedarf (1/2)

 

2.150 DM

– Eigeneinkommen Frau

 

1.040 DM

Unterhaltsanspruch

 

1.110 DM

 

b. Anrechnungsmethode

Wie Buchst. a, die Frau hat ihre Erwerbstätigkeit jedoch erst nach der Scheidung aufgenommen.

Manneseinkommen

4.000 DM

 

– Fahrtkosten

200 DM

 

– Schulden

350 DM

 

verbleiben

3.450 DM

 

– Erwerbstätigenbonus (* 0,8)

 

2.760 DM

+ Kapitaleinkünfte

 

500 DM

eheprägendes Fraueneinkommen

620 DM

 

– Fahrtkosten

200 DM

 

verbleiben

420 DM

 

– Erwerbstätigenbonus (* 0,8)

 

336 DM

eheprägendes Gesamteinkommen

 

3.596 DM

eheangemessener Bedarf (1/2)

 

1.798 DM

– Eigeneinkommen Frau

(1.500–200)*0.8

 

1.040 DM

Unterhaltsanspruch

 

758 DM

 

 

V.

Mangelfälle

 

Reicht das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sogen. Mangelfälle), so ist die nach Abzug des Eigenbedarfs (Selbstbehalt) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten entsprechend ihren Bedarfssätzen zu verteilen. Ob für die Kinder ein Bedarfssatz entsprechend der Düsseldorfer Tabelle oder von mindestens 135% des Regelbedarfs einzusetzen ist, bleibt offen. Der Vorwegabzug des Kindesunterhalts bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts kann unterbleiben, wenn sie daraus ein Missverhältnis im Bedarf zwischen Kindern und Ehegatten ergibt (BGH FamRZ 1999, 367, 368).

 

Die Kindergeldanrechnung richtet sich nach § 1612 b Abs. 5 BGB.

 

Berechnungsbeispiele:

1.

Nur minderjährige Kinder

 

Da der Pflichtige gegenüber unterhaltsrechtlich gleichrangigen minderjährigen Kindern nur den kleinen Selbstbehalt verteidigen darf, genügt eine einstufige Berechnung.

 

 

Eink. d. Pflichtigen:

 

2.500 DM

(Einkommensgr. 1)

kleiner Selbstbeh.:

 

1.640 DM

(Ziff. VI. 1)

Verteilungsmasse:

 

860 DM

 

Einsatzbetrag

Ki (3 J.):

366 DM

(Altersgr. 1)

Einsatzbetrag

Ki (5 J.):

366 DM

(Altersgr. 1)

Einsatzbetrag

Ki (8 J):

444 DM

(Altersgr. 2)

Gesamtbedarf:

 

1.176 DM

 

Kürzungsfaktor:

 

0.7313

(860/1.176)

Ansprüche

Ki (3 J.):

268 DM

366 * 0.7313 = 268

 

Ki (5 J.):

268 DM

366 * 0.7313 = 325

 

Ki (8 J.):

325 DM

444 * 0.7313 = 325

 

 

 

Keine Anrechnung von Kindergeld

2.

Geschiedene Ehefrau und minderjährige Kinder.

 

Da die geschiedene Ehefrau mit minderjährigen Kindern zwar gleichrangig ist, der Pflichtige ihr gegenüber jedoch regelmäßig den großen Selbstbehalt verteidigen darf, ist eine zweistufige Berechnung notwendig.

a)

In der ersten Stufe wird unter allen Berechtigten das Einkommen des Pflichtigen verteilt, das den großen Selbstbehalt übersteigt.

 

 

Eink. d. Pflichtigen:

 

3.200 DM

(Einkommensgr. 3)

großer Selbstbeh.:

 

1.960 DM

((Ziff.VI.4)

Verteilungsmasse:

 

1.240 DM

 

 

 

 

 

Einsatzbetrag

K (4 J.):

418 DM

(Altersgr. 1)

Einsatzbetrag

K (8 J.):

507 DM

(Altersgr. 2)

Einsatzbetrag

Ehefrau

842 DM

(3.200- 495- 600)x 2/5

(Ziff. IV 2)

Gesamtbedarf:

 

1.767 DM

 

Kürzungsfaktor:

 

0,7018

(1.240:1.767)

Anspruch

K (4 J.):

293 DM

418 x 0,7018 = 293

Anspruch

K (8 J.):

356 DM

507 x 0,7018 = 356

Anspruch

Ehefrau

591 DM

842 x 0,7018 = 591

 

 

 

Der geschiedene Ehegatte erhält danach 591 DM.

b.

In der 2. Stufe wird die Differenz zwischen dem großen und dem kleinen Selbstbehalt unter den Kindern verteilt.

 

 

verbleibendes Einkommen:

 

1.960 DM

 

kleiner Selbstbehalt:

 

1.640 DM

 

noch zu verteilen:

 

320 DM

 

 

 

 

 

Einsatzbetrag

K(4):

125 DM

418–293 = 125 DM

Einsatzbetrag

K(8):

151 DM

507–356 = 151 DM

Gesamtbedarf:

 

276 DM

 

 

 

 

Dieser Bedarf kann vollständig aus der restlichen Verteilungsmasse (320 DM) gedeckt werden. Die Kinder erhalten somit im Ergebnis 418 DM und 507 DM. Da diese Beträge die Mindestbeträge (495–135 = 360 DM und 600–135 = 465 DM) übersteigen, ist das staatliche Kindergeld teilweise anzurechnen. Die Kinder erhalten daher im Ergebnis (nach der Anrechnungstabelle) 360 DM (418–58) und 465 DM (507–42).

VI.

Sonstige Unterhaltsansprüche

1.

Elternunterhalt

 

Der erweiterte große Selbstbehalt des gegenüber seinen Eltern unterhaltspflichtigen Kindes beträgt monatlich mindestens 1.250 EUR (einschließlich 440 EUR Warmmiete). Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt mindestens monatlich 950 EUR (einschließlich 330 EUR Warmmiete).

2.

Unterhaltsansprüche nichtehelicher Eltern

 

Bei Unterhaltsansprüchen nichtehelicher Eltern gem. § 1615 l BGB richtet sich der Bedarf nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt in der Regel monatlich mindestens 840 EUR.

 

Der angemessene Selbstbehalt des nach § 1615 l BGB unterhaltspflichtigen Elternteils beträgt mindestens monatlich 1.000 EUR.

 

Der angemessene Selbstbehalt des nach § 1615 l BGB unterhaltspflichtigen Elternteils beträgt mindestens monatlich 1.000 EUR.

3.

Der Wohnanteil im Selbstbehalt dieser beiden Anspruchsgruppen kann auf Grund konkreter Darlegung angemessen erhöht werden.

VII.

Altfälle

 

Wegen der Altfälle nach Ehegesetz und FGB/DDR wird auf die früheren Unterhaltsgrundsätze verwiesen.