OLG Frankfurt am Main: Unterhaltsgrundsätze (Stand: 01.07.2010)
Präambel
Die von den Richtern der Familiensenate des für ganz Hessen zuständigen OLG Frankfurt am Main erarbeiteten Grundsätze beruhen auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und sollen im Interesse der Einheitlichkeit und Überschaubarkeit Orientierungslinien für die Praxis geben. Sie orientieren sich an der bundeseinheitlichen Leitlinienstruktur und lehnen sich, soweit inhaltlich übereinstimmend, an den Wortlaut der Süddeutschen Leitlinien an.
Sie binden den Richter nicht; dieser wird in eigener Verantwortung die angemessenen Lösungen des Einzelfalls finden müssen.
Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist eingearbeitet. Die Erläuterungen werden durch nachfolgende Grundsätze ersetzt.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
1. Geldeinnahmen
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2. Sozialleistungen
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3. Kindergeld Kindergeld wird nicht zum Einkommen der Eltern gerechnet (vgl. Nr. 14). |
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4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. |
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5. Wohnwert Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert die berücksichtigungsfähigen Finanzierungslasten, erforderliche Instandhaltungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter gem. § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 BetrKV nicht belastet werden kann (vgl. dazu BGH, FamRZ 2009, 1300 ff., 1303), übersteigt. Auszugehen ist vom vollen Mietwert (objektiver Wohnwert). Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre (subjektiver Wohnwert). Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zum endgültigen Scheitern der Ehe (BGH, FamRZ 2008, 963 ff.) in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt. Als Untergrenze für den subjektiven Wohnwert ist der Kaltmietanteil im kleinen Selbstbehalt anzusetzen. Bei höherem Einkommen ist der Wohnwert angemessen zu erhöhen. Finanzierungslasten mindern den Wohnwert, soweit sie tatsächlich durch Ratenzahlungen bedient werden. Tilgungsleistungen sind bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts solange zu berücksichtigen, wie der berechtigte Ehegatte am Vermögenszuwachs teilhat. Nach diesem Zeitpunkt mindern neben den Zinszahlungen die Tilgungsleistungen den Wohnwert nur dann, wenn weder Veräußerung noch Tilgungsaussetzung oder Tilgungsstreckung möglich sind. Soweit Tilgungsleistungen danach unberücksichtigt bleiben, können sie als zusätzliche angemessene Altersvorsorge berücksichtigt werden (bis zu 4 % bei Ehegatten- und Kindesunterhalt, bis zu 5 % bei Elternunterhalt). Beim Kindesunterhalt gilt dafür im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab. Im absoluten Mangelfall sind Tilgungsleistungen in der Regel nicht zu berücksichtigen. |
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6. Haushaltsführung Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen, vgl. BGH, FamRZ 1995, 343 f., 344; bei Haushaltsführung durch einen Nichterwerbstätigen geschieht das in der Regel mit einem Betrag von 380 €. |
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7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. |
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8. Freiwillige Zuwendungen Dritter Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht. Keine freiwilligen Zuwendungen Dritter sind Leistungen, die einem Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts zufließen. Zum Wohnen im Haus seines Ehegatten, mit dem die Lebensgemeinschaft besteht, vgl. BGH, FamRZ 2008, 968 ff., 974, Rdnr. 57. |
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9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion Einkommen können im Fall einer eingeschränkten oder fehlenden Leistungsfähigkeit auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen), wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt. Im Rahmen dieser nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden Erwerbsobliegenheit, die gegenüber minderjährigen oder ihnen gleichgestellten Kindern nach Maßgabe des § 1603 BGB gesteigert ist, bedarf es bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Darlegung, dass die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise selbst unter Berücksichtigung zumutbarer Arbeitsplatz-, Berufs- oder Ortswechsel bestmöglich eingesetzt wird. Zum Umfang der Obliegenheit im Einzelnen vgl. BGH, FamRZ 2009, 314, 317. Bei Arbeitslosigkeit sind hinreichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle und etwaige Tatsachen zur berechtigten Beendigung eines bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses darzulegen; dabei bedarf es über die Meldung bei der Agentur für Arbeit hinaus einer nachprüfbaren und belegten Darstellung der ohne Erfolg gebliebenen Bemühungen unter Angabe zu Zeitpunkt, Inhalt und Ergebnis der erfolgten Bewerbungen, die sich im Zweifel auch auf nicht der eigenen Berufsausbildung entsprechende Stellen zu erstrecken haben; der Hinweis auf die Arbeitsmarktlage macht den Nachweis dieser Bemühungen regelmäßig nicht entbehrlich. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Arbeitsbemühungen gehen zu Lasten des Arbeitsuchenden. Bei unzureichenden Bemühungen um einen Arbeitsplatz können bei einer objektiv feststellbaren realen Beschäftigungschance fiktive Einkünfte nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere auch Lohnstruktur und Mindestlöhne, und der persönlichen Eigenschaften des Arbeitsuchenden, insbesondere Alter, Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand, Geschlecht u. ä., zugrunde gelegt werden; die Feststellung der realen Beschäftigungschance ist auch bei Inanspruchnahme auf den Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes nicht entbehrlich (vgl. BVerfG, FamRZ 2010, 793). |
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10. Bereinigung des Einkommens
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Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt) Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ohne Bedarfskontrollbeträge (Anhang 1). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts geltend gemacht werden.
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Verrechnung des Kindergeldes Es wird nach § 1612b BGB ausgeglichen. Bei volljährigen Kindern vgl. auch BGH, FamRZ 2006, 99 f. (Zur Verrechnung bei Minderjährigen nach § 1612b Abs. 5 BGB a.F. in Altfällen, d.h. für die bis zum 31.12.2007 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche, siehe die Verrechnungstabelle Anhang 2 zu den Unterhaltsgrundsätzen i.d.F. vom 01.07.2005.) |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf Der Unterhaltsanspruch eines bedürftigen Ehegatten (§§ 1361, 1569 ff. BGB) besteht in dem Unterschiedsbetrag zwischen seinem eheangemessenen Bedarf und seinen tatsächlich erzielten oder zurechenbaren Einkünften im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
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16. Bedürftigkeit Eigene (erzielte oder zurechenbare) Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist. |
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17. Erwerbsobliegenheit
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Weitere Unterhaltsansprüche
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Erleidet dieser einen konkreten Verdienstausfall, ist er auch für den Unterhalt zu Grunde zu legen. Der Mindestbedarf entspricht in der Regel dem notwendigen Selbstbehalt für nicht Erwerbstätige (770 €). Bezüglich der Erwerbsobliegenheit und Dauer des Anspruchs gilt Nr. 17.1 entsprechend. |
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19. Elternunterhalt Der Bedarf bemisst sich nach der eigenen Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils, wobei nachteilige Veränderungen der Lebensverhältnisse wie sie regelmäßig mit dem Eintritt in den Ruhestand einhergehen, zu berücksichtigen sind. Auch bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ist die Untergrenze des Bedarfs so zu bemessen, dass das Existenzminimum sichergestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2003, FamRZ 2003, 860 ff.). Bei einem Heimaufenthalt wird der Bedarf durch die dadurch anfallenden Kosten einschließlich der für die privaten Bedürfnisse gewährten Leistungen nach dem SGB XII bestimmt (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1370 ff.). |
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20. Lebenspartnerschaft Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
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22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
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23. Mangelfall
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Sonstiges
24. Rundung Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden. |
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25. Ost-West-Fälle Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf das Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltsätzen. |
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26. Übergangsregelung Für bis zum 31.12.2007 fällig gewordene Unterhaltsansprüche gilt das bis dahin geltende Recht. |
Anhang
I. Düsseldorfer Tabelle (Stand 01.01.2010)
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen |
Prozentsatz |
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0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
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Alle Beträge in Euro |
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1. |
bis |
1.500 |
317 |
364 |
426 |
488 |
100 |
|
2. |
1.501 |
– |
1.900 |
333 |
383 |
448 |
513 |
105 |
3. |
1.901 |
– |
2.300 |
349 |
401 |
469 |
537 |
110 |
4. |
2.301 |
– |
2.700 |
365 |
419 |
490 |
562 |
115 |
5. |
2.701 |
– |
3.100 |
381 |
437 |
512 |
586 |
120 |
6. |
3.101 |
– |
3.500 |
406 |
466 |
546 |
625 |
128 |
7. |
3.501 |
– |
3.900 |
432 |
496 |
580 |
664 |
136 |
8. |
3.901 |
– |
4.300 |
457 |
525 |
614 |
703 |
144 |
9. |
4.301 |
– |
4.700 |
482 |
554 |
648 |
742 |
152 |
10. |
4.701 |
– |
5.100 |
508 |
583 |
682 |
781 |
160 |
über 5.101 € |
nach den Umständen des Falls |
II. Umrechnung dynamischer Titel über Kindesunterhalt in Mindestunterhalt gem. § 36 Abs. 3 EGZPO
Siehe Düsseldorfer Tabelle unter E.
Während die dort errechneten Prozentsätze unverändert bleiben, müssen die ausgewiesenen Zahlbeträge für 2009 erstmals geändert werden, vgl. Diehl, FamExpress (Deubner-Verlag), Heft 2/2009, aufrufbar bei www.hefam.de unter Unterhaltsgrundsätze/Arbeitspapier, Anhang II, oder in der „Chronik“ 2009-01-06.
Aufgrund der erneuten Erhöhung des Mindestunterhalts und des Kindergeldes zum 01.01.2010 ergeben sich folgende Zahlbeträge:
Beispiel 1 für 2010:
317 x 97,8 % = aufgerundet 311 €, abzüglich hälftiges Kindergeld 92 € = 219 €.
Beispiel 2 für 2010:
317 x 70,2 % = aufgerundet 223 € zuzüglich hälftiges Kindergeld 92 € = 315 €.
Beispiel 3 für 2010:
364 x 102,7 % = aufgerundet 374 € abzüglich volles Kindergeld 184 € = 190 €.
Beispiel 4 für 2010:
426 x 111,2 % = aufgerundet 474 € abzügl. hälftiges Kindergeld 92 € = 382 €.
III. Rechenbeispiele
Absoluter Mangelfall (für 2010 gerechnet)
Der Verpflichtete M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.580 €. Unterhaltsberechtigt sind ein 18-jähriges Kind K1, das bei der Mutter lebt und auf's Gymnasium geht, und die beiden minderjährigen Kinder K2 (14 Jahre) und K3 (10 Jahre), die von der Mutter betreut werden. Das Kindergeld von 558 € (184 € + 184 € + 190 €) wird an die Mutter ausbezahlt, deren sonstiges Einkommen unter 770 € liegt.
Unterhaltsberechnung gemäß Nr. 23.1: Mangels Leistungsfähigkeit der Mutter alleinige Barunterhaltspflicht von M für alle Kinder. M erzielt zwar ein Einkommen nach der 2. Einkommensgruppe, ist aber bei drei Berechtigten in die 1. Einkommensgruppe einzustufen. Da ersichtlich ein Mangelfall vorliegt, ist das außerdem auch bereits deshalb der Fall.
Mindestbedarf K1: 488 € (Düsseldorfer Tabelle Gruppe 1, 4. Altersstufe) – 184 € Kindergeld => offener Bedarf = Einsatzbetrag 304 €
Mindesunterhalt K2: 426 € – 92 € hälftiges Kindergeld => offener Bedarf = Einsatzbetrag 334 €
Mindesunterhalt K3: 364 € – 95 € hälftiges Kindergeld => offener Bedarf = Einsatzbetrag 269 €
Summe der Einsatzbeträge: 304 € + 334 € + 269 € = 907 €
Verteilungsmasse:
1.580 € – 900 € = 680 €
Prozentuale Kürzung:
680/907 x 100 = 74,97 %
Berechnung der gekürzten Unterhaltsansprüche:
K1: 304 € x 74,97 % = 228 €; zum Leben verfügbar also 228 € + 184 € = 412 €;
K2: 334 € x 74,97 % = 251 €; zum Leben verfügbar also 251 € + 92 € = 343 €;
K3: 269 € x 74,97 % = 202 €; zum Leben verfügbar also 202 € + 95 € = 297 €.
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