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OLG Schleswig: Leitlinien

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand: 01.01.2010)

Vorbemerkung

Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts dienen nur als Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Sie beruhen auf Erfahrungswerten, gewonnen aus typischen Sachverhalten, und sollen zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts beitragen. Sie haben keine bindende Wirkung und können eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtschau nicht ersetzen.

Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen. Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).

1. Geldeinnahmen

1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Weihnachts-, Urlaubsgeld, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen sowie anderer Zulagen.

1.2 Leistungen, die nicht monatlich anfallen, werden auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen sind auf einen angemessenen Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) zu verteilen.

1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4 Ersatz für Spesen, Reisekosten und Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Die Ersparnis wird in der Regel mit einem Drittel bewertet und (außer Fahrtkostenersatz) insoweit dem Einkommen hinzugerechnet.

1.5 Bei Selbständigen (insbesondere Unternehmer, freiberuflich Tätige) wird das Einkommen nach Wirtschaftsjahren ermittelt. Steuerliche Belastungen werden grundsätzlich nur in dem tatsächlich entrichteten Umfange abgezogen, und zwar unabhängig davon, für welches Veranlagungsjahr sie angefallen sind. Für die Bemessung von zukünftigem Unterhalt ist grundsätzlich auf das Durchschnittseinkommen von drei Wirtschaftsjahren abzustellen, wobei dieser Zeitraum von dem letzten Jahr an zurückgerechnet wird, für welches ausreichende Einkommensunterlagen vorliegen; für in der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume ist auf das in dieser Zeit erzielte Einkommen abzustellen (Jahresdurchschnitt). Bei erheblich schwankenden Einkünften kann auch ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

Abschreibungen auf betriebliche Wirtschaftsgüter (Absetzung für Abnutzung: Afa) stehen in der Regel entsprechende Ausgaben für Betriebsmittel gegenüber; sie sind deshalb grundsätzlich gewinnmindernd abzusetzen. Soweit die zulässigen steuerlichen Absetzungsbeträge erheblich über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen (etwa bei Gebäuden), können sie in diesem Umfang unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden.

Für das Einkommen eines Selbstständigen ist grundsätzlich sein Gewinn maßgebend. Ausnahmsweise kann auf seine Privatentnahmen abgestellt werden, soweit sie Ausdruck eines nicht durch Verschuldung finanzierten Lebensstandards sind.

1.6 Zum Einkommen zählen auch Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, wobei die Einkünfte grundsätzlich auf das Jahr umgelegt werden.

1.7 Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben auch die Steuererstattungen außer Betracht.

1.8 Zum Einkommen zählen auch sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder).

2. Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:

2.1 Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III) und Krankengeld.

2.2 Arbeitslosengeld II (§§ 1932 SGB II) beim Verpflichteten; beim Unterhaltsberechtigten ist das Arbeitslosengeld II subsidiär (§ 33 SGB II).

2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5 Erziehungsgeld/Elterngeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz/§ 11 Satz 1 Bundeselterngesetz.

2.6 Leistungen aus Unfall- und Versorgungsrenten nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8 Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 Beim Verwandtenunterhalt in der Regel Leistungen zur Grundsicherung ( §§ 4143 SGB XII ).

2.10 Sonstige Sozialhilfe nach SGB XII zählt nicht zum Einkommen.

2.11 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zählen nicht zum Einkommen.

3. Kindergeld

Kindergeld mindert den Unterhaltsbedarf der Kinder nach Maßgabe des § 1612b BGB und unterstützt den betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistungen. Es stellt kein Einkommen des Bezugsberechtigten dar.

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und jene verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt.

Während des Getrenntlebens ist zunächst regelmäßig die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, sind Ausnahmen von der Berücksichtigung des vollen Mietwertes grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt (BGH, NJW 2008, 1946 ff.).

6. Haushaltsführung

Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, FamRZ 2006, 846).

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

Wer unter leichtfertigem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung bzw. Obliegenheit eine Erwerbsquelle nicht in zumutbarem Umfang nutzt, muss sich das erzielbare Einkommen zurechnen lassen.

Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen bis zu dem Zeitpunkt fiktiv zuzurechnen, zu dem er aus anderem, nicht vorwerfbarem Grund die Arbeitsstelle verloren hätte (BGH, NJW 2008, 1525 ff.).

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

10.2 Berufsbedingte Aufwendungen

10.2.1 Notwendige berufsbedingte Aufwendungen werden vom Einkommen nur abgezogen, soweit sie konkret nachgewiesen sind. Eine Pauschale wird nicht gewährt.

10.2.2 Für Fahrten zum Arbeitsplatz werden die Kosten einer Pkw-Benutzung mit einer Kilometerpauschale von 0,30 € (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG) für die ersten 30 Entfernungskilometer, für die weiteren Entfernungskilometer mit 0,20 € berücksichtigt.

Berechnungsbeispiel:

Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz: 50 km. Berechnung:

30 km x 2 x 0,30 € x 220 ArbTage : 12 Monate = 330,00 € +

20 km x 2 x 0,20 € x 220 ArbTage : 12 Monate = 146,67 €

Gesamtkosten: 476,67 €

Überschreiten die Fahrtkosten 15 % des Nettoeinkommens, muss dargelegt werden, weshalb die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.

Neben der Kilometerpauschale können Finanzierungskosten für die Anschaffung des Pkw regelmäßig nicht angesetzt werden.

10.2.3 Bei Auszubildenden wird auf die Ausbildungsvergütung ein Abzug eines Pauschalbetrages von 90 € angerechnet. Diese Pauschale deckt in der Regel den allgemeinen und ausbildungsbedingten Mehrbedarf mit Ausnahme von Fahrtkosten.

10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist.

10.4 Angemessene Tilgungsraten auf Schulden, die auf das eheliche Zusammenleben zurückzuführen sind oder die durch die Auflösung der Ehe unabwendbar entstanden sind, werden in der Regel einkommensmindernd berücksichtigt. Unverhältnismäßig hohe Kosten für die Ehewohnung (auch Einfamilienhaus) sind nur für eine Übergangszeit nach der Trennung abzusetzen.

Soweit der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht gewahrt ist, hat der Schuldendienst so weit wie möglich und zumutbar zurückzustehen. Für minderjährige Kinder soll möglichst der Mindestunterhalt gesichert bleiben. Im Einzelfall sind in eine umfassende Interessenabwägung unter Billigkeitsgrundsätzen die Belange der Unterhaltsberechtigten, des Unterhaltsschuldners (insbesondere sein Interesse an der Verhinderung einer wachsenden Verschuldung) wie auch der Fremdgläubiger einzubeziehen.

Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Verpflichtung zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt eines minderjährigen Kindes sicherzustellen (vgl. BGH, NJW 2005, 1279 ff.).

Sind einkommensmindernd anzusetzende Schulden bereits Gegenstand einer Auseinandersetzung über einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB, sind sie für die Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen.

10.5 Unterhaltsleistungen (Zahlbeträge) an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen.

10.6 Die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers und die Arbeitnehmer-Sparzulage gehören nicht zum Einkommen. Der vermögenswirksam gesparte Betrag mindert nicht das anrechenbare Einkommen.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I.).

11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer geringeren oder größeren Zahl von Unterhaltsberechtigten ist in der Regel um eine Stufe herauf- oder herabzustufen.

In den oberen Gruppen kann im Einzelfall insbesondere aus kindgerechten Gründen eine Bedarfsbegrenzung angezeigt sein.

Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten verbleibende Einkommen nicht den für die Tabellengruppe ausgewiesenen Bedarfskontrollbetrag, so kann so weit herabgestuft werden, dass dem Unterhaltsschuldner der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Die Freistellung vom Barunterhalt durch die Pflege und Erziehung eines Kindes nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt nur für den allgemeinen Tabellenunterhalt. Solange der Betreuungsschwerpunkt bei einem Elternteil liegt, ist der allgemeine Barunterhalt nur vom anderen Elternteil aufzubringen (vgl. BGH, NJW 2007, 1882 ff.).

12.2 Eigenes Einkommen des minderjährigen Kindes wird auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes mit Rücksicht auf die Betreuungslast des anderen Elternteils nach Billigkeit angerechnet.

Arbeitseinkünfte geringen Umfangs (z.B. Ferienjobs) oder aus unterhaltsrechtlich nicht gebotener Tätigkeit bleiben unberücksichtigt.

12.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, wird der Bedarf minderjähriger Kinder im Verhältnis zu dem Elternteil, der den Barunterhalt zu leisten hat, in der Regel allein nach seinem Einkommen ermittelt. Ausnahmsweise kann der betreuende Elternteil zur Barunterhaltsleistung entlastend herangezogen werden, wenn sein Einkommen das des anderen Elternteils wesentlich übersteigt. Die Entlastung wird dann nach den Umständen des Einzelfalles bemessen.

12.4 Zusätzlichen Bedarf eines minderjährigen Kindes (z.B. Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) haben beide Eltern entsprechend ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen zu decken (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).

13. Volljährige Kinder

13.1 Für den Unterhalt volljähriger Kinder gilt Folgendes:

Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils, so ist sein Bedarf grundsätzlich der Unterhaltstabelle zu entnehmen.

Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils, so ist zu unterscheiden:

-

Der Unterhaltsbedarf eines Studierenden beträgt in der Regel 640 € (ab 01.07.2007). Für die Vorjahre wird auf die von der Düsseldorfer Tabelle aufgeführten Beträge verwiesen. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind hierin nicht enthalten.

-

Für andere Kinder kann bei eigenem Haushalt derselbe Betrag zugrunde gelegt werden; dann entfallen der Freibetrag (s. Nr. 10.2.3) und andere Absetzungen für berufsbedingte Aufwendungen.

Für die Vorjahre wird auf die vorangegangenen Düsseldorfer Tabellen verwiesen.

13.2 Sämtliche Einkünfte (auch BAföG-Darlehen) werden auf den Bedarf volljähriger Kinder angerechnet.

13.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, ergibt sich der Bedarf volljähriger Kinder, soweit dafür die Tabelle maßgebend ist, grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern, jedoch ist wegen doppelter Haushaltsführung in der Regel um eine Stufe herabzustufen.

Den offenen Bedarf haben die Eltern anteilig zu decken, und zwar grundsätzlich im Verhältnis ihrer Einkommen zueinander. Dabei werden nur die Einkommensteile zueinander ins Verhältnis gesetzt, die jeweils über dem angemessenen Selbstbehalt liegen, und zwar nach Abzug vorrangiger Unterhaltspflichten.

Bei sog. privilegiert volljährigen Kindern sind die bereinigten Einkünfte oberhalb des notwendigen Selbstbehalts maßgebend (BGH, FamRZ 2007, 542 ff.).

Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen gemäß der Unterhaltstabelle ergibt.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB angerechnet.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Wird nach Trennung oder Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen oder erweitert, die an die Stelle einer bisherigen ehelichen Tätigkeit tritt (Surrogat), so gilt das (Mehr-)Einkommen als prägend (vgl. BGH, FamRZ 2001, 986 ff.). Dabei ist die nacheheliche Entwicklung des Unterhaltspflichtigen schon bei der Bedarfsentwicklung zu berücksichtigen, soweit sie – bei Einkommensverbesserungen – die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt haben und – bei Einkommensminderungen – nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten beruhen oder durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst sind und von diesem durch zumutbare Vorsorge hätten aufgefangen werden können (vgl. BGH, NJW 2006, 1654 ff.). Die Ersparnis durch eine Haushaltsgemeinschaft kann nach den Umständen des Einzelfalles bedarfsmindernd berücksichtigt werden.

15.2 Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten bestimmt sich zu 3/7 des Arbeitseinkommens des Unterhaltsverpflichteten, falls der Unterhaltsberechtigte kein eigenes Einkommen erzielt, oder zu 3/7 des Unterschiedsbetrages der Arbeitseinkommen des Verpflichteten und des Berechtigten (Differenzmethode).

Sonstiges Einkommen (z.B. Renten, Abfindungen und Kapitalerträge) ist hälftig zu teilen, falls nicht eine Herabsetzung dieser hälftigen Beteiligung durch besondere Gründe gerechtfertigt erscheint. Erträge aus ererbtem Vermögen prägen die ehelichen Lebensverhältnisse nur, soweit sie bereits zum Unterhalt der Familie zur Verfügung standen, also den Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB beeinflussten (vgl. BGH, FamRZ 2006, 387, 390).

Unterhaltsleistungen für vorrangig Berechtigte sind mit dem Zahlbetrag abzuziehen.

15.3 Der rechnerische Anspruch auf Unterhalt wird begrenzt durch den vollen Unterhalt, gemessen an den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Bei höheren Einkommen bleiben Teile, die regelmäßig und in angemessenem Umfang zur Vermögensbildung verwandt worden sind, grundsätzlich unberücksichtigt.

15.4 Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind wie die eigenen Aufwendungen für angemessene Vorsorge grundsätzlich auch solche abzusetzen, die er für den Berechtigten und gemeinsame Kinder aufbringt.

Der Elementarunterhalt hat bis zur Höhe des Mindestbedarfs Vorrang vor dem Altersvorsorgeunterhalt.

Die Kosten für die angemessene Vorsorge für Alter, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit errechnen sich in folgenden Stufen:

a)

der an sich geschuldete Elementarunterhalt wird mit Hilfe der sog. Bremer Tabelle auf ein fiktives Bruttoeinkommen hochgerechnet.

b)

Danach bemessen sich unter Anwendung des Beitragssatzes, der jeweils für die gesetzliche Rentenversicherung gilt, die Vorsorgekosten.

c)

Sie werden von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen vorweg abgesetzt. Danach wird der Elementarunterhalt endgültig festgesetzt.

15.5 nicht belegt

16. nicht belegt

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 Die erst nach Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes einsetzende Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ist nach einheitlichem Maßstab für die Unterhaltsansprüche aus § 1570 BGB und § 1615l Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung verlässlicher und zumutbarer Fremdbetreuungsmöglichkeiten sowie kind- und elternbezogener Gründe im Einzelfall zu konkretisieren.

Im Rahmen der elternbezogenen Gründe ist u.a. zu berücksichtigen, ob die geschiedene Ehe oder die gelebte Familie für den Unterhaltsberechtigten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und ob eine Erwerbstätigkeit neben der Betreuung zu einer überobligatorischen Belastung des Unterhaltsberechtigten führen würde (BGH, FamRZ 2008, 1739 ff.). Der nachvollziehbaren Einschätzung der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes durch den betreuenden Elternteil kommt ein besonderes Gewicht zu.

In der Regel ist die vom alleinbetreuenden Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahres des (jüngsten) Kindes tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit mit den Belangen des Kindes vereinbar.

Stehen weder kind- noch elternbezogene Belange entgegen, hat der betreuende Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahres des (jüngsten) Kindes bis zum Ablauf von dessen drittem Grundschuljahr grundsätzlich geringfügig bis halbschichtig, vom vierten Grundschuljahr bis zum Ablauf des siebten Schuljahres des Kindes grundsätzlich halbschichtig und ab dem achten Schuljahr des Kindes jedenfalls zu 75 % bis vollschichtig erwerbstätig zu sein.

Werden mehrere minderjährige Kinder betreut, bestimmt sich die Erwerbsobliegenheit nach den Umständen des Einzelfalls.

17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes richtet sich grundsätzlich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Diese Lebensstellung kann auch aus den ehelichen Lebensverhältnissen einer bestehenden oder geschiedenen Ehe oder aus einem längeren nichtehelichen Zusammenleben hergeleitet werden (vgl. BGH, FamRZ 2007, 1303). Die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt.

19. Elternunterhalt

Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt

21.1 Ausgangspunkt ist das anrechenbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern gilt der notwendige Selbstbehalt gem. § 1603 Abs. 2 BGB. Gegenüber Ehegatten und volljährigen Kindern ist dem Unterhaltspflichtigen der angemessene Selbstbehalt gem. § 1603 Abs. 1, § 1581 Satz 1 BGB zu belassen. Im notwendigen und angemessenen Selbstbehalt sind bis zu 400 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

21.2 Der notwendige Selbstbehalt beträgt bei nicht Erwerbstätigen 770 €, bei Erwerbstätigen 900 €.

21.3 Der angemessene Selbstbehalt beträgt 1.000 €.

21.3.1 Gegenüber Ansprüchen aus § 1615l BGB gilt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.2 Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt mindestens 1.400 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt (vgl. BGH, NJW 2006, 3344 ff.).

21.4 Ehegattenunterhalt ist nur aus dem Einkommen oberhalb des angemessenen Selbstbehalts zu leisten.

21.5 nicht belegt

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten.

22.1 nicht belegt

22.2 Ist bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder der Unterhaltspflichtige verheiratet, wird für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten im Regelfall ein notwendiger Eigenbedarf in Höhe von 800 € angesetzt.

22.3 Ist bei Unterhaltsansprüchen von Eltern oder Enkeln der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten mindestens 1.050 € angesetzt.

23. Mangelfall

23.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zur Deckung seines Selbstbehalts und der Unterhaltsansprüche der gleichrangigen Berechtigten nicht ausreicht. Für diesen Fall ist die nach Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.

23.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich

23.2.1 bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern nach den jeweiligen Zahlbeträgen der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle

23.2.2 bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten und bei mit dem Pflichtigen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, sowie bei nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten nach ihren jeweiligen ungedeckten Bedarfsbeträgen.

23.3 Die prozentuale Kürzung berechnet sich nach der Formel:

K = V : S x 100

K = prozentuale Kürzung

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalts)

23.4 nicht belegt

Sonstiges

24. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

25. Ost-West-Fälle

Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen.

Anhang:

I. Düsseldorfer Tabelle: (alle Beträge in Euro)

 

Einkommensgruppen

ab 18

 

Bedarfskontrollbetrag Nr. 11.2.2

 

Anrechenbares Einkommen des Pflichtigen

0–5 (Geburt bis 6.Geburtstag)

6–11 (6. bis 12. Geburtstag)

12–17 (12. bis 18. Geburtstag)

ab 18

1

bis 1500

317

364

426

488

100 %

770/900

2

1501 – 1900

333

383

448

513

105 %

1000

3

1901 – 2300

349

401

469

537

110 %

1100

4

2301 – 2700

365

419

490

562

115 %

1200

5

2701 – 3100

381

437

512

586

120 %

1300

6

3101 – 3500

406

466

546

625

128 %

1400

7

3501 – 3900

432

496

580

664

136 %

1500

8

3901 – 4300

457

525

614

703

144 %

1600

9

4301 – 4700

482

554

648

742

152 %

1700

10

4701 – 5100

508

583

682

781

160 %

1800

 

über 5100 nach den Umständen des Falles

II. Kindergeldanrechnungstabelle:

Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. bis 2. Kind beträgt das Kindergeld derzeit 184 €, für das 3. Kind 190 €, ab dem 4. Kind 215 €.

1. und 2. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

 

 

bis 1.500

225

272

334

304

100

2.

1.501

1.900

241

291

356

329

105

3.

1.901

2.300

257

309

377

353

110

4.

2.301

2.700

273

327

398

378

115

5.

2.701

3.100

289

345

420

402

120

6.

3.101

3.500

314

374

454

441

128

7.

3.501

3.900

340

404

488

480

136

8.

3.901

4.300

365

433

522

519

144

9.

4.301

4.700

390

462

556

558

152

10.

4.701

5.100

416

491

590

597

160

3. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

 

 

bis 1.500

222

269

331

298

100

2.

1.501

1.900

238

288

353

323

105

3.

1.901

2.300

254

306

374

347

110

4.

2.301

2.700

270

324

395

372

115

5.

2.701

3.100

286

342

417

396

120

6.

3.101

3.500

311

371

451

435

128

7.

3.501

3.900

337

401

485

474

136

8.

3.901

4.300

362

430

519

513

144

9.

4.301

4.700

387

459

553

552

152

10.

4.701

5.100

413

488

587

591

160

Ab 4. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

 

 

bis 1.500

209,50

256,50

318,50

273

100

2.

1.501

1.900

225,50

275,50

340,50

298

105

3.

1.901

2.300

241,50

293,50

361,50

322

110

4.

2.301

2.700

257,50

311,50

382,50

347

115

5.

2.701

3.100

273,50

329,50

404,50

371

120

6.

3.101

3.500

298,50

358,50

438,50

410

128

7.

3.501

3.900

324,50

388,50

472,50

449

136

8.

3.901

4.300

349,50

417,50

506,50

488

144

9.

4.301

4.700

374,50

446,50

540,50

527

152

10.

4.701

5.100

400,50

475,50

574,50

566

160

III. Umrechnung nach früherem Recht erstellter dynamischer Unterhaltstitel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO:

Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 01.01.2008). Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.

Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:

a) Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

Kontrollberechnung

(196 € + 77 €)

x 100 = 97,8 %

279 € x 97,8 % = 272,86 €, ger. 273 €

279 €

Zahlbetrag 273 € – 77 € = 196 €

b) Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.

Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 1. Altersstufe

Kontrollberechnung

(273 € – 77 €)

x 100 = 70,2 %

279 € x 70,2 % = 195,85 €, ger. 196 €

279 €

Zahlbetrag 196 € + 77 € = 273 €

c) Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor

Zahlbetrag – 1/1 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 2. Altersstufe

Kontrollberechnung

(177 € + 154 €)

x 100 = 102,7 %

322 € x 102,7 % = 330,69 €, ger. 331 €

322 €

Zahlbetrag 331 € – 154 € = 177 €

d) Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor.

Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld

x 100 = Prozentsatz neu

Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe

Beispiel 3. Altersstufe

Kontrollberechnung

(329 € + 77 €)

x 100 = 111,2 %

365 € x 111,2 % = 405,88 €, ger. 406 €

365 €

Zahlbetrag 406 € – 77 € = 329 €.