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Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Naumburg

Stand: 01.07.2003



 

Vorbemerkung



Die Familiensenate des Oberlandesgerichts Naumburg verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall, um in praktisch bedeutsamen Unterhaltsfragen zu einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung zu gelangen. Die Angemessenheit des Ergebnisses bleibt in jedem Einzelfall zu prüfen.



Die Leitlinien beruhen formell auf der bundeseinheitlichen Leitlinienstruktur und folgen inhaltlich im Wesentlichen, mit Abweichungen im Detail, den Süddeutschen Leitlinien. Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle – ohne Bedarfskontrollbetrag und vierte Altersstufe – und der Berliner Tabelle als Vortabelle ist als Anlage eingearbeitet. Die Anmerkungen zu den jeweiligen Tabellen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.



I. Unterhaltsrechtliches Einkommen

 

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es sich um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt handelt und ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht identisch mit dem Einkommen im steuerrechtlichen Sinne.

 

1.

Geldeinnahmen

1.1

Regelmäßiges Bruttoeinkommen einschl. Renten und Pensionen

 

Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie anderer Zulagen.

1.2

Unregelmäßiges Einkommen

 

Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen, werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) zu verteilen.

1.3

Überstunden

 

Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

 

Unabhängig davon sind sie stets zu berücksichtigen, soweit dies zur Deckung des Mindestunterhalts nach der niedrigsten Einkommensgruppe für minderjährige Kinder und privilegierte volljährige Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlich ist.

1.4

Spesen und Auslösungen

 

Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen.

 

Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden.

1.5

Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit

 

Bei Ermittlung des zukünftigen Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen.

1.6

Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen

 

Auszugehen ist von den Einnahmen abzüglich notwendiger Ausgaben. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

1.7

Steuererstattungen

 

Steuererstattungen sind in der Regel im Zahlungsjahr zu berücksichtigen und auf dieses umzulegen. Es besteht die Obliegenheit mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.

1.8

Sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder)

2.

Sozialleistungen

2.1

Arbeitslosengeld und Krankengeld

2.2

Arbeitslosenhilfe

 

Arbeitslosenhilfe ist beim Verpflichteten stets Einkommen und beim Berechtigten jedenfalls solange, bis dessen Unterhaltsansprüche nach Maßgabe des § 203 SGB III durch Anzeige der bewirkten Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Unterhaltspflichtigen auf den Bund übergegangen sind.

2.3

Wohngeld

 

Wohngeld ist grundsätzlich Einkommen (vgl. Nr. 21.5.4), nur insoweit nicht, als es erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4

BAföG

 

BAföG-Leistungen zählen zum Einkommen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden. Dies gilt nicht für Vorausleistungen nach den §§ 36, 37 BAföG.

2.5

Erziehungsgeld

 

Erziehungsgeld ist nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG als Einkommen zu berücksichtigen.

2.6

Unfall- und Versorgungsrenten

2.7

Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld u.ä.

 

Die Leistungen sind um einen Betrag für tatsächliche Mehraufwendungen zu kürzen: § 1610a BGB und die darauf verweisenden § 1578 und § 1361 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BGB sind insoweit zu beachten.

2.8

Pflegegeld

 

Einkommen ist der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9

Grundsicherungsgesetz

 

Beim Verwandtenunterhalt sind in der Regel Bezüge nach dem GSiG (BGBl 2001 I 1310, 1335) als Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen (vgl. §§ 1 und 2 GSiG).

2.10

Sozialhilf

 

Kein Einkommen wegen des Anspruchsübergangs nach § 91 BSHG ist die vom Unterhaltsberechtigten bezogene Sozialhilfe. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH FamRZ 1999, 843 bzw. 2001, 619).

2.11

Unterhaltsvorschuss

 

Kein Einkommen sind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein.

3.

Kindergeld

 

Kindergeld zählt nicht zum Einkommen. Es wird nach § 1612b BGB ausgeglichen.

4.

Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

 

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5.

Wohnwert

 

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

 

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst und erforderliche Instandhaltungskosten übersteigt.

Auszugehen ist vom vollen Mietwert (Nettokaltmiete). Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.

6.

Haushaltsführung

 

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen; dies gilt nicht im Falle der Haushaltsführung durch einen voll Erwerbstätigen.

7.

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

 

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8.

Freiwillige Zuwendungen Dritter

 

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn dies entspricht dem Willen des Dritten.

9.

Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

 

Einkommen können auch bei Arbeitslosigkeit des Unterhaltsverpflichteten aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktive Einkünfte).

10.

Bereinigung des Einkommens

10.1

Steuern und Vorsorgeaufwendungen

 

Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen). Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, für unstreitigen oder titulierten Unterhalt).

10.2

Berufsbedingte Aufwendungen

 

Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit abzuziehen.

10.2.1

Pauschale/Konkrete Aufwendungen

 

Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte kann eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen diese Pauschale oder liegt ein Mangelfall vor, so sind sie im einzelnen darzulegen.

10.2.2

Fahrtkosten

 

Für die notwendigen Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann der nach den Sätzen des § 9 III Nr. 1 ZSEG anzuwendende Betrag (derzeit 0,27 Euro) pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Damit sind i.d.R. Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskosten erfasst. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann nach unten abgewichen werden.

10.2.3

Ausbildungsaufwand

 

Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist vor ihrer Anrechung in der Regel um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 85,00 Euro zu kürzen.

10.3

Kinderbetreuung

 

Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann ein Kinderbetreuungsbonus angesetzt werden.

10.4

Schulden

 

Berücksichtigungswürdige Schulden (Zins und Tilgung) sind im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes in angemessenen Raten abzuziehen.

Beim Verwandtenunterhalt sowie bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit oder Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen.

 

Kann der Unterhaltsgläubiger den Regelbetrag minderjähriger Kinder nicht decken, sind schulden nur bis zur Höhe des pfändbaren Betrages nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen.

10.5

Unterhaltsleistungen

 

Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen; Unterhaltsleistungen an nachrangige Berechtigte sind angemessen zu berücksichtigen.

10.6

Vermögensbildung

 

Vermögensbildende Aufwendungen sind im angemessenen Rahmen abzugsfähig.

II

Kindesunterhalt

11.

Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

 

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Berliner Tabelle (zum Selbstbehalt Nr. 21 und zum Mangelfall Nr. 23).

 

Bei minderjährigen Kindern kann der Barunterhalt als Festbetrag oder gemäß § 1612a BGB als Vomhundertsatz des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung geltend gemacht werden.

11.1

Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

 

Die Tabellensätze enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2

Eingruppierung

 

Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind i.d.R. Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen.

12.

Minderjährige Kinder

12.1

Betreuungs-/Barunterhalt

 

Der Betreuungsunterhalt i.S. des § 1606 III 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt. Deshalb wird ein Einkommen des Kindes bei beiden Eltern ggfs. Nach Abzug eines ausbildungsbedingten Mehrbedarfs (vgl. 10.2.3) hälftig angerechnet.

12.2

Einkommen des Kindes

 

Einkommen des Kindes wird bei beiden Eltern hälftig angerechnet.

12.3

Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil

 

Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten, es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils (§ 1606 III 2 BGB), oder der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet (§ 1603 II 3 BGB). Im letzteren Fall kann jedoch nach der "Hausmann" - Rechtsprechung eine Haftung in Betracht kommen.

 

Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet – bei vergleichbarer wirtschaftlicher Lage ist insoweit hinsichtlich Bedarf und Bedürftigkeit des Kindes die Regelung für volljährige Auszubildende und Studenten entsprechend anzuwenden (Nr. 13) -, haften sie anteilig nach § 1606 III 1 BGB für den Gesamtbedarf (Nr. 13.3).

12.4

Zusatzbedarf

 

Bei Zusatzbedarf (Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 III 1 BGB (vgl. Nr. 13.3).

13.

Volljährige Kinder

13.1

Bedarf

13.1.1

Volljährige Schüler

 

Volljährige Schüler, die noch im Haushalt eines Elternteils wohnen, erhalten den Tabellenbetrag der dritten Altersstufe bis zur Beendigung der allgemeinen Schulausbildung, längstens bis zum 21. Lebensjahr.

13.1.2

Volljährige Auszubildende / Studenten

 

Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 550 Euro. Darin enthalten sind Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu 250 Euro, jedoch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

 

Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden. Wohnt der Auszubildende noch bei einem Elternteil ist von einem niedrigeren Betrag auszugehen.

 

Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3) ist der Bedarf des Kindes in der Regel nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Anwendung von Nr. 11.2) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3.

13.2

Einkommen des Kindes

 

Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen, vgl. Nr. 10.2.3) angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 II BGB entsprechend.

13.3

Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil

 

Die anteilige Barunterhaltspflicht beider Elternteile bestimmt sich nach Maßgabe des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB, geht jedoch für den einzelnen Elternteil nicht über den Unterhaltsbetrag hinaus, der sich allein nach seinem Einkommen aus der Unterhaltstabelle ergibt.

Vor der Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB ist das Nettoeinkommen jedes Elternteils gemäß Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem ist vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (1000 Euro) abzuziehen.

 

Der Haftungsanteil nach § 1606 III 1 BGB errechnet sich nach der Formel:

Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1000 Euro mal (Rest-)Bedarf (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + N2) abzüglich 2000 (=1000 + 1000) Euro.

Haftungsanteil 1 = (N1 - 1000) x R: (N1 + N2 - 2000).

 

Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden.

 

Bei volljährigen Schülern, die gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (vgl. Nr. 21.2) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann.

14.

Verrechnung des Kindergeldes

 

Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612b BGB auszugleichen.

III.

Ehegattenunterhalt

15.

Unterhaltsbedarf

15.1

Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen

 

Bei der Bedarfsbemessung dürfen nur eheprägendes Einkommen und grundsätzlich nur eheprägende Schulden voll berücksichtigt werden. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-) Einkommen als prägend (BGH FamRZ 2001, 986).

15.2

Halbteilung und Erwerbstätigenbonus

 

Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen).

Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind und hat dies die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Tabellenbetrag) bereinigt. Erbringt der Verpflichtete sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Nr. 10.3 entsprechend (BGH FamRZ 2001, 350).

15.3

Konkrete Bedarfsbemessung

 

Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.

15.4

Vorsorgebedarf / Zusatz- und Sonderbedarf

 

Werden Altervorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese vom dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. durch Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten auf seinen Bedarf.

15.5

Trennungsbedingter Mehrbedarf

 

Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden.

16.

Bedürftigkeit

 

Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist.

17.

Erwerbsobliegenheit

17.1

Erwerbsobliegenheit bei Kindesbetreuung

 

Die Erwerbsobliegenheit des Ehegatten, der minderjährige Kinder betreut, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist insbesondere auf die Zahl der Kinder und deren alter, auf etwaige Schulprobleme und andere Betreuungsmöglichkeiten abzustellen. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, solange ein Kind noch die Grundschule besucht und dass danach jedenfalls eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht kommt.

 

Geht der unterhaltsberechtigte Ehegatte über das an sich zumutbare Maß hinaus einer Erwerbstätigkeit nach, so richtet sich die Anrechenbarkeit seines dadurch erzielten Einkommens auf den Unterhaltsanspruch nach § 1577 Abs. 2 BGB.

17.2

Erwerbsobliegenheit bei Trennungsunterhalt

 

In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

IV.

Weitere Unterhaltsansprüche

18.

Ansprüche aus § 1615 l BGB

 

Der Bedarf der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils (§§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1610 BGB).

19.

Elternunterhalt

 

Für die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Eltern gilt ein erhöhter angemessener Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes gemäß § 1603 Abs. 1 BGB (vgl. Nr. 21.3.2)

 

Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen nach den GSiG zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).

20.

Lebenspartnerschaft

 

Für den Unterhalt bei Getrenntleben der Lebenspartner gilt § 4 LPartG und für den Unterhalt bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft § 16 LPartG.

V.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21.

Selbstbehalt

21.1

Grundsatz

 

Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 II BGB), dem angemessenen (§ 1603 I BGB), dem eheangemessenen (§§ 1361 I, 1578 I BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB). In dem jeweiligen Selbstbehalt sind unterschiedlich hohe Kosten für Unterkunft und Heizung enthalten (vgl. Nr. 21.5.2).

21.2

Notwendiger Selbstbehalt

 

Der notwendige Selbstbehalt gilt in allen Fällen als unterste Grenze.

 

Er beträgt

 

  • beim Nichterwerbstätigen 675 Euro im Osten und 730 Euro im Westen

 

  • beim Erwerbstätigen 775 Euro im Osten und 840 Euro im Westen.

 

Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 II 2 BGB gleichgestellten Kindern gilt im allgemeinen der notwendige Selbstbehalt.

21.3

Angemessener Selbstbehalt

 

Im übrigen gilt bei Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1

Volljährige Kinder, Enkel und Ansprüche aus § 1615 l BGB

 

Der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern, Enkeln und der Mutter oder dem Vater eines nichtehelichen Kindes beträgt 1000 Euro. Er kann nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere bei Nichterwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners, herabgesetzt werden.

21.3.2

Elternunterhalt

 

Gegenüber Eltern beträgt der erhöhte angemessene Selbstbehalt mindestens 1250 Euro, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt.

21.4

Eheangemessener Selbstbehalt

 

Gegenüber Ehegatten gilt grundsätzlich der eheangemessene Selbstbehalt. Er entspricht dem angemessenen Unterhaltsbedarf des Berechtigten (Nr.15) zuzüglich des Erwerbstätigenbonus des Unterhaltspflichtigen, darf aber den notwendigen Selbstbehalt nicht unterschreiten. Übersteigt der eheangemessene Selbstbehalt den notwendigen Selbstbehalt und reicht das verfügbare Einkommen zur Deckung der Unterhaltslasten und des eheangemessenen Selbstbehalts nicht aus, braucht der Geschiedene Unterhalt nur nach Billigkeit zu leisten (§ 1581 BGB). Eine Begrenzung auf den notwendigen Selbstbehalt kommt insbesondere bei Betreuung gemeinschaftlicher minderjähriger Kinder in Betracht.

21.5

Anpassung des Selbstbehalts

21.5.1

Beim Verwandtenunterhalt kann der jeweilige Selbstbehalt unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch seinen Ehegatten gedeckt ist.

21.5.2

Im notwendigen Selbstbehalt sind Kosten für Unterkunft und Heizung (Wohnkosten) in Höhe von 360 Euro, im angemessenen Unterhalt in Höhe von 440 Euro, im Familienbedarf bei Ansprüchen der Eltern gegen verheiratete Kinder in Höhe von 770 Euro enthalten. Der Selbstbehalt erhöht sich, wenn konkret eine erhebliche und nach den Umständen nicht vermeidbare Überschreitung dieser Wohnkosten dargelegt ist. Er ermäßigt sich, wenn die Wohnkosten geringer sind.

21.5.3

Wird die Wohnung von mehreren Personen genutzt , ist der Wohnkostenanteil des Pflichtigen festzustellen. Bei Erwachsenen geschieht die Aufteilung in der Regel nach Köpfen, Kinder sind vorab mit einem Anteil von 20% ihres Anspruchs auf Barunterhalt zu berücksichtigen.

21.5.4

Besteht für den verpflichteten Anspruch auf Wohngeld , ist dieser wohnkostenmindernd zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.3)

22.

Bedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1.

Minderjährige und privilegierte Kinder

 

Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten bei Erwerbstätigkeit im Regelfall 565 Euro im Osten und 615 Euro im Westen oder, wenn der Ehegatte nicht erwerbstätig ist, 495 Euro im Osten und 535 Euro im Westen angesetzt.

22.2

Volljährige Kinder, Enkel, Ansprüche aus § 1615 l

 

Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten im Regelfall als angemessener Selbstbehalt 750 Euro angesetzt.

22.3

Elternunterhalt

 

Ist das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten als erhöhter Selbstbehalt mindestens 950 Euro angesetzt

 

Der Familienbedarf beläuft sich damit beim Elternunterhalt auf insgesamt 2200 Euro (vgl. Nr. 21.3.2).

23.

Mangelfall

23.1

Grundsatz

 

Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes des Verpflichteten (Nr. 21) zur Verfügung steht (Nr. 1-10), nicht aus, um alle Ansprüche zu erfüllen, so findet, sofern nicht ein Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der §§ 1609, 1582, 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB vorgeht und ein anderer nur nachrangig Berücksichtigung findet, eine Mangelfallberechnung statt.

23.2

Einsatzbeträge

23.2.1

Minderjährige und privilegierte volljährige Kinder

 

Konkurrieren lediglich Unterhaltsansprüche mehrerer gleichberechtigter Kinder, so bemisst sich der Einsatzbetrag zur Verteilung des verfügbaren Einkommens des Unterhaltsverpflichteten nach dem Verhältnis der Regelbedarfssätze der Regelbetragverordnung, d.h. nach der niedrigsten Stufe der Tabelle.

 

Konkurrieren Ansprüche auf Kindesunterhalt mit gleichrangigen Unterhaltsansprüchen eines Ehegatten, ist jeweils als Existenzminimum für die Kinder ein Betrag in Höhe von 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetragverordnung und für den unterhaltsberechtigten Ehegatten der notwendige Eigenbedarf (Nr. 21.2 und Nr. 22.1) als Einsatzbetrag in die Mangelfallberechnung einzustellen ( BGH , FamRZ 2003, 363).

23.2.2

Getrennt lebender/geschiedener Ehegatte

 

Für den in einem eigenen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Ehegatten ist im Mangelfall der notwendige Eigenbedarf (Nr. 21.2) als Einsatzbetrag zu berücksichtigen.

23.2.3

Mit dem Pflichtigen zusammen lebender Ehegatte

 

Für den in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten ist im Mangelfall der seiner jeweiligen Lebenssituation entsprechende notwendige Eigenbedarf (Nr. 22.1) als Einsatzbetrag zu berücksichtigen.

23.1

Berechnung

 

Zwecks Feststellung eines Mangelfalles (Nr. 23.1) sind das verfügbare Einkommen des Verpflichteten als Verteilungsmasse (= unterhaltsrechtliches Einkommen abzüglich Selbstbehalt) und der Gesamtbetrag  aller Unterhaltsansprüche gegenüberzustellen. Dabei bemisst sich der Unterhaltsanspruch der Kinder ohne Abzug von Kindergeld nach der jeweiligen Einkommensstufe der Unterhaltstabelle und ist für den unterhaltsberechtigten Ehegatten – soweit sich nicht ein Missverhältnis zu den für die Kinder festgestellten Beträgen ergibt, in welchem Fall der Vorwegabzug des Kindesunterhalts zu unterbleiben hat ( BGH , FamRZ 1999, 367, 368 f.) – der Restbedarf nach Maßgabe der Nrn. 15 und 16 in Ansatz zu bringen.

 

Liegt demnach ein Mangelfall vor, so sind zunächst die  im Mangelfall maßgeblichen Einsatzbeträge für die Unterhaltsberechtigten zu ermitteln (Nr. 23.2) und sodann, entsprechend dem Verhältnis der Verteilungsmasse zu der Gesamtheit der Einsatzbeträge, zu kürzen.

23.2

Kindergeldverrechnung

 

Für die Kindergeldverrechnung gilt § 1612 b BGB.

 

Sonstiges

24.

Rundung

 

Der Unterhaltsbetrag ist stets auf volle Euro aufzurunden.

25.

Ost-West-Fälle

 

In so genannten Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf nach dem Wohnort des Unterhaltsberechtigten, die Leistungsfähigkeit bzw. der Selbstbehalt nach dem – nur in Bezug auf den notwendigen Selbstbehalt noch maßgeblichen (vgl. Nr. 21.2 und Nr. 22.1) – Wohnort des Unterhaltspflichtigen.

26.

Unterhaltsvereinbarungen

 

Unterhaltsvereinbarungen regeln im Zweifel lediglich den gesetzlichen Unterhalt.

 



Anhang



Unterhaltstabelle für den Kindesunterhalt (vgl. Nr. 11 und Präambel)

 

Einkommens-gruppe

Anrechenbares Einkommen des Unterhaltspflichtigen in Euro  

Alter des Kindes 0 - 5

Alter des Kindes* 6 - 11

Alter

des

Kindes* 12 - 17 und 18 – 20**

% Ost



 

% West

 

 

 

 

 

 

 

 

  a)

             1000

183

222

262

100

 

  b)

1000  – 1150

191

232

273

 

 

  1

1150  – 1300

199

241

284

 

100

  2

1300  – 1500

213

258

304

 

107

  3

1500  – 1700

227

275

324

 

114

  4

1700  – 1900

241

292

344

 

121

  5

1900  – 2100

255

309

364

 

128

  6

2100  – 2300

269

326

384

 

135

  7

2300  – 2500

283

343

404

 

142

  8

2500  – 2800

299

362

426

 

150

  9

2800  – 3200

319

386

455

 

160

10

3200  – 3600

339

410

483

 

170

11

3600  – 4000

359

434

512

 

180

12

4000  – 4400

379

458

540

 

190

13

4400  – 4800

398

482

568

 

200

 

4800

nach den Umständen des Einzelfalles





* Der Regelbetrag einer höheren Altersstufe ist ab dem Beginn des Monats maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr, d. h. das 6. bzw. 12. Lebensjahr, vollendet (§ 1612 a Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB).

 

** Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB; Nr. 13.1.1).