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Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Celle

Stand 1. Juli 2003

Die von den Familiensenaten zusammengestellten Leitlinien dienen dem Ziel, die Rechtsprechung der Senate möglichst weitgehend zu vereinheitlichen. Sie werden der Entwicklung des Unterhaltsrechts angepasst und lassen bewusst Raum für weitere Überlegungen und Konkretisierungen. Eine bindende Wirkung kommt ihnen nicht zu.

Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist eingearbeitet. Die Erläuterungen werden durch nachfolgende Leitlinien ersetzt.

Unterhaltsrechtliches Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht.

Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.

1.

Geldeinnahmen

1.1

Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.

1.2

Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. In der Regel ist die Verteilung so vorzunehmen, dass der bisherige Lebensstandard aufrechterhalten werden kann.

1.3

Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4

Spesen und Auslösungen werden pauschal zu 1/3 dem Einkommen hinzugerechnet, soweit nicht nachgewiesen wird, dass die Zulagen notwendigerweise in weitergehendem Umfang verbraucht werden und keine häusliche Ersparnis eintritt.

1.5

Bei Ermittlung des zukünftigen Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen.

1.6

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ergeben sich aus der Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

1.7

Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind in der Regel in dem Kalenderjahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben auch die Steuererstattungen außer Betracht.

1.8

Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder.

2.

Sozialleistungen

2.1

Arbeitslosengeld und Krankengeld.

2.2

Arbeitslosenhilfe beim Verpflichteten, beim Berechtigten nur, soweit der Unterhaltsanspruch nicht nach § 203 SGB III auf den Bund übergegangen ist.

2.3

Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4

BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BaföG.

2.5

Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 S.2 BErzGG.

2.6

Arbeitsunfallrenten.

2.7

Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610 a BGB ist zu beachten.

2.8

Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nur in den Ausnahmefällen des § 13 VI SGB XI.

2.9

In der Regel Bezüge nach dem GSiG beim Verwandtenunterhalt, vgl. §§ 1, 2 GSiG (anders beim Ehegattenunterhalt).

2.10

Kein Einkommen sind Sozialhilfe und Leistungen nach dem UVG. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH FamRZ 1999, 843 bzw. 2001, 619).

3.

Kindergeld

 

Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet (vgl. Ziff. 14).

4.

Geldwerte Zuwendungen

 

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5.

Wohnwert

 

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

 

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, notwendige Instandhaltungskosten (BGH FamRZ 2000, 351, 354) und die verbrauchs-unabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt.

 

Auszugehen ist vom vollen Mietwert. Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.

6.

Haushaltsführung

 

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so kann hierfür ein Einkommen angesetzt werden (BGH FamRZ 2001, 1693).

7.

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

 

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8.

Freiwillige Zuwendungen Dritter

 

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9.

Fiktives Einkommen

 

Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.

10.

Bereinigung des Einkommens

10.1

Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

 

Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, für unstreitigen oder titulierten Unterhalt).

10.2

Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit abzuziehen.

10.2.1

Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte kann von Einkünften aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens (Ziff. 10.1) angesetzt werden. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen diese Pauschale, so sind sie im einzelnen darzulegen.

10.2.2

Für die notwendigen Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann der nach den Sätzen des § 9 III Nr. 1 ZSEG anzuwendende Betrag (derzeit 0,27 €) pro gefahrenen Kilometer angesetzt werden. Damit sind i.d.R. Anschaffungskosten erfasst. Werden die Raten für einen zur Anschaffung aufgenommenen Kredit berücksichtigt, so verringern sich die anrechnungsfähigen KM-Kosten.

10.2.3

nicht belegt

10.3

Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann im Einzelfall ein Kinderbetreuungsbonus angesetzt werden (BGH FamRZ 2001, 350, 352).

10.4

Berücksichtigungswürdige Schulden (Zins und Tilgung) sind abzuziehen; die Abzahlung soll im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes in angemessenen Raten erfolgen.

 

Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen.

 

Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit/Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen.

10.5

Bei der Prüfung, ob Unterhaltsleistungen vorweg abzuziehen sind (vgl. Ziff. 13.3, 15.2), ist zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden.

10.6

Vermögenswirksame Sparleistungen des Arbeitnehmers vermindern das Einkommen nicht. Jedoch sind im Bruttoeinkommen enthaltene Leistungen des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage zu belassen.

 

Kindesunterhalt

11.

Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

 

Der Barunterhaltsbedarf minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (vgl. Anlage 1). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Vomhundertsatz des Regelbetrags geltend gemacht werden.

11.1

Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Pflichtigen ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2

Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind i.d.R. Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen.

 

Zur Eingruppierung können auch die Bedarfskontrollbeträge herangezogen werden. Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung auch des Ehegattenunterhalts unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.

12.

Minderjährige Kinder

12.1

Der Betreuungsunterhalt i.S. des § 1606 III 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.

12.2

Einkommen des Kindes wird bei beiden Eltern hälftig angerechnet.

12.3

Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten, es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils (§ 1606 III 2 BGB) oder der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet (§ 1603 II 3 BGB). Im letzteren Fall kann jedoch nach der "Hausmann" - Rechtsprechung eine Haftung in Betracht kommen (BGH FamRZ 2001, 614; 616; 1065).

 

Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 III 1 BGB für den Gesamtbedarf (vgl. Ziff. 13.3). Der Verteilungsschlüssel kann unter Berücksichtigung des Betreuungsaufwandes wertend verändert werden.

12.4

Bei Zusatzbedarf (Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 III 1 BGB (vgl. Ziff. 13.3).

13.

Volljährige Kinder

13.1

Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.

13.1.1

Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle.

 

Der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes bemisst sich grundsätzlich nach den zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile (BGH FamRZ 1994, 696, 698). Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

13.1.2

Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 600 € ohne Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

 

Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden.

13.2

Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen), angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 II BGB entsprechend.

13.3

Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 III 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Ziff. 10 zu ermitteln. Außerdem ist vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (1000 €) abzuziehen.

 

Der Haftungsanteil nach § 1606 III 1 BGB errechnet sich nach der Formel:

 

Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1000 € mal (Rest-)Bedarf (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + N2) abzüglich 2000 (=1000 + 1000) €.

 

Haftungsanteil 1 = (N1 - 1000) x R : (N1 + N2 - 2000).

 

Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden.

 

Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 II 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (730 €/840 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann.

14.

Verrechnung des Kindergeldes

 

Es wird nach § 1612 b BGB ausgeglichen. Zur Verrechnung bei Minderjährigen nach § 1612 b V BGB siehe Verrechnungstabelle Anhang 2.

 

Ehegattenunterhalt

15.

Unterhaltsbedarf

15.1

Bei der Bedarfsbemessung darf nur eheprägendes Einkommen berücksichtigt werden. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt grundsätzlich das (Mehr-)Einkommen als prägend (BGH FamRZ 2001, 986).

15.2

Es gilt der Halbteilungsgrundsatz. Vom bereinigten Erwerbseinkommen kann ein Bonus von 1/7 abgezogen werden.

 

Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind und hat dies die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Tabellenbetrag) bereinigt. Erbringt der Pflichtige sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Ziff. 10.3 (BGH FamRZ 2001, 350).

 

Der Vorwegabzug des Kindesunterhalts beim Ehegatten kann unterbleiben, soweit sich daraus ein Missverhältnis zum wechselseitigen Bedarf der Beteiligten ergibt. Dieses Missverhältnis ist regelmäßig zu bejahen, wenn beim Ehegatten die Beträge gemäß Ziff. 22.1 unterschritten sind.

15.3

Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.

15.4

Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Pflichtigen bezahlt, sind diese von seinem Einkommen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. durch Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten auf seinen Bedarf.

15.5

Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden.

16.

Bedürftigkeit

 

Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist (vgl. Rechenbeispiel Anlage 3 Ziff. 3.1).

17.

Erwerbsobliegenheit

17.1

Die Erwerbsobliegenheit des Ehegatten, der minderjährige Kinder betreut, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist insbesondere auf die Zahl der Kinder und deren Alter sowie auf andere Betreuungsmöglichkeiten abzustellen. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, solange ein Kind noch die Grundschule besucht, und dass danach jedenfalls eine Teilzeitbeschäftigung in Betracht kommt.

17.2

In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

 

Weitere Unterhaltsansprüche

18.

nicht belegt

19.

nicht belegt

20.

nicht belegt

 

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21.

Selbstbehalt des Pflichtigen

21.1

Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 II BGB), dem angemessenen (§ 1603 I BGB), dem eheangemessenen (§§ 1361 I, 1578 I BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

21.2

Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 II 2 BGB gleichgestellten Kindern gilt im allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme.

 

Er beträgt beim Erwerbstätigen 840 € und kann bei einem nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf bis 730 € herabgesetzt werden.

21.3

Im übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1

Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern, Enkeln und der Mutter/dem Vater eines nichtehelichen Kindes 1000 €.

21.3.2

Der Selbstbehalt gegenüber Eltern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung des angemessenen Unterhalts vorrangig Berechtigter; er beträgt zumindest 1.250 € (vgl. BGH FamRZ 2002, 1698 und NJW 2003, 1660).

21.4

Gegenüber Ehegatten gilt grundsätzlich der eheangemessene Selbstbehalt. Er entspricht dem angemessenen Unterhaltsbedarf des Berechtigten (Ziff. 15) zuzüglich des Erwerbstätigenbonus' des Unterhaltspflichtigen.

 

Übersteigt der eheangemessene Selbstbehalt den notwendigen Selbstbehalt und reicht das verfügbare Einkommen zur Deckung der Unterhaltslasten und des eheangemessenen Selbstbehalts nicht aus, braucht der Geschiedene Unterhalt nur nach Billigkeit zu leisten (§ 1581 BGB). In der Regel kann ihm ein Selbstbehalt in Höhe von 920 € belassen bleiben.

 

Eine Begrenzung auf den notwendigen Selbstbehalt kommt insbesondere bei Betreuung gemeinschaftlicher minderjähriger Kinder in Betracht.

21.5

Anpassung des Selbstbehalts

21.5.1

Beim Verwandtenunterhalt kann der jeweilige Selbstbehalt unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch seinen Ehegatten gedeckt ist (vgl. Ziff. 22).

21.5.2

nicht belegt

22.

Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1

Ist bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger und diesen nach § 1603 II 2 BGB gleichgestellter Kinder der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten im Regelfall 535 €, und wenn dieser erwerbstätig ist, 615 € angesetzt.

22.2

Ist bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder oder Enkel oder bei einer Unterhaltsberechtigung nach § 1615 l BGB der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten im Regelfall 750 € angesetzt.

22.3

Ist bei Unterhaltsansprüchen der Eltern das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten mindestens 950 € angesetzt.

23.

Mangelfall

23.1

Ein verschärfter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Pflichtigen zur Deckung seines notwendigen Selbstbehalts und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche nicht ausreicht (BGH, FamRZ 2003, 363, 366)

 

Bei der Feststellung eines Mangelfalles entsprechen diese Unterhaltslasten

 

– für minderjährige oder diesen nach § 1603 Abs. 2 BGB gleichgestellte Kinder den Zahlbeträgen nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes sowie

 

– für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten seinem jeweiligen Restbedarf (Ziff.15, 16).

23.2

Für die Berechnung im Mangelfall belaufen sich die Einsatzbeträge

23.2.1

bei minderjährigen und diesen gemäß § 1603 II 2 BGB gleichgestellten Kindern nach Gruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle,

23.2.2

bei getrenntlebenden/geschiedenen Ehegatte auf den notwendigen Eigenbedarf in Höhe der Beträge gemäß Ziff. 21.2,

23.2.3

bei mit den Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten auf die Beträge gemäß Ziff. 22.1.

 

Anrechenbares Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten ist zu berücksichtigen.

23.3

Die nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse ist anteilig auf alle gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer Unterhaltsansprüche zu verteilen.

 

Die Kürzung, die dem Vomhundertsatz nach § 1612a II BGB entspricht, berechnet sich nach der Formel:

 

Vhs = V : S x 100

 

Der proportional gekürzte Unterhalt ergibt sich aus der Multiplikation des Einsatzbetrags mit dem Vomhundertsatz. Für Titel nach § 1612 a I BGB ist der hier ermittelte Vomhundertsatz mit 1,35 zu multiplizieren.

 

Vhs = Vomhundertsatz

 

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

 

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalt)

23.4

Für die Kindergeldverrechnung gilt § 1612 b BGB.

23.5

Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist zu korrigieren, wenn die errechneten Beträge über den ohne Mangelfallkürzung ermittelten Bedarfssätzen liegt (vgl. BGH FamRZ 2003, 363, 366).

 

Sonstiges

24.

Rundung

 

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

25.

Ost – West – Fälle

 

Bei sog. Ost – West – Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen.

 



Anhang

1. Düsseldorfer Tabelle

Anrechenbares Ein­kommen des Unter­haltspflichtigen in €

0-5

6-11

12-17

ab 18

Vom­hundert­satz

Bedarfs­kontroll­betrag

1.

bis 1300

199

241

284

327

100

730/840

2.

1300 – 1500

213

258

304

350

107

900

3.

1500 – 1700

227

275

324

373

114

950

4.

1700 – 1900

241

292

344

396

121

1000

5.

1900 – 2100

255

309

364

419

128

1050

6.

2100 – 2300

269

326

384

442

135

1100

7.

2300 – 2500

283

343

404

465

142

1150

8.

2500 – 2800

299

362

426

491

150

1200

9.

2800 – 3200

319

386

455

524

160

1300

10.

3200 – 3600

339

410

483

556

170

1400

11.

3600 – 4000

359

434

512

589

180

1500

12.

4000 – 4400

379

458

540

622

190

1600

13.

4400 – 4800

398

482

568

654

200

1700

über 4800 nach den Umständen des Falles

2. Kindergeldverrechnungstabelle

Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. bis 3. Kind von je 77 €

Einkommens­gruppe

0-5 Jahre

6-11 Jahre

12-17 Jahre

1 = 100 %

199 – 7 = 192

241 – 0 = 241

284 – 0 = 284

2 = 107 %

213 – 21 = 192

258 – 9 = 249

304 – 0 = 304

3 = 114 %

227 – 35 = 192

275 – 26 = 249

324 – 17 = 307

4 = 121 %

241 – 49 = 192

292 – 43 = 249

344 – 37 = 307

5 = 128 %

255 – 63 = 192

309 – 60 = 249

364 – 57 = 307

6 = 135 %

269 – 77 = 192

326 – 77 = 249

384 – 77 = 307

Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 4. Kind von 89,50 €

Ein­kommens­gruppe

0-5 Jahre

6-11 Jahre

12-17 Jahre

1 = 100 %

199 – 19,50 = 179,50

241 – 4,50 = 236,50

284 – 0 = 284,00

2 = 107 %

213 – 33,50 = 179,50

258 – 21,50 = 236,50

304 – 9,50 = 294,50

3 = 114 %

227 – 47,50 = 179,50

275 – 38,50 = 236,50

324 – 29,50 = 294,50

4 = 121 %

241 – 61,50 = 179,50

292 – 55,50 = 236,50

344 – 49,50 = 294,50

5 = 128 %

255 – 75,50 = 179,50

309 – 72,50 = 236,50

364 – 69,50 = 294,50

6 = 135 %

269 – 89,50 = 179,50

326 – 89,50 = 236,50

384 – 89,50 = 294,50

 

3.

Rechenbeispiel

3.1

Additionsmethode

 

Der Pflichtige M hat ein bereinigtes Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 2.000 € sowie Zinseinkünfte in Höhe von 300 €. Seine Ehefrau F hat ein bereinigtes Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 1.000 €. Sämtliche Einkünfte sind prägend. Anspruch der F ?

 

Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen :

 

½ ( 6/7 * 2.000 € + 300 € + 6/7 * 1.000 € ) = 1.436 €

 

Höhe des Anspruchs ( = ungedeckter Bedarf ) :

 

1.436 € ./. 6/7 * 1.000 € = 579 €

3.2

Mangelfall

 

Der Pflichtige M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.650 €. Unterhaltsberechtigt sind seine nicht erwerbstätige Ehefrau F und die beiden minderjährigen Kinder K1 (4 Jahre) und K2 (7 Jahre), die von F betreut werden. Das Kindergeld von 308 € wird an F ausbezahlt.

3.2.1.

Unterhaltsberechnung ohne Anwendung der Bedarfskontrollbeträge:

 

K1 : 227 €, nach Kindergeldverrechnung 192 €;

 

K2 : 275 €, nach Kindergeldverrechnung 249 €;

 

F : (1.650 € – 227 € – 275 €) * 3/7 = 492 €

 

Leistungsfähigkeit M 1.650 € – 192 € – 249 € – 492 € = 717 €, d.h. Mangelfall

3.2.2.

Unterhaltsberechnung mit Anwendung der Bedarfskontrollbeträge:

 

K1 : 199 €, nach Kindergeldverrechnung 192 €;

 

K2 : 241 €, keine Kindergeldverrechnung;

 

F : (1.650 € – 199 € – 241 €) * 3/7 = 519 €;

 

Leistungsfähigkeit M 1.650 € – 192 € – 241 € –519 € = 698 €, d.h. Mangelfall

3.3.

Mangelfallberechnung (in beiden Varianten):

 

Einsatzbeträge:

 

K1 269 €; K2 326 €; F 730 €

 

Verteilungsmasse:

 

1.650 € - 840 € = 810 €

 

Summe der Einsatzbeträge:

 

269 € + 326 € + 730 € = 1.325 €

 

Vomhundertsatz:

 

810 € : 1.325 € x 100 = 61,1 %

 

Berechnung der gekürzten Unterhaltsansprüche:

 

K1 : 269 € x 61,1 % = 165 €;

 

K2 : 326 € x 61,1 % = 199 €;

 

F: 730 € x 61,1 % = 446 €.

 

Der Kindesunterhalt entspricht 82,5 % des Regelbetrages

(= 61,1 % * 1,35).

 

Keine Kindergeldverrechnung nach § 1612 b V BGB und keine Ergebniskorrektur.