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Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Thüringer Oberlandesgerichts

Stand: 01.07.2003

Die Familiensenate des Thüringer Oberlandesgerichts verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH.

Die "Düsseldorfer Tabelle" und die ”Berliner Tabelle” als Vortabelle hierzu, jeweils Stand: 01.07.2003, sind einbezogen.

Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.

 

 

Unterhaltsrechtliches Einkommen

1.

Einkünfte aus Erwerb und Vermögen

1.1.

Auszugehen ist vom regelmäßigen Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.

1.2.

Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf 1 Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z. B. Abfindungen) sind grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.

1.3.

Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4.

Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind abzuziehen.

 

Bei Aufwendungspauschalen (ausgenommen km-Geld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden.

1.5.

Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zu Grunde zu legen.

1.6.

Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuss der Bruttoeinkünfte über die Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

2.

Einkünfte aus Sozialleistungen

2.1.

Arbeitslosengeld und Krankengeld.

2.2.

Arbeitslosenhilfe beim Verpflichteten, beim Berechtigten nur, soweit der Unterhaltsanspruch nicht nach § 203 SGB III auf den Bund übergegangen ist.

2.3.

Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4.

BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5.

Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 S. 2 BErzGG.

2.6.

Unfallrenten

2.7.

Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610 a BGB ist zu beachten.

2.8.

Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9.

In der Regel Bezüge nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) beim Verwandtenunterhalt, vgl. §§ 1, 2 GSiG (anders beim Ehegattenunterhalt).

2.10/11.

Kein Einkommen sind Sozialhilfe und Leistungen nach dem UVG.

3.

Kindergeld

 

Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet.

4.

Geldwerte Zuwendungen

 

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers (z. B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis) sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5.

Wohnwert

 

Der Vorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

 

Die in den Selbstbehaltssätzen ausgewiesenen Wohnkosten können im Mangelfall als Maßstab für die Anrechnung mietfreien Wohnens herangezogen werden.

6.

Haushaltsführung

 

Die Führung des Haushalts eines leistungsfähigen Dritten kann dem Nichterwerbstätigen als (fiktives) Einkommen zugerechnet werden. In der Regel kann ein Betrag von 300,00 € monatlich dafür angesetzt werden.

7.

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

 

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8.

Freiwillige Zuwendungen Dritter

 

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z. B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

9.

Fiktives Einkommen

 

Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.

10.

Bereinigung des Einkommens

10.1.

Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

 

Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.

10.2.

Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind im Rahmen des Angemessenen vom Nettoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit abzuziehen.

10.2.1.

Bei der Bereinigung des Nettoeinkommens sind berufsbedingte Aufwendungen nur auf konkreten Nachweis absetzbar. Eine Schätzung nach § 287 ZPO kann erfolgen.

10.2.2.

Nachgewiesene notwendige Fahrtkosten zur und von der Arbeitsstätte werden mit 0,22 € pro gefahrenem Kilometer berücksichtigt, wobei in der Regel eine einfache Entfernung von mehr als 40 km nicht mehr als angemessen angesehen werden kann.

 

Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskosten sind enthalten.

10.3.

Geht ein Ehegatte einer Vollzeittätigkeit nach, obwohl er ein oder mehrere minderjährige Kinder betreut, so kann ihm gegenüber dem anderen Ehegatten wegen der Mehrbelastung ein Betrag bis zu 160,00 € anrechnungsfrei belassen werden.

 

Notwendige höhere Aufwendungen können auf Nachweis berücksichtigt werden.

 

 

 

Kindesunterhalt

11.

Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

 

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Thüringer Tabelle (Anlage).

11.1.

In den Unterhaltsbeträgen sind Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht enthalten.

11.2.

Die Tabelle weist monatliche Unterhaltsrichtsätze aus, bezogen auf einen gegenüber einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhaltspflichtigen.

 

Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein.

12.

Minderjährige Kinder

 

Der Betreuungsunterhalt i. S. d. § 1606 Abs. 2 S. 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.

13.

Volljährige Kinder

13.1.

Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.

13.1.1.

Für den im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Volljährigen ohne eigenes Erwerbseinkommen ist der Tabellenbetrag der 4. Altersstufe anzusetzen. Dabei ist von dem zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern unter Anwendung der Tabelle ohne Höherstufung auszugehen.

 

Die Eltern haften anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen für den Bedarf des Volljährigen.

 

Vor Bildung der Haftungsquote sind der angemessene Selbstbehalt und der Unterhalt vorrangig Berechtigter vom bereinigten Nettoeinkommen jeden Elternteils abzusetzen.

 

Die Haftung ist auf den Tabellenbetrag ohne Höherstufung nach Maßgabe des eigenen Einkommens des Pflichtigen begrenzt.

13.1.2.

Der Bedarf eines Volljährigen mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 575,00 €, soweit sich nicht aus dem zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen der Eltern unter Anwendung der Tabelle ohne Höherstufung ein höherer Satz ergibt.

13.2.

Erzielt der bei den Eltern oder einem Elternteil lebende Volljährige eigenes Erwerbseinkommen, so ist wegen der sich anbahnenden eigenen Lebensstellung von einem festen Bedarfsbetrag auszugehen, der wegen der wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenlebens mit den Eltern oder einem Elternteil auf 480,00 € zu bemessen ist, sofern sich nicht nach 13.1.1. ein höherer Bedarf ergibt.

13.3.

Der Bedarf des Volljährigen umfasst in der Regel den Wohnbedarf und übliche ausbildungsbedingte Aufwendungen.

 

Eigenes Einkommen des Volljährigen ist nach Abzug konkret zu belegender berufsbedingter Aufwendungen anzurechnen.

14.

Verrechnung des Kindergeldes

 

Es wird nach § 1612 b BGB ausgeglichen.

 

 

 

Ehegattenunterhalt

15.

Unterhaltsbedarf

15.1.

Maßgeblich sind jeweils die die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkünfte der (geschiedenen) Ehegatten.

 

Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-) Einkommen des zuvor haushaltsführenden Ehegatten als prägend.

 

Verfügt der Berechtigte über die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägendes eigenes Einkommen, so kommt die sog. Anrechnungsmethode zur Anwendung. Hier wird das Erwerbseinkommen des Berechtigten mit 6/7 angerechnet.

15.2.

Hat der Berechtigte kein eigenes Einkommen, beträgt der Anspruch 3/7 des bereinigten Nettoeinkommens zuzüglich ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Verpflichteten.

 

Hat der Berechtigte eigenes Einkommen, beträgt der Anspruch 3/7 der Differenz zwischen dem anrechenbaren Nettoeinkommen der (geschiedenen) Ehegatten bzw. ½ der anrechenbaren sonstigen Einkünfte, jeweils begrenzt durch den vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB).

15.3.

Der Unterhaltsbedarf (Elementarunterhalt) kann bis zu einem Betrag von 1.840,00 € als Quotenunterhalt ohne Nachweis des tatsächlichen Bedarfs geltend gemacht werden (sog. relative Sättigungsgrenze).

16.

Bedürftigkeit

 

Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist.

 

 

 

Weitere Unterhaltsansprüche

18.

Ansprüche nach § 1615 l BGB

 

Der Bedarf bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils.

 

Er beträgt mindestens 575,00 €

 

 

 

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21.

Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1.

Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB), dem eheangemessenen (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

 

Er beträgt

21.2.

gegenüber Minderjährigen und gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB privilegierten volljährigen Kindern sowie getrennt lebenden Ehegatten (notwendiger oder kleiner Selbstbehalt)

a)

für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige  675,00 €

b)

für erwerbstätige Unterhaltspflichtige  775,00 €

 

(darin enthalten ist ein Wohnanteil von 235,00 € Warmmiete bzw. 155,00 € Kaltmiete);

21.3.

gegenüber volljährigen Kindern, die nicht gemäß § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB privilegiert sind, und geschiedenen Ehegatten (sog. angemessener oder großer Selbstbehalt):

a)

für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige  825,00 €

b)

für erwerbstätige Unterhaltspflichtige  925,00 €

 

(darin enthalten ist ein Wohnanteil von 290,00 € Warmmiete bzw. 195,00 € Kaltmiete).

 

Dem geschiedenen Ehegatten ist nach Maßgabe des § 1581 BGB unter Umständen ein höherer Betrag zu belassen.

21.4.

gegenüber den Eltern des Unterhaltspflichtigen (angemessener Selbstbehalt)

 

mindestens  1.155,00 €,

 

wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt;

21.5.

gegenüber der Mutter oder dem Vater nach § 1615 l Abs. 1 BGB monatlich mind. 925,00 €,

21.6.

Höhere als die in den Selbstbehaltssätzen ausgewiesenen Wohnkosten führen in der Regel nicht zu einer Erhöhung der Selbstbehaltssätze.

22.

Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

 

Ist bei Unterhaltsansprüchen Minderjähriger und diesen nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB gleichgestellter Kinder der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten mindestens 495,00 €, wenn dieser erwerbstätig ist 565,00 €, angesetzt.

 

Eigenes Einkommen ist nach Abzug konkret zu belegender berufsbedingter Aufwendungen abzuziehen.

23.

Mangelfall

23.1.

Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines notwendigen Selbstbehaltes und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche nicht ausreicht.

23.2.

Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich

23.2.1.

für minderjährige Kinder auf 135 % des Regelbetrages, für privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) auf 135 % des Tabellenbetrages der niedrigsten Einkommensgruppe,

23.2.2.

bei getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten

 

bei Nichterwerbstätigen auf 550,00 €,

 

bei Erwerbstätigen auf 635,00 €,

23.2.3.

bei mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten auf die Beträge gemäß Nr. 22

 

(495,00 €/565,00 €).

 

Anrechenbares Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist vom Einsatzbetrag abzuziehen.

 

Sonstiges

24.

Rundungen

 

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle EURO aufzurunden.

25.

Ost-West-Fälle

 

Die Bedarfsätze der Thüringer Tabelle sind maßgeblich, wenn der Unterhaltsberechtigte in einem neuen Bundesland (einschl. dem Beitrittsteil des Landes Berlin) wohnt.

 

Die Selbstbehaltssätze richten sich nach den für den Wohnort (Lebensmittelpunkt) des Unterhaltspflichtigen maßgeblichen Verhältnissen.

 

Anmerkung:

Die nicht durchgängige Nummerierung beruht auf der einheitlichen Gliederung der Leitlinien in den Oberlandesgerichtsbezirken. Die fehlenden Punkte wurden beim Thüringer Oberlandesgericht nicht besonders geregelt.



 

Anlage

Thüringer Tabelle

für den Kindesunterhalt

 

Stand: 01.07.2003

 

 

 

 

Bedarf nach Altersstufen in EURO:

 

 

 

 

 

 

Gruppe1)

 

 

 

bereinigtes Nettoeinkommen2) des Unterhaltspflichtigen in EURO

bis Vollendung des 6. Lebensjahres ( Lbj.)3)

vom 7. bis

Vollendung

des 12. Lbj.3)

vom 13. bis

Vollendung des 18. Lbj.3)

ab 19. Lbj.

a)

bis

- 1000

183

222

262

302

b)

1000

- 1150

191

232

273

314

c)

ab

- 1150

wie nachfolgende Düsseldorfer Tabelle

(aber ohne Bedarfskontrollbetrag )

1

bis

- 1300

199

241

284

327

2

1300

- 1500

213

258

304

350

3

1500

- 1700

227

275

324

373

4

1700

- 1900

241

292

344

396

5

1900

- 2100

255

309

364

419

6

2100

- 2300

269

326

384

442

7

2300

- 2500

283

343

404

465

8

2500

- 2800

299

362

426

491

9

2800

- 3200

319

386

455

524

10

3200

- 3600

339

410

483

556

11

3600

- 4000

359

434

512

589

12

4000

- 4400

379

458

540

622

13

4400

- 4800

398

482

568

654

 

über

- 4800

nach den Umständen des Falles

 

1) vgl. unter 11.2

 

2) vgl. unter 10

 

3) § 1612 a Absatz 3 BGB