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BSG - Entscheidung vom 22.09.2021

B 8 SO 25/21 B

Normen:
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
ZPO § 114
SGG § 141

BSG, Beschluss vom 22.09.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 25/21 B

DRsp Nr. 2021/17222

Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags Verbescheidung von Anträgen

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juni 2021 - L 15 SO 161/18 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, K, beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 ; SGG § 141 ;

Gründe

I

Im Streit steht die Verbescheidung von Anträgen; der Kläger macht die Untätigkeit des Beklagten geltend.

Der Kläger bezieht seit 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ). Eine von ihm 2016 zum wiederholten Male erhobene Untätigkeitsklage wegen im Sommer 2011 gestellter Anträge auf verschiedene Sozialleistungen ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 25.7.2018; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 1.6.2021). Das LSG hat ausgeführt, die Rechtskraft mehrerer Entscheidungen des SG und des LSG stehe der Zulässigkeit einer (wiederholten) Untätigkeitsklage entgegen; außerdem habe der Beklagte die Anträge auch verbeschieden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin. Die Tatsachenfeststellung des LSG sei unvollständig. Das LSG habe ihm rechtliches Gehör nicht gewährt. In der mündlichen Verhandlung sei "Maskenzwang" angeordnet gewesen, obwohl eine Gefährdungslage nicht vorgelegen habe.

II

PKH kann dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen wegen des Erfordernisses, dass eine Untätigkeitsklage 88 SGG ) auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet sein muss (vgl etwa Bundessozialgericht <BSG> vom 10.3.1993 - 14b/4 REg 1/91 - BSGE 72, 118 , 120 f = SozR 3-7833 § 6 Nr 2 S 8) und folglich unzulässig ist, wenn der Kläger bereits sachlich beschieden ist (vgl BSG vom 13.7.2010 - B 8 SO 11/09 R - RdNr 14 - FEVS 62, 298), stellen sich nicht. In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass eine (wiederholte) Klage über denselben Streitgegenstand bei entgegenstehender Rechtskraft früherer Entscheidungen 141 SGG ) nicht zulässig ist (vgl etwa BSG vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - FEVS 64, 486; BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - NZS 2014, 276 ; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 141 RdNr 6a).

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Das LSG hat den Kläger vor der Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter 153 Abs 5 SGG ) angehört (zur Notwendigkeit vgl BSG vom 5.2.2019 - B 8 SO 20/18 BH - RdNr 6).

Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem LSG als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs 62 SGG , Art 103 Abs 1 Grundgesetz <GG>) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung 176 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>), voraussichtlich wegen der andauernden Covid-19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen zu müssen, wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet ist, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - MDR 2020, 1523 ; Mayer in Kissel/Mayer, GVG , 10. Aufl 2021, § 176 RdNr 15a; Metz, DRiZ 2020, 256 ); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in § 176 Abs 2 Satz 1 GVG normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger trotz eines kurz vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attests, in welchem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Atemschutzmaske attestiert wird, gar nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dem Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu prüfen, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands wurde der Kläger in der Verfügung vom 7.5.2021 hingewiesen. Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet worden, um Terminsverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder des aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden. Ohnehin stellt sich die Entscheidung des LSG in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.

Schließlich ist auch wegen der Zurückweisung des Befangenheitsantrags gegen den Berichterstatter kein Verfahrensmangel ersichtlich. Nach einer Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen einen Richter durch Zwischenentscheidung kann ein sich auf das angefochtene Urteil selbst auswirkender Mangel im Sinne eines absoluten Revisionsgrundes 547 Nr 1 ZPO ) nur dann vorliegen, wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft ist, dass durch die weitere Mitwirkung der abgelehnten Richter das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzt ist und das Berufungsgericht bei seiner Berufungsentscheidung deshalb unrichtig besetzt war ( BSG vom 27.4.2020 - B 8 SO 13/20 B - RdNr 7; BSG vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B - RdNr 8 mwN), was nach Aktenlage nicht der Fall ist.

Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 01.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 15 SO 161/18
Vorinstanz: SG Berlin, vom 25.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 181 SO 1563/16