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BGH - Entscheidung vom 25.02.2010

Xa ZR 100/05

Normen:
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b

Fundstellen:
BGHZ 184, 300
GRUR 2010, 414
GRURInt 2010, 749

BGH, Urteil vom 25.02.2010 - Aktenzeichen Xa ZR 100/05

DRsp Nr. 2010/4903

Vorliegen einer schützenwerten Erfindung im Zusammenhang mit einer thermoplastischen Zusammensetzung; Offenbarung einer Erfindung bei einem allgemeinen Beitrag zur Erfindung und zum Stand der Technik; Charakterisierung eines Erzeugnisses durch Angabe des Erzeugungsverfahrens

a) Eine ausführbare Offenbarung der Erfindung kann zu verneinen sein, wenn der geschützte Gegenstand im Patentanspruch durch offene Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften über die dem Fachmann in der Gesamtheit der Unterlagen an die Hand gegebene Lösung hinaus so weit verallgemeinert wird, dass der Patentschutz über den Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik hinausgeht.b) Ist ein Verfahren offenbart, durch das ein Stoff oder ein sonstiges Erzeugnis erhalten werden kann, deren physikalische Eigenschaften in den offenen Bereich fallen, kann das ausführbar offenbarte erfindungsgemäße Erzeugnis dadurch charakterisiert werden, dass es durch das angegebene Verfahren erhältlich ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. März 2005 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das europäische Patent 685 527 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als Patentanspruch 1 über folgende Fassung hinausgeht, auf die sich die Patentansprüche 2 bis 14 zurückbeziehen:

"A thermoplastic composition obtainable by the process of claim 15 comprising (a) a compatibilized polyphenylene etherpolyamide base resin, and (b) 1-7 parts by weight per 100 parts by weight of (a) of an electroconductive carbon black, wherein the composition has an Izod notched impact strength of more than 15 kJ/m² (measured in accordance with ISO 180/1A) and a volume resistivity of less than 106 Ohm.cm (measured on the narrow parallel portion of multipurpose test specimen type A according to ISO 3167 with a length of about 70 mm obtained by breaking off both ends of the test specimen, molded as described in ISO 294 for dumbbell bars, the fracture surface of both ends being coated with a silver paint and the resistivity being measured between the silver painted surfaces with an electrical multimeter)."

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 3/4 der Klägerin und zu 1/4 der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Normenkette:

IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2; EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 1. Juni 1994 angemeldeten, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 685 527 (Streitpatents), das eine thermoplastische Zusammensetzung betrifft und zwanzig Patentansprüche umfasst. Die Patentansprüche 1 und 15 lauten in der Verfahrenssprache Englisch:

"1.

A thermoplastic composition comprising (a) a compatibilized polyphenylene etherpolyamide base resin, and (b) 1-7 parts by weight per 100 parts by weight of (a) of an electroconductive carbon black, wherein the composition has an Izod notched impact strength of more than 15 kJ/m(measured in accordance with ISO 180/1A) and a volume resistivity of less than 10Ohmcm (measured on the narrow parallel portion of multipurpose test specimen type A according to ISO 3167 with a length of about 70 mm obtained by breaking off both ends of the test specimen, molded as described in ISO 294 for dumbbell bars, the fracture surface of both ends being coated with a silver paint and the resistivity being measured between the silver painted surfaces with an electrical multimeter)."

"15.

Process for the manufacture of a thermoplastic composition according to claim 1 comprising the following steps in the indicated order:

1.

manufacture of a compatibilized polyphenylene etherpolyamide base resin and

2.

incorporation of the electroconductive carbon black in the compatibilized polyphenylene etherpolyamide base resin."

In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lauten diese Patentansprüche:

"1.

Eine thermoplastische Zusammensetzung umfassend (a) ein verträglich gemachtes Polyphenylenäther-Polyamid-Basis-Harz und (b) 1 - 7 Gewichtsteile pro 100 Gewichtsteile von (a) eines elektrisch leitenden Rußes, wobei die Zusammensetzung eine Izod-Kerbschlagfestigkeit von mehr als 15 kJ/m² (gemessen in Übereinstimmung mit ISO 180/1A) und einen spezifischen Volumenwiderstand von weniger als 10Ohmcm besitzt (gemessen auf dem engen Parallelteil des Mehrzweck-Probestückes Typ A gemäß ISO 3167 mit einer Länge von etwa 70 mm, erhalten durch Abbrechen beider Enden des Probestückes, ausgeformt wie in ISO 294 für Hantelstäbe beschrieben, und die Bruchoberfläche von beiden Enden mit einer Silberfarbe beschichtet wird und der spezifische Widerstand zwischen den mit Silberfarbe angestrichenen Oberflächen mit einem elektrischen Mehrfachmessgerät gemessen wird)."

"15.

Verfahren für die Herstellung einer thermoplastischen Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, das die folgenden Schritte in der aufgezeigten Reihenfolge umfasst:

1.

Herstellung eines verträglich gemachten Polyphenylenäther-Polyamid-Basis-Harzes und

2.

Einverleibung des elektrisch leitenden Rußes in das verträglich gemachte Polyphenylenäther-Polyamid-Basis-Harz."

Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 wird auf die Patentschrift verwiesen. Patentanspruch 14 des Streitpatents betrifft aus der Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 ausgeformte Gegenstände. Patentanspruch 19 schützt ein Verfahren zur elektrostatischen Beschichtung eines Gegenstands nach Patentanspruch 14; auf Patentanspruch 15 sind die Patentansprüche 16 bis 18, auf Patentanspruch 19 ist Patentanspruch 20 zurückbezogen.

Die Klägerin hat, gestützt auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der unzureichenden Offenbarung, die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents beantragt, und dabei dem Streitpatent u.a. die japanische Offenlegungsschrift Hei 2-201811 (D1), die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 506 386 (D2) und die japanische Offenlegungsschrift Hei 3-103467 (D19) entgegengehalten.

Das Patentgericht hat das Streitpatent wegen mangelnder Patentfähigkeit seines Gegenstands in vollem Umfang für nichtig erklärt.

Gegen die Entscheidung des Patentgerichts richtet sich die Berufung der beklagten Patentinhaberin, die weiterhin die Abweisung der Klage begehrt, hilfsweise unter Einfügung der Worte "erhältlich gemäß dem Verfahren nach Anspruch 15" in der deutschen Übersetzung des Patentanspruchs 1 unter entsprechender Anpassung der Rückbeziehung in den auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüchen; die Frage einer entsprechenden Beschränkung des Patentanspruchs 1 in der Verfahrenssprache wurde mit den Parteien erörtert. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Im Auftrag des Senats hat Professor em. Dr.-Ing. N. , Technische Universität M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, die im Übrigen erfolglos bleibt, führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils durch Aufnahme der von der Beklagten hilfsweise beantragten Einfügung entsprechenden Formulierung "obtainable by the process of claim 15"in der Verfahrenssprache in Patentanspruch 1 mit Rückbeziehung der hiervon betroffenen Unteransprüche auf diese Fassung und in diesem Umfang zur Nichtigerklärung des Streitpatents unter Abweisung der weitergehenden Klage (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜbkG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ). Der Senat hat dabei die Fassung des Patentanspruchs 1 in der Verfahrenssprache geändert, um die sich bei einem Sprachwechsel regelmäßig ergebenden Schwierigkeiten und insbesondere die sachlich nicht veranlasste Änderung der maßgeblichen Fassung der Unteransprüche zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2008 - X ZR 135/04, GRUR 2009, 42 - Multiplexsystem; Sen.Urt. v. 18.6.2009 - Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger). Sachlich entspricht dies der Verteidigung der Patentinhaberin, und diese hat jedenfalls nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich einer Beschränkung des Patentanspruchs in der Verfahrenssprache widersetze.

I.

Das Streitpatent betrifft in seinem Patentanspruch 1 eine kompatibilisierte thermoplastische Zusammensetzung aus Polyphenylenether (PPE) und Polyamid (PA). Da Polyphenylenether und Polyamid unterschiedliche Polarität haben, bilden sich beim Vermischen beider Stoffe eine kontinuierliche und eine diskontinuierliche Phase (Inselphase) aus. Die negativen Auswirkungen dieser Phasentrennung auf die physikalischen Eigenschaften der Zusammensetzung können verringert werden, indem die Bestandteile verträglich gemacht (kompatibilisiert) werden. Hierzu bedarf es einer Reaktion sowohl des Polyphenylenethers als auch des Polyamids mit einem Kompatibilisierungsmittel wie Zitronensäure oder Maleinsäure(anhydrid), das die beiden Polymere miteinander verbindet.

Derartige Mischungen werden im Zug der Ersetzung von Metallteilen durch Kunststoffteile zunehmend im Automobilbau eingesetzt, wo sie elektrostatisch lackiert werden. Das Kunststoffteil muss dazu eine gewisse elektrische Leitfähigkeit besitzen, damit es mit der für die Lackierung benötigten elektrischen Ladung versehen werden kann. Hierzu kann in das Polyphenylenether-Polyamid-Basisharz ein elektrisch leitender Ruß eingearbeitet werden. Die Einarbeitung des Rußes in die thermoplastische Zusammensetzung führt jedoch, wie die Beschreibung des Streitpatents erläutert, zu einer Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften, insbesondere der Kerbschlagfestigkeit. Je mehr Ruß hinzugefügt wird, desto ungünstiger werden die mechanischen Eigenschaften (Beschr. S. 2 Z. 23-26).

Durch das Streitpatent sollen Harzzusammensetzungen bereitgestellt werden, die leicht zu verarbeiten und leitfähig sind und eine gute Schlagfestigkeit besitzen (vgl. Beschr. S. 2 Z. 23-26).

Hierzu wird durch Patentanspruch 1 des Streitpatents eine thermoplastische Zusammensetzung unter Schutz gestellt, die

1.

folgende Bestandteile aufweist:

1.1

ein verträglich gemachtes Polyphenylenether-Polyamid-Basisharz und

1.2

elektrisch leitenden Ruß,

1.3

wobei der Anteil des Rußes 1 - 7 Gewichtsteile pro 100 Gewichtsteile des Basisharzes beträgt, und

2.

folgende Eigenschaften hat:

2.1

die Izod-Kerbschlagfestigkeit ist größer als 15 kJ/mnach ISO 180/1A und

2.2

der spezifische Volumenwiderstand beträgt weniger als 106 Ω cm (ermittelt nach der im Patentanspruch 1 beschriebenen Messmethode gemäß ISO 3167/ISO 294).

Die Patentschrift erläutert, dass die (sich in dem geringen Volumenwiderstand, Merkmal 2.2, widerspiegelnde) gewünschte Leitfähigkeit bei guter Kerbschlagfestigkeit (Merkmal 2.1) durch das erfindungsgemäße, in Patentanspruch 15 unter Schutz gestellte Verfahren erreicht werden kann, bei dem zunächst eine verträglich gemachte Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzung hergestellt und in einem zweiten Schritt der elektrisch leitende Ruß in diese Zusammensetzung eingebracht wird. Eine bestimmte spezielle Reihenfolge von Herstellungsschritten wird in Patentanspruch 1 (anders als in Patentanspruch 15) nicht unter Schutz gestellt; insbesondere legt Patentanspruch 1 nicht fest, ob die Rußzugabe vor oder nach der Kompatibilisierung erfolgt.

II.

Das Patentgericht hat die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Für den Fachmann, einen mit der Herstellung und Anwendung von elektrisch leitfähigen thermoplastischen Zusammensetzungen befassten und vertrauten Diplom-Chemiker der Fachrichtung Polymerchemie, sei ohne Weiteres feststellbar, ob eine thermoplastische Zusammensetzung den Merkmalen 2.1 und 2.2 entspreche. Aus den Patentansprüchen gehe allerdings nicht hervor, welche genauen stofflichen Merkmale hierfür erforderlich seien. Es werde somit letztlich nur die auf bestimmte Werte bereichsmäßig eingegrenzte Aufgabe umschrieben; es seien aber nicht sämtliche stofflichen Merkmale beschrieben, unter denen die Aufgabe im beanspruchten Umfang tatsächlich gelöst werden könne. Ob dies die geltend gemachte mangelnde Ausführbarkeit begründe, könne indessen unentschieden bleiben, da der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann durch die Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1), der europäischen Patentanmeldung 506 386 (D2) und der japanischen Patentanmeldung Hei 3-103467 (D19) jedenfalls nahegelegt gewesen sei.

Aus den beiden erstgenannten Entgegenhaltungen seien thermoplastische Zusammensetzungen bekannt, die die stofflichen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents (Merkmalsgruppe 1) erfüllten. Jedoch seien Bereichsangaben für die Kerbschlagfestigkeit und den spezifischen Volumenwiderstand in der japanischen Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) nicht offenbart. Die thermoplastischen Zusammensetzungen der europäischen Patentanmeldung 506 386 (D2) wiesen zwar in einigen Ausführungsbeispielen einen spezifischen Volumenwiderstand auf, der geringer als 106 Ω cm sei und damit zumindest zahlenmäßig dem Merkmal 2.2 genüge, ohne aber den Maßgaben zur Kerbschlagsfestigkeit zu entsprechen. Nach der Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Hei 3-103467 (D19) werde kein Ruß als Füllstoff zugesetzt; damit seien dieser Entgegenhaltung nicht einmal sämtliche stofflichen Merkmale zu entnehmen. Um zu einer thermoplastischen Zusammensetzung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung zu gelangen, habe es aber in Kenntnis der Lehre der drei genannten Entgegenhaltungen für den Fachmann jedenfalls keines erfinderischen Zutuns bedurft. Unter Berücksichtigung der Aufgabe des Streitpatents, Basisharz-Zusammensetzungen bereitzustellen, die elektrisch leitfähig und schlagfest seien, habe der Fachmann die japanische Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) als Ausgangspunkt wählen müssen, weil diese nicht nur auf eine hohe Leitfähigkeit, sondern auch auf eine verbesserte Schlagfestigkeit ausgerichtet sei. Der Fachmann komme nicht umhin, die in der D1 genannten thermoplastischen Zusammensetzungen hinsichtlich eines möglichst geringen Volumenwiderstands bei gleichzeitig hoher Schlagfestigkeit zu optimieren. Hierfür bedürfe es nur routinemäßigen Vorgehens im Rahmen üblicher Arbeitsweisen. Dem Fachmann sei dabei geläufig, dass er von elektrisch leitfähig ausgestalteten Polyphenylenether-Polyamid-Basisharzen anstelle des Oberflächenwiderstands auch den spezifischen Volumenwiderstand bestimmen könne, wie dies die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 506 386 (D2; insbes. S. 6 Z. 57 - S. 7 Z. 2) belege. Er gelange damit im Zug routinemäßigen Optimierens auch zu einer Kerbschlagfestigkeit und zu einem Volumenwiderstand entsprechend den Bereichsangaben und Bemessungsregeln der Merkmale 2.1 und 2.2. Diese ergäben sich schon deshalb, weil gleiche Arbeitsweisen regelmäßig zu gleichen Ergebnissen führen müssten und das im Streitpatent geschützte Herstellungsverfahren nach den Patentansprüchen 15 und 17 mit der Arbeitsweise der japanischen Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) übereinstimme. Jedenfalls werde aber der Fachmann, der von der Bedeutung der Mischungsreihenfolge für die Eigenschaften der Harze und für die Schlagfestigkeit schon aus der D1 wisse (vgl. Schutzansprüche 1 und 2; Beschr. Sp. 4 zweiter Abs. und S. 12 dritter Abs. der Übersetzung), hinsichtlich dieser Reihenfolge die japanische Patentanmeldung Hei 3-103467 (D19) zu Rate ziehen, bei der zunächst eine Zwischenkomposition aus dem Polyphenylenetherharz, dem Polyamidharz, einem Schlagzähigkeitsverbesserungsmittel sowie einem Verträglichkeitsmittel hergestellt werde; in Folge würden zuerst restliches Polyamidharz und danach der geschmolzenen Masse im Temperaturbereich von 200°C bis 250°C noch anorganischer Füllstoff zugegeben.

Die Zugabe von elektrisch leitendem Ruß zum verträglich gemachten Polyphenylenether-Polyamid-Basisharz in der Abfolge der Schritte gemäß Patentanspruch 15 ergebe sich bereits aus der Entgegenhaltung D2.

III.

Diese Beurteilung hält der Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1.

Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung schon deshalb keinen Bestand, weil das Streitpatent die durch diesen Anspruch geschützte technische Lehre nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

a)

Die Bedenken, die die Klägerin dagegen geltend macht, dass ein Fachmann am Prioritätstag wusste, welche - im Streitpatent nicht genannten - Randbedingungen bei der Messung des spezifischen Volumenwiderstands gemäß Merkmal 2.2 zu beachten waren, betreffen allerdings lediglich die Klarheit des Patentanspruchs (Art. 84 EPÜ). Insoweit kann ein Mangel den Nichtigkeitsgrund des Fehlens einer ausführbaren Offenbarung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ) nicht ausfüllen. Was der Fachmann tun muss, um eine Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 zu erhalten, ergibt sich aus den Angaben zum erfindungsgemäßen Verfahren. Das Messverfahren betrifft lediglich die Überprüfung, ob diejenige Leitfähigkeit erreicht ist, die sich aus der Einhaltung der Verfahrensvorgaben ergeben soll.

b)

Der Nichtigkeitsgrund greift jedoch durch, soweit die Klage darauf gestützt wird, dass die geschützten Bereiche einseitig offen sind.

Das Streitpatent offenbart und schützt mit dem Herstellungsweg nach Patentanspruch 15 die Bereitstellung von Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzungen, die eine Kerbschlagfestigkeit von mehr als 15 kJ/mmit einem Volumenwiderstand von weniger als 106 Ω cm verbinden. Damit kann - nicht anders als bei der erstmaligen Zurverfügungstellung eines neuen Stoffs - im Ausgangspunkt ein Erzeugnis mit diesen Eigenschaften zugunsten der Beklagten absolut, d.h. unabhängig von seinem Herstellungsweg, geschützt sein (vgl. zur früheren Rechtslage BGHZ 58, 280, 281 - Imidazoline). Die offenen Bereichsangaben in Patentanspruch 1 haben indessen zur Folge, dass der Patentanspruch in seiner erteilten FassungPolyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzungen erfasst, die eine Kerbschlagfestigkeit von mehr als 15 kJ/mmit einem Volumenwiderstand von weniger als 106 Ω cm verbinden. Mit dem in der Patentschrift offenbarten Herstellungsverfahren können jedoch nicht alle zu diesem Bereich gehörenden Kombinationen mit hoher Kerbschlagfestigkeit und geringem Volumenwiderstand erzeugt werden, da der zur Erreichung eines hinreichend geringen Volumenwiderstands erforderliche Rußanteil einer Verbesserung der Kerbschlagfestigkeit Grenzen setzt. Solche Kombinationen mögen in der Zukunft, etwa auf Grund einer Verbesserung der Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzung selbst oder eines verbesserten Kompatibilisierungsverfahrens, erreicht werden können. Das Streitpatent zeigt aber keinen Weg auf, wie der Fachmann derartige Stoffe in die Hand bekommen kann.

Der Bundesgerichtshof hat bisher noch nicht entschieden, wie mit derartigen Patentansprüchen in Verfahren, die erteilte Patente betreffen, umzugehen ist. Das "Taxol"-Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 147, 306 ) betrifft den Fall, dass ein bestimmter Verfahrensschritt (dort: Veresterung) nur in einer bestimmten Weise ausführbar offenbart ist; dies reicht für die Ausführbarkeit des geschützten Verfahrens grundsätzlich aus, auch wenn nicht alle denkbaren Verfahrensgestaltungen ausführbar offenbart sind (so auch BGH, Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223 - Kupplungsvorrichtung II). In diesen Fällen der "generischen" Beanspruchung eines bestimmten Verfahrensschritts gehört bei wertender Betrachtung das generische Merkmal in seiner allgemeinen Bedeutung zur Problemlösung; nicht die konkrete Art und Weise der Veresterung, sondern die Veresterung als solche bildete im "Taxol"-Fall einen Bestandteil der erfindungsgemäßen Lehre, und der Schutz der erfinderischen Leistung wäre unangemessen verkürzt worden, wenn der Patentschutz auf ein bestimmtes, als durchführbar offenbartes Veresterungsverfahren beschränkt worden wäre. Anders verhält es sich dagegen bei generalisierenden Formulierungen in einem Patentanspruch, die den durch das Patent geschützten Bereich über die erfindungsgemäße, dem Fachmann in der Beschreibung an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinern, weil ein einseitig offener Bereich durch zwei einander entgegenwirkende Parameter definiert wird, ohne dass die sich aus dem Zusammenwirken der Parameter ergebenden Schranken offenbart sind. In einem solchen Fall beansprucht der Satz Geltung, dass der mögliche Patentschutz durch den Beitrag zum Stand der Technik begrenzt wird (vgl. EPA T 409/91 ABl. EPA 1994, 653, 659 = GRUR Int. 1994, 957, 959 - Dieselkraftstoffe; EPA T 435/91 ABl. EPA 1995, 188 = GRUR Int. 1995, 591, 592 - Reinigungsmittel; EPA T 939/92 ABl. EPA 1996, 309, 319 = GRUR Int. 1996, 1049 - Triazole; EPA T 694/92 ABl. EPA 1997, 408, 414, 419 = GRUR Int. 1997, 918 - Modifizieren von Pflanzenzellen; EPA T 1173/00 ABl. EPA 2004, 16, 27 f. - Transformator mit Hochtemperatur-Supraleiter für Lokomotive; House of Lords RPC 1997, 25 = GRUR Int. 1998, 412 - Biogen/Medeva; Corte di Cassatione GADI 1995, 3195 - Cefatrizine und GADI 1997, 3574 - Cimetidine; Gerechthof Den Haag BIE 1999, 394, 397). Die ausführbare Offenbarung erfasst in solchen Fällen nur die Bereiche, in denen sich die Ausführbarkeit aus den offenbarten oder dem nacharbeitenden Fachmann geläufigen Maßnahmen ergibt oder in denen sie, insbesondere bei punktuellen Offenbarungen, jedenfalls plausibel ist (vgl. BGHZ 112, 297 - Polyesterfäden; zur fehlenden Angabe einer Obergrenze EPA T 586/97). Damit wird dem Schutz spekulativ beanspruchter, weiter Bereiche, zu deren Erschließung die Erfindung keinen Beitrag leistet und die in vollem Umfang zu erreichen sie den Fachmann nicht in die Lage versetzt, und deren ungerechtfertigter Monopolisierung entgegengewirkt, wie dies auch schon das Anliegen etwa der zum Erteilungsverfahren des früheren Rechts ergangenen, aber für die Prüfung der ausführbaren Offenbarung bei einem erteilten Patent nicht ohne Weiteres heranzuziehenden Entscheidung "Acrylfasern" (BGHZ 92, 129; zu deren Heranziehung im Nichtigkeitsverfahren Sen.Urt. v. 30.4.2009 - Xa ZR 156/04, GRUR 2009, 749 - Sicherheitssystem; vgl. weiter Meier-Beck in Festschr. f. E. Ullmann, 2006, S. 495, 499 ff.) war.

Die Lehre des Streitpatents besteht nicht darin, Harzzusammensetzungen aus den in Patentanspruch 1 genannten Komponenten erstmals zur Verfügung zu stellen. Vielmehr geht es darum, Harzzusammensetzungen dieser Art so weiterzuentwickeln, dass sie leicht zu verarbeiten und leitfähig sind und eine gute Schlagfestigkeit besitzen. Zur Lösung dieses Problems stellt das Streitpatent in Patentanspruch 15 ein Verfahren zur Verfügung, das zuvor nicht erreichbare Kombinationen aus hoher Schlagfestigkeit und geringem Volumenwiderstand ermöglicht. Der Beitrag zum Stand der Technik erschöpft sich darin, einen neuen Bereich von Stoffeigenschaften zu erschließen. Mit dem Streitpatent kann deshalb nur Schutz für denjenigen Bereich beansprucht werden, der durch die erfindungsgemäße Lehre zugänglich gemacht worden ist. Da Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung nicht auf Harzzusammensetzungen mit einer Kombination von Kerbschlagfestigkeit und Volumenwiderstand beschränkt ist, die mit dem in Patentanspruch 15 beschriebenen Verfahren erreicht werden kann, rechtfertigt die Offenbarung den erteilten umfassenden Patentschutz nicht.

2. Anders ist hingegen Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfs-

antrags zu beurteilen. Durch das zusätzliche Merkmal, dass die Zusammensetzung mit dem Verfahren nach Patentanspruch 15 erhältlich ist, wird der durch das Streitpatent gewährte Schutz auf solche Zusammensetzungen beschränkt, die der Fachmann in die Hand bekommen kann, indem er das Verfahren nach Patentanspruch 15 anwendet. Da die Erhöhung der Kerbschlagfestigkeit und die Verringerung des Volumenwiderstands nicht durch dieselben Maßnahmen erreichbar sind, sondern die Verbesserung des einen Werts in aller Regel eine Verschlechterung des anderen Werts mit sich bringt, erscheint es auch nicht möglich, die Grenzen der mit den Mitteln der Erfindung erreichbaren Zusammensetzungen durch bestimmte Höchst- bzw. Tiefstwerte für Kerbschlagfestigkeit und Volumenwiderstand anzugeben. Jedenfalls in einem solchen Fall ist die Angabe des Herstellungsverfahrens zur Charakterisierung der offenbarten Erfindung zulässig und ausreichend (vgl. nur EPA T 94/82 ABl. EPA 1984, 75 - zahnradgekräuseltes Garn; EPA T 292/85 ABl. EPA 1989, 275 = GRUR Int. 1990, 71 - Polypeptid-Expression I; Busse, PatG 6. Aufl., Rdn. 279 zu § 34 PatG ). Damit reicht die ausführbare Offenbarung hier so weit, wie sie sich aus dem Herstellungsverfahren ergibt; dies schließt allerdings nicht nur Erzeugnisse ein, die nach dem Verfahren nach Patentanspruch 15 hergestellt werden, sondern auch Erzeugnisse, die auf anderem Weg hergestellt worden sind, aber die gleichen Eigenschaften aufweisen (BGHZ 122, 144 , 155 - tetraploide Kamille; BGHZ 135, 369 - Polyäthylenfilamente).

3. Der so eingeschränkte Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist,

wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, neu.

a) Weder in der japanischen Offenlegungsschrift Hei 2-201811

(D1) noch in der europäischen Patentanmeldung 506 386 (D2) ist eine Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzung mit der erfindungsgemäßen Kombination von hoher Schlagzähigkeit und geringem Volumenwiderstand beschrieben.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei

der Nacharbeitung der Lehre der japanischen Offenlegungsschrift Hei 2-201811 (D1) die in der Merkmalsgruppe 2 genannten Werte unmittelbar und zwangsläufig eingestellt hätten (vgl. BGHZ 179, 168 , 173 Tz. 25 - Olanzapin m.w.N.).

Die Parteien haben hierzu unterschiedliche Versuchsergebnisse vorgelegt, wobei die Versuchsergebnisse, die die Klägerin vorgelegt hat, teilweise, soweit sie mit einem Schlagzähigkeitsverbesserer durchgeführt wurden, zu einer Kerbschlagfestigkeit geführt haben, die derjenigen der Merkmalsgruppe des Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht (Versuchsbericht D6), ebenso weitere Versuche, die mit dem Kompatibilisierungsmittel Maleinsäureanhydrid anstelle von Zitronensäure durchgeführt wurden (Versuchsberichte D8, D9). Nach den von der Beklagten vorgelegten Versuchsberichten wurde dagegen bei der Nacharbeitung der japanischen Offenlegungsschrift ein erfindungsgemäßer Schlagfestigkeitswert nicht erreicht.

Es lässt sich nicht feststellen, dass die Ergebnisse der Nacharbei-

tung durch die Beklagte auf einer unsachgemäßen Vorgehensweise beruhen. Der Parteigutachter (der Klägerin) Prof. Dr. H. hat herausgearbeitet, dass sowohl Unterschiede hinsichtlich der intrinsischen PPE-Viskositäten, des verwendeten Rußes (übereinstimmend wurde Ketjenblack EC600 JD eingesetzt), des Polyamidtyps (Nylon 6 bzw. Nylon 6,6) und der verwendeten Zitronensäure vernünftigerweise als Erklärung für die unterschiedlichen Kerbschlagfestigkeiten des Endprodukts ausgeschieden werden können (Anl. B22, Annex S. 7-9). Er hat sich sodann den Unterschieden in den Compoundierungsverfahren zugewandt und einleitend zutreffend ausgeführt, alle beteiligten Experten seien sich mit dem gerichtlichen Sachverständigen darüber einig, dass die beobachteten Unterschiede in der Kerbschlagfestigkeit primär durch unterschiedliche Grade der Kompatibilisierung der Harzzusammensetzung bestimmt würden, uneinig hingegen hinsichtlich der Gründe hierfür. Zu der durch ihre Parteigutachter Prof. Dr. E. und Prof. Dr. P. gestützten Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe bei ihren Versuchen die für eine erfolgreiche Kompatibilisierung unerlässliche Zersetzung der Zitronensäure zur Bildung einer ungesättigten Verbindung wie Itaconsäureanhydrid (und damit einen analogen Mechanismus wie bei der Verwendung von Maleinsäureanhydrid [MAH]) nicht zugelassen, hat Prof. Dr. H. ausgeführt, dass es zwar wahrscheinlich sei, dass die Zersetzung von Zitronensäure eine wesentliche Voraussetzung für eine wirkungsvolle PPE-PA-Kompatibilisierung darstelle, indessen fraglich erscheine, ob die Unterschiede in der Verfahrensführung der Klägerin und der Beklagten direkten Einfluss auf die Zersetzung der Zitronensäure und damit auf das Gelingen der Kompatibilisierung nähmen, da die Kerbschlagfestigkeit der nach dem Versuchsbericht von Prof. Dr. E. mit der Methode "XZ'" hergestellten Polymerzusammensetzungen in diesem Fall ähnlich schlecht wie bei der Methode "X" hätte ausfallen müssen. Damit ist aber der Nachweis nicht erbracht, dass die Versuchsergebnisse der Beklagten auf dem von der Klägerin behaupteten fehlerhaften Einsatz des Kompatibilisierungsmittels beruhen.

Der Senat ist auch auf Grund der eigenen Versuche der Klägerin

(einschließlich der Versuche mit MAH, die kein Gegenstück in den Versuchen der Beklagten haben) nicht davon überzeugt, dass bei Befolgung der Lehre der D1 am Prioritätstag eine erfindungsgemäße Kerbschlagfestigkeit erzielt werden konnte. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass bei Durchführung dieser Versuche ausschließlich Stoffe, Gerätschaften oder Arbeitsweisen verwendet oder Kenntnisse herangezogen wurden, die dem Fachmann bereits am Prioritätstag zur Verfügung standen.

Der Parteigutachter der Beklagten, Prof. Dr. B. , hat die Hypo-

these gebildet, die vom Parteigutachter der Klägerin Prof. Dr. E. herausgearbeiteten unterschiedlichen Ergebnisse der Methoden X, Y, Z und XZ' resultierten aus speziellen ("unfachmännischen") von der Klägerin gebildeten Versuchsbedingungen, die durch eine ungenügende Mischung der Komponenten, Post-Polykondensation und sehr kurze Reaktionszeit gekennzeichnet seien (Anl. BK7, S. 13). Unter diesen Bedingungen sei eine größere Menge an emulgierenden Polyphenylenether-Polyamid-Copolymeren erforderlich und der Zugabezeitpunkt des Polyamids sei ausschlaggebend für die Kompatibilisierung und die gute Kerbschlagfestigkeit. Die Beklagte hat ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin 2003 einen speziellen leitfähigen "Masterbatch", umfassend ein Polyamid und leitfähigen Ruß, zum Patent angemeldet habe (Anl. BK9, Anh. 9), dem sie die Eigenschaft zuschreibe, vorteilhafterweise zur Herstellung einer leitfähigen Harzzusammensetzung verwendet werden zu können, die nicht nur eine ausgezeichnete Wärmebeständigkeit, sondern gleichzeitig auch eine ausgezeichnete Leitfähigkeit und Schlagzähigkeit habe. Der Parteigutachter Prof. Dr. H. hält zwar die mechanistische Begründung für die Maßgeblichkeit des Polyamidzugabezeitpunkts, die Prof. Dr. B. auch nur als "denkbare Erklärungsmöglichkeit" bezeichnet (BK7, S. 12), für spekulativ, sieht aber die Hypothese zur ausschlaggebenden Bedeutung des Polyamidzugabezeitpunkts immerhin im Einklang mit den experimentellen Ergebnissen nach Anlage BB3 (Anl. B22, S. 11 f.).

Der Senat hat zwar keinen Zweifel am fachgerechten Vorgehen der

Klägerin. Ihre Versuche sind jedoch mehr als sieben Jahre nach dem Anmeldetag, teilweise noch erheblich später, durchgeführt worden. Der Senat ist überzeugt, dass die Mitarbeiter und Parteigutachter der Klägerin, die die Versuche durchgeführt und überwacht haben, sich nach bestem Wissen darum bemüht haben, keine Kenntnisse einfließen zu lassen, die dem Fachmann am Prioritätstag nicht zur Verfügung gestanden haben, weshalb es deren angebotener Vernehmung als Zeugen nicht bedurfte. Gerade bei den Mitarbeitern der auf diesem Gebiet tätigen Klägerin haben sich indessen gleichwohl Wissen und Erfahrung auf dem Gebiet der Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzung und insbesondere deren Kompatibilisierung weiterentwickelt, wie etwa die Anmeldung des speziellen Masterbatchs zum Patent belegt. Auch wenn diese Weiterentwicklungen nicht benutzt worden sind, lässt sich ihr Einfluss auf die Verfahrensergebnisse nicht verlässlich beurteilen. Dementsprechend hat es auch der gerichtliche Sachverständige für nicht möglich gehalten, aus den von der Klägerin vorgelegten Versuchsergebnissen zuverlässige Schlüsse darauf zu ziehen, welche Ergebnisse ein Fachmann am Prioritätstag bei der Nacharbeitung der japanischen Offenlegungsschrift erhalten hätte.

Damit ist aber die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass die Versuche

der Klägerin einschließlich derjenigen mit Maleinsäureanhydrid nicht in jeder Hinsicht der Vorgehensweise entsprechen, die der Fachmann am Prioritätstag gewählt hätte. Dies muss zu Lasten der Klägerin gehen.

4. Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisauf-

nahme rechtfertigt auch nicht die Bewertung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann nahegelegt war.

a) Nach den Ausführungen in der japanischen Patentanmeldung

Hei 2-201811 (D1) ist es Zweck der dort beschriebenen Erfindung, eine Harzmischung zu erhalten, die für das elektrostatische Beschichten mit einer geringen Menge an elektrisch leitenden Teilchen geeignet ist. Dem Hinweis auf die "geringe Menge" ist zu entnehmen, dass sich die Anmelder des auch im Streitpatent angesprochenen Umstands bewusst waren, dass der elektrisch leitende Füllstoff im Zweifel für die übrigen physikalischen Eigenschaften der Zusammensetzung nachteilig ist. Dem soll dadurch entgegengewirkt werden, dass jedenfalls der Hauptteil der leitenden Teilchen in der Polyamidphase enthalten ist. Um dies zu erreichen, wird ein Verfahren zur Herstellung einer elektrisch leitenden Harzmischung aus einem Polyphenylenether und einem Polyamid sowie einem Ruß gelehrt, das die gleichförmige Dispergierung des Rußes in dem Polyamid vorsieht, gefolgt von einem Vermischen mit dem Polyphenylenether (Schutzanspruch 2 der Entgegenhaltung). In der Beschreibung wird dies näher dahin erläutert, dass der Ruß vorab gleichförmig in dem Polyamid dispergiert und das Resultierende dann mit dem Polyphenylenether vermischt wird, wodurch erreicht werden soll, dass ein Hauptteil in der Polyamidphase enthalten ist. Als besonders bevorzugt wird es bezeichnet, 95 Gewichtsprozent oder mehr des Rußes in die Polyamidphase zu verbringen. Entsprechend wird in dem einzigen Beispiel der gesamte Ruß mit 34,5/41 des Polyamids (Nylon 6) zu einem "Masterbatch" verarbeitet, dessen Pellets sodann mit den übrigen Komponenten vermischt und extrudiert werden. Nach der D1 wird der Ruß somit nicht wie nach dem Verfahren des Streitpatents in ein verträglich gemachtes Polyphenylenether-Polyamid-Basisharz eingearbeitet, sondern Polyphenylenether und Polyamid werden vermischt, nachdem der Ruß in das Polyamid oder dessen Hauptbestandteil eingearbeitet worden ist. Damit handelt es sich bei der D1 und bei dem Streitpatent aber entgegen der Annahme des Patentgerichts nicht um "gleiche Arbeitsweisen".

Wenn in der japanischen Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) aus-

geführt wird, zur Kompatibilisierung des Polyphenylenethers und des Polyamids sei es möglich, einen Verträglichmacher einfach zuzugeben und diesen mit dem Polyphenylenether und dem Polyamid zu mischen, oder ein Verfahren anzuwenden, bei dem der Polyphenylenether mit Zitronensäure, Maleinsäureanhydrid oder dergleichen umgesetzt wird, um den Polyphenylenether zu modifizieren, "gefolgt von einem Verkneten mit dem Polyamid", besagt dies vor diesem Hintergrund nicht, dass die Kompatibilisierung von Polyphenylenether und Polyamid auch vor dem Rußzusatz erfolgen kann; die Stelle verhält sich nur - wie es einleitend in dem betreffenden Absatz heißt - über das Verfahren zur Kompatibilisierung.

Angesichts dessen ist nicht erkennbar, was den Fachmann veran-

lasst haben könnte, das Verfahren abzuändern und den Ruß - für sich oder als Bestandteil eines Polyamid-Ruß-Masterbatchs - erst in die kompatibilisierte Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzung einzuarbeiten. Denn die japanische Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) lehrt die Einarbeitung des Rußes in die Polyamidphase vor der Herstellung der Polyphenylenether-Polyamid-Mischung gerade, weil sich ihre Anmelder davon eine ausreichende Leitfähigkeit mit relativ geringem Rußanteil versprechen. Veranlassung zu einer Änderung hätte nur der Umstand geben können, dass der Fachmann bei der Nacharbeitung der D1 feststellt, dass etwa die Kerbschlagfestigkeit der Zusammensetzung unbefriedigend ist. Dazu müsste es der Fachmann aber zumindest für möglich halten, dass die in der D1 gelehrte Abfolge nicht geeignet ist, das gewünschte Ziel zu erreichen.

b) Hierfür ergibt sich ein Anhalt auch nicht aus der japanischen

Patentanmeldung Hei 3-103467 (D19). Diese beschreibt ein Herstellungsverfahren, bei dem durch Mischen in geschmolzenem Zustand eine "Zwischenkomposition" aus Polyphenylenether, Polyamid, einem Schlagzähigkeitsverbesserungsmittel und einem Verträglichmacher (wobei u.a. Maleinsäureanhydrid genannt wird) hergestellt und diese "Zwischenkomposition" anschließend mit weiterem Polyamid und 3 bis 50 Gewichtsprozent eines anorganischen Füllstoffs, dessen durchschnittlicher Korndurchmesser höchstens 5 µm beträgt, in geschmolzenem Zustand vermischt wird. Dies entspricht zwar, wenn als Füllstoff auch Ruß in Betracht gezogen werden müsste, der erfindungsgemäßen Vorgehensweise. Jedoch ist nicht zu erkennen, was dem Fachmann am Prioritätstag zum Rückgriff auf die D19 Anlass gegeben haben könnte.

Die D19 beschreibt einleitend, dass auf Grund der erweiterten Anwendungsgebiete von Kunststoffzusammensetzungen aus insbesondere Polyphenylenether und Polyamid weitere bislang nicht beachtete Eigenschaften auf einem hohen Niveau gefordert würden. Um beispielsweise die Gestaltbarkeit zu verbessern, würden eine hohe Lackierbarkeit sowie Dimensionsstabilität gefordert. Bei einer herkömmlichen Polyphenylenetherharzkomposition sei es schwierig, bei hoher Temperatur gleichzeitig eine hohe Dimensionsstabilität und Schlagzähigkeit zu erzielen. Als gängige Maßnahme komme zwar eine Beimengung anorganischer Füllstoffe in Betracht, da sich jedoch dabei die Brüchigkeit der Teile erhöhen und das Niveau der Schlagzähigkeit sinken könnten, sei ihr Anwendungsgebiet aber eingeschränkt. Es wird daher als Aufgabe der Entgegenhaltung bezeichnet, ein Herstellungsverfahren für thermoplastische Harzkompositionen bereitzustellen, die gleichzeitig hohe Steifigkeit, Schlagzähigkeit und Dimensionsstabilität aufweisen. Dies soll durch das vorstehend genannte Verfahren erreicht werden, wobei zur "Zwischenkomposition" nähere Angaben gemacht werden, wie die Gewichtsanteile der einzelnen Komponenten zu bemessen sind, um beim Endprodukt die angestrebte Eigenschaftskombination zu erreichen (S. 9 Z. 14-31). Der anorganische Füllstoff könne kugel-, würfel-, granulat-, nadel-, tafel- oder faserförmig sein, die tafelförmigen Füllstoffe würden indessen hinsichtlich der Ausgeglichenheit zwischen Steifigkeit und Schlagzähigkeit sowie der Verbesserung der Dimensionsstabilität bevorzugt. Als Beispiele solcher Füllstoffe werden metallische Elemente der Gruppen I bis VIII des Periodensystems oder Silizium als Element, Oxid, Hydroxid, Carbonat, Sulfat, Silikat sowie Sulfit und verschiedene Tonmineralien genannt. Wegen ihrer Tafelform seien Talkum, Glimmer, Kaolin sowie Diatomeenerde zu bevorzugen; die Füllstoffe könnten unbehandelt oder zur Verbesserung der Affinität mit den Harzen oberflächenbehandelt verwendet werden. In den Beispielen (wie auch den Vergleichsbeispielen) wird ausschließlich mit Talkum gearbeitet, in Beispiel 5 ist dieses mit Epoxidsilan oberflächenbehandelt.

Es bedarf auf dieser Grundlage keiner Klärung, ob - worüber die Parteien streiten - Ruß als anorganischer Füllstoff in diesem Sinn anzusehen ist. Jedenfalls kann zur Überzeugung des Senats aus fachmännischer Sicht von einer Verallgemeinerung des in der japanischen Patentanmeldung Hei 3-103467 (D19) verwendeten Füllstoffs Talkum auf schlechthin jeden anorganischen Füllstoff beliebiger Form nicht ausgegangen werden, zumal die D19 keine theoretische Erklärung dafür anbietet, warum das dargestellte Verfahren die ihm zugeschriebenen Ergebnisse, nämlich eine ausgeglichene Steifigkeit und Schlagzähigkeit sowie hohe Dimensionsstabilität, erbringen soll. Die angestrebte Dimensionsstabilität erfordert, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, jedenfalls - wie von der D19 auch vorgesehen -hohe Füllstoffgehalte und solche Füllstoffe, die wie Talkum (den auch das Streitpatent als zusätzlichen Füllstoff ausdrücklich zulässt, S. 6 Z. 17) und Glimmer tafelförmig sind. Ruß weist, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, diese Eigenschaft nicht auf.

Dass der Fachmann, ausgehend von der japanischen Patentan-

meldung Hei 2-201811 (D1), die technische Lehre der D19 unter Ausblendung des Gesichtspunkts der Dimensionsstabilität betrachtet hätte, erscheint fernliegend und nur aus einer Expost-Sicht plausibel, die die Entgegenhaltung in Kenntnis des Streitpatents auf Gemeinsamkeiten untersucht. Wie der Parteigutachter Prof. Dr. H. angegeben hat, mag zwar aus fachmännischer Sicht vernünftigerweise anzunehmen gewesen sein, dass je nach Art des eingesetzten Füllstoffs die in D19 als relevant herausgestellten Eigenschaften durch das gelehrte Compoundierungsverfahren in unterschiedlichem Maß verbessert werden. Auch aus der Sicht von Prof. Dr. H. war jedoch der Grad der Verbesserung der jeweiligen Eigenschaften für einzelne anorganische Füllstoffe weder aus der D19 noch aus dem allgemeinen Fachwissen vorhersehbar. Jegliche Annahme des Fachmanns, er könne die in D1 spezifisch für die Einarbeitung von Leitfähigkeitsruß gegebene Lehre dadurch verbessern, dass er - der D19 folgend - auf die Vorabeinarbeitung in die Polyamidphase vor der Herstellung der Polyphenylenether-Polyamid-Mischung verzichte, auf die die D1 gerade wegen der Sicherstellung - in D19 nicht angesprochener - ausreichender Leitfähigkeit mit möglichst wenig Rußeintrag Wert legt, wäre daher spekulativ und nicht von einer angemessenen Erfolgserwartung getragen gewesen. Die Annahme, D19 habe eine Abwandlung des Verfahrens nach D1 nahegelegt, ist daher ohne ausreichende Stütze.

c) Auch die europäische Patentanmeldung 506 386 (D2) kann die erforderliche Anregung nicht liefern. Sie beansprucht aufzuzeigen, dass die elektrische Leitfähigkeit von Polyphenylenether-Polyamid-Zusammensetzungen erhöht werden kann, wenn eine bestimmte Menge Ruß zugemischt wird und das Mischverhältnis und die relativen Viskositäten der beiden Harze speziell definiert werden (S. 2 Z. 23-27). D2 beschreibt weder erfindungsgemäße Schlagfestigkeiten, noch lehrt sie die Verfahrensabfolge des Patentanspruchs 15. Soweit sie bemerkt, die thermoplastische Zusammensetzung werde erhalten, indem die Komponenten nach herkömmlichem Verfahren vermischt und sodann aufgeschmolzen und geknetet würden, das Mischen und Verkneten könne jedoch in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden und es könne jedwede Kombination einiger Bestandteile getrennt verknetet und dann mit den verbleibenden Bestandteilen vermischt und verknetet werden (S. 5 Z. 39-47), belegt dies allenfalls, dass aus der Sicht der D2 Einzelheiten der Verfahrensführung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sind, ändert aber nichts daran, dass keines der Beispiele eine Polyphenylenether-Polyamid-Kompatibilisierung vor der Rußzugabe vorsieht. Damit gibt sie dem Fachmann keine Anregung, sich von einer Abweichung von der Verfahrensführung nach der japanischen Patentanmeldung Hei 2-201811 (D1) einen Vorteil zu versprechen.

5. Mit Patentanspruch 1 in seiner eingeschränkten Fassung haben

auch die auf diesen Patentanspruch zurückbezogenen Unteransprüche Bestand.

6. Die Schutzfähigkeit des Verfahrensanspruchs 15 folgt bereits

daraus, dass sich - wie ausgeführt - die in diesem unter Schutz gestellte Reihenfolge der Verfahrensschritte nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Art. 56 EPÜ). Mit Patentanspruch 15 haben auch die auf diesen zurückbezogenen Patentansprüche Bestand.

Nach Patentanspruch 15 wird das in Patentanspruch 1 geschützte Harz dadurch hergestellt, dass in dieser Reihenfolge zunächst das verträglich gemachte Basisharz hergestellt und sodann in dieses (und nicht etwa nur in eine bestimmte Komponente wie das Polyamid) der elektrisch leitende Ruß - gegebenenfalls in Gestalt eines Masterbatchs nach Patentanspruch 17 - eingebracht wird. Auch an der ausführbaren Offenbarung dieser Verfahrensschritte in der angegebenen Reihenfolge bestehen keine Zweifel.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. §§ 91 , 92 , 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am 25. Februar 2010

Vorinstanz: BPatG, vom 01.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 23/03 (EU)
Fundstellen
BGHZ 184, 300
GRUR 2010, 414
GRURInt 2010, 749