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BGH - Entscheidung vom 04.03.2010

V ZB 222/09

Normen:
FamFG § 18 Abs. 3 Satz 2, § 68 Abs. 3 Satz 2, § 70 Abs. 3 Satz 2, § 81 Abs. 1 Satz 2, § 420
FamFG § 18 Abs. 1
FamFG § 18 Abs. 3 S. 2
FamFG § 68 Abs. 3 S. 2
FamFG § 70
FamFG § 71 Abs. 2 S. 1
FamFG § 81 Abs. 1 S. 2
FamFG § 420

Fundstellen:
BGHZ 184, 323
BRAK-Mitt 2010, 211
DÖV 2010, 704
FGPrax 2010, 154
FamRB 2010, 370
FamRZ 2010, 809

BGH, Beschluss vom 04.03.2010 - Aktenzeichen V ZB 222/09

DRsp Nr. 2010/4822

Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe in Freiheitsentziehungssachen; Frist zur Nachholung einer versäumten Rechtsbeschwerdebegründung; Erfordernis einer Zuleitung des Sicherungshaftantrags der beteiligten Behörde vor der persönlichen Anhörung; Erfordernis einer schriftlichen Übersetzung des Haftantrags bei Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung

a) Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe richtet sich nicht nach § 70 FamFG, sondern nach § 574 ZPO und setzt auch in Freiheitsentziehungssachen die Zulassung durch das Beschwerdegericht voraus.b) Die Frist zur Nachholung der versäumten Rechtsbeschwerdebegründung beginnt gemäß § 18 Abs. 1 FamFG mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Sie beträgt in verfassungskonformer Anwendung von § 18 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG einen Monat (§ 71 Abs. 2 Satz 1 FamFG).c) § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG gilt auch für die persönliche Anhörung des Betroffenen.d) Der Sicherungshaftantrag der beteiligten Behörde muss dem Betroffenen vor der persönlichen Anhörung nach § 420 FamFG zugeleitet werden. Die Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung genügt (nur), wenn der Sachverhalt einfach gelagert und der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist.e) Nur unter diesen Voraussetzungen kann bei der deutschen Sprache nicht mächtigen Betroffenen auch von einer schriftlichen Übersetzung des Haftantrags abgesehen und für die mündliche Eröffnung ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden.f) Bei Betroffenen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist regelmäßig nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG anzuordnen, dass von der Erhebung von Dolmetscherkosten abzusehen ist.

Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen für die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 10 des Landgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2009 wird auf Kosten des Betroffenen verworfen, soweit sie sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe in den Vorinstanzen richtet, und im Übrigen auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von der Erhebung der Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers abzusehen ist.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Normenkette:

FamFG § 18 Abs. 1; FamFG § 18 Abs. 3 S. 2; FamFG § 68 Abs. 3 S. 2; FamFG § 70; FamFG § 71 Abs. 2 S. 1; FamFG § 81 Abs. 1 S. 2; FamFG § 420;

Gründe

I.

Der Betroffene, der im Februar 1997 schon einmal nach Deutschland eingereist war, nach Einstellung eines Asylverfahrens im April 1999 unbefristet ausgewiesen und im Juni 2002 mit unbefristeter Wirkung abgeschoben worden war, wurde am 25. August 2009 von Zollbeamten in einem türkischen Einzelhandelsgeschäft in Hamburg angetroffen, wo er als Fleischzerleger und Zerbeiner arbeitete. Nach seiner Festnahme wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts eingeleitet und Untersuchungshaft angeordnet. Die beteiligte Behörde beantragte am 15. September 2009 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Das Amtsgericht hörte den Betroffenen unter Beteiligung eines Dolmetschers und seines - nicht geladenen, aber gleichwohl erschienenen - Verfahrensbevollmächtigten erster Instanz an. Bei der Anhörung lag ein Auszug aus der Ausländerakte vor. Der Haftantrag der beteiligten Behörde wurde dem Antragsteller mündlich bekannt gegeben.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der beteiligten Behörde mit sofortiger Wirkung Sicherungshaft bis zu dessen Zurückschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland, längstens zwei Wochen nach Ende der gegen ihn verhängten Untersuchungshaft, angeordnet und den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Die Untersuchungshaft ist in der Hauptverhandlung in dem Strafverfahren am 21. September 2009 durch das Strafgericht nach Verurteilung des Betroffenen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen unerlaubter Einreise aufgehoben worden. Die Beschwerde des Betroffenen und den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde. Er ist am 10. November 2009 in die Türkei abgeschoben worden und beantragt jetzt, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen und ihm nachträglich für die Vorinstanzen Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

II.

Das Beschwerdegericht hält die Anordnung der Sicherungshaft für rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Es bestehe der begründete Verdacht, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Die von dem Betroffenen gerügten Verfahrensfehler lägen nicht vor. Die Entscheidung habe auf Grund eines Auszugs aus dem Verwaltungsvorgang getroffen werden dürfen; ein hierin etwa liegender Verfahrensmangel sei durch Vorlage der vollständigen Verwaltungsakte im Beschwerdeverfahren geheilt worden. Die beantragte Dauer der Sicherungshaft sei hinreichend bestimmt. Eine Ladung des Bevollmächtigten des Betroffenen zu dem Anhörungstermin habe das Amtsgericht nicht veranlassen können, da sich dieser in der Entziehungssache noch nicht bestellt gehabt habe. Dieser habe den Termin jedenfalls wahrgenommen. Dem Betroffenen habe vor dem Termin keine schriftliche Übersetzung des Haftantrags ausgehändigt werden müssen. Angesichts der Überschaubarkeit des Sachverhalts habe es ausgereicht, ihm den Haftantrag im Anhörungstermin mündlich zu eröffnen und eine Dolmetscherin zur Verfügung zu stellen. Einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht bedürfe es nicht.

III.

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist nur in der Hauptsache zulässig.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Vorinstanzen richtet. Es fehlt an der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO erforderlichen Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht. Die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit und die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde richten sich nach dieser Vorschrift und nicht nach §§ 70 ff. FamFG. Das folgt daraus, dass die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe nicht mit der Beschwerde nach § 58 FamFG, sondern gemäß § 76 Abs. 2 FamFG mit der sofortigen Beschwerde nach Maßgabe der Zivilprozessordnung angreifbar ist. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass sich nicht nur die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nach der Zivilprozessordnung richten, sondern auch die Modalitäten der Anfechtung ihrer Verweigerung (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 214 f. zu § 79 des Entwurfs). Das gilt auch für die Frage, ob die Zurückweisung einer Beschwerde mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann (Prütting/Helms/Abramenko, FamFG § 70 Rdn. 2 a. E., anders aber Stößer ebenda § 76 Rdn. 15).

2.

In der Hauptsache ist die Rechtsbeschwerde dagegen weiterhin statthaft. Die Hauptsache hat sich zwar durch die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgte Abschiebung des Betroffenen erledigt. Das Rechtsbeschwerdeverfahren kann aber in entsprechender Anwendung und nach Maßgabe von § 62 Abs. 1 FamFG mit dem Antrag fortgesetzt werden, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, zur Veröff. best.). Einen solchen Antrag hat der Betroffene hier gestellt. Das nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung folgt bei einer Freiheitsentziehung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG aus dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen (vgl. BVerfG InfAuslR 1996, 198 , 200; Senat, BGHZ 153, 18 , 20).

3.

Soweit statthaft, ist die Rechtsbeschwerde auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Betroffene hat zwar die Fristen für die Einlegung der Rechtsbeschwerde und ihre Begründung versäumt. Ihm ist aber gegen die Versäumung beider Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

a)

Die Versäumung der genannten Fristen war schuldlos, weil der Betroffene bedürftig ist. Er hat die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde fristgerecht nachgeholt. Die Frist für die Nachholung der Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt nach § 18 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG zwei Wochen und beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, hier mit der Zustellung des Senatsbeschlusses, durch den dem Betroffenen Verfahrenkostenhilfe bewilligt worden ist. Diese Frist ist eingehalten. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Frist für die Nachholung der Begründung der Rechtsbeschwerde.

b)

Nach dem Wortlaut von § 18 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 FamFG würde allerdings auch diese Frist nur zwei Wochen betragen und ebenfalls mit der Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beginnen. Diese Frist hat der Betroffene nicht eingehalten. Das ist indessen unschädlich. § 18 FamFG ist, ebenso wie die inhaltsgleiche Regelung in § 234 Abs. 1 ZPO (dazu: BGH, Beschl. v. 9. Juli 2003, XII ZB 147/02, NJW 2003, 3275, 3276 f.) und ähnlich wie § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO (BVerwG NJW 1992, 2307 , 2308) jeweils in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung, verfassungskonform auszulegen (Bahrenfuss in Bahrenfuss (Hrsg.) FamFG, § 18 Rdn. 2; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, § 18 Rdn. 23 f.; offen Keidel/Sternal, FamFG, 16 Aufl., § 18 Rdn. 10 f.). Der Gesetzgeber hat sich bei der Formulierung von § 18 FamFG an den früheren § 22 FGG einerseits und an § 60 VwGO andererseits ausgerichtet (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 16/6308 S. 183). Er hat dabei aber übersehen, dass das frühere Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine besondere Begründungsfrist kannte und § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO (ebenso wie § 234 ZPO ) durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) um eine besondere Monatsfrist bei der Versäumung der Begründungsfrist ergänzt worden ist, um der ansonsten entstehenden verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Verkürzung der Frist für eine bedürftige Partei entgegenzuwirken. Bei der danach gebotenen verfassungskonformen Anwendung der Vorschrift beginnt die Frist zur Nachholung der Begründung zwar gemäß § 18 Abs. 1 FamFG mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (BGHZ 176, 379 , 381 f. für die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO ). Sie beträgt aber nicht zwei Wochen; es gilt vielmehr die Monatsfrist des § 71 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

IV.

Die Rechtsbeschwerde ist im Wesentlichen unbegründet. Die Haftanordnung war rechtmäßig. Es widerspricht aber billigem Ermessen, dem Betroffenen auch die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers aufzuerlegen.

1.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Betroffene nach § 57 Abs. 1 und 3 AufenthG i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Sicherung der Zurückschiebung in Haft zu nehmen war, weil er nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist und nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig war. Das greift die Rechtsbeschwerde auch nicht an.

2.

Unbegründet sind die Einwände der Rechtsbeschwerde gegen die Beschlussformel der Haftanordnung. Die Haftanordnung bedurfte keiner Vollstreckungsklausel nach § 86 Abs. 3 FamFG, weil sie nicht nach den §§ 86 ff. FamFG oder auf Grund eines mit einer Vollstreckungsklausel versehenen Titels vollstreckt wird. Sie wird vielmehr nach § 422 Abs. 3 FamFG von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen (Keidel/Budde, aaO, § 422 Rdn. 5). Sie verstieß auch nicht gegen §§ 421 Nr. 2, 425 Abs. 1 FamFG, wonach der Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet, in der Beschlussformel zu nennen ist und die angeordnete Haft die Höchstfrist von einem Jahr nicht überschreiten darf. Im Hinblick auf ein unabweisbares praktisches Bedürfnis ist nämlich anerkannt, dass dies auch in der hier gewählten Weise geschehen kann, die Dauer der Sicherungshaft festzulegen und zu bestimmen, dass die Haft nicht mit der Wirksamkeit der Entscheidung beginnt, sondern erst im Anschluss an eine bereits bestehende Untersuchungshaft (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226 , insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt; Keidel/Budde, aaO, § 425 Rdn. 4; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 425 Rdn. 8 ff.).

3.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Beschwerdegericht nicht zu einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen verpflichtet. Eine solche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich. Davon kann aber, auch bei der gebotenen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 16/6308 S. 207 f.) Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (dazu: EGMR NJW 1992, 1813, 1814 Tz. 36 f. - Helmers gegen Schweden), nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226 , insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, zur Veröff. best.; KG InfAuslR 2009, 356, 357; Hoppe, ZAR 2009, 209, 213). So liegt es hier. Der Sachverhalt war einfach. Der Betroffene war etwa zwei Wochen zuvor durch das Amtsgericht angehört worden. Dabei hatte er sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten zur Sache geäußert. Dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, dass und ggf. welche zusätzlichen Erkenntnisse eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen hätte ergeben können.

4.

Auch dem Amtsgericht sind keine Verfahrensfehler unterlaufen. Es durfte zwar auf Grund der freiheitssichernden Funktion von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Zurückschiebungshaft nur anordnen, wenn es den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und für die Haftanordnung eine ausreichende tatsächliche Grundlage hatte (BVerfG NVwZ 2008, 304 , 305). Diesen Anforderungen ist es aber auch, wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei entschieden hat, gerecht geworden.

a)

Der Haftantrag der beteiligten Behörde entsprach den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG. Für die in dem Antrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG anzugebende erforderliche Dauer der Haftanordnung gilt nichts anderes als für die Anordnung der Sicherungshaft selbst (dazu oben 2.). Auch hier darf als Beginn der zu bestimmenden Dauer der Haft das Ende der bestehenden Untersuchungshaft angegeben werden.

b)

Es war auch nicht zu beanstanden, dass der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen erst zu Beginn der Anhörung eröffnet wurde. Der Zeitpunkt, zu dem das Gericht des ersten Rechtszugs dem Betroffenen nach § 23 Abs. 2 FamFG den Haftantrag der beteiligten Behörde zuzuleiten hat, bestimmt sich einerseits danach, was zu der dem Richter im Freiheitsentziehungsverfahren obliegenden Sachaufklärung erforderlich ist (BVerfG InfAuslR 1996, 198 , 201), andererseits danach, was den Betroffenen in die Lage versetzt, das ihm von Verfassungs wegen zukommende rechtliche Gehör auch effektiv wahrzunehmen (BVerfGE 64, 135 , 145; BVerfG NJW 2004, 1095 , 1097). Ist der Betroffene ohne vorherige Kenntnis des Antragsinhalts nicht in der Lage, zur Sachaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen, muss ihm der Antrag vor der Anhörung übermittelt werden. Dagegen genügt die Eröffnung des Haftantrags zu Beginn der Anhörung, wenn dieser einen einfachen, überschaubaren Sachverhalt betrifft, zu dem der Betroffene auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Überraschung ohne weiteres auskunftsfähig ist. Dieser zweite Fall liegt hier vor. Der Betroffene kannte den Sachverhalt schon aus dem parallelen Strafverfahren, in dem aus den von der beteiligten Behörde angeführten Gründen Untersuchungshaft angeordnet worden war, und konnte deshalb, anders als die Betroffenen in den von der Rechtsbeschwerde angeführten Fällen (OLG Frankfurt/Main NJW 1985, 1294; NVwZ 1996, Beilage 5 zu Heft 5/1996, S. 40) von dem Haftantrag nicht überrascht sein. Das zeigt sich auch daran, dass sein Verfahrensbevollmächtigter in dem Termin zur Anhörung einen mehrseitigen Schriftsatz vorgelegt hat, in dem er zu dem Haftantrag Stellung genommen hat. Der Betroffene hat sich - wiederum anders als im Fall des Oberlandesgericht Frankfurt/Main (NJW 1985, 1294) - durch seinen Verfahrensbevollmächtigten auch zur Sache geäußert.

c)

Es war nicht erforderlich, den Haftantrag schriftlich zu übersetzen. Ein Betroffener kann zwar nach Art. 5 Abs. 2 EMRK verlangen, dass ihm die Gründe für seine Verhaftung in innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt werden. Diese Unterrichtung muss aber nicht schriftlich, sie kann auch mündlich erfolgen ( EGMR , Urt. v. 21. Februar 1990 - van der Leer ./. Niederlande, Serie A Nr. 170 S. 13 Nr. 27 f.; Urt. v. 5. April 2001, Beschwerde Nr. 26899/95 - H. B. ./. Schweiz Nr. 47 f.; Meyer-Ladewig, EMRK , 2. Aufl., Art. 5 Rdn. 25; Grabenwarter, EMRK , 4. Aufl., § 21 Rdn. 27). Entscheidend ist, ob der Betroffene auf Grund der Übersetzung in der Lage ist, den Haftgrund zu verstehen und seine Rechte zu wahren ( EGMR , Urt. v. 5. April 2001, aaO; vgl. zu Strafverfahren BVerfG NJW 2004, 50, 51). Dazu genügt die mündliche Übersetzung durch den nach § 2 EGGVG i. V. m. § 185 GVG hinzuziehenden Dolmetscher, wenn der Sachverhalt einfach gelagert und überschaubar ist und der Haftantrag einen geringen Umfang hat (Keidel/Budde, aaO, § 418 Rdn. 7; vgl. EGMR ÖJZ 1990, 412, 415 f - Kamasinski ./. Österreich; vgl. auch OLG Frankfurt/Main NJW 2005, 299). So liegt es im vorliegenden Fall; hinzu kommt, dass der Haftantrag auf dieselben Erwägungen gestützt war wie die angeordnete Untersuchungshaft. Unschädlich wäre es entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde, wenn der Haftantrag tatsächlich auch nicht mündlich übersetzt worden sein sollte. Bei der Anhörung stand nach dem Protokoll eine Dolmetscherin für die türkische Sprache zur Verfügung. Das Gericht hat zwar im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht grundsätzlich sicherzustellen, dass der Betroffene das Geschehen bei der Anhörung tatsächlich "mitbekommt" und ihm auch tatsächlich übersetzt wird. Eine solche Pflicht besteht aber nicht, wenn der Betroffene - wie hier - anwaltlich vertreten ist. Dann kann und hat er zusammen mit einem Verfahrensbevollmächtigten selbst zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er sich der Hilfe des zur Verfügung stehenden Dolmetschers bedient.

d)

Der Haftanordnung stand nicht entgegen, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen an der Anhörung teilgenommen hat, ohne von dem Gericht dazu geladen worden sein. Das Amtsgericht hatte ihn weder selbst zu laden noch ihn über die Ladung des Betroffenen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG zu unterrichten, weil er sich in diesem Verfahren noch nicht bestellt hatte (vgl. OLG München OLGR 2008, 144, 145). Er war, wie das Protokoll über die Anhörung und der von dem Verfahrensbevollmächtigten überreichte Schriftsatz belegen, unabhängig von einer Ladung durch das Amtsgericht auch zur sachgerechten Vertretung des Betroffenen in der Lage.

e)

Das Amtsgericht musste seine Entscheidung nicht zurückstellen, bis ihm die Ausländerakte vollständig vorlag. Diese ist dem Gericht zwar nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG mit der Antragstellung vorzulegen. Die vollständige Ausländerakte ist regelmäßig auch notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft (BVerfG NVwZ 2008, 304 , 305; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659 , 2660; Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). So liegt es hier. Das Amtsgericht hat den Auszug aus der Ausländerakte zum Gegenstand der Anhörung gemacht und unter anderem ein Strafverfahren aus dem Jahr 2002, das anhängige Strafverfahren und die frühere Abschiebung des Betroffenen erörtert. Es ist weder von dem Betroffenen behauptet noch sonst ersichtlich, dass das Gericht den übrigen Teilen der Ausländerakte weitere entscheidungserhebliche Informationen hätte entnehmen können.

5.

Die Anordnung der Sicherungshaft hatte auch nicht deshalb zu unterbleiben, weil dem Betroffenen in den Vorinstanzen Verfahrenskostenhilfe verweigert worden ist. Auch wenn die rechtsfehlerhafte Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bewirken kann (BGH, Beschl. v. 21. Juli 2009, I ZB 83/09, MarkenR 2010, 35, 38), so kann es dazu jedenfalls dann nicht kommen, wenn der Betroffene - wie hier -trotz Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe in allen Instanzen anwaltlich vertreten ist.

6.

Nicht rechtsfehlerfrei ist dagegen die Behandlung der Dolmetscherkosten durch die Vorinstanzen. Billigem Ermessen hätte es nämlich entsprochen, von der Erhebung dieser Kosten nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen. Das ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e EMRK . Nach dieser Norm hat ein Angeklagter im Strafverfahren, der die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann, Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers. Damit soll sichergestellt werden, dass er ein faires Verfahren erhält ( EGMR NJW 1979, 1091, 1092 - Luedicke, Belkacem und Koc ./. Deutschland; NJW 1985, 1273, 1275 - Öztürk ./. Deutschland; EKMR, NJW 1978, 477). Wegen dieser Zweckrichtung besteht der Anspruch im gesamten Verfahren und nicht etwa nur in der eigentlichen Hauptverhandlung (BVerfG NJW 2004, 50, 51). Dieser Gesichtspunkt gilt auch im Freiheitsentziehungsverfahren gegen einen Betroffenen, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Hier schreibt die Europäische Menschenrechtskonvention in Art. 5 Abs. 2 zwar nur vor, dass dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt werden muss, weshalb gegen ihn Sicherungshaft angeordnet werden soll. Nicht anders als ein Angeklagter im Strafverfahren kann der Betroffene seine Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren aber effektiv nur wahrnehmen, wenn ihm jedenfalls in der nach § 420 FamFG vorgeschriebenen Anhörung unentgeltlich ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt wird (OLG Celle StV 2005, 452 ; LG Lübeck StraFo 2004, 130 f.; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 419 Rdn. 3; in der Bewertung trotz abweichender Entscheidung ähnlich: OLG Düsseldorf JMBl NW 1986, 59, 60). Das gilt insbesondere dann, wenn ihm - wie hier - in der Anhörung der Haftantrag eröffnet werden soll. Es entspricht deshalb in aller Regel billigem Ermessen, im Freiheitsentziehungsverfahren von der Erhebung der Dolmetscherkosten, die der Betroffene sonst bei Anordnung der Sicherungshaft nach § 128c Abs. 3 KostO zu tragen hätte, nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 02.10.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 310 T 57/09
Vorinstanz: AG Hamburg-Mitte, vom 16.09.2009 - Vorinstanzaktenzeichen XIV 41107/07
Fundstellen
BGHZ 184, 323
BRAK-Mitt 2010, 211
DÖV 2010, 704
FGPrax 2010, 154
FamRB 2010, 370
FamRZ 2010, 809