Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

OLG Koblenz: Leitlinien

OLG Koblenz: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand: 01.01.2008)

Vorbemerkung

Nach der Übergangsvorschrift Art 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts ist für Unterhaltszeiträume bis 31.12.2007 – unabhängig vom Entscheidungszeitpunkt – das bisherige Recht anwendbar. Insoweit finden die bisher maßgebenden Leitlinien (Stand 01.07.2007) weiter Anwendung.

Unterhaltsrechtliches Einkommen

1. Geldeinnahmen

1.1 Auszugehen ist vom Jahresbruttoeinkommen einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie sonstiger Zuwendungen, wie z.B. Tantiemen und Gewinnbeteiligungen.

1.2 Einmalige höhere Zahlungen, wie z.B. Abfindungen oder Jubiläumszuwendungen, sind auf einen angemessenen Zeitraum nach Zufluss zu verteilen (in der Regel mehrere Jahre).

1.3 Überstundenvergütungen werden in der Regel dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufsüblich sind oder nur in geringem Umfang anfallen oder wenn der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder oder der entsprechende Unterhalt ihnen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellter Volljähriger nicht gedeckt ist. Sonst ist die Anrechnung unter Berücksichtigung des Einzelfalls nach Treu und Glauben zu beurteilen.

1.4 Auslösungen und Spesen sind nach den Umständen des Einzelfalls anzurechnen. Soweit solche Zuwendungen geeignet sind, laufende Lebenshaltungskosten zu ersparen, ist diese Ersparnis in der Regel mit 1/3 des Nettobetrags zu bewerten. Das ist in der Regel anzunehmen, wenn die Zuwendung versteuert wird.

1.5 Bei Selbständigen ist vom durchschnittlichen Gewinn während eines längeren Zeitraums von in der Regel mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren, möglichst den letzten drei Jahren, auszugehen; es sei denn, die spezifische Geschäftsentwicklung legt die Berücksichtigung kürzerer oder längerer Zeiträume nahe. Anstatt auf den Gewinn kann ausnahmsweise auf die Entnahmen abzüglich der Einlagen abgestellt werden, wenn eine zuverlässige Gewinnermittlung nicht möglich oder der Betriebsinhaber unterhaltsrechtlich zur Verwertung seines Vermögens verpflichtet ist.

1.5.1Abschreibungen (Absetzung für Abnutzung, AfA) können insoweit anerkannt werden, als dem steuerlich zulässigen Abzug ein tatsächlicher Wertverlust entspricht. Dies ist bei Gebäuden in der Regel nicht der Fall. Zinsen für Kredite, mit denen die absetzbaren Wirtschaftsgüter finanziert werden, mindern den Gewinn. Wenn und soweit die Abschreibung unterhaltsrechtlich anerkannt wird, sind Tilgungsleistungen nicht zu berücksichtigen.

1.5.2 Steuern und Vorsorgeaufwendungen sind nach Nr. 10.1 zu berücksichtigen. Der Gewinn ist nicht um berufsbedingte Aufwendungen (Nr. 10.2.1) zu kürzen.

1.6 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden durch eine Überschussrechnung ermittelt. Instandhaltungskosten können entsprechend § 28 der Zweiten Berechnungsverordnung pauschaliert werden. Hinsichtlich der Abschreibungen gilt Nr.1.5.

Auch Kapitaleinkünfte sind – vermindert um die hierauf entfallenden Steuern – unterhaltsrechtliches Einkommen. Wenn sich die konkrete individuelle Steuerlast nicht ermitteln lässt, kann in der Regel ein Steuersatz bis Ende 2008 von rund 33 % (incl. Soli und Kirchensteuer) danach von höchstens rund 29 % (Abgeltungssteuer incl. Soli und Kirchensteuer) berücksichtigt werden (abzüglich des Freibetrags von derzeit 801 € / 1.602 €).

1.7 Steuererstattungen sind in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen (In-Prinzip); bei Selbständigen kann zur Ermittlung eines repräsentativen Einkommens auf den Zeitraum der Veranlagung abgestellt werden (Für-Prinzip).

1.8 Sonstige Einnahmen (z.B. Trinkgelder)

2. Sozialleistungen

2.1 Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III) und Krankengeld (§ 44 SGB V) sind Einkommen.

2.2 Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II) ist Einkommen beim Verpflichteten, beim Berechtigten nur, soweit der Unterhaltsanspruch nicht nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangen ist.

2.3 Wohngeld ist Einkommen, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten abdeckt.

2.4 BAföG-Leistungen (außer Vorausleistungen nach § 36 BAföG) sind Einkommen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden.

2.5 Erziehungsgeld ist nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG Einkommen. Elterngeld ist Einkommen, soweit es 300 € (bzw. in den Fällen des § 6 Satz 2 BEEG 150 €) übersteigt und in den in § 11 Satz 4 BEEG genannten Fällen.

2.6 Unfall- und Versorgungsrenten sowie Waisenrenten sind Einkommen.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen sind Einkommen; bei Sozialleistungen nach § 1610a BGB wird widerlegbar vermutet, dass sie durch Aufwendungen aufgezehrt werden.

2.8 An die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld ist Einkommen nur nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 Die Grundsicherung nach §§ 4143 SGB XII ist beim Verwandtenunterhalt (insbesondere Eltern- und Kindesunterhalt) als Einkommen des Beziehers zu berücksichtigen, nicht aber beim Ehegattenunterhalt.

2.10 Sozialhilfe ist kein Einkommen des Berechtigten; jedoch kann die Geltendmachung von Unterhalt durch den Hilfeempfänger treuwidrig sein, wenn er infolge des Ausschlusses des Anspruchsübergangs (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 und 3 SGB XII) – insbesondere für die Vergangenheit (aber allenfalls bis zur Rechtshängigkeit) – durch die Sozialhilfe und den Unterhalt mehr als seinen Bedarf erhalten würde.

2.11 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind kein Einkommen.

3. Kindergeld

Kindergeld ist unterhaltsrechtlich kein Einkommen der Eltern, sondern dient der Bedarfsdeckung des Kindes. Kinderzulagen und Kinderzuschüsse zur Rente sind, wenn die Gewährung des staatlichen Kindergeldes entfällt (§ 65 EStG; § 270 SGBVI), in dessen Höhe wie Kindergeld, im Übrigen wie Einkommen zu behandeln (BGH, FamRZ 1981, 28, 29).

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers aller Art, z.B. Firmenwagen, freie Kost und Logis, mietgünstige Wohnung, sind – in der Regel in Höhe der steuerlichen Ansätze (für Firmenwagen: §§ 6, 8 EStG: 1 % des Bruttolistenpreises zuzüglich 0,03 % des Bruttolistenpreises je Entfernungs-km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) – dem Einkommen hinzuzurechnen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln, wenn sein Wert die Belastungen übersteigt, die unter Berücksichtigung der staatlichen Eigenheimförderung durch die allgemeinen Grundstückskosten und -lasten, durch Annuitäten und durch sonstige nicht nach § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung umlagefähige Kosten entstehen. Dabei sind in der Regel Raten auf einen Hauskredit in der Trennungszeit oder, wenn das Haus beiden Ehegatten gemeinsam gehört, in voller Höhe (Zins- und Tilgung) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind nur die Zinsen zu berücksichtigen, soweit sie den Wohnwert nicht übersteigen. Tilgungen sind dann nur noch im Sinne von Ziff. 10.1.2. als zusätzliche Altersvorsorge berücksichtigungsfähig. Es ist darauf zu achten, dass Verbindlichkeiten nicht doppelt berücksichtigt werden, beim Unterhalt und bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung.

Während der Trennungszeit ist in der Regel auf den Mietzins abzustellen, den der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste. Ansonsten ist der objektive Mietwert maßgebend, es sei denn, es ist nicht möglich oder zumutbar, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern.

6. Haushaltsführung

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür und die damit verbundene Ersparnis, soweit es sich nicht um eine überobligatorische Leistung handelt, ein (fiktives) Einkommen von regelmäßig 350 € anzusetzen.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit ist nur der unterhaltsrelevante Teil, der sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, im Rahmen der Billigkeit als Einkommen zu berücksichtigen.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Leistungen Dritter (z.B. Geldleistungen, mietfreies Wohnen) sind kein Einkommen, es sei denn, dass die Anrechnung dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

Einkommen sind auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare – d.h. fiktive – Einkünfte.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Steuern und Vorsorgeaufwendungen:

Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

10.1.1 Steuerzahlungen und -nachzahlungen sind in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen (In-Prinzip). Bei Selbständigen kann auf den Zeitraum der Veranlagung abgestellt werden (Für- Prinzip). Grundsätzlich ist jeder gehalten, ihm zustehende Steuervorteile in Anspruch zu nehmen; hierzu gehört auch das Realsplitting. Ob im laufenden Jahr von der Möglichkeit der Eintragung eines Freibetrages Gebrauch zu machen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Werden steuerlich relevante Aufwendungen unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt, sind die Steuern um die aus diesen Aufwendungen erzielten Vorteile zu korrigieren.

10.1.2 Vorsorgeaufwendungen

Zu den angemessenen Vorsorgeaufwendungen kann auch die zusätzliche Altersvorsorge im Rahmen der steuerlichen Förderung nach § 10a EStG zählen. Zur zusätzlichen Altersvorsorge ist zudem in der Regel eine Vermögensbildung bis zu 4 % (beim Elternunterhalt bis zu 5 %) des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres anzuerkennen.

10.2 Berufsbedingte Aufwendungen

10.2.1 Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen, wobei bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – bei Vollerwerbstätigkeit – mindestens 50 €, bei Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 € monatlich – geschätzt werden kann. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie insgesamt nachzuweisen.

10.2.2 Als notwendige Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs können in der Regel 10 € pro Entfernungskilometer im Monat angesetzt werden. Hierin sind alle mit dem Kfz verbundenen Kosten enthalten (einschließlich Finanzierungskosten). Bei längerer Fahrtstrecke kommt eine Kürzung der Pauschale in Betracht.

10.2.3 Bei einem Auszubildenden sind in der Regel 90 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen.

10.3 Kinderbetreuung

Konkrete Kinderbetreuungskosten sind abzuziehen, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Beim Unterhaltspflichtigen kann zudem ein Betreuungsbonus gewährt werden, der in der Regel bei vollschichtiger Tätigkeit für ein Kind bis 3 Jahren 300 €, bei älteren Kindern, bei gleichzeitiger Betreuung mehrerer Kinder oder Teilzeitarbeit nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen ist.

10.4 Schulden

Schulden können je nach den Umständen des Einzelfalls (Art, Grund und Zeitpunkt des Entstehens) das anrechenbare Einkommen vermindern. Die Abzahlung soll im Rahmen eines Tilgungsplans in angemessenen Raten erfolgen. Dabei sind die Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger gegeneinander abzuwägen.

10.5 Unterhaltsleistungen

Ob Unterhaltsleistungen vorweg abzuziehen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

10.6 Vermögensbildung

Vermögenswirksame Leistungen vermindern das Einkommen in der Regel nicht, wenn sie nicht als angemessene Vorsorgeaufwendungen (Ziff. 10.1.2) anzuerkennen sind.

Bei gehobenen Einkünften können Aufwendungen zur Vermögensbildung, die bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben und nach dem vorhandenen Einkommen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus als angemessen erscheinen, einkommensmindernd berücksichtigt werden (BGH, FamRZ 2007, 1532).

10.7 Umgangskosten

Erhöhte Umgangskosten können – je nach den Umständen des Einzelfalles – berücksichtigt werden.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Kindesunterhalt ist der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen. Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Prozentsatz des Mindestunterhalts geltend gemacht werden (§ 1612a Abs. 1 BGB unter Beachtung der Übergangsbestimmung in Art. 36 Abs. 4 EGZPO).

11.1 In den Unterhaltsbeträgen sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht enthalten.

11.2 Bei minderjährigen Kindern, die bei einem Elternteil leben, richtet sich die Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle nach dem anrechenbaren Einkommen des anderen Elternteils. Ab- oder Zuschläge (Anm. A. 1 der Düsseldorfer Tabelle) kommen in Betracht.

Für volljährige Kinder siehe Nr. 13.1.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Der betreuende Elternteil braucht in der Regel keinen Barunterhalt für das minderjährige Kind zu leisten, es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils oder dessen angemessener Bedarf (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB, Anm. A 5 II der Düsseldorfer Tabelle) ist bei Leistung des Barunterhalts gefährdet und der angemessene Selbstbehalt des Betreuenden ist auch bei (anteiliger) Leistung des Barunterhalts gewahrt. Bei überobligationsmäßig erzieltem Einkommen sind die Grundsätze des § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend heranzuziehen (siehe oben Ziff. 7).

12.2 Das bereinigte Einkommen des Kindes, das von einem Elternteil betreut wird, wird nur zur Hälfte auf den Barbedarf angerechnet; im Übrigen kommt es dem betreuenden Elternteil zugute.

12.3 Sind, z.B. bei auswärtiger Unterbringung des Kindes, beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach Nr. 13.3 für den Gesamtbedarf.

12.4 Bei Zusatzbedarf (Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.

13. Volljährige Kinder

13.1 Der Unterhalt für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, richtet sich nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle. Ihr Bedarf bemisst sich, falls beide Eltern leistungsfähig sind, in der Regel nach dem zusammengerechneten Einkommen ohne Höhergruppierung nach Anm.

A. 1 der Düsseldorfer Tabelle. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein – unter Berücksichtigung von Anm. A. 1 der Düsseldorfer Tabelle – nach seinem Einkommen als Tabellenunterhalt (ohne Abzug eigener Einkünfte des Kindes) ergibt. Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 640 €. Von diesem Regelbetrag kann bei entsprechender Lebensstellung der Eltern abgewichen werden.

13.2 Das bereinigte Einkommen des volljährigen Kindes wird in der Regel in vollem Umfange auf den Bedarf angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit (was in der Regel bei Nebentätigkeiten von Schülern oder Studenten angenommen werden kann) gilt § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend. Zu den Einkünften des Kindes gehören auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen.

13.3 Sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, bemisst sich die Haftungsquote nach dem Verhältnis ihrer anrechenbaren Einkünfte. Diese sind vorab jeweils um den Sockelbetrag zu kürzen. Der Sockelbetrag entspricht dem angemessenen Selbstbehalt gemäß Nr. 21.3, bei minderjährigen unverheirateten und ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) dem notwendigen Selbstbehalt gemäß Nr. 21.2, wenn nicht das Einkommen eines Elternteils bedeutend höher ist als das des anderen Elternteils.

Bei der Anteilsberechnung sind Barunterhaltspflichten für minderjährige unverheiratete und ihnen gleichgestellte volljährige Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) nach den Grundsätzen von BGH, FamRZ 2002, 815 zu berücksichtigen.

Der Verteilungsschlüssel kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. Betreuung eines behinderten Volljährigen) wertend verändert werden.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Kindergeld wird nach § 1612b BGB zur Deckung des Barbedarfs verwandt, bei Minderjährigen, die von einem Elternteil betreut werden, zur Hälfte, ansonsten insgesamt.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Der Bedarf der Ehegatten richtet sich nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Unterhaltszeitraum, soweit diese die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig geprägt haben.

Bei tatsächlicher oder den Ehegatten obliegender Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung / Scheidung wird das erzielte oder erzielbare (Mehr-) Einkommen in der Regel als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes einer bisherigen die ehelichen Lebensverhältnisse mitbestimmenden Haushaltstätigkeit angesehen.

Ebenso können einem neuen Partner gegenüber erbrachte geldwerte Versorgungsleistungen als Surrogat der früheren Haushaltstätigkeit angesehen werden.

Auch eine Rente kann als Surrogat früherer Erwerbs- oder Haushaltstätigkeit berücksichtigt werden.

Die den Lebenszuschnitt mitbestimmenden Nutzungsvorteile mietfreien Wohnens im eigenen Haus (Nr. 5) setzen sich an Zinsvorteilen des Verkaufserlöses fort.

Bei Berechnung des Bedarfs ist von dem anrechenbaren Einkommen des Pflichtigen (Nr. 10) vorab der Unterhalt (Zahlbetrag!) der Kinder abzuziehen.

Auch Unterhalt für nachrangige volljährige Kinder ist abzusetzen, wenn den Eheleuten ein angemessener Unterhalt verbleibt.

Unterhaltspflichten für nicht gemeinsame Kinder sind zu berücksichtigen, wenn sie die ehelichen Lebensverhältnisse mit bestimmt haben. Dies kann nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 683) auch für nach der Scheidung ge­borene Kinder gelten.

Wegen des denkbaren Abzugs von Kinderbetreuungskosten, eines Betreuungsbonus sowie von Schulden wird auf Nr. 10.3 und 10.4 Bezug genommen.

15.2 Der Bedarf eines jeden Ehegatten ist grundsätzlich mit der Hälfte des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens beider Ehegatten anzusetzen.

Jedem erwerbstätigen Ehegatten steht vorab ein Bonus von 1/7 seiner Erwerbseinkünfte als Arbeitsanreiz und zum Ausgleich derjenigen berufsbedingten Aufwendungen zu, die sich nicht nach objektiven Merkmalen eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen. Der Bonus ist vom Erwerbseinkommen nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, des Kindesunterhalts, ggf. der Betreuungskosten, eines Betreuungsbonus und berücksichtigungsfähiger Schulden zu errechnen.

15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen (in der Regel mindestens das Dreifache des Höchstbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle als frei verfügbares Einkommen) der Eheleute kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.

15.4 Verlangt der Berechtigte neben dem Elementarunterhalt für Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit Vorsorgeunterhalt, den er aus seinen eigenen Einkünften nicht decken kann, sind grundsätzlich die vom Pflichtigen geschuldeten Beträge wie eigene Vorsorgeaufwendungen (Nr. 10.1) von seinem Einkommen abzuziehen.

Altersvorsorgeunterhalt wird nicht geschuldet, wenn das Existenzminimum (notwendiger Selbstbehalt) des Berechtigten nicht gesichert ist.

Zur Ermittlung des Krankheitsvorsorgeunterhalts hat der Berechtigte konkret die Kosten einer eheangemessenen Absicherung gegen Krankheit darzulegen.

Zur Ermittlung des Altersvorsorgeunterhalts wird zunächst ein vorläufiger Elementarunterhalt nach Nr. 15.2, 21.4 bestimmt. Einkünfte des Berechtigten, die zu keiner Altersvorsorge führen, bleiben unberücksichtigt. Hinzu kommt ein Zuschlag entsprechend der jeweils gültigen Bremer Tabelle. Von dieser Bruttobemessungsgrundlage wird mit Hilfe des jeweiligen Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag) der Vorsorgeunterhalt errechnet. Dieser wird vom bereinigten Nettoeinkommen des Verpflichteten abgezogen; auf dieser Basis wird der endgültige Elementarunterhalt errechnet.

Die zweistufige Berechnung und der Vorwegabzug des Vorsorgeunterhalts für Alter, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit können unterbleiben, wenn und soweit der Verpflichtete über nicht prägendes Einkommen verfügt, das den Mehrbedarf übersteigt, oder wenn und soweit auf den Bedarf nicht prägendes Einkommen des Berechtigten angerechnet wird (BGH, FamRZ 1999, 372).

15.5 Bedarf bei mehreren gleichrangigen Ehegatten und Berechtigten nach § 1615l BGB:

Vorerst unbelegt.

16. Bedürftigkeit

Eigenes Einkommen des Berechtigten mindert den nach Nr. 15 ermittelten Bedarf. Das gilt auch für Einkommen des Berechtigten, das die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat. Die allgemeinen Grundsätze zur Unterhaltsrelevanz und zum Berufsbonus finden Anwendung.

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 Die Erwerbsobliegenheit des Ehegatten bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (§ 1570 BGB).

Bis zum Ende des dritten Lebensjahres eines Kindes besteht in aller Regel keine Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ab dann ist regelmäßig die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumutbar, es sei denn, in der Person des Kindes liegende Gründe erforderten die ständige Anwesenheit des betreuenden Elternteils (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB). Dabei sind insbesondere die bestehenden Möglichkeiten der Kindesbetreuung zu berücksichtigen.

Darüber hinaus kann der Umfang der Erwerbsobliegenheit aus elternbezogenen Gründen eingeschränkt sein, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB). Bei der Betreuung mehrerer Kinder sind diese Regeln angemessen zu modifizieren.

17.2 Spätestens ein Jahr nach der Trennung besteht in der Regel eine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der bisherigen Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Diese Lebensstellung kann auch aus den ehelichen Lebensverhältnissen einer bestehenden oder geschiedenen Ehe (BGH, FamRZ 2007, 1303) oder aus einem längeren nichtehelichen Zusammenleben hergeleitet werden.

Zur Frage der Berücksichtigung eigener Einkünfte, zu Abzügen hiervon und zur Erwerbsobliegenheit gelten die Ausführungen für den Ehegatten entsprechend.

19. Elternunterhalt

Der Bedarf der Eltern bemisst sich in erster Linie nach deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Mindestens muss jedoch das Existenzminimum sichergestellt werden, das mit 770 € in Ansatz gebracht werden kann. Darin sind Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung nicht enthalten. Etwaiger Mehrbedarf (z.B. Heimunterbringung) ist zusätzlich auszugleichen.

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1 Der Unterhaltsverpflichtete ist leistungsfähig, wenn ihm der Selbstbehalt verbleibt. Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

21.2 Der notwendige Selbstbehalt beträgt beim nicht erwerbstätigen Unter­haltspflichtigen monatlich 770 €, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 900 €. Hierin sind 360 € für Unterkunft einschließlich umlage­fähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann angemessen erhöht werden, wenn dieser Betrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist.

Der notwendige Selbstbehalt gilt gegenüber minderjährigen unverheirateten und ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB).

21.3 Der angemessene Selbstbehalt gilt gegenüber volljährigen Kindern, die minderjährigen Kindern nicht gleichgestellt sind, sowie den Eltern des Unterhaltsverpflichteten.

21.3.1 Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern in der Regel mindestens monatlich 1.100 €, darin ist eine Warmmiete bis 450 € enthalten.

21.3.2 Er beträgt gegenüber Ansprüchen nach 1615l BGB monatlich 1.000 €.

21.3.3 Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt monatlich mindestens 1.400 € (einschließlich 450 € Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens.

21.3.4 Der Selbstbehalt von Großeltern gegenüber Enkeln beträgt mindestens1.400 € (zuzüglich 1.000 € beim Zusammenleben von Großeltern).

21.4 Der billige Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten beim Ehegattenunterhalt (§ 1581 BGB) beläuft sich in der Regel auf die Mitte zwischen angemessenem und notwendigem Selbstbehalt eines Erwerbstätigen; das sind derzeit 1.000 €.

21.5 Vorteile durch das Zusammenleben mit einer anderen Person können eine Herabsetzung des Selbstbehalts rechtfertigen.

22. vorerst unbelegt.

23. Mangelfall

23.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zur Deckung seines Selbstbehalts und der Unterhaltsansprüche der gleichrangigen Berechtigten nicht ausreicht. Für diesen Fall ist die nach Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.

23.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich (nach Maßgabe der in § 1609 BGB geregelten Rangfolge)

23.2.1 bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 3 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern nach den jeweiligen Zahlbeträgen.

23.2.2 bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten und bei mit dem Pflichtigen in gemeinsamem Haushalt lebenden Ehegatten, sowie bei nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten nach ihren jeweiligen ungedeckten Bedarfsbeträgen.

23.3 Berechnung (siehe Nr. 23.1)

24. Rundung

Der Unterhalt ist auf volle Euro aufzurunden.

Anhang

Verweis auf Düsseldorfer Tabelle