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BSG - Entscheidung vom 30.06.2021

B 1 KR 14/21 B

Normen:
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 30.06.2021 - Aktenzeichen B 1 KR 14/21 B

DRsp Nr. 2021/13428

Kostenerstattung für die Behandlung in einer Privatklinik Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB V § 13 Abs. 3 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, ihm die Kosten iH von 32.000 Euro der vom 30.3. bis 13.4.2015 und 29.6. bis 4.7.2015 stationär in einer Privatklinik iS des § 30 der Gewerbeordnung auf eigene Kosten durchgeführten "autologen Bandscheibenzelltransplantation" zu erstatten, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, dass ein Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V nicht bestehe. Für einen Anspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V fehle es - gestützt auf die Rspr des erkennenden Senats (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 20; BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12) - an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen einer rechtswidrigen Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung. Er habe sich die Leistung beschafft, ohne zuvor seine KK mit der Sache zu befassen und sei insoweit vorfestgelegt gewesen. Dies gelte auch für die zweite Operation, obwohl sie erst nach der Ablehnung erfolgt sei. Denn durch die Ablehnung habe das Leistungsgeschehen nicht mehr beeinflusst werden können. Die zweite Operation sei kein selbstständiger, von der ersten Operation abtrennbarer Behandlungsschritt gewesen. Im Übrigen sei die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt worden. Der Kläger habe schon keinen Primäranspruch gehabt: Die angewandte Methode entspreche nicht dem Qualitätsgebot nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V . Zudem habe er ein nicht zugelassenes Krankenhaus iS des § 108 SGB V in Anspruch genommen. Ein Systemversagen, bei dem dies ausnahmsweise zulässig sei, liege nicht vor; eine Behandlung des Bandscheibenvorfalls sei ua im Universitätsklinikum Dresden möglich gewesen. Schließlich habe eine Unaufschiebbarkeit als Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V nicht vorgelegen (Urteil vom 16.10.2020).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung des ausdrücklich geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und des sinngemäß geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat; dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es.

a) Der Kläger bezeichnet zwar den Rechtssatz aus einem Urteil des BSG vom 14.12.1982 ( 8 RK 23/81 - SozR 2200 § Nr 86 = juris RdNr 11):

"daß ein Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte zwar nicht versucht hat, eine Sachleistung zu erlangen, von vornherein aber festgestanden hat, daß ihm diese Leistung verweigert werden würde."

Ebenso bezeichnet er einen Rechtssatz aus dem LSG-Urteil:

"[Es] gilt das Erfordernis, dass die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren befasst werden muss […]. Unterbleibt dies […] scheidet ein Kostenerstattungsanspruch bereits aus diesem Grund aus."

b) Der Kläger legt jedoch nicht dar, dass die Divergenz zwischen beiden Rechtssätzen auch auf der aktuellen Rspr des BSG beruht und seit 1982 keine Änderung oder Modifizierung der einschlägigen Rspr eingetreten sei (zum entsprechenden Erfordernis vgl zB BSG vom 30.1.2014 - B 12 R 13/13 B - juris RdNr 13; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 399 ff; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15d mwN). Eine derartige Darlegung war naheliegend, weil sich das LSG zur Begründung ausdrücklich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2006 ( B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12) gestützt hat. Hierin hat der Senat ausgeführt, dass eine vorherige Entscheidung der KK für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB V auch dann nicht entbehrlich sei, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens von vornherein feststehe. Die anderslautende Rspr des BSG - die ua in dem vom Kläger zitierten BSG -Urteil vom 14.12.1982 vertreten wurde - hat der Senat zur Klarstellung ausdrücklich aufgegeben. Nach Inkrafttreten des § 13 Abs 3 SGB V (bis 31.12.1992: § 13 Abs 2 SGB V ) durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) ließen Gesetzeswortlaut und -zweck eine dahingehende Ausnahme nicht mehr zu; der Wortlaut des § 13 Abs 3 SGB V , der unmissverständlich einen Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Ablehnung und Kostenlast verlangt, habe der früheren Rspr die Grundlage entzogen (vgl BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12 RdNr 12).

c) Der Kläger legt darüber hinaus auch nicht hinreichend dar, dass die angefochtene Entscheidung auf der geltend gemachten Divergenz beruht. Dazu ist erforderlich, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts - ausgehend von dessen Rechtsauffassung - anders hätte ausfallen müssen (vgl BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 43/19 B - juris RdNr 6 mwN). Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht gerügt wird (vgl BSG vom 18.1.2012 - B 8 SO 36/11 B - juris RdNr 5; BSG vom 10.3.2016 - B 4 AS 699/15 B, B 4 AS 700/15 B - juris RdNr 9; BAG vom 23.7.1996 - 1 ABN 18/96 - juris RdNr 9 = NZA 1997, 281 ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13f, jeweils mwN). Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Der Kläger zeigt nicht auf, wieso der bezeichnete Rechtssatz im LSG-Urteil entscheidungstragend sein soll, obwohl nach der Begründung des LSG ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 SGB V - unabhängig von der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges - auch daran scheitere, dass kein Primärleistungsanspruch bestehe.

2. Die Verfahrensrüge des Klägers nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG entspricht nicht den Darlegungsanforderungen. Soweit der Kläger auf die angeblich mangelnden Feststellungen des LSG abzielt, erhebt er sinngemäß eine Sachaufklärungsrüge 103 SGG ), ohne jedoch darzulegen, dass er deren Grundvoraussetzung, die Benennung eines bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhaltenen formellen Beweisantrags , erfüllt habe (stRspr; vgl zu dieser Voraussetzung BSG vom 24.2.2021 - B 1 KR 50/20 B - juris RdNr 12 mwN). Auch im Übrigen greift er mit seinen Ausführungen lediglich in rechtlich unbeachtlicher Weise (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) die Beweiswürdigung des LSG an.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 16.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 675/17
Vorinstanz: SG Dresden, vom 15.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 18 KR 3/16