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BGH - Entscheidung vom 09.02.2021

AK 3/21, AK 4/21

Normen:
StGB § 129 Abs. 1 S. 1 Alt. 2
StGB § 129 Abs. 2
StGB § 129 Abs. 5 S. 1-2
StGB § 130 Abs. 1 Nr. 1-2
StGB § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a)-b)
StGB § 130 Abs. 3
StPO § 121
StPO § 122

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - Aktenzeichen AK 3/21, AK 4/21

DRsp Nr. 2021/3884

Gründung und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer; Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus

1. Entscheidend für das Vorliegen einer Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB nF ist nur noch ein koordiniertes Zusammenwirken, um ein gemeinsames, über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgehendes Ziel zu erreichen, wobei eine rudimentäre Organisationsstruktur ausreicht.2. Gründer im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken. Dies setzt keine organisatorische Führungsrolle voraus. Vielmehr wird nur eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführender und richtungsweisender Beitrag, auch wenn dieser im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von untergeordneter Bedeutung ist.3. Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 StGB ist, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt.4. Das Gründen einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die Beteiligung als Mitglied - wie hier - unmittelbar an das Gründen der Vereinigung anschließt.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

StGB § 129 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; StGB § 129 Abs. 2 ; StGB § 129 Abs. 5 S. 1-2; StGB § 130 Abs. 1 Nr. 1 -2; StGB § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a)-b); StGB § 130 Abs. 3 ; StPO § 121 ; StPO § 122 ;

Gründe

I.

Der Beschuldigte B. wurde am 16. Juli 2020 festgenommen und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2020 ( 3 BGs 223/20).

Gegenstand des ihn betreffenden Haftbefehls ist der Vorwurf, er habe sich seit Januar 2018 in Be. und anderenorts als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligt, deren Zweck und deren Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten nach § 130 StGB (Volksverhetzung) gerichtet sei, und zu den Rädelsführern der Vereinigung gehört, strafbar gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2, Abs. 2 , Abs. 5 Satz 1 und 2 StGB in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b, Abs. 3 StGB .

Der Beschuldigte J. wurde am 16. Juli 2020 in den Niederlanden festgenommen aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2020 und dort in Auslieferungshaft verbracht. Seit seiner Überstellung in die Bundesrepublik Deutschland am 26. August 2020 befindet er sich ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die Sechsmonatsfrist des § 121 Abs. 1 StPO endet für den Beschuldigten J. somit am 26. Februar 2021. Die erlittene Auslieferungshaft ist bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen, weil sie eine Zwangsmaßnahme nach ausländischem Recht darstellt, auf deren Vollzug deutsche Behörden und Gerichte keinen Einfluss haben (LR/Gärtner, StPO , 27. Aufl., § 121 Rn. 30 mwN; KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl., § 121 Rn. 8 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 121 Rn. 7 mwN). Der Senat ist gleichwohl nicht daran gehindert, die Haftfortdauer bereits jetzt anzuordnen. Der Zeitpunkt der Entscheidung nach § 122 StPO braucht nicht genau mit dem Fristende übereinzustimmen (vgl. LR/Gärtner aaO, § 122 Rn. 49 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 122 Rn. 14).

Gegenstand des den Beschuldigten J. betreffenden Haftbefehls vom 24. Juni 2020 (3 BGs 224/20) ist der Vorwurf, er habe mit unbekannten Mittätern im August 2016 eine Vereinigung gegründet, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten nach § 130 StGB gerichtet sei, und habe dieser Vereinigung seither als Rädelsführer angehört, "strafbar als Vergehen der Gründung einer kriminellen Vereinigung in einem besonders schweren Fall gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 , Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 StGB in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und b), Abs. 3 StGB ".

II.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen bei beiden Beschuldigten vor.

1. Die Beschuldigten sind der ihnen jeweils zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte J. gründete im August 2016 im Internet unter Nutzung mehrerer Aliasprofile ("Fakeaccounts") auf "vk.com" die Gruppe "Goyim Partei Deutschland" (im Folgenden: GPD) mit der URL XXX. Es gelang ihm, fortan über diese Website eine große Zahl von Internet-Nutzern anzusprechen, die seine judenfeindliche Gesinnung teilten und mit ihm gemeinsam die Seite mit antisemitischen, volksverhetzenden Inhalten bestückten.

Der vom Beschuldigten J. initiierte Internet-Auftritt der GPD war Teil eines internationalen antisemitischen Online-Netzwerks, das Hetze gegen jüdische Mitbürger betreibt, zu Gewalt gegen diese aufruft und eine "judenfreie Gesellschaft" als ihr Ziel nennt. Der Auftritt der Organisation bestand zur Tatzeit aus der Website der sogenannten International Goyim Party (IGP) und weiteren 18 "Goyim"-Ländergruppen-Seiten, die unter anderem in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Spanien, den USA, Kanada, Russland, Neuseeland, Indien und Argentinien zu verorten waren. Alle diese Online-Seiten zeigten - meist auf Englisch oder in der jeweiligen Landessprache - judenfeindliche Inhalte. Daneben existierten im Internet "Goyim"-Themenseiten, auf denen zum Beispiel antisemitisches Liedgut, Filme und Schriften verbreitet wurden. Hierzu gehörten die Websites " XXX ", " XXX ", " XXX ", " XXX ", " XXX " und " XXX ". Die optische Aufmachung der anderen Online-Auftritte des Netzwerks entsprach derjenigen der GPD. Das gilt insbesondere für das Logo, welches ein eckiges großes "G" zeigt, das einem Hakenkreuz ähnelt. Die Seiten sind zum Teil noch im Internet abrufbar, zum Teil inzwischen gesperrt. Wer sie ins Netz stellte und betrieb, ist bisher weitgehend unbekannt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es der Beschuldigte J. selbst war.

Als Online-Plattform diente sämtlichen "Goyim"-Gruppen das in der Russischen Föderation beheimatete kostenlose Soziale Netzwerk "vk.com". Auf "vk.com" können sich Nutzer registrieren und ein sog. Profil anlegen. Die Plattform bietet die Möglichkeit, mit anderen Teilnehmern - derzeit gibt es über 100 Millionen aktive Nutzer - Informationen auszutauschen, beliebige Medien wie Links, Videos oder Fotos hochzuladen und zu teilen oder sich in Diskussions-Foren zu engagieren. Die Nutzer können Gruppen gründen oder neue Seiten einstellen. In diesem Fall besitzen sie die Administratorenrechte, die sie dazu befähigen, die entsprechende Seite zu verwalten. In der Regel sind die Inhalte der "vk.com"-Seiten für jedermann im Internet einsehbar. Registrierte Nutzer können die in den Gruppen eingestellten Inhalte kommentieren, dort eigene Beiträge "posten", Gruppen als Mitglied beitreten oder Seiten abonnieren.

Der Online-Auftritt der GPD war von Beginn an und durchgehend darauf ausgerichtet, im deutschsprachigen Raum systematisch in großem Umfang judenfeindliche Propaganda und nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Hierzu stellten der Beschuldigte J., identifizierte und bislang nicht namentlich bekannte Mittäter sowie ab spätestens Januar 2018 der Beschuldigte B. Hunderte Bilder, Dokumente, Kommentare und Videos auf der Seite ein, die den Holocaust leugnen oder verharmlosen, nationalsozialistische Verbrechen befürworten oder andere - Juden zutiefst herabwürdigende - Äußerungen enthalten. Die Beiträge waren geeignet, antisemitischen Hass zu schüren, zumal sie zum Teil zur Tötung von oder zur Gewalt gegen Menschen jüdischen Glaubens aufriefen. Viele "Posts" enthielten überdies Propagandamittel und Kennzeichen der SS und der NSDAP. Wegen der Einzelheiten und zahlreicher Beispiele wird auf die Haftbefehle vom 24. Juni 2020 und die Anträge des Generalbundesanwalts vom 11. Januar 2021 Bezug genommen.

Die Organisation der GPD war - neben den parallelen Länder- und Themengruppen, von denen weitgehend unbekannt ist, wer sie betrieb - dadurch gekennzeichnet, dass der Beschuldigte J. als "Kopf" der Gruppe agierte. Er verfügte über ein abgeschlossenes Studium im IT-Bereich und damit die erforderlichen technischen Kenntnisse. Im Laufe der Zeit versammelte er mehrere Gleichgesinnte um sich, denen er die Administratorenrechte an der deutschen "vk.com"-Seite verlieh und mit denen er gemeinsam einen Großteil des Inhalts auf der Website einstellte. So verhielt es sich mit dem Beschuldigten B., mit dem er seit zumindest 2016 im Austausch stand und dem er spätestens im Januar 2018 die Administratorenrechte für die Seite einräumte. Fortan verwendeten beide für ihre Tätigkeit auf "vk.com" bis zu ihrer Festnahme überwiegend den Administratoren-Account, der als Logo das besagte eckige, schwarze "G" auf weiß-rot-schwarzem Grund führte. Sie benutzten für die Beiträge aber auch ihre privaten Profile. Mit ihren zahlreichen hochgeladenen "Posts" waren sie es, die den inhaltlichen Auftritt und das Erscheinungsbild der GPD maßgeblich prägten.

Darüber hinaus nahmen die Beschuldigten in der Gruppe koordinierende Funktionen wahr. So forderte J. die Nutzer seit dem 29. April 2017 dazu auf, die GPD bei der "Verfassung eines Parteiprogramms" zu unterstützen. Ab 2018 versuchten beide Beschuldigte, Nutzer dazu zu bewegen, sich als Editoren oder Archivare für die Gruppe zu betätigen. Ferner stellten sie Links zu den Seiten anderer "Goyim"-Gruppen bereit und eröffneten ein Diskussionsforum sowie spezielle Rubriken für Fotoalben, Audiodateien, Videos und Dokumente, die von den Nutzern mit antisemitischen Inhalten bestückt werden konnten und sollten. Dabei nahmen sie die Einstellungen teilweise so vor, dass nur registrierte Nutzer Zugang zu besonders inkriminiertem Material erhielten.

Zu den weiteren Administratoren gehörte der bisher nicht identifizierte " XXX " alias " XXX " und " XXX ". Ebenfalls tonangebend in den "Goyim"-Gruppenchats war " XXX ", eine bisher nicht namentlich identifizierte Person, die mit dem Beschuldigten J. zudem einen Privatchat führte, der 730 Nachrichten umfasste. Herausgehobene, tragende Rollen für die GPD nahmen ferner die Mitbeschuldigten G. und Ba. ein, die mit einer Vielzahl von besonders drastischen Beiträgen und Aktivitäten auf der GPD-Seite sowie im Netzwerk auffielen und zu den Beschuldigten J. und B. auch individuellen Kontakt pflegten.

Unterhalb dieser Ebene schloss sich eine Vielzahl weiterer Personen der GPD an, die auf der Internet-Seite in unterschiedlichem Ausmaß eigene antisemitische Inhalte hochluden oder entsprechende Beiträge anderer Teilnehmer positiv kommentierten. In vielen Fällen registrierten sich diese aktiven Nutzer für jedermann sichtbar auf der Website mit ihren Klarnamen als Mitglieder der GPD, indem sie der "Community" beitraten. Dies trifft weitgehend auf die Mitbeschuldigten W., M., K., E., H., S., Me. und We. zu.

Weitere bisher unbekannte Nutzer engagierten sich mit Tausenden antisemitischen Beiträgen unter Pseudonym-Profilen auf der Internet-Seite, ohne ihre Identität aufzudecken. Wiederum andere Personen - zuletzt zählte die Seite von ihnen über 400 - registrierten sich auf der GPD-Website als "Mitglieder" der Gruppe, ohne eigene Beiträge hochzuladen.

Schließlich gab es Nutzer, die die Beiträge zur Kenntnis nahmen und ihrerseits mit anderen "teilten", ohne sichtbare Spuren auf der Seite zu hinterlassen. Bekannt ist dies von dem User mit dem Profil " XXX ", der vom Beschuldigten J. erstellte und auf der GPD-Seite hochgeladene "Memes" (Bild-Text-Kombinationen) über seinen eigenen "vk.com"-Account verbreitete und mit J. auch persönlich in Kontakt stand.

b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Gründung, der Struktur und der Zielsetzung der GPD, des Verhaltens der Beschuldigten sowie desjenigen der Mitbeschuldigten stützt sich auf eine Vielzahl von Beweismitteln, insbesondere die Ermittlungen im frei zugänglichen Bereich des Internets, dort vor allem auf der Plattform "vk.com", und die Auswertung einer Fülle von Daten auf bei den Beschuldigten sichergestellten Speichermedien.

Der dringende Tatverdacht stützt sich inzwischen auch auf die Einlassungen der Beschuldigten. Der Beschuldigte J. hat in Vernehmungen vom 10. Dezember 2020 und 15. Januar 2021 einen Großteil der gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeräumt. Soweit er unter anderem bestritten hat, dass es ein internationales Netzwerk der "Goyim" gegeben habe, legen die Ermittlungen derzeit anderes nahe. Wer sich hinter den ausländischen "Goyim"-Gruppen verbarg und inwieweit die personelle Verflechtung der Beschuldigten J. und B. mit internationalen Nutzern, den Mitbeschuldigten und weiteren inländischen Tätern tatsächlich und zu welchem Zeitpunkt existierte, ist derzeit jedoch noch nicht abschließend ermittelt.

Der Beschuldigte B., der sich selbst als Nationalsozialisten bezeichnet, hat in mehreren Briefen und Stellungnahmen gegenüber dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof und dem Senat ebenfalls den äußeren Sachverhalt teilweise eingeräumt. Soweit er den organisierten Zusammenschluss der GPD verneint hat, stehen dem die Ermittlungsergebnisse entgegen.

Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird im Übrigen auf die ausführliche Darstellung und Würdigung in den Haftbefehlen und den Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 11. Januar 2021 Bezug genommen. Belege für einen besonders in ersteren beschriebenen Zusammenschluss J. "mit mindestens zwei weiteren bisher noch nicht namentlich bekannten Mittätern im August 2016 zu einer aus mindestens drei Personen bestehenden Gruppe namens ... GPD ..., um ... die ... 'vk.com'-Seite zu betreiben", sind den Ermittlungsakten, deren Aufbau und Struktur sich nicht ohne Weiteres erschließt, allerdings derzeit nicht zu entnehmen.

c) Danach gründete der Beschuldigte J. mit hoher Wahrscheinlichkeit als Rädelsführer eine kriminelle Vereinigung und beteiligte sich anschließend ebenfalls als Rädelsführer an dieser (§ 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 , Abs. 5 Satz 2, § 52 Abs. 1 StGB ), während dem Beschuldigten B. jedenfalls die mitgliedschaftliche Beteiligung an der kriminellen Vereinigung zur Last liegt (§ 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB ). Im Einzelnen:

aa) Die GPD stellte nach den Ermittlungsergebnissen einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB dar. Die Zwecke der Vereinigung waren auf das Betreiben der GPD-Seite auf "vk.com" und deren regelmäßige und massive Bestückung mit antisemitischen, volksverhetzenden Inhalten im Sinne des § 130 StGB gerichtet. Diese Taten begründen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit (zu den Maßstäben s. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 6).

Die GPD verfügte zwar über einen eher geringen Organisationsgrad, zumal die Beteiligten untereinander lediglich über das Internet kommunizierten und zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Rollen- und Aufgabenverteilung festlegten. Die Besonderheit einer "Gruppe" in sozialen Netzwerken - so auch der GPD - besteht vielmehr gerade darin, dass sie in gewisser Weise unverbindlich ist und keine besonders ausgestalteten Regeln kennt. Nach der Neufassung des Vereinigungsbegriffs durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2440 ) sind Strukturmerkmale wie Führungspersonal, fest abgestimmte Regularien und eine Unterordnung unter den gemeinsamen Verbandswillen jedoch nicht mehr erforderlich. Entscheidend für das Vorliegen einer Vereinigung nach § 129 Abs. 2 StGB nF ist nur noch ein koordiniertes Zusammenwirken, um ein gemeinsames, über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgehendes Ziel zu erreichen, wobei nach der Gesetzesbegründung eine rudimentäre Organisationsstruktur ausreicht (vgl. BT-Drucks. 18/11275, S. 11; ferner BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206 , 207; Urteil vom 14. Juni 2018 - 3 StR 585/17, BGHSt 63, 138 Rn. 22; Beschluss vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 11). Diese Merkmale sind bei der GPD erfüllt. Wie dargestellt kommunizierten die Beschuldigten vielfach untereinander und mit den weiteren Beteiligten, um sich über das Vorgehen auf den "Goyim"-Gruppenseiten auszutauschen und abzustimmen.

Die Voraussetzungen des § 129 Abs. 3 Nr. 3 StGB liegen nicht vor. Die Vorschrift soll eine Doppelbestrafung vermeiden, wenn das Ziel der Vereinigung auf die Begehung von Organisationsdelikten nach den §§ 84 bis 87 StGB gerichtet ist (LK Krauß, StGB , 12. Aufl., § 129 Rn. 87 mwN; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 74 mwN). Dass die GPD auch Propagandamittel und Kennzeichen der SS und der NSDAP ins Netz stellte, reicht hierfür allerdings nicht aus (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 75 mwN). Denn ein weiterer - hier sogar der maßgebliche - Zweck der Organisation war die Verbreitung antisemitischer Hetze und damit die Begehung verschiedener Tatbestandsvarianten des § 130 StGB , nicht der §§ 86 f. StGB .

bb) Gründer im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken (BGH, Urteil vom 19. Mai 1954 - 6 StR 88/54, in einem redaktionellen Leitsatz in NJW 1954, 1254 abgedruckt und in BGH, Urteil vom 21. Dezember 1977 - 3 StR 427/77 (S), BGHSt 27, 325 , 327 wiedergegeben). Dies setzt keine organisatorische Führungsrolle voraus. Vielmehr wird nur eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführender und richtungsweisender Beitrag, auch wenn dieser im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von untergeordneter Bedeutung ist (BGH, Beschlüsse vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 17; vom 10. Januar 2006 - 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603 , 1604). Diese Voraussetzungen sind beim Beschuldigten J. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt, und zwar unabhängig davon, ob bereits vor seiner Erstellung der deutschen GPD-Seite ein internationales "Goyim"-Netzwerk existierte, an das er mit seinen Aktivitäten anknüpfte, oder ob er die späteren Mitstreiter beim Betreiben der deutschen und gegebenenfalls der internationalen Websites erst im Nachhinein rekrutierte.

Als Mitglied beteiligt sich, wer die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, von innen fördert und damit eine Stellung innerhalb der Organisation einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2018 - StB 11/18, NStZ-RR 2018, 369 , 370 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen erfüllt das Handeln beider Beschuldigter. Ob sich daneben - wie die Haftbefehle nahelegen - jeder Nutzer, der sich online auf der GPD-Seite als "Mitglied" registrierte beziehungsweise durch einen Mausklick seinen Beitritt zur "Community" erklärte, auch im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB mitgliedschaftlich an der Organisation beteiligte, bedarf hier keiner Entscheidung.

Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 StGB ist, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt (BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 12. November 2015 - AK 36/15, NStZ-RR 2016, 170 , 171; Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, juris Rn. 140). Diese Voraussetzung ist beim Beschuldigten J. mit hoher Wahrscheinlichkeit in Bezug auf beide Tatbestandsvarianten des § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllt (dazu, dass sich die Rädelsführerschaft auch auf das Gründen bezieht, s. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603 Rn. 16; vom 3. September 2020 - AK 27/20, juris Rn. 19). Als Initiator und Einrichter der Website rief der Beschuldigte die GPD unter hohem zeitlichen Einsatz an organisatorisch und inhaltlich leitender Stelle ins Leben. Damit gründete er die Vereinigung nicht lediglich als einfacher Täter, sondern als Rädelsführer. Anschließend blieb der Beschuldigte die zentrale Figur der Gruppe, weshalb auch seine Beteiligung als Mitglied als rädelsführerschaftlich einzuordnen ist.

Das Gründen einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die Beteiligung als Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der Vereinigung anschließt (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 58; Beschluss vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 26).

cc) Auch der Beschuldigte B. beteiligte sich mitgliedschaftlich an der Vereinigung. Ob er in Anbetracht des Umfangs seines Engagements und dem von ihm genutzten Administratoren-Account tatsächlich - wie es ihm der Haftbefehl zur Last legt - eine maßgebende Rolle im Sinne eines Rädelsführers nach § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB spielte, bedarf im Rahmen der Haftfortdauerentscheidung keiner abschließenden Bewertung.

dd) Die Beschuldigten haben sich darüber hinaus hochwahrscheinlich wegen weiterer, jeweils in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, untereinander jedoch in Tatmehrheit stehender Delikte der Volksverhetzung in verschiedenen Tatbestandsvarianten nach § 130 StGB , der Gewaltdarstellung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB , des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 , Abs. 2 StGB und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 2 StGB strafbar gemacht (zum Konkurrenzverhältnis vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 32 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Februar 2018 - 5- 2 StE 21/16, juris Rn. 1601 ff.), soweit sie selbst jeweils für die Öffentlichkeit sichtbar antisemitische Beiträge auf der GPD-Seite einstellten, ohne dass insoweit entscheidend ist, ob sie bei dem konkreten Beteiligungsakt als Rädelsführer agierten (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 18). Schließlich kommt eine Beihilfe zur Volksverhetzung dadurch in Betracht, dass die Beschuldigten durch die Bereitstellung und Pflege der Internetseite das Hochladen antisemitischer Inhalte durch Mitbeschuldigte oder andere Nutzer förderten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 - 3 StR 337/18, juris Rn. 11).

ee) Dieser rechtlichen Würdigung des Sachverhalts steht die abweichende Beurteilung im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 2020 betreffend den Beschuldigten J. ("Gründung einer kriminellen Vereinigung im besonders schweren Fall") nicht entgegen. Die Haftprüfung ist zwar grundsätzlich auf den im Haftbefehl erhobenen Vorwurf beschränkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9; vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). Das Haftprüfungsgericht ist aber an einer anderen rechtlichen Würdigung der im Haftbefehl geschilderten prozessualen Tat - auch auf verdichteter Tatsachengrundlage (s. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - AK 53/16, juris Rn. 8) - nicht gehindert (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53 , 54).

Der Grundsatz der Spezialität nach § 83h IRG , der ohnehin nur ein Vollstreckungs- und kein Verfahrenshindernis bildet (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - 2 StR 162/16, juris Rn. 5 mwN; vgl. in Bezug auf Haftbefehle aber auch Ambos/König/Rackow/Meyer, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl., § 83h IRG Rn. 1052), steht einer anderen rechtlichen Würdigung des Sachverhalts ebenfalls nicht entgegen (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - C-388/08, NStZ 2010, 35 , 38; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 22/03, BGHR IRG § 72 Spezialitätsgrundsatz 1; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 24. September 2010 - 1 StR 373/10, NStZ 2011, 470 f.).

2. Für beide Beschuldigte besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ). Es ist wahrscheinlicher, dass sie sich - sollten sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen werden.

Die Beschuldigten haben im Fall ihrer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, die sich für jeden einzelnen "Post" und damit pro Einzelfall in einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewegt, vgl. § 129 Abs. 1 StGB für den Beschuldigten B., § 129 Abs. 5 Satz 1 und 2 StGB für den Beschuldigten J. . Bei ersterem sind seine besonders intensive mitgliedschaftliche Beteiligung sowie der Umstand in Rechnung zu stellen, dass er außerdem in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren am 11. Dezember 2019 durch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Gesamtfreiheitstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt wurde. Bei letzterem gilt jeweils eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten.

Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen bei beiden Beschuldigten keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen.

Der Beschuldigte B. lebte vor seiner Inhaftierung extrem zurückgezogen. Er verließ seine Wohnung nach seiner eigenen Darstellung fast nur für Einkäufe und Arztbesuche. Einer Arbeit geht er seit Jahrzehnten nicht mehr nach. An seinen Wohnort Be. bindet ihn demnach nichts. Dem stehen belastbare Kontakte gegenüber, die der Beschuldigte im In- und Ausland in die rechtsradikale Szene pflegt. So erhielt er in der jüngeren Vergangenheit das Angebot, im Irak oder in Irland unterzutauchen. Ein Mitstreiter aus den Niederlanden wollte ihm im Zusammenhang mit dem Berliner Strafverfahren bei Verdunklungshandlungen behilflich sein. Der Beschuldigte verfügt auch über Barmittel, die ihm eine Flucht erleichtern könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag des Generalbundesanwalts vom 11. Januar 2021 verwiesen. Das Schreiben an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2020, in dem der Beschuldigte geltend macht, er habe das bei ihm aufgefundene Geld nur für einen Kameraden verwahrt und verwende es derzeit für den Erhalt seiner Mietwohnung, was schwerlich mit Fluchtplänen in Einklang zu bringen sei, hat dem Senat ebenso vorgelegen wie seine Stellungnahme vom 19. Januar 2021.

Der Beschuldigte J. verfügt weder in Deutschland noch in den Niederlanden über gefestigte familiäre Bindungen oder eine berufliche Beschäftigung. Das Verhältnis zu seinen Eltern beschreibt er als zutiefst zerrüttet. Die Beziehung zu seiner ehemaligen Freundin ist ebenfalls beendet. Auch dieser Beschuldigte lebte in den vergangenen Jahren sehr zurückgezogen. Er ist erwerbsunfähig und bezieht eine entsprechende Rente. Gearbeitet hat er seit vielen Jahren nicht mehr. Nach seiner eigenen Darstellung hat er in den Niederlanden nichts zu verlieren. Zu Deutschland weist er seit langem keine Bezüge mehr auf. Familiär bedingt besitzt der Beschuldigte Kontakte in den Irak, wo er auch bereits zweimal war. Er spricht Arabisch sowie sehr gutes Englisch und ist seit längerem darum bemüht, einen irakischen Pass zu erlangen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Möglichkeit der Flucht in den Irak realistisch.

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind für beide Beschuldigte nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist bisher mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden.

Beim Bundeskriminalamt ist eine Vielzahl von Polizeibeamten vornehmlich mit der Auswertung der zahlreichen bei den Beschuldigten und den Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträger befasst. Insgesamt stehen hierbei 198 Speichermedien mit einem Datenumfang von 55 Terabyte in Rede. Außerdem sind Rechtshilfeersuchen bzw. Europäische Ermittlungsanordnungen an Irland, die Niederlande, Schweden und Russland adressiert worden. Die Ermittlungen sind bereits relativ weit vorangeschritten; die Bundesanwaltschaft hat erklärt, ihren zeitnahen Abschluss und eine zügige Anklageerhebung zu planen.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft bei beiden Beschuldigten nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).