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BGH - Entscheidung vom 16.02.2012

3 StR 243/11

Normen:
StGB § 129a Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1
StGB § 129a Abs. 4

Fundstellen:
BGHSt 57, 160
NJW 2012, 1973
NStZ 2012, 568
StV 2012, 342

BGH, Urteil vom 16.02.2012 - Aktenzeichen 3 StR 243/11

DRsp Nr. 2012/8049

Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

Zur Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Tenor

1.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2010, soweit es sie betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 129a Abs. 4 , § 129b Abs. 1 Satz 1; StGB § 129b Abs. 1 S. 1; StGB § 129a Abs. 4 ;

Gründe

Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war die Angeklagte während des Tatzeitraums von Ende August 2002 bis November 2008 eine hochrangige Funktionärin der Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front, im Folgenden: DHKP-C). Sie leitete zunächst die DHKP-C-Region Westfalen, zu der u.a. die Gebiete Köln, Dortmund und Duisburg gehörten. Spätestens im Juli 2007 übernahm sie die Funktion der Deutschlandverantwortlichen und übte diese bis zum November 2008 aus.

In diesem Tatzeitraum verfolgte die DHKP-C als marxistisch-leninistisch orientierte Gruppierung das Ziel, durch bewaffneten Kampf das verfassungsmäßige Regierungssystem in der Türkei im Wege eines revolutionären Umsturzes zu beseitigen und durch ein kommunistisches "Regime" zu ersetzen. Sie verübte seit dem Jahr 1994 zahlreiche Brand- und Sprengstoffanschläge, die insbesondere gegen Repräsentanten des türkischen Staates, Mitglieder türkischer Justizbehörden und Angehörige der türkischen Armee gerichtet waren.

Die Organisation war streng hierarchisch und zentralistisch aufgebaut. Sie bestand aus einem politischen Bereich, der DHKP, und einem militärischen Arm, der DHKC. Die DHKP bestimmte die politischen Leitlinien der Organisation und überwachte bzw. koordinierte die Durchführung der Parteibeschlüsse. Das höchste Organ war der Parteikongress, der als Leitungsgremium den Generalsekretär sowie die Mitglieder des Zentral- und Generalkomitees bestimmte. Das Zentralkomitee hatte als "Befehlshaber des Krieges" über "politische Vorgehensweisen und Taktiken" zu beschließen. Der an seiner Spitze stehende Generalsekretär war faktisch nicht absetzbar und mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Ihm oblag die Kontrolle sämtlicher Organe der DHKP und DHKC. Das Generalkomitee war zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Zentralkomitees berufen. In außerordentlichen (Krisen-)Situationen konnte es auch anstelle des Parteikongresses vorläufige Anordnungen treffen. Darüber hinaus war die Partei in Form von Komitees und Zellen organisiert, die sowohl nach geographischen Gesichtspunkten als auch nach Sach- bzw. Arbeitsbereichen gegliedert waren. Die Frontorganisation DHKC führte den bewaffneten Kampf in der Türkei. Sie bestand im Wesentlichen aus "bewaffneten Propagandaabteilungen" und Milizverbänden, war hierarchisch der DHKP nachgeordnet und hatte die in deren Gremien getroffenen Entscheidungen auszuführen.

Die DHKP-C war auch außerhalb der Türkei, vor allem in Westeuropa, aktiv. Die hier bestehende "Rückfront" bzw. "Hinterfront" diente der Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei. Die Organisationseinheiten hatten insbesondere die Aufgabe, die für die Aktivitäten in der Türkei erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen. Daneben rekrutierten sie "Kämpfer" für Anschläge in der Türkei und sorgten für deren Ausstattung; ebenso schafften sie Rückzugsräume für Mitglieder. Innerhalb der "Rückfront" war Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanziellen Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Für die Organisation betätigten sich im Jahre 2008 bundesweit etwa 650 Aktivisten.

Die DHKP-C baute in Europa festgefügte, hierarchisch gegliederte Strukturen auf. Die aus mehreren Personen bestehende Europaführung hatte die Aufgabe, die Organisation nach den vom Zentralkomitee bzw. Generalsekretär erteilten Weisungen zu leiten und die praktische Umsetzung einzelner Anordnungen in eigener Verantwortung sicherzustellen. Als höchste Hierarchieebene in der Europaorganisation war der/die Europaverantwortliche unmittelbar der Partei- bzw. Organisationsführung unterstellt und weisungsgebunden. Der Europaführung nachgeordnet waren nationale Organisationseinheiten in den verschiedenen, zur "Rückfront" gehörenden Staaten, die jeweils durch Einzelpersonen oder durch innerhalb mehrköpfiger Länder-Komitees agierende Länderverantwortliche geführt wurden. Dabei war zuletzt der - von der Europaführung eingesetzte - Deutschlandverantwortliche zugleich den Funktionären in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Österreich vorgesetzt. In Deutschland war die Organisation in Regionen und Gebiete aufgeteilt, die von professionellen Führungskadern, den sog. Regions- bzw. Gebietsverantwortlichen, geleitet wurden. Daneben bestanden besondere, nach sachlichen Kriterien abgegrenzte Arbeitsgebiete bzw. Organisationseinheiten, etwa die Jugendorganisation "Devrimci Genclik" ("Revolutionäre Jugend") oder der Bereich Nachschub und Logistik. Die als Gebietsleiter, Regions- und Deutschlandverantwortliche tätig gewesenen Funktionäre waren durch ein Berichts- und Kontrollsystem fest in die hierarchischen Strukturen der Organisation eingebunden; sie unterstanden der einheitlichen Führung durch den Generalsekretär, das Zentralkomitee und die Europaführung.

1. Der Schuldspruch wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 4 , § 129b Abs. 1 StGB ) hält auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bei seiner rechtlichen Würdigung hat das Oberlandesgericht darauf abgestellt, die Angeklagte sei als Deutschlandverantwortliche und damit als herausgehobene, die Bestrebungen der Organisation in Europa entscheidend fördernde Führungskraft aufgrund ihres maßgebenden Einflusses auf deren Tätigkeiten Rädelsführerin der DHKP-C gewesen, ohne dass in diesem Zusammenhang von Belang sei, dass sie selbst von Weisungen der nächsthöheren Hierarchieebenen abhängig war. Damit hat der Strafsenat nicht alle Gesichtspunkte in den Blick genommen, die für die Beurteilung der Rädelsführerschaft von Bedeutung sind.

a) Nach gefestigter, ursprünglich zu § 90a StGB aF entwickelter und später auf die §§ 129 , 129a StGB übertragener Rechtsprechung ist Rädelsführer, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt. Entscheidend ist dabei nicht der Umfang, sondern das Gewicht, das der geleistete Beitrag für die Vereinigung hat. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen, wenn also der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1963 - 3 StR 34/63, BGHSt 19, 109, 110). Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123 f.). Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen noch nicht aus (LK/Krauß, StGB , 12. Aufl., § 129 Rn. 173 mwN). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so wird die Rädelsführerschaft andererseits nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter von Weisungen abhängig ist (BGH, Beschluss vom 25. Januar 1956 - 6 StR 100/55, bei Wagner GA 1960, 235).

b) Der Senat hält an den dargestellten Grundsätzen fest. Er präzisiert sie dahin, dass der bestimmende Einfluss des Täters als Führungskraft bzw. als gleichsam an der Führung der Organisation mitwirkende Person sich auf die Vereinigung als solche richten, mithin etwa die Bestimmung der Organisationszwecke, -tätigkeiten oder -ziele, die ideologische Ausrichtung der Vereinigung, deren Organisationsstruktur oder sonstige Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung betreffen muss. Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist geboten aufgrund von dessen Sinn und Zweck, die dahin gehen, "Drahtzieher" (BGH, Urteil vom 12. Mai 1954 - 6 StR 30/54, BGHSt 6, 129, 130 mwN), Führungskräfte und solche Personen zu erfassen, die kraft einer Schlüsselstellung einen bestimmenden Einfluss haben (LK/Krauß, StGB , 12. Aufl., § 129 Rn. 173), der hohen, im Vergleich zum jeweiligen Grundtatbestand deutlich gesteigerten Strafdrohung des § 129a Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 1 und 2, Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 3 StGB ) sowie der gesetzlichen Gleichstellung des Rädelsführers mit dem Hintermann. Für letzteren ist kennzeichnend, dass er zwar - im Unterschied zum Rädelsführer - nicht Mitglied der Vereinigung ist, gleichwohl aber die Vereinigung als Außenstehender dadurch wesentlich fördert, dass er geistig oder wirtschaftlich maßgebenden Einfluss auf die Führung der Vereinigung hat (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123).

c) Diese Grundsätze gelten auch bei Betätigungen für Vereinigungen im Ausland, die seit Einfügung des § 129b in das Strafgesetzbuch durch das

34. StrÄndG vom 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390) unter Strafe gestellt sind; denn § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB verweist insoweit ohne Einschränkung auf die §§ 129 und 129a StGB . In diesen Fällen ist den gesetzlichen Anforderungen deshalb nicht ohne Weiteres allein dadurch Genüge getan, dass der Täter auf eine möglicherweise bestehende inländische Teilorganisation der Vereinigung (zur Abgrenzung zwischen in- und ausländischer Vereinigung vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325 ) maßgebenden Einfluss hat, mag dieser auch in dem Gesamtgefüge der Vereinigung eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter in dem näher umschriebenen Sinne als Führungskraft der Gesamtorganisation anzusehen ist oder durch sein Tun in sonstiger Weise gleichsam an der Führung der Gesamtvereinigung teilnimmt.

d) Gemessen an diesen Maßstäben belegen die bisherigen Feststellungen die Rädelsführerschaft der Angeklagten nicht. Dies gilt auch für denjenigen Zeitraum, in dem die Angeklagte die Funktion der Deutschlandverantwortlichen der DHKP-C ausübte.

aa) Die in Deutschland und anderen Teilen Westeuropas agierenden Führungsfunktionäre waren vollständig in die streng hierarchischen Strukturen der DHKP-C eingebunden. Der Angeklagten waren danach gleich mehrere Ebenen, namentlich der Generalsekretär, das Zentralkomitee, der Europaverantwortliche sowie die weiteren Mitglieder der Europaführung übergeordnet. Die Funktionäre der DHKP-C waren zwar innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art verantwortlich. Sie schuldeten den übergeordneten Kadern indes jederzeit unbedingten Gehorsam und nahmen deren Befehle und Anweisungen verbindlich entgegen. So hatte die - über der Angeklagten stehende - Europaführung die Aufgabe, die DHKP-C nach den vom Generalsekretär bzw. dem Zentralkomitee erteilten Weisungen zu führen. Lediglich die praktische Umsetzung der einzelnen Anordnungen war von der Europaführung in eigener Verantwortung sicherzustellen. Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen der Europaführung und dem Deutschlandverantwortlichen. Mit Blick auf diese Umstände erscheint es bereits zweifelhaft, ob die Angeklagte allein aufgrund ihrer Stellung in der Organisation einen für die Annahme der Rädelsführerschaft ausreichenden Einfluss auf die Gesamtorganisation als solche ausüben konnte.

bb) Jedenfalls wird ein derartiger maßgeblicher Einfluss der Angeklagten von den Feststellungen zu den konkreten Aufgaben und Tätigkeiten der einzelnen Parteiorgane nicht belegt. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass die für die Vereinigung wesentlichen Belange von der Partei- und Europaführung bestimmt und geprägt wurden, ohne dass ein für die Rädelsführerschaft ausreichender Einfluss der Angeklagten auf die diesbezüglichen Entscheidungen ersichtlich ist. Hierzu im Einzelnen:

(1) Wichtigste Aufgabe der an der "Rückfront" eingesetzten Funktionäre war die Geldbeschaffung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei. Die Haupteinnahmequelle stellten Spendensammlungen dar, die nach festen, streng überwachten Regeln durchgeführt wurden. Der jeweilige Zeitraum dieser Sammlungen, die Mindesthöhe der erwarteten Spendengelder, die Verbringung und Verwendung der vereinnahmten Spenden sowie die bei der Sammlung eingesetzten Propagandamittel wurden zentral von der Parteiführung vorgegeben. Zudem waren von den ausführenden Funktionären Berichte zu fertigen, die über die Europaführung an die Parteiführung weitergeleitet wurden. Die Gesamtverantwortung für weitere, der Geldbeschaffung dienende kommerzielle Veranstaltungen wie etwa Konzerte oder das jährliche Parteifest trug der Europaverantwortliche. Dieser legte die Rahmenbedingungen fest und erteilte den nachgeordneten Funktionären konkrete Handlungsanweisungen zur Vorbereitung sowie Durchführung der betreffenden Veranstaltung.

Die in Deutschland und anderen Ländern der Rückfront agierenden Parteikader waren zudem spätestens seit dem Jahr 1998 an der Bereitstellung von Nachschub und Logistik für den bewaffneten Kampf in der Türkei beteiligt. Die mit diesen Aktivitäten betrauten hochrangigen Parteifunktionäre waren indes unmittelbar der Parteiführung unterstellt. Nach deren Weisungen oblag den Verantwortlichen die Bereitstellung von Fahrzeugen und die Einweisung der Kurierfahrer. Als Kuriere geeignete Personen waren der Europaführung zu benennen.

Mitteilungen der DHKP-C wurden unter der Kontrolle der Europaführung herausgegeben. Maßnahmen zur Kaderschulung wurden ebenfalls zentral gesteuert. Die Europaführung legte auch fest, welche zukünftigen Funktionäre in den einzelnen Gebieten Ausbildungsaufgaben wahrzunehmen hatten. Die Inhalte der Schulungen waren an den Vorgaben des Parteiprogramms orientiert und wurden von der Organisationsführung vorgegeben. Die Entscheidungen, ob, wann und in welcher Weise Schleusungen durchgeführt wurden, um Funktionäre vor Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, traf die Parteiführung. Lediglich die entsprechende Ausführung oblag der Europaführung und den nachgeordneten Funktionären.

Die Angeklagte war schließlich nicht direkt in die Planung oder die Durchführung der von der Vereinigung in der Türkei verübten Anschläge und damit nicht in die Straftaten eingebunden, auf deren Begehung die Zwecke und Tätigkeit der DHKP-C vor allem gerichtet waren.

(2) Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen, die Angeklagte sei mit Befehlsgewalt über sämtliche Funktionäre und Kader in Deutschland ausgestattet, mit Schulungsaufgaben befasst sowie für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art zuständig gewesen, die in den von ihr jeweils geleiteten Bereichen angefallen seien, nicht den für die Rädelsführerschaft erforderlichen maßgeblichen Einfluss auf die Führung der ausländischen Gesamtorganisation. Dabei ist weder die große Bedeutung Deutschlands für die DHKP-C noch die Vielzahl durchaus gewichtiger Aufgaben zu verkennen, welche die Angeklagte in konspirativer Vorgehensweise zu erfüllen hatte. Diese Umstände vermögen indessen nichts daran zu ändern, dass alle wesentlichen Entscheidungen mit für die DHKP-C grundsätzlicher Bedeutung von Parteiorganen getroffen wurden, die der Angeklagten übergeordnet waren. Die Angeklagte war demgegenüber in Bezug auf alle Aktivitäten, die ihr als DHKP-C Funktionärin oblagen, etwa der Gebietsarbeit, dem Mitwirken an Spendenkampagnen, beim Verkauf von Publikationen, bei kommerziellen Veranstaltungen, Schulungen und Demonstrationen gegenüber dem bzw. der Europaverantwortlichen berichtspflichtig. Ihre Tätigkeit war somit vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie für die höheren Parteiorgane nachvollziehbar dafür Sorge zu tragen hatte, die von den ihr übergeordneten Führungsebenen ausgegebenen Direktiven in dem jeweils von ihr geleiteten Bereich umzusetzen.

2. Eine Schuldspruchänderung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass die Angeklagte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar ist, kommt nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht hat die Feststellungen zwar rechtsfehlerfrei getroffen; die hiergegen erhobenen verfahrensrechtlichen Einwendungen der Revision dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch. Der Inhalt der knappen Ausführungen des Oberlandesgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung deutet jedoch darauf hin, dass der Strafsenat die Frage, welchen Einfluss die Angeklagte auf die wesentlichen Belange der ausländischen Gesamtorganisation nahm, jedenfalls nicht ausreichend im Blick hatte. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen kann, welche die Rädelsführerschaft der Angeklagten in der DHKP-C nach Maßgabe der dargelegten Anforderungen belegen.

3. Die bisherigen Feststellungen insbesondere zu Aufbau und Struktur der DHKP-C sowie den Tätigkeiten der Angeklagten sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen - etwa zum Einfluss der Angeklagten auf die Führung der Gesamtorganisation - treffen, die allerdings den bisherigen nicht widersprechen dürfen.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 16.12.2010
Fundstellen
BGHSt 57, 160
NJW 2012, 1973
NStZ 2012, 568
StV 2012, 342