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BSG - Entscheidung vom 26.03.2020

B 5 R 218/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 26.03.2020 - Aktenzeichen B 5 R 218/19 B

DRsp Nr. 2020/6569

Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. August 2019 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Beschluss Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S., S., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Beschluss vom 2.8.2019 hat das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG Mannheim vom 2.8.2018 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr; aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 17.9.2019 - B 1 KR 63/18 B - juris RdNr 5 mwN). Hierzu gehört die Darlegung, dass ein Beweisantrag gestellt und bis zuletzt noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten wurde.

a) Der Kläger trägt zunächst vor, das LSG habe die gebotene Sachaufklärung zu seinen Gesundheitsstörungen im psychischen bzw psychosomatischen Bereich und den daraus folgenden Leistungseinschränkungen auch im Zusammenwirken mit seinen Beeinträchtigungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet "ohne ausreichende Begründung verweigert". Er zweifelt die Sachkunde des vom SG beauftragten medizinischen Gutachters Dr. S. an und bezeichnet dessen Feststellungen ua zum Tagesablauf des Klägers als "nicht vollständig bzw. sachlich teilweise unzutreffend". Die Gerichte der Vorinstanzen hätten sich "auch ohne Antrag" zu weiteren Ermittlungen veranlasst sehen müssen. Zumindest das LSG hätte nach § 103 SGG die Verpflichtung gehabt, "die rechtswidrig unterlassene Sachaufklärung hinsichtlich des chronischen Schmerzsymdroms des Klägers nachzuholen". Der vor dem LSG bereits anwaltlich vertretene Kläger hat mit diesem Vortrag keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag aufgezeigt, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht übergangen haben könnte.

b) Der Kläger verweist auf seinen Schriftsatz vom 10.5.2019, wonach "zum Beweis der Tatsache für die Heftigkeit der bei ihm vorliegenden Schmerzen, die nicht durch die unfallchirurgischen und orthopädischen Befunde erklärt werden kann", beantragt werde, "die Oberärztin Dr. P. als sachverständige Zeugin zu hören". Diese Formulierung gibt keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag wieder. Ein solcher Beweisantrag setzt gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO voraus, dass die zu begutachtenden Punkte im Einzelnen benannt werden. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss sich ein Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen (vgl BSG Beschluss vom 13.3.2019 - B 5 R 22/19 B - juris RdNr 9 mwN). Einen diesen Anforderungen genügenden Beweisantrag bezeichnet der Kläger nicht. Welche neuen entscheidungserheblichen Tatsachen im Einzelnen noch festgestellt werden sollten (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 7 und aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 11.7.2019 - B 5 R 118/19 B - juris RdNr 9), insbesondere welche konkreten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die bereits aktenkundige Schmerzsymptomatik mit Hilfe eines Zeugen weiter aufgeklärt werden sollten, bliebt danach unbestimmt. Dies gilt im Übrigen auch, soweit der Kläger einen - für die Beurteilung des bisherigen Beweisantrags nicht maßgeblichen - neuen Beweisantrag in der Beschwerdebegründung formuliert ("Der Antrag ist deshalb wie folgt zu formulieren:"). Der weitere Hinweis auf die Berufungsbegründungsschrift vom 12.12.2018 und die "in erster Instanz erfolgten Beweisantritte", die er "aufrecht erhalten" habe, genügt deshalb nicht den Anforderungen an eine hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels, weil daraus schon nicht hervorgeht, mit welchem Inhalt Beweisanträge gestellt und aufrechterhalten wurden.

c) Mit seinem Vortrag, es sei vor dem LSG beantragt worden, Dr. S. und Dr. R. gemäß § 402 ZPO (erneut) anzuhören und zu befragen, rügt der Kläger schließlich eine Verletzung seines Rechts auf Befragung eines Sachverständigen nach § 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397 , 402 , 411 Abs 4 ZPO . Dieses Fragerecht ist als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG anzusehen (vgl BSG SozR 3-1750 § 411 Nr S 4 und zuletzt BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9). Es besteht grundsätzlich nur hinsichtlich von Gutachten, die in derselben Instanz erstattet wurden. Zu den Ausnahmen, wenn das SG einem bereits in der ersten Instanz rechtzeitig gestellten Antrag auf konkrete Befragung verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen ist (vgl BSG aaO, juris RdNr 9), verhält sich die Beschwerdebegründung im Hinblick auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten von Dr. S. nicht. Das LSG hat keine Sachverständigengutachten eingeholt. Dr. R. hatte sein Gutachten bereits im Verwaltungsverfahren erstellt. Darüber hinaus hat der Kläger die objektive Sachdienlichkeit der von ihm benannten Frage ("zum Beweis der Tatsache, dass sie bei dem Kläger keine den Leitlinien für die Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen entsprechenden Untersuchungen und Anamnesen vorgenommen haben und somit aufgrund der von ihnen selbst erhobenen Feststellungen nicht ausschließen können, dass die im Beweisthema des nächsten Beweisantrags genannten Erkrankungen mit den ausgeführten Folgen bestehen") nicht dargelegt.

d) Der Kläger trägt darüber hinaus vor, das LSG habe Akteninhalte zur chronischen Schmerzerkrankung des Klägers nicht berücksichtigt. Dabei nimmt er insbesondere Bezug auf den Inhalt des ärztlichen Befundberichts des Hausarztes vom 27.5.2015, des Arztbriefs der -Kliniken am P. vom 27.8.2015, des Entlassungsberichts der Reha-Med H. GmbH vom 25.8.2015 (Entlassung des Klägers als "arbeitsunfähig") und schließlich auf den Inhalt des Entlassungsberichts der -Kliniken am P. vom 25.6.2018. Damit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 Alt 1 SGG ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden. Dies gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe insbesondere die Befundberichte von Dr. von R. und Dr. P. und die Stellungnahme von Dr. L. vom 2.12.2017 nicht ausreichend beachtet. Mit dem Vorbringen, "auch hier zeige sich wieder deutlich, dass der zuständige Senat des Landessozialgerichts lediglich die für den Kläger aus seiner Sicht negativen Aktenteile berücksichtigt" und das LSG hätte nicht folgern dürfen, "dass bei ihm kein hinreichend ausgeprägter Leidensdruck vorhanden sei, den eine wirklich relevante derartige Erkrankung mit sich bringen müsse", macht der Kläger ebenfalls eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend. Darauf zielt auch die weitere Rüge, die Gutachten von Dr. R. und von Dr. S. seien nicht geeignet, "die Verweigerung der beantragten Erwerbsminderungsrente […] tatsächlich oder rechtlich zu begründen". Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann darauf nicht gestützt werden.

e) Der Kläger rügt darüber hinaus, ihm sei die Möglichkeit genommen worden, "in aussichtsreicher Art und Weise von dem Beweisführungsmittel einer Antragstellung nach § 109 SGG Gebrauch zu machen". Unabhängig davon, dass der Kläger in seiner Beschwerdebegründung selbst ausführt, er habe mit Schriftsatz an das LSG vom 10.5.2019 einen solchen Antrag nach § 109 SGG gestellt, ist sein Vorbringen auch deshalb nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen, weil nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Dies gilt für jede fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 17b mwN).

f) Soweit der Kläger als Verfahrensfehler vorträgt, bereits das SG habe gegen die gesetzliche Aufklärungspflicht verstoßen, legt er nicht dar, inwiefern die angefochtene Entscheidung des LSG darauf beruhen könnte.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde bietet - wie oben dargelegt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 02.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 3901/18
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 02.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 R 2455/16