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BGH - Entscheidung vom 19.10.2020

XIII ZB 43/19

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-5
AufenthG § 50 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 19.10.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 43/19

DRsp Nr. 2020/18133

Anordnung der Verlängerung der Sicherungshaft eines Betroffenen i.R.d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; Prüfung des Vorliegens eines zulässigen Haftantrags hinsichtlich Darlegung der Verlassenspflicht eines Betroffenen

In einem Haftantrag sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer erforderlich. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 5. September 2018 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 -5; AufenthG § 50 Abs. 1 ;

Gründe

I. Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste ohne ein Visum oder eine sonstige Einreiseerlaubnis am 11. Oktober 2015 nach Deutschland ein und gab den zuständigen Behörden die Personalien O. M. K. , geboren am 1. Januar 1998 in L. , an. Er erhielt am 9. November 2015 eine Duldung, tauchte am 14. November 2015 unter und meldete sich am 18. November 2015 erneut als Asylsuchender, wobei er sich mit den Personalien O. M. K. , geboren am 1. März 1999, als minderjährig ausgab. Im weiteren Verlauf der Verwaltungsverfahren gab er weitere Aliasnamen mit unterschiedlichen Geburtsdaten an. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 ab, forderte den Betroffenen auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, und drohte ihm die Abschiebung für den Fall der Nichtausreise an. Eine dagegen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 28. März 2018 abgewiesen. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Die Ausländerbehörde erwirkte am 30. Juli 2018 die Ausstellung von Passersatzpapieren für den Betroffenen. Von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen diesen sind sieben abgeschlossen. Hinsichtlich weiterer vier noch offener Verfahren wurde das Einvernehmen der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft erteilt. Die für den 14. August 2018 vorgesehene, durch Sicherungshaft bis zum 31. August 2018 gesicherte Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan scheiterte daran, dass er sich bei seiner Abholung zu dem dafür vorgesehenen Sammelcharter in seiner Unterkunft Verletzungen beibrachte, damit drohte, sich die Halsschlagader aufzuschneiden, und nicht mitgenommen werden konnte.

Die von der beteiligten Behörde daraufhin beantragte Verlängerung der Sicherungshaft hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. August 2018 abgelehnt. Das Landgericht hat auf die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Beschwerde der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Sicherungshaft angeordnet, und zwar zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung und mit dem angefochtenen Beschluss im Hauptsacheverfahren vom 5. bis zum 11. September 2018. An diesem Tag ist der Betroffene nach Afghanistan abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene die Feststellung erreichen, dass ihn die Haft in der Hauptsache vom 5. bis zum 11. September 2018 in seinen Rechten verletzt hat.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts konnte die Verlängerung der Sicherungshaft auf der Grundlage des Verlängerungsantrags der beteiligten Behörde angeordnet werden. Der Haftantrag genüge den gesetzlichen Anforderungen. Die beteiligte Behörde sei für die Stellung des Antrags als Zentrale Ausländerbehörde zuständig gewesen. Sie habe dargelegt, dass der Betroffene durch das Generalkonsulat von Afghanistan als O. M. K. , geboren am 1. März 1999, identifiziert und für ihn ein Passersatzpapier mit diesen Personalien ausgestellt worden sei. Auch die Angaben zur Notwendigkeit der Haft, zu den Haftgründen, zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung, zur Verlassenspflicht und zur Durchführbarkeit der Abschiebung genügten den gesetzlichen Anforderungen.

Der Haftantrag sei auch begründet. Der Betroffene sei nach der Ablehnung seines Asylantrags durch den bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisefrist von 30 Tagen sei abgelaufen. Dem Betroffenen sei die Abschiebung angedroht worden. Es lägen auch die konkreten Anhaltspunkte nach § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 5 AufenthG (a.F.) für die Annahme vor, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle. Er habe immer wieder falsche Personalien angegeben. Außerdem habe er erklärt, nicht nach Afghanistan zurückkehren zu wollen, und seine Abschiebung nach Afghanistan am 14. August 2018 dadurch vereitelt, dass er sich selbst Verletzungen beigebracht und damit gedroht habe, sich die Halsschlagader aufzuschneiden.

Die Verlängerung der Haft stehe auch nicht im Widerspruch zu dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Diesem Prinzip komme zwar bei der Abschiebung von minderjährigen Ausländern besondere Bedeutung zu. Der Betroffene sei aber nicht minderjährig. Konkrete Angaben zu seinem Alter habe der Betroffene bei seiner Anhörung durch das Beschwerdegericht nicht machen können. Aus der vorgelegten Tazkira (afghanischer Identitäts- und Altersnachweis) ergebe sich lediglich, dass der Betroffene zum Ausstellungszeitpunkt - 11. Mai 2016 - aufgrund seiner äußeren Erscheinung von den afghanischen Behörden auf 16 Jahre geschätzt werde. Auf dieser Grundlage sei er jedenfalls bei Anordnung der Haft 18 Jahre alt und damit volljährig gewesen.

2. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

a) Der Haftantrag war entgegen der Auffassung des Betroffenen zulässig.

aa) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 6, vom 25. Januar 2018 - V ZB 107/17, Asylmagazin 2018, 224 Rn. 3, vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom 23. Juni 2020 - XIII ZB 67/19, juris Rn. 8).

bb) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der beteiligten Behörde gerecht.

(1) Die beteiligte Behörde hat die Verlassenspflicht des Betroffenen in einer den Anforderungen von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG genügenden Weise dargelegt.

(a) Die Verlassenspflicht des Betroffenen ergab sich hier nach § 50 Abs. 1 AufenthG , § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG aus der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag des Betroffenen vom 18. Dezember 2017. Dieser Bescheid enthält neben der Zurückweisung des Asylantrags auch die nach § 59 AufenthG für den Vollzug der Ausreisepflicht erforderliche Abschiebungsandrohung. Den Inhalt der Entscheidungsformel des Bescheids hat die beteiligte Behörde in ihrem Antrag wiedergegeben. Sie hat den Bescheid ihrem Verlängerungsantrag zwar nicht in Kopie beigefügt, aber, was ausreicht, in ihrem Antrag auf die Aktenstelle Bezug genommen, und die Akten den Haftgerichten zur Verfügung gestellt. Sie hat unter Verweis auf die Akten der unteren Ausländerbehörde dargelegt, dass dieser Bescheid nach Abschluss des von dem Betroffenen eingeleiteten Klageverfahrens vor dem zuständigen Verwaltungsgericht durch dessen Urteil vom 28. März 2018 am 15. Mai 2018 bestandskräftig geworden ist. Diese Darlegung wird durch die in den vorgelegten Ausländerakten enthaltene Kopie der Urteilsformel des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2018 und durch die Feststellungen sowohl des Amtsgerichts als auch des Beschwerdegerichts unterlegt. Dass die beteiligte Behörde damit die Verlassenspflicht des Betroffenen im Ansatz ausreichend dargelegt hat, stellt die Rechtsbeschwerde nicht infrage. Sie meint vielmehr, die Darlegungen der beteiligten Behörde seien deshalb unzureichend, weil sie nicht auch mitgeteilt habe, dass dieser Bescheid dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Sprache übermittelt worden sei. Dies trifft nicht zu.

(b) Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass ein Haftantrag den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht genügt, wenn er weder mitteilt, wann eine Abschiebungsandrohung ergangen ist, noch, dass und wann die Entscheidung dem Betroffenen in einer für ihn verständlichen Sprache übermittelt wurde (Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 145/17, juris Rn. 8). Hier hat die beteiligte Behörde aber mitgeteilt, dass die erforderliche Abschiebungsandrohung, wie mit § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorgeschrieben, in dem Bescheid des Bundesamts über die Zurückweisung des Asylantrags des Betroffenen vom 18. Dezember 2017 enthalten ist. Da der Betroffene gegen diesen Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht erhoben hat, steht auch fest, dass er diesen Bescheid erhalten hat. Aus dem Fehlen des ausgefüllten Adressfelds auf der ersten Seite des Bescheids durfte die beteiligte Behörde entnehmen, dass dieser nicht isoliert, sondern, wie in der Praxis des Bundesamts üblich (dazu: BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - V ZB 258/17, juris Rn. 13), mit einem Begleitbescheid zugestellt worden ist, dem neben einer Ausfertigung des Zurückweisungsbescheids auch die nach § 31 Abs. 1 Satz 4, § 34 Abs. 2 Satz 2 AsylG gesetzlich vorgeschriebenen Teilübersetzungen der Entscheidungsformel des Bescheids, der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung und der Rechtsmittelbelehrung beigefügt waren. Die beteiligte Behörde muss in einem Haft- oder einem Haftverlängerungsantrag zu der Beifügung der vorgeschriebenen Teilübersetzungen Ausführungen nur machen, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dem Bundesamt in dem darzustellenden Einzelfall ein Abwicklungsfehler unterlaufen ist. Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Auch die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass das Bundesamt dem Betroffenen die vorgeschriebenen Teilübersetzungen nicht übermittelt hat. Sie vermisst lediglich entsprechende Ausführungen dazu. Diese sind aber ebenso wenig geboten wie eine anschließende anlasslose Überprüfung dieser Angaben durch das Gericht im Rahmen von § 26 FamFG .

(2) Entgegen der Auffassung des Betroffenen genügte der Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde auch im Hinblick auf die zahlreichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen den gesetzlichen Anforderungen. Wegen der nach § 154 StPO eingestellten Verfahren ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 31/20, z. Veröff. best.). Der Hinweis, dass der überwiegende Teil dieser Strafverfahren abgeschlossen und für die noch nicht abgeschlossenen Verfahren das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliege, war deshalb ausreichend (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2020 - XIII ZB 15/19, BGHZ 224, 344 = InfAuslR 2020, 242 Rn. 19).

(3) In dem Verlängerungsantrag musste sich die beteiligte Behörde, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend annimmt, mit dem von dem Betroffenen durchgängig erhobenen Einwand, er sei minderjährig, befassen. Das ist aber auch in einer den gesetzlichen Anforderungen von § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügenden Weise geschehen.

(a) Die beteiligte Behörde hat in ihrem Antrag im Einzelnen dargelegt, bei welchen Gelegenheiten sich der Betroffene als minderjährig ausgegeben und welches Geburtsdatum er jeweils angegeben hat. Sie hat die Auffassung vertreten, nur das zweite von dem Betroffenen angegebene Geburtsdatum - 1. März 1999 - treffe zu. Sie hat diese Einschätzung in dem Haftantrag damit begründet, dass der Betroffene auf das Angebot, sich einer Altersuntersuchung zu unterziehen, nicht eingegangen ist und dieses Geburtsdatum im Rahmen der Beschaffung von Passersatzpapieren selbst dem afghanischen Generalkonsulat genannt und dass dieses auf dieser Grundlage ein Passersatzpapier mit diesem Geburtsdatum ausgestellt hat. Die übrigen von dem Betroffenen genannten unterschiedlichen Geburtsdaten hat die beteiligte Behörde in dem Verlängerungsantrag als Versuch des Betroffenen gewertet, sich dadurch der Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen, dass er sich als minderjährig ausgab. Damit hat die beteiligte Behörde nachvollziehbar vorgetragen, sodass konkrete Nachfragen seitens der Haftgerichte möglich waren. Mehr verlangt § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht.

(b) Allerdings musste die beteiligte Behörde für die Entscheidung über ihre Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Verlängerungsantrags ihre Darlegungen ergänzen. Der Betroffene hatte nämlich bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht eine afghanische Tazkira vorgelegt, aus der sich ergab, dass er jedenfalls bei Ausstellung dieses Dokuments am 11. Mai 2016 das 16. Lebensjahr vollendet hatte. Das ist mit dem Fax der beteiligten Behörde vom 4. September 2018 geschehen. Darin beschränkt sich die beteiligte Behörde nicht nur auf eine Präzisierung ihres Vortrags aus dem Verlängerungsantrag. Sie meldet vielmehr Zweifel an der Validität der Tazkira an, teilt weiter mit, dass der Betroffene nach dem Text auf diesem Dokument am 22. Februar 2000 16 Jahre alt gewesen sein soll und dass das afghanische Generalkonsulat Passersatzpapiere für Minderjährige nicht ausstelle. Das ist ausreichend.

b) Die Haftanordnung, die das Beschwerdegericht auf die Beschwerde der beteiligten Behörde erlassen hat, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht deshalb zu beanstanden, weil dem Betroffenen der Antrag auf Haftverlängerung nicht ausgehändigt worden ist und es deshalb geboten gewesen wäre, den Betroffenen nachhaltig zur Aktualität der behaupteten Identitätstäuschung und zu den allein von der Behörde berichteten Selbstverletzungen wie auch zu der gegenüber dem Hochsauerlandkreis bekundeten Ausreiseunwilligkeit zu befragen.

aa) Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen zu dem Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde und zu deren Schriftsatz vom 4. September 2019 persönlich angehört. Gegenstand der Erörterung waren zwar nur die Minderjährigkeit des Betroffenen, die Validität der von ihm vorgelegten Tazkira, die Bedingungen der Unterbringung in der Unterbringungseinrichtung Büren und die Frage eines Haftverzichts. Der Betroffene und seine Vertrauensperson hatten aber Gelegenheit, sich zur Aktualität der von der beteiligten Behörde geltend gemachten Identitätstäuschung, zu den Selbstverletzungen, an denen die Abschiebung des Betroffenen am 14. August 2018 gescheitert ist, wie auch zu seiner Bereitschaft zur Ausreise zu äußern. Der Berichterstatter der Beschwerdekammer hatte nämlich sowohl dem Betroffenen als auch seiner Vertrauensperson neben Kopien anderer Teile der Gerichtsakte auch Kopien des ursprünglichen Verlängerungsantrags der beteiligten Behörde wie auch von dessen Fortschreibung für das Beschwerdeverfahren vom 30. August 2018 übersenden lassen. Diese Schreiben sind zwar auf dem Postweg nicht mehr rechtzeitig bei dem Betroffenen und seiner Vertrauensperson angekommen. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer hat die Schreiben aber sowohl dem Betroffenen selbst als auch seiner Vertrauensperson am 31. August 2018 mit Telefax übermittelt. Wenn es in der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht am 5. September 2018 heißt, sowohl der Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde als auch deren Schriftsatz vom 4. September 2018 hätten dem Betroffenen und seiner Vertrauensperson vorgelegen, bedeutet das folglich, dass beide die genannten Schriftsätze vor Augen hatten. Sie waren nach dem Vermerk in der Niederschrift auch Gegenstand der Erörterung.

bb) Der Betroffene und seine Vertrauensperson wussten, welchen Sachverhalt die beteiligte Behörde dem Beschwerdegericht unterbreitet und auf welche Belege sie sich gestützt hatte. Diesen Sachverhalt kannte der Betroffene aus eigenem Erleben. Er hatte daher Veranlassung, aber auch die Möglichkeit, die Angaben der beteiligten Behörde richtigzustellen oder darzulegen, dass er jetzt die in dem Reisedokument festgestellten Angaben zu seiner Person, insbesondere seine Volljährigkeit, nicht mehr bestreite, sowie, dass er nunmehr freiwillig ausreisen werde und wie eine erneute Entziehung ohne Inhaftierung wirksam verhindert werden könnte. Das ist nicht geschehen. Der Betroffene hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Beschwerdegericht seine Volljährigkeit weiterhin bestritten und in Abrede gestellt, je andere Personalien angegeben zu haben. Er hat durch seine Vertrauensperson Einwände gegen die bestandskräftige Ausweisung angebracht und die Frage eines Haftverzichts aufgeworfen, ohne zumindest seine Bereitschaft, nach Afghanistan auszureisen, eindeutig und klar zu erklären. Das Verhalten des Betroffenen in der persönlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht gab im Gegenteil keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich seine Haltung grundsätzlich geändert haben und in welcher Richtung er von Amts wegen ergänzend zu befragen sein könnte.

c) Sachliche Fehler der Entscheidung macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Sie sind auch nicht ersichtlich. Der Betroffene war nach der von ihm selbst vorgelegen Tazkira volljährig. Der festgestellte Sachverhalt ergibt außer dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG a.F. auf Grund der konkreten Anhaltspunkte nach § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 5 AufenthG a.F. (Identitätstäuschung und Entziehungserklärung), auf die sich das Beschwerdegericht gestützt hat, auch den - berücksichtigungsfähigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2018 - V ZB 28/17, InfAuslR 2018, 184 Rn. 10, und vom 23. Januar 2018 - V ZB 53/17, FGPrax 2018, 135 Rn. 13) - Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG a.F. (Entziehung in sonstiger Weise). Abschiebungshindernisse haben die Haftgerichte nicht zu prüfen (BGH, Beschluss vom 21. August 2019 - V ZB 174/17, juris Rn. 8).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG . Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Paderborn, vom 30.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 11 XIV (B) 154/18
Vorinstanz: LG Paderborn, vom 05.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 273/18