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BGH - Entscheidung vom 12.02.2020

XIII ZB 15/19

Normen:
AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1
GG Art. 104 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BGHZ 224, 344
FGPrax 2020, 145
ZAR 2020, 436

BGH, Beschluss vom 12.02.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 15/19

DRsp Nr. 2020/5374

Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung bei Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft; Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherungshaft zur Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers

a) Ergibt sich ein laufendes Ermittlungsverfahren weder aus dem Haftantrag noch aus den ihm beigefügten Unterlagen, führt allein das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht zur Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 ).b) Ergibt sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren, ist der Haftantrag im Hinblick auf § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG nur zulässig, wenn die Behörde dieses mögliche Abschiebungshindernis ausräumt. Dafür genügt es in der Regel, wenn die Behörde darlegt, das Einvernehmen liege vor, sei entbehrlich oder werde bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin voraussichtlich vorliegen oder entbehrlich geworden sein (teilweise Aufgabe von BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 ).c) Ergibt sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen kein laufendes, zustimmungspflichtiges Ermittlungsverfahren, weist aber der Betroffene im Verlauf des Verfahrens über die Haftanordnung oder im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens auf ein solches hin, darf die Haft im Hinblick auf § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur angeordnet oder aufrechterhalten werden, wenn mit der Erteilung des Einvernehmens bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin gerechnet werden kann.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtmittels festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 24. Oktober 2017 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 10. Januar 2018 den Betroffenen für den Zeitraum vom 16. bis zum 23. Januar 2018 in seinen Rechten verletzt haben.

Von den Gerichtskosten in allen Instanzen trägt der Betroffene 92%. Weitere Gerichtskosten sowie die Dolmetscherkosten werden nicht erhoben. Der Kreis S. trägt 8% der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen. Im Übrigen trägt sie dieser selbst.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1; GG Art. 104 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste im November 2015 in das Bundesgebiet ein. Das auf seinen Antrag eingeleitete Asylverfahren wurde mit seit dem 25. August 2016 bestandskräftigem Bescheid vom 21. Juni 2016 eingestellt, weil er zu einem Anhörungstermin ohne Entschuldigung nicht erschienen war. In dem Bescheid wurde der Betroffene aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. In der Folge tauchte der Betroffene unter und wurde am 23. Oktober 2017 vorläufig festgenommen.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2017 Abschiebungshaft bis zum 23. Januar 2018 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene, der aus der Haft nach Marokko abgeschoben worden ist, die Feststellung erreichen, dass die Anordnung der Haft und deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht ihn in seinen Rechten verletzt haben.3 II. Das statthafte Rechtsmittel ist nur für den Haftzeitraum vom 16. bis zum 23. Januar 2018 begründet.

1. Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft lägen vor. Insbesondere entspreche der Haftantrag den Vorgaben des § 417 Abs. 2 FamFG . Er enthalte ausreichende Angaben zu den Voraussetzungen der Abschiebung und zur beantragten Haftdauer. Die Anordnung der Haft für einen Zeitraum von 13 Wochen sei verhältnismäßig.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlte es für eine Haftanordnung nicht bereits an einem zulässigen Haftantrag.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer, § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG (st. Rspr.; s. nur BGH, Beschluss vom 16. Mai 2019 - V ZB 1/19, juris Rn. 10 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag gerecht.

aa) In dem Antrag wird dargelegt, dass für die Beschaffung marokkanischer Passersatzpapiere erfahrungsgemäß zehn Wochen und für die anschließende Organisation der Rückführung per Flugzeug weitere zwei Wochen benötigt würden. An der Zulässigkeit des Haftantrags ändert es nichts, dass sich dem Antrag nichts dafür entnehmen lässt, weshalb statt der nach den nachvollziehbaren Darlegungen erforderlichen zwölf Wochen eine Haft von 13 Wochen beantragt wird. Ob die Angaben in dem Haftantrag der beteiligten Behörde sachlich richtig sind oder - worum es hier geht - eine tragfähige Grundlage für die beantragte Haft bieten, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Haftantrags (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, juris Rn. 7 und vom 29. Juni 2017 - V ZB 40/16, InfAuslR 2017, 450 Rn. 11 jeweils mwN).

bb) Der Antrag musste keine Ausführungen zum Vorliegen oder zur Entbehrlichkeit eines etwa erforderlichen staatsanwaltschaftlichen Einvernehmens enthalten. Solche Ausführungen sind nur dann geboten, wenn sich aus dem Antrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren ergibt (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9, vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - V ZB 179/17, juris Rn. 18 mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Denn ein möglicherweise fehlendes Einvernehmen ergab sich nur aus der Ausländerakte, die weder Bestandteil noch Anlage des Antrags ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2019 - V ZB 188/17, juris Rn. 11 und vom 22. August 2019 - V ZB 179/17, juris Rn. 20 jeweils mwN).

3. Das möglicherweise fehlende Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Siegen mit der Abschiebung des Betroffenen führt auch in der Sache nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.

a) Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, ergibt sich aus der Ausländerakte, dass die Staatsanwaltschaft Siegen am 22. November 2016 gegen den Betroffenen Anklage wegen eines Ladendiebstahls erhoben hat. Feststellungen dazu, ob die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen mit der Abschiebung erteilt hat, sind nicht getroffen.

b) Ergibt sich indes - wie hier - ein laufendes Ermittlungsverfahren weder aus dem Haftantrag noch aus den ihm beigefügten Unterlagen, führt allein das Fehlen eines nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht zur Rechtswidrigkeit einer Haftanordnung. Soweit der Bundesgerichtshof in bisher ständiger Rechtsprechung unter Verweis auf Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG angenommen hat, das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft stelle eine essentielle Haftvoraussetzung dar und es komme insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 Rn. 6-8, vom 3. Februar 2011 - V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 12-15, vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10, FGPrax 2011, 202 Rn. 5 sowie zuletzt vom 21. August 2019 - V ZB 142/18, juris Rn. 9 und vom 22. August 2019 - V ZB 11/16, juris Rn. 8 jeweils mwN), hält der nunmehr zuständige XIII. Zivilsenat daran nicht fest.

aa) Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG versieht die Beachtung der sich aus dem Gesetz ergebenden freiheitsschützenden Verfahrensvorschriften mit grundrechtlichem Schutz, so dass Verstöße gegen solche Vorschriften stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person darstellen (st. Rspr., vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1254 , 1255; wistra 2012, 429 , 431; NJW 2016, 148 Rn. 18 jeweils mwN).

bb) Bei dem Beteiligungserfordernis nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG handelt es sich indes nicht um eine freiheitsschützende Verfahrensvorschrift in diesem Sinne. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte, aus dem Wortlaut der Norm und aus ihrer systematischen Stellung im Aufenthaltsgesetz .

(1) Das Ausländergesetz vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353 ) sah eine Beteiligung der Staatsanwaltschaften an ausländerrechtlichen Maßnahmen nicht vor. Lediglich Nr. 18 und Nr. 19 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes (AuslGVwv) vom 7. Juli 1967 (GMBl. S. 231) regelten zu der in § 10 und § 13 AuslG normierten Ausweisung und Abschiebung, dass die Ausländerbehörde bei einem Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein Ermittlungsverfahren anhängig war, vor der Ausweisung oder Abschiebung die Stellungnahme der zuständigen Staatsanwaltschaft einzuholen hatte. Mit Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354 ) wurde ein neues Ausländergesetz erlassen. Nach dessen § 64 Abs. 3 durfte ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet war, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BT-Drucks. 11/6321 S. 78 f.) sollten hierdurch Nr. 18 und Nr. 19 AuslGVwv in das Ausländergesetz übernommen und als Einvernehmensregelungen ausgestaltet werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte das Beteiligungserfordernis also nur für die Verfahren der Ausweisung und der Abschiebung gelten. Dem entsprach der Wortlaut der Norm ("ausgewiesen und abgeschoben"). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einvernehmensregelung auch das Verfahren der Abschiebungshaft erfassen sollte. Gleiches gilt für den mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950 ) eingeführten § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG , mit dem Wortlaut und systematische Stellung des § 64 Abs. 3 AuslG unverändert übernommen wurden und dessen Regelungsgehalt dem der Vorgängervorschrift entsprechen sollte (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/420 S. 94).

(2) Auch die jüngste Änderung des § 72 Abs. 4 AufenthG durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294 ) hat den Regelungsgehalt des § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht verändert. Durch dieses Gesetz wurden lediglich das einschränkende Merkmal der "begleitenden" Straftat in Satz 4 der Norm gestrichen und der Katalog der in Satz 5 aufgezählten Straftaten erweitert. Wenn es hierzu in der Begründung des Regierungsentwurfs heißt, ohne das Vorliegen des staatsanwaltschaftlichen Einvernehmens sei eine Haftanordnung nicht möglich (vgl. BT-Drucks. 19/10047 S. 46), so folgt daraus nicht, dass sich der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu eigen gemacht hätte (so aber Keidel/Göbel, FamFG , 20. Aufl., § 62 Rn. 40). Vielmehr werden mit dieser Bemerkung die folgenden Ausführungen eingeleitet, wonach es bei der Erweiterung des Straftatenkatalogs in § 72 Abs. 4 Satz 5 AufenthG und bei dem Wegfall des Merkmals der "begleitenden" Straftat darum gehe, die Ausweisung und Abschiebung praktikabler zu gestalten. Auf die Anordnung von Abschiebungshaft soll sich das Einvernehmenserfordernis nach dem Willen des Gesetzgebers nach wie vor nicht beziehen. Dem entspricht, dass der Wortlaut von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ("ausgewiesen und abgeschoben") und die systematische Stellung dieser Norm im Aufenthaltsgesetz durch die jüngste Gesetzesänderung unverändert geblieben sind.

cc) Für diese Sicht spricht auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach dient § 72 Abs. 4 AufenthG allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses. Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt nicht zu einer Verletzung von Rechten des betroffenen Ausländers; etwaige aus ihrer Anwendung resultierende günstige Wirkungen kommen dem Ausländer nur reflexartig zugute, werden aber nicht in seinem Interesse verfolgt (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 1998 - 1 C 17/97, juris Rn. 19, und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 11/15, juris Rn. 24).

c) Die Rechtsprechungsänderung bedeutet nicht, dass das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft in Abschiebungshaftsachen künftig keine Rolle mehr spielte.

aa) Bedeutung für die Rechtmäßigkeit einer Haftanordnung erlangt das von § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geforderte Einvernehmen dann, wenn sich - anders als hier - aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne Weiteres ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren ergibt. In diesem Fall muss nämlich der Haftrichter auf Grund der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG ) erwarten, dass die Behörde den Betroffenen nicht ohne das erforderliche Einvernehmen abschiebt. Der Haftantrag ist dann im Hinblick auf die von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Darlegungen zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung nur zulässig, wenn die Behörde dieses mögliche Abschiebungshindernis ausräumt. Dafür genügt es in der Regel, wenn die Behörde darlegt, das Einvernehmen liege vor, sei entbehrlich oder werde bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin voraussichtlich vorliegen oder entbehrlich geworden sein (anders die bisherige st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9, vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - V ZB 179/17, juris Rn. 18 mwN). Dies folgt daraus, dass es sich bei dem Einvernehmen - wie oben ausgeführt - nicht um eine essentielle Haft-voraussetzung handelt. Bei seiner Prognose hat das Haftgericht nur zu prüfen, ob aus einem etwa fehlenden Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ein Abschiebungshindernis entsteht.

bb) Ergibt sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen kein laufendes, zustimmungspflichtiges Ermittlungsverfahren, weist aber der Betroffene im Verlauf des Verfahrens über die Haftanordnung oder im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens auf ein solches hin, so darf die Haft im Hinblick auf § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nur angeordnet oder aufrechterhalten werden, wenn mit der Erteilung des Einvernehmens bis zum vorgesehenen Abschiebungstermin gerechnet werden kann.

4. Allerdings rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, die angeordnete Haft sei teilweise unverhältnismäßig gewesen.

Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, juris Rn. 12 f. mwN). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts waren für die Beschaffung marokkanischer Passersatzpapiere zehn Wochen und für die anschließende Organisation der Rückführung per Flugzeug weitere zwei Wochen erforderlich. Gerechnet ab dem Tag der Antragstellung, dem 24. Oktober 2017, war die Abschiebung daher bis zum Ablauf des 16. Januar 2018 durchführbar. Das Beschwerdegericht hätte die über dieses Datum hinaus angeordnete Haft daher nicht aufrechterhalten dürfen.

5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Verkündet am: vom 12. Februar 2020

Vorinstanz: AG Siegen, vom 24.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 45 XIV (B) 17/17
Vorinstanz: LG Siegen, vom 10.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 4 T 252/17
Fundstellen
BGHZ 224, 344
FGPrax 2020, 145
ZAR 2020, 436