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BGH - Entscheidung vom 21.08.2019

V ZB 174/17

Normen:
AufenthG § 2 Abs. 14 Nr. 5
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5

BGH, Beschluss vom 21.08.2019 - Aktenzeichen V ZB 174/17

DRsp Nr. 2019/14563

Rechtmäßige Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Pakistan; Vollziehbare Ausreisepflichtigkeit des Asylbewerbers

Der Haftrichter hat im Abschiebungshaftverfahren nicht zu prüfen, ob die Behörde die Abschiebung zu Recht betreibt, denn deren Tätigkeit unterliegt insoweit grundsätzlich allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 24. Juli 2017 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 2 Abs. 14 Nr. 5 ; AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 ;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste im Oktober 2015 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. April 2017 abgelehnt. Zugleich wurde er aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Im Falle einer - tatsächlich auch erfolgten - Klageerhebung endete die Ausreisefrist nach dem Bescheid 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

Bei einer polizeilichen Kontrolle wurde der Betroffene am 18. Mai 2017 in einem aus Österreich kommenden Zug angetroffen, wobei er keine Dokumente vorweisen konnte. Mit Erklärung vom 19. Mai 2017 nahm er vor der beteiligten Behörde seine "wegen der Asylanerkennung anhängigen Klagen und Rechtsmittel zurück" und bat um Weiterleitung der Erklärung an die zuständigen Gerichte. Mit Bescheid vom selben Tag stellte die beteiligte Behörde die Ausreisepflicht des Betroffenen fest und drohte ihm nach § 59 AufenthG die Abschiebung an. Zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange wurde von einer Fristgewährung für die freiwillige Ausreise abgesehen.

Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht am 19. Mai 2017 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Pakistan bis zum 16. August 2017 an. Am 22. Juni 2017 hat der Betroffene die Aufhebung der Haftanordnung beantragt. Mit Beschluss vom 30. Juni 2017 hat das Amtsgericht diese dahingehend abgeändert, dass die Haft spätestens am 9. August 2017 endet und den Haftaufhebungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen, die er nach seiner Abschiebung am 19. Juli 2017 mit dem Antrag auf Feststellung der Verletzung seiner Rechte durch den Vollzug der Haft ab dem Zeitpunkt der Stellung des Haftaufhebungsantrages fortgeführt hat, zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, es liege ein zulässiger Haftantrag vor; ebenso seien die materiellen Voraussetzungen der Haft gegeben. Insbesondere sei der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Die Haft sei auch nicht wegen eines nicht abgeschlossenen Asylverfahrens aufzuheben. Der den Asylantrag ablehnende Bescheid sei dem Betroffenen nach Mitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge am 27. April 2017 zugestellt worden. Am 19. Mai 2017 habe er den Asylantrag und seine gegen den ablehnenden Bescheid anhängigen Klagen und Rechtsmittel zurückgenommen. Der im Beschwerdeverfahren erhobene Einwand, es fehle an dem feststellenden Bescheid, dass das Asylverfahren eingestellt sei, sei unerheblich; einem solchen komme nur deklaratorische Bedeutung zu.

III.

Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Rechtsbeschwerde, mit welcher der Betroffene seine Rechtsverletzung durch die Entscheidung des Amtsgerichts in einem Haftaufhebungsverfahren (§ 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG ) festgestellt haben will, ist ohne Zulassung statthaft (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 32/12, InfAuslR 2012, 370 Rn. 5 mwN). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG ). Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen dessen aktuelle Anschrift nicht angegeben. Das änderte aber entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde an der Zulässigkeit des Rechtsmittels nur etwas, wenn der geordnete Ablauf des Rechtsmittelverfahrens ohne Angabe der ladungsfähigen Anschrift gefährdet wäre oder die fehlende Angabe der ladungsfähigen Anschrift Rückschlüsse auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Betroffenen erlaubte (Senat, Beschluss vom 20. November 2014 - V ZB 54/14, InfAuslR 2015, 104 Rn. 5; Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 74/15, NVwZ-RR 2016, 635 Rn. 5; Beschluss vom 21. April 2016 - V ZB 73/15, juris Rn. 5). Diese Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor. Der geordnete Ablauf des Rechtsmittelverfahrens wird durch die fehlende Angabe der Anschrift des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Dass und aus welchen Gründen sich der Betroffene mit der Stellung des Antrags rechtsmissbräuchlich verhalten würde, ist nicht erkennbar.

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene nach den Vorschriften des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 14 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung wegen Fluchtgefahr in Sicherungshaft genommen werden durfte.

a) Dass der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig ist, ergibt sich aus dem Bescheid der beteiligten Behörde vom 19. Mai 2017, mit dem seine Ausreisepflicht festgestellt, ihm die Abschiebung angedroht und eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde. Auf dieser Grundlage hat die beteiligte Behörde ausweislich des Haftantrags die Abschiebung des Betroffenen betrieben. Der Haftrichter hat im Abschiebungshaftverfahren nicht zu prüfen, ob die Behörde die Abschiebung zu Recht betreibt, denn deren Tätigkeit unterliegt insoweit grundsätzlich allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 ; Beschluss vom 12. Juni 1986 - V ZB 9/86, BGHZ 98, 109 , 112; BGH, Beschluss vom 25. September 1980 - VII ZB 5/80, BGHZ 78, 145 , 147; BVerfG, Beschluss vom 1. April 1999 - 2 BvR 400/99, juris Rn. 3; BVerwGE 62, 325 , 328). Die Frage, ob der Bescheid der beteiligten Behörde im Hinblick auf ein noch nicht nach § 67 Abs. 1 Satz 1 AsylG erloschenes Aufenthaltsgestattungsrecht (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG ) des Betroffenen oder die noch nicht abgelaufene Ausreisefrist in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. April 2017 hätte ergehen dürfen, unterliegt daher entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht der Prüfung durch den Haftrichter, sondern wäre durch die Verwaltungsgerichte zu klären gewesen.

b) Die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, wonach sich den Äußerungen des Betroffenen bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19. Mai 2017 die Erklärung entnehmen lässt, er werde sich der Abschiebung nach Pakistan nicht stellen, ist frei von Rechtsfehlern und wird von der Rechtsbeschwerde hingenommen.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: LG Traunstein, vom 24.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 T 1968/17
Vorinstanz: AG Rosenheim, vom 30.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 XIV 98/17