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BSG - Entscheidung vom 20.09.2017

B 8 SO 34/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 20.09.2017 - Aktenzeichen B 8 SO 34/17 B

DRsp Nr. 2017/16062

SGB-XII -Leistungen Bedarfe für Unterkunft und Heizung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Genügen der Darlegungspflicht Darstellung einer bestimmten Gesetzesauslegung nicht ausreichend

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden. 3. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Frage erfordert Ausführungen dazu, dass die Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist bzw. dass sie unabhängig davon nicht außer Zweifel steht oder sie für den Fall - liegt Rechtsprechung vor - weiter oder erneut klärungsbedürftig ist. 4. Insbesondere ist die Klärungsbedürftigkeit nicht schon durch die Darstellung einer bestimmten Gesetzesauslegung hinreichend dargelegt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Im Streit sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) wegen Bedarfen für Unterkunft und Heizung.

Der wohnungslose Kläger bezieht neben einer Rente wegen Alters von der Beklagten Grundsicherungsleistungen. Bei der Festsetzung dieser Leistungen für die Zeit vom 1.5.2013 bis 30.6.2014 berücksichtigte die Beklagte keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Bescheide vom 7.5.2014 und vom 31.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2015). Die Klage gerichtet auf die Zahlung einer Pauschale von 300 Euro monatlich für Bedarfe der Unterkunft und Heizung hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Köln vom 17.2.2016; Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Nordrhein-Westfalen vom 8.5.2017).

Mit seiner Beschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensfehler geltend.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung bzw an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, denn jedenfalls fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Frage erfordert Ausführungen dazu, dass die Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist bzw dass sie unabhängig davon nicht außer Zweifel steht oder sie für den Fall - liegt Rechtsprechung vor - weiter oder erneut klärungsbedürftig ist. Insbesondere ist die Klärungsbedürftigkeit nicht schon durch die Darstellung einer bestimmten Gesetzesauslegung hinreichend dargelegt ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7; SozR 1500 § 160a Nr 59).

Wegen der vom Kläger gestellten Frage, wie Unterkunftskosten für Personen zu bewerten sind, die zwar über keinen festen Wohnsitz verfügen, denen aber dennoch bei ihren wechselnden Aufenthaltsorten sozialadäquate Aufwendungen entstehen, und der weiteren Frage, ob auch an nicht sesshafte Personen mit sehr häufig wechselnden Unterkünften (ohne entsprechende Mietverträge) tatsächlich die gleichen Anforderungen an den Nachweis von Aufwendungen gestellt werden dürfen, wie an Personen mit festem Wohnsitz, genügt er diesen Anforderungen nicht. Ausreichende Darlegungen dazu, weshalb diese Fragen klärungsbedürftig sein sollten, fehlen. Der Kläger setzt sich insbesondere mit der zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ergangenen Rechtsprechung des Senats ( BSG SozR 4-3500 § 35 Nr 4), die das SG zitiert und die das LSG in Bezug genommen hat, nicht im Ansatz auseinander. Er legt nicht dar, weshalb sich auf Grundlage dieser Rechtsprechung, wonach zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft auch die Kosten gehören, die dem Leistungsberechtigten durch die Nutzung einer Wohnung tatsächlich entstehen und von diesem faktisch (mit-)getragen werden, und es tatrichterlicher Würdigung im Einzelfall obliegt, ob solche Kosten entstanden sind, die von ihm gestellten Fragen noch stellen. Allein die Behauptung, über die Frage der Gewährung einer Pauschale ohne Nachweis von tatsächlichen Unterkunftskosten habe der Senat in Bezug auf Wohnungslose noch nicht entschieden, vermag die Revision nicht zu eröffnen. Ebenso wenig genügt für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung die Darstellung seiner Meinung, jedem Leistungsberechtigten seien grundsätzlich (ggf pauschalierte) Unterkunftskosten zu gewähren. Die damit allein gerügte Unrichtigkeit der bisherigen Rechtsprechung in der Sache kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Ein Verfahrensfehler wird vom Kläger ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24 , 36).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Dies gilt zunächst für die Rüge, das LSG habe über einen Teil des Klagebegehrens nicht entschieden. Sinngemäß macht der Kläger damit zwar die Verletzung des in § 123 SGG enthaltenen Gebots der umfassenden Entscheidung über die vom Kläger erhobenen Ansprüche geltend. Dieser Verstoß ist aber nicht schlüssig dargestellt. Er verweist lediglich darauf, in der Berufungsinstanz einen Feststellungsantrag gestellt zu haben, auf den das LSG "mit keiner Silbe eingegangen" sei. Daraus ergibt sich aber nicht, dass das LSG den fraglichen Anspruch bewusst ausgeklammert hat, worin allein ein Verfahrensfehler liegen könnte. Hat das LSG einen Anspruch des Klägers, den er (anwaltlich vertreten) vor dem SG noch nicht gestellt hatte, lediglich versehentlich übergangen, kommt nämlich lediglich die nachträgliche Ergänzung des Berufungsurteils gemäß § 140 Abs 1 , § 153 Abs 1 SGG innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung in Betracht.

Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen sinngemäß die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG , Art 103 Grundgesetz , Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention ) durch das LSG geltend macht, weil das LSG sich nicht ausreichend mit seiner Berufungsbegründung auseinander gesetzt habe, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet. Wer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, muss hierzu nicht nur ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, sondern auch inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Der Kläger behauptet aber lediglich, die Begründung des LSG sei nicht ausreichend, ohne dessen Begründung und die vom ihm zulässigerweise in Bezug genommene (vgl § 153 Abs 2 SGG ) Begründung des SG auch nur im Ansatz darzustellen, und legt damit nicht schlüssig dar, inwiefern das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht. Gleiches gilt für den Vortrag, er habe sich innerhalb der vom LSG gesetzten Anhörungsfrist von einem Monat mit dem Schriftsatz vom 27.7.2016 nicht ausreichend äußern können. Insoweit fehlt es zudem an der Darlegung, an welchem Vorbringen er gehindert war, zumal das LSG erst im Mai 2017 entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 08.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 SO 134/16
Vorinstanz: SG Köln, vom 17.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 10 SO 70/15