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BGH - Entscheidung vom 24.03.2011

I ZR 211/08

Normen:
GeschmMG § 1 Nr. 1, §§ 2, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und 2, § 42 Abs. 1 und 2, § 46
Brüssel-I-VO Art. 27
GeschmMG § 1 Nr. 1
GeschmMG § 2
GeschmMG § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
GeschmMG § 11 Abs. 4 Nr. 1
GeschmMG § 11 Abs. 5
GeschmMG § 37 Abs. 1
GeschmMG § 38 Abs. 1
GeschmMG § 38 Abs. 2
GeschmMG § 42 Abs. 1
GeschmMG § 42 Abs. 2
GeschmMG § 46

Fundstellen:
GRUR 2011, 1112
GRURInt 2012, 74
MDR 2011, 1437
wrp 2011, 1621

BGH, Urteil vom 24.03.2011 - Aktenzeichen I ZR 211/08

DRsp Nr. 2011/18039

Konsequenzen aus einer nicht erkennbaren Einteiligkeit oder Zweiteiligkeit des Musters in der graphischen Darstellung

a) Verfolgt der Kläger in getrennten Klagen vor den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten territorial begrenzten Rechtsschutz aus unterschiedlichen Geschmacksmustern, liegt nicht derselbe Anspruch im Sinne von Art. 27 Brüssel I VO vor.b) Lässt die graphische Darstellung eines Musters nicht erkennen, ob es ein oder zweiteilig ausgestaltet ist, kann dies zur Folge haben, dass einerseits weitergehende Entgegenhaltungen aus dem vorbekannten Formenschatz möglich sind, dass andererseits aber auch ein größerer Schutzumfang des Musters besteht.c) Ist die graphische Darstellung eines Musters in Schwarz-Weiß gehalten, ist bei der Verletzungsprüfung die angegriffene Form grundsätzlich von der farblichen Gestaltung zu abstrahieren, wenn nicht bei der angegriffenen Ausführungsform Kontrastfarben verwendet werden, die zu einem von einer einheitlichen Farbgebung abweichenden Gesamteindruck führen.d) Besteht Geschmacksmusterschutz für die Erscheinungsform eines Teils eines Erzeugnisses, ist bei der Prüfung des Gesamteindrucks der Verletzungsform der entsprechende Teil zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Dezember 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die auf Geschmacksmusterrecht gestützte Klage abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

GeschmMG § 1 Nr. 1 ; GeschmMG § 2 ; GeschmMG § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ; GeschmMG § 11 Abs. 4 Nr. 1 ; GeschmMG § 11 Abs. 5 ; GeschmMG § 37 Abs. 1 ; GeschmMG § 38 Abs. 1 ; GeschmMG § 38 Abs. 2 ; GeschmMG § 42 Abs. 1 ; GeschmMG § 42 Abs. 2 ; GeschmMG § 46 ;

Tatbestand

Die Klägerin produziert und vertreibt Kugelschreiber, die als Werbemittel verwendet werden. Sie ist Inhaberin des unter DM/064576 am 22. Januar 2003 für "Writing instruments and dedicated components of writing instruments" registrierten internationalen Sammelgeschmacksmusters, für das sie - unter anderem für Deutschland - die Priorität des am 22. Juli 2002 angemeldeten deutschen Geschmacksmusters Nr. 40206098 beansprucht. Zu dem internationalen Sammelgeschmacksmuster gehören die nachfolgend abgebildeten teilweise beschriebenen Geschmacksmuster (Klagemuster), auf die die Klägerin ihre Ansprüche - zuletzt in der nachstehenden Reihenfolge - gestützt hat:

Nr. 25 (intermediate portion of writing utensil)

Nr. 24 (cap or top portion of writing utensil)

Nr. 23.1

Nr. 23.2

Die Klägerin vertreibt seit dem Jahr 2003 unter der Bezeichnung "New Spring" einen Kugelschreiber mit einer Kunststoffspirale im oberen Gehäuseteil.

Vor der Anmeldung der Klagemuster erfolgte die Bekanntgabe der Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 3732027, das ein Schreibgerät mit mindestens einem Abschnitt des Gehäuses in Form einer elastisch verformbaren Knautschzone betraf. Die Offenlegungsschrift enthielt unter anderem die nachstehenden Figuren:

Figur 5

Figur 32

Das nachfolgend abgebildete Modell des Kugelschreibers "Spiralo" war ebenfalls vor der Anmeldung der Klagemuster bekannt:

Die Beklagten, die in Polen geschäftsansässig sind, produzieren und vertreiben die im Klageantrag abgebildeten mit Werbeaufdrucken für Drittunternehmen versehenen Kugelschreiber unter der Bezeichnung "Tornado". Diese weisen eine spiralförmige Ausgestaltung des Gehäuses im oberen Schaftteil auf, wobei die Spirale entweder gleichmäßig ansteigt (Kugelschreiberabbildungen Klageantrag I a) oder im Wechsel diagonal und horizontal verläuft (Kugelschreiberabbildungen Klageantrag I b).

Die Kugelschreiber mit der Bezeichnung "Tornado" boten die Beklagten in der im Klageantrag I a abgebildeten Form erstmals im Januar 2005 auf einer Messe in Düsseldorf und später auch in der im Klageantrag I b abgewandelten Form im Inland an.

Die Klägerin hält die im Klageantrag abgebildeten Kugelschreiber der Modelle "Tornado" für unzulässige Nachahmungen ihrer international registrierten Geschmacksmuster. Sie hat die Kugelschreiber der Beklagten zudem als wettbewerbsrechtlich unlautere Nachahmungen ihres Modells "New Spring" beanstandet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Schreibgeräte herzustellen und/oder anzubieten und/oder einzuführen und/oder zu gebrauchen und/oder in Verkehr zu bringen, deren oberer, dem Clip zugewandter Gehäuseteil aus einer Hülse in Form einer Federspirale besteht, die daher durch die Druckbewegung auf dieses Oberteil verkürzbar ist, und zwar gleichgültig, ob die Federspirale eine gleichmäßige oder eine wechselnde Steigung nach Art von Treppenabsätzen entlang der Federspirale aufweist, gemäß zumindest einer der nachfolgenden Abbildungen und unabhängig von Dekor oder Farbe:

Ia - gleichmäßige Steigung

Ib - ungleichmäßige Steigung

Die Klägerin hat die Beklagten zudem auf Auskunft in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Die Klägerin hat die Beklagten in einem weiteren Rechtsstreit in Polen aufgrund ihres polnischen Geschmacksmusters Nr. 6751, für das sie die Priorität des deutschen Geschmacksmusters Nr. 40206098 in Anspruch genommen hat, erfolglos auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz wegen des Vertriebs der Modelle des Tornado-Kugelschreibers verklagt.

Das Landgericht hat die Beklagten im vorliegenden Verfahren antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer vom Senat beschränkt auf die geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 38 Abs. 1 , § 42 Abs. 1 GeschmMG wegen Verletzung der Muster 23 bis 25 des internationalen Sammelgeschmacksmusters DM/064576 sowie Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Einer Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren stehe nicht die in Polen erhobene Klage entgegen. Diese betreffe nicht denselben Anspruch im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO.

Die in Rede stehenden Klagemuster seien schutzfähig. Sie seien gegenüber dem vorbekannten Formenschatz in Gestalt der Figuren 5 und 32 der Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 3732027 und des Modells des Kugelschreibers "Spiralo" neu und verfügten über Eigenart.

Die angegriffenen Schreibgeräte mit der Bezeichnung "Tornado" der Beklagten fielen jedoch nicht in den Schutzbereich der Klagemuster. Deren Musterzeichnungen ließen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Spirale auf einem inneren Rohrbereich aufliege und frei beweglich sei. Der Gesamteindruck der beanstandeten Schreibgeräte werde dagegen durch die freistehende Spirale und den sie übergreifenden Clip geprägt. Diese Modelle übernähmen das die Eigenart begründende Merkmal der gleichmäßig durchgehenden Spirale als Teil des zylindrischen Grundkörpers der Klagemuster nur zum Teil. Angesichts des engen Schutzbereichs der Klagemuster reiche die Zweigliedrigkeit der Kugelschreibermodelle "Tornado" aus, um sich außerhalb des Schutzbereichs der Klagemuster zu bewegen.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass es im Hinblick auf das zwischen den Parteien zeitlich früher anhängige Verfahren vor polnischen Gerichten über das polnische Geschmacksmuster Nr. 6751 nicht nach Art. 27 Brüssel I VO an einer Sachentscheidung gehindert war.

a) Die Brüssel-I-Verordnung ist seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 auch im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen anwendbar.

b) Die Voraussetzungen des Art. 27 Brüssel-I-VO sind jedoch nicht gegeben, weil das vorliegende Verfahren und die Klage in Polen nicht denselben Anspruch der Parteien betreffen.

aa) Durch Art. 27 Brüssel-I-VO sollen im Interesse einer geordneten Rechtspflege soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander "unvereinbar" im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und deshalb im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden. Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO und die Frage, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch anhängig ist, kommt es nicht auf die formale Identität der Klagen, sondern darauf an, ob der Kernpunkt der Klagen derselbe ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987 - 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Rn. 8 und 13 - Gubisch Maschinenfabrik; BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2795 f.). Bei der danach gebotenen weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals "desselben Anspruchs" im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO sind das jeweilige Klagebegehren in den Rechtsstreitigkeiten und der Sachverhalt sowie die Rechtsvorschriften, auf die die Klagen gestützt werden, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - C-406/92, Slg. 1994, I-5439 = ZIP 1995, 943 Rn. 38 bis 44 - Tatry; Urteil vom 8. Mai 2003 - C-111/01, Slg. 2003, I-4207 = NJW 2003, 2596 Rn. 25 f. - Gantner Electronic; Urteil vom 9. November 2010 - C-296/10, NJW 2011, 363 Rn. 68 - Purrucker/Pérez).

bb) Die Verschiedenheit der Ansprüche im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO folgt vorliegend aus dem Territorialitätsprinzip, nach dem sich der Schutzbereich eines nationalen Geschmacksmusters auf das jeweilige Schutzland beschränkt (zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 3. März 2004 - 2 StR 109/03, GRUR 2004, 421 , 422 - Tonträgerpiraterie durch CD-Export; zum Kennzeichenrecht BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 Rn. 44 = WRP 2010, 384 - BTK; zum Geschmacksmusterrecht Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz , 4. Aufl., Allgemeines zum Designrecht Rn. 12; vgl. auch Art. 8 Abs. 1 ROM-II-VO).

Die Klage vor den polnischen Gerichten betraf das polnische Geschmacksmuster Nr. 6751, dessen Schutz auf Polen beschränkt ist. Der vorliegende Rechtsstreit hat den auf das Inland beschränkten Schutz der Klagemuster 23 bis 25 des internationalen Sammelgeschmacksmusters DM/064576 zum Gegenstand. Danach liegen beiden Verfahren unterschiedliche Klagebegehren (territorial begrenzter Rechtsschutz in Polen oder in Deutschland) und verschiedene Sachverhalte (Verletzung unterschiedlicher Schutzrechte) zugrunde. Im Hinblick auf die unterschiedliche Schutzländer betreffenden Geschmacksmuster besteht auch nicht die Gefahr, dass die Entscheidungen in den beiden in Rede stehenden Klageverfahren "unvereinbar" im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden.

2. Dagegen halten die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche aus § 42 Abs. 1 und 2 , § 46 GeschmMG , § 242 BGB verneint hat, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Klagemuster sind registriert aufgrund des Haager Abkommens über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle vom 6. November 1925 (Haager Abkommen). Nach dem am 13. Februar 2010 in Kraft getretenen § 66 GeschmMG ist das Geschmacksmustergesetz grundsätzlich auf Eintragungen oder Registrierungen nach dem Haager Abkommen, deren Schutz sich auf Deutschland erstreckt, anzuwenden. Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 66 GeschmMG ergab sich diese Rechtsfolge aus Art. 7 Abs. 1 Haager Abkommen vom 28. November 1960 (BGBl. 1962 II S. 774; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1966 - Ib ZR 140/64, GRUR 1967, 533, 535 - Myoplastic, zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Haager Abkommen, Londoner Fassung, RGBl. 1937 II S. 606).

Die Klagemuster nehmen die Priorität vom 22. Juli 2002 in Anspruch und sind am 22. Januar 2003 registriert worden. Schutzvoraussetzungen und Schutzwirkungen der Klagemuster beurteilen sich nach dem am 1. Juni 2004 in Kraft getretenen Geschmacksmustergesetz (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 263/02, GRUR 2006, 143 , 144 = WRP 2006, 117 - Catwalk; Urteil vom 10. Januar 2008 - I ZR 67/05, GRUR 2008, 790 Rn. 32 = WRP 2008, 1234 - Baugruppe).

Die Klägerin hat die Ansprüche in erster Linie auf das Klagemuster Nr. 25 gestützt und Ansprüche aus den Klagemustern Nr. 23 und 24 nur hilfsweise verfolgt. Zu entscheiden ist daher vorrangig über die aus dem Klagemuster Nr. 25 abgeleiteten Ansprüche.

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen des Klagemusters Nr. 25 ausgegangen. Gegenstand der Eintragung ist ein Zwischenteil eines Schreibgeräts.

Als Geschmacksmuster wird ein Muster geschützt, das neu ist und Eigenart hat (§ 2 Abs. 1 GeschmMG ).

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Klagemuster Nr. 25 neu ist, weil vor dem Anmeldetag kein identisches Muster im Sinne von § 2 Abs. 2 GeschmMG offenbart worden ist. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Klagemuster Nr. 25 die erforderliche Eigenart aufweist.

(1) Nach § 2 Abs. 3 GeschmMG hat ein Muster Eigenart, wenn es sich im Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. In die Beurteilung einzubeziehen ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können dazu führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während eine geringe Musterdichte und damit ein größerer Gestaltungsspielraum selbst bei größeren Gestaltungsunterschieden beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 71/08, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 - Untersetzer; KG ZUM 2005, 230 , 231; österr. OGH, GRUR Int. 2008, 523, 525; Steinberg in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., Art. 6 GGV Rn. 9; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 2 Rn. 34; Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 17; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 977; Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes BT-Drucks. 15/1075, S. 34 zu § 2 GeschmMG ). Ob das Klagemuster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 89/08, BGHZ 185, 224 Rn. 33 - Verlängerte Limousinen; OLG Hamm, InstGE 8, 233, 237; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 16, 17; OLG Hamburg, Urteil vom 1. Juli 2009 - 5 U 183/07 Rn. 77, [...]).

(2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat unter Berücksichtigung der großen Musterdichte im Bereich der Schreibgeräte rechtsfehlerfrei die erforderliche Eigenart des Musters Nr. 25 bejaht.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das Klagemuster Nr. 25 über folgende prägende Merkmale verfügt:

1.

Es handelt sich um den Zwischenabschnitt eines Schreibgeräts (der dargestellte Bereich lässt keine obere oder untere Begrenzung erkennen)

2.

bestehend aus einem schlanken, zylindrischen und an seiner Oberfläche glatten Gehäuse;

3.

das Gehäuse wird an seiner Oberfläche durch einen durchgängigen spiralförmigen Einschnitt unterbrochen;

4.

die Spirale verläuft in ihrem gesamten Bereich gleichmäßig;

5.

sie verläuft nach links abwärts;

6.

die Weite des spiralförmigen Einschnitts entspricht im Wesentlichen der Breite der sie begrenzenden spiralförmigen Wand.

Die Einzelmerkmale vermitteln nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem Muster einen harmonischen gleichmäßigen Verlauf der Spirale, der durch die Proportionierung des Einschnitts und der begrenzenden Wandung geprägt wird.

Soweit das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Gesamteindrucks des Klagemusters Nr. 25 weiter angenommen hat, es ergäben sich aus der Musterzeichnung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Spirale auf einem inneren Rohrbereich aufliege und freibeweglich sei, hat dies im Hinblick auf die zum vorbekannten Formenschatz gehörenden Muster keine Bedeutung, sondern ist im Streitfall erst bei der Frage von Belang, ob die beanstandeten Muster in den Schutzbereich des Klagemusters eingreifen (dazu II 2 c).

Der Gesamteindruck der Figur 32 der Offenlegungsschrift des Patents Nr. 3732027 wird nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts durch die abwechselnd links oben oder rechts unten beginnenden und von links oben nach rechts unten verlaufenden Einschnitte bestimmt, die eine wesentlich geringere Breite als die zwischen ihnen liegenden Gehäuseabschnitte haben. Diese Einschnitte vermitteln einen gleichmäßigen, hart und streng wirkenden Eindruck. Sie verlaufen gegenläufig (von rechts unten oder links oben) und sind wesentlich schmaler als die sie begrenzenden Wandabschnitte, wodurch ein anderer Gesamteindruck als bei dem Klagemuster Nr. 25 entsteht, das eine harmonisch gleichmäßig ansteigende Spirale aufweist.

Zum Gesamteindruck der Figur 5 der Offenlegungsschrift des Patents Nr. 3732027 hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass das abgebildete Schreibgerät durch die Einschnitte geprägt wird, deren Abstand unterschiedlich ausgestaltet ist, die von links oben nach rechts unten verlaufen und abwechselnd links oben oder rechts unten beginnen und sich nahezu über die gesamte Länge des Gehäuses erstrecken.

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der Gesamteindruck dieser Figur noch weiter als derjenige der Figur 32 der Offenlegungsschrift vom Gesamteindruck des Klagemusters Nr. 25 unterscheidet, weil die Einschnitte nahezu über die gesamte Länge des Schreibgeräts angebracht sind und unterschiedliche Abstände aufweisen.

Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend festgestellt, dass der Gesamteindruck des Schreibgeräts mit der Bezeichnung "Spiralo" durch die erkennbar technisch bedingte, nach außen verlagerte Spiralfeder bestimmt wird, wodurch dieses Schreibgerät einen anderen Gesamteindruck als das Muster Nr. 25 vermittelt. Die Spiralfeder des Modells "Spiralo" ist ein gesondertes technisches Bauteil und ruft einen anderen Gesamteindruck hervor als die spiralförmige Ausgestaltung des Schaftes des Musters Nr. 25.

c) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die angegriffenen Schreibgeräte mit der Bezeichnung "Tornado" der Beklagten fielen nicht in den Schutzbereich des Klagemusters Nr. 25 (§ 38 Abs. 1 und 2 GeschmMG ).

aa) Für die Verletzungsprüfung nach § 38 Abs. 1 und 2 GeschmMG kommt es darauf an, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des eingetragenen Musters übereinstimmt; dabei sind nicht nur die Übereinstimmungen, sondern auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen. Zudem ist in die Beurteilung des Schutzumfangs der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters einzubeziehen. Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters besteht eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führen zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können, während umgekehrt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers einen weiten Schutzumfang des Musters zur Folge haben, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 und 20 - Untersetzer, mwN). Damit gilt der bereits vor Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG durch das Geschmacksmusterreformgesetz anerkannte Grundsatz fort, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 Untersetzer; OLG Frankfurt, GRUR RR 2009, 16, 18; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 977; D. Jestaedt, GRUR 2008, 19, 22).

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Schreibgeräte der Beklagten mit der Bezeichnung "Tornado" in der im Klageantrag I a angeführten Form wie folgt gestaltet sind:

1.

Der untere Gehäusebereich macht etwa zwei Drittel der Gesamtlänge des Schreibgeräts aus und verläuft zunehmend stärker konisch zur Schreibspitze aus;

2.

der obere, gleichfarbige und im Wesentlichen zylindrische Gehäusebereich ist durch einen schmalen Ring vom unteren Bereich getrennt;

3.

der obere Bereich besteht - durch die unterschiedliche Farbgebung erkennbar - aus einem zylindrischen Körper geringen Durchmessers, der von einem spiralförmig durchbrochenen Gehäuse umfasst wird;

4.

die Spirale und der zwischen ihren Windungen sichtbare Bereich weisen im Wesentlichen die gleiche Breite auf;

5.

die Spirale zeigt eine gleichmäßige Steigung;

6.

die Steigung verläuft von links oben nach rechts unten;

7.

die Spirale wird von einem großbogigen, gleichfarbigen Clip überwölbt;

8.

der Clip liegt unterhalb des untersten Spiraleinschnitts auf dem oberen Gehäusebereich kurz vor dem Ring auf;

9.

der Clip ist so am oberen Gehäuseteil angesetzt, dass etwa ein Drittel des Rundbogens vom oberen Ende des Gehäuses nachvollzogen wird;

10.

der Clip verläuft über der oberen Abschlusskante des Gehäuses hinweg, so dass oben ein flacher spitzer Keil entsteht.

Die im Klageantrag unter I b wiedergegebene Ausführungsform weist bei ansonsten gleichen Merkmalen eine ungleichmäßige Steigung der Spirale auf.

Das Berufungsgericht hat angenommen, das Modell "Tornado" der Beklagten unterscheide sich vom Klagemuster Nr. 25 dadurch, dass die Spirale um ein weiteres zylindrisches Bauteil herumgelegt sei und dieser Umstand optisch durch die kontrastierende farbliche Gestaltung hervorgehoben werde. Die Spirale verlaufe in entgegengesetzter Richtung und habe bei der im Klageantrag I b wiedergegebenen Ausführungsform eine ungleichmäßige Steigung. Als komplexes Schreibgerät verfüge das Modell "Tornado" über das zusätzliche Gestaltungselement des Clips. Gemeinsamkeiten bestünden bei dem im Klageantrag I a aufgeführten Modell "Tornado" mit dem Klagemuster Nr. 25 in der Gleichmäßigkeit und im Grad der Steigung, der im Wesentlichen gleichen Breite von Spirale und Zwischenraum sowie in dem zylindrischen Grundkörper. Bei dem im Klageantrag I b angeführten Modell fehle die gleichmäßige Steigung der Spirale. Der Gesamteindruck des in Rede stehenden Schreibgeräts der Beklagten werde durch die freistehende Spirale und den sie übergreifenden Clip geprägt. Der Clip trete auch nicht derart in den Hintergrund, dass er den Gesamteindruck nicht mitbestimme. Bei dem angegriffenen Modell bestehe durch die um einen inneren Zylinder gelegte gesonderte Spirale eine Zweigliedrigkeit, die dazu führe, dass die angegriffenen Muster außerhalb des Schutzbereichs des Klagemusters Nr. 25 lägen.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Gesamteindruck des Klagemusters Nr. 25 (dazu II 2 c cc) und des angegriffenen Musters (dazu II 2 c dd) nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.

cc) Mit Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Gesamteindruck des Klagemusters nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Es habe nicht davon ausgehen dürfen, das Klagemuster bestehe nur aus einem Stück.

(1) Nach § 37 Abs. 1 GeschmMG wird Schutz nur für diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines Geschmacksmusters begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben sind. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GeschmMG muss die Anmeldung eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Musters enthalten. Das Muster muss in der Anmeldung hinreichend konkretisiert sein, um zu vermeiden, dass eine unzureichende Wiedergabe zur Schutzbeanspruchung ausgenutzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1961 - I ZR 44/59, GRUR 1962, 144, 146 - Buntstreifensatin, insoweit in BGHZ 35, 341 nicht abgedruckt). Andererseits muss das Muster nicht fotographisch wiedergegeben werden, sondern kann auch - wie vorliegend - in einer graphischen Darstellung bestehen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GeschmMV). Der Schutz des Musters richtet sich danach, welche konkrete Form die Abbildung erkennbar macht, wobei es nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GeschmMG auf das Anschauungsvermögen eines informierten Benutzers ankommt (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 47 - Verlängerte Limousinen).

(2) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung, welche Merkmale den Gesamteindruck des Klagemusters Nr. 25 bestimmen, sechs Merkmale angeführt, denen nichts dazu zu entnehmen ist, ob das Klagemuster aus einem oder aus zwei Stücken besteht. Aus der lediglich in graphischer Form erfolgten Musteranmeldung ist dies auch nicht zu ersehen. Der Geschmacksmusterschutz knüpft an die immaterielle plastische oder flächige Form an. Diese muss geeignet sein, als Vorbild für die Fertigung körperlicher Erzeugnisse zu dienen. Auf die technische Umsetzung (bewegliche Spirale um einen umliegenden Körper oder Gehäuse mit fester Spirale aus einem Stück) kommt es nicht an, soweit durch sie kein neuer Gesamteindruck erzielt wird (vgl. BGH, GRUR 1962, 144, 146 - Buntstreifensatin). Lässt in einem solchen Fall die zeichnerische Darstellung nicht erkennen, ob das Klagemuster aus einem oder zwei Teilen besteht, kann dies dazu führen, dass weitergehende Entgegenhaltungen aus dem vorbekannten Formenschatz möglich sind und deswegen die Neuheit oder Eigenart des Klagemusters zu verneinen ist. Andererseits kann sich aus einer zeichnerischen Darstellung, die nicht ersehen lässt, ob das Klagemuster einteilig oder zweiteilig ausgestaltet ist, ein größerer Schutzumfang im Vergleich zu einem Muster ergeben, das nur eine der beiden Ausgestaltungen wiedergibt.

Da der graphischen Darstellung des Klagemusters vorliegend nicht zu entnehmen ist, ob es aus einem oder zwei Teilen besteht, durfte das Berufungsgericht Unterschiede im Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster nicht allein aufgrund der zweiteiligen Ausführung von Spirale und zylindrischem Bauteil der angegriffenen Muster annehmen.

dd) Bei der Beurteilung, ob der Gesamteindruck der angegriffenen Muster mit demjenigen des Klagemusters Nr. 25 übereinstimmt, ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die farbliche Gestaltung ohne Weiteres in die Betrachtung der beanstandeten Muster einzubeziehen ist (dazu II 2 c dd (1)). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf in diese Prüfung auch der Clip der beanstandeten Muster nicht einbezogen werden (dazu II 2 c dd (2)).

(1) Das Klagemuster ist in einer schwarz-weißen graphischen Darstellung eingetragen. Es beansprucht daher unabhängig von einer konkreten Farbgebung Schutz für die Gestaltung. Dies hat ebenfalls wie vorstehend zur Frage der graphischen Darstellung des Klagemusters als ein oder zweiteilig erörtert (Rn. 49) zur Folge, dass auf der einen Seite weitergehende Entgegenhaltungen aus dem vorbekannten Formenschatz möglich sind, das Klagemuster auf der anderen Seite aber auch über einen größeren Schutzumfang verfügen kann. Dementsprechend ist auch bei der Verletzungsprüfung die angegriffene Form grundsätzlich von der farblichen Gestaltung zu abstrahieren und die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks der Muster anhand einer einheitlichen Farbgebung zu beantworten (vgl. Auler in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 37 GeschmMG Rn. 4; Ruhl aaO Art. 10 Rn. 64). Etwas anderes hat allerdings zu gelten, wenn gegenüber der in Schwarz-Weiß gehaltenden graphischen Darstellung des Klagemusters, durch die eine einheitliche Farbgebung beansprucht wird, beim angegriffenen Muster Kontrastfarben Verwendung finden. Durch eine kontrastierende Farbgebung kann ein gegenüber dem in Schwarz-Weiß dargestellten Klagemuster abweichender Gesamteindruck bei den angegriffenen Mustern erzielt werden (ähnlich Eichmann in Eichmann/ v. Falckenstein aaO § 38 Rn. 25). Das Berufungsgericht durfte daher eine fehlende Übereinstimmung des Gesamteindrucks der farblichen Muster mit dem Klagemuster nicht allgemein aus einer kontrastierenden farblichen Gestaltung des Zylinders einerseits und der ihn umschließenden Spirale und des Clips andererseits herleiten, ohne auf die einzelnen farblich unterschiedlich gestalteten Muster der Beklagten und die Auswirkungen auf den Gesamteindruck einzugehen.

(2) Mit Recht wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht bei dem angegriffenen Muster den Clip in die Beurteilung des Gesamteindrucks einbezogen hat.

Das Klagemuster Nr. 25 ist als Erscheinungsform eines Teils eines Erzeugnisses selbständig schutzfähig (§ 1 Nr. 1 GeschmMG ). Ob der Schutz eines selbständigen Teils eines Erzeugnisses voraussetzt, dass es eine gewisse Geschlossenheit aufweist (bejahend Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rn. 15; ähnlich Ruhl aaO Art. 3 Rn. 105), braucht nicht entschieden zu werden. Das Erfordernis der Geschlossenheit knüpft an die Rechtsprechung zum Schutz eines Teils eines Musters unter Geltung des Geschmacksmustergesetzes alter Fassung an (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 - I ZR 117/77, GRUR 1979, 705, 706 - Notizklötze; Urteil vom 11. Dezember 1997 - I ZR 134/95, GRUR 1998, 379 , 381 - Lunette). Die Frage, ob ein Muster als Erscheinungsform eines Teils eines Erzeugnisses nur musterfähig ist, wenn es über eine gewisse Geschlossenheit verfügt, kann deshalb offenbleiben, weil das Klagemuster Nr. 25 durch die spiralförmige Ausgestaltung dieses Erfordernis erfüllt.

Nach der der Anmeldung beigefügten Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe des Klagemusters wird Schutz für ein dazwischenliegendes Teil eines Schreibgeräts (intermediate portion of writing utensil) beansprucht. Diese Angabe im Sinne von § 11 Abs. 4 Nr. 1 GeschmMG bestimmt den Schutzumfang des Klagemusters mit. Das folgt aus einem Umkehrschluss aus § 11 Abs. 5 GeschmMG , der nur die Angaben nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 3 GeschmMG vom Einfluss auf den Schutzumfang ausnimmt.

Besteht vorliegend aufgrund des Klagemusters Nr. 25 Schutz für die Erscheinungsform eines Teils eines Schreibgeräts, ist der Prüfung des übereinstimmenden Gesamteindrucks auch bei der angegriffenen Ausführungsform nur der Spiralteil zugrunde zu legen (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 333 , 334; Auler in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 40 GeschmMG Rn. 9; Ruhl aaO Art. 10 Rn. 51 und 55). Das Berufungsgericht durfte daher den Clip nicht in die Beurteilung des Gesamteindrucks der Verletzungsform einbeziehen.

III. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Die Gesamtwürdigung und Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall ist Sache der nationalen Gerichte (EuGH, Urteil vom 16. November 2004 C 245/02, Slg. 2004, I 10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 84 Anheuser Busch).

IV. Das Berufungsurteil kann danach hinsichtlich der mit dem Hauptantrag verfolgten Ansprüche aus dem Klagemuster Nr. 25 keinen Bestand haben (§ 562 ZPO ). Dies gilt auch insoweit, als die Klägerin ihre Klage hilfsweise auf die Klagemuster Nr. 23 und 24 gestützt hat. Das entsprechende Klagevorbringen ist trotz der einheitlichen Klageanträge Hilfsvorbringen, das nur beschieden werden kann, wenn die Klageanträge aufgrund des Hauptvorbringens keinen Erfolg haben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1989 - V ZR 137/87, NJW-RR 1989, 650 ; Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 , 3150; Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377 , 381 - Faxkarte; Urteil vom 3. Juli 2003 - I ZR 270/01, GRUR 2003, 903 , 904 = WRP 2003, 1138 - ABC der Naturheilkunde). Eine Entscheidung über die Ansprüche aus den Klagemustern Nr. 23 und 24 kann daher noch nicht ergehen. Vielmehr ist die Sache insgesamt an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks des Klagemusters Nr. 25 mit den angegriffenen Verletzungsformen erneut zu beurteilen hat.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 24. März 2011

Vorinstanz: LG München I, vom 03.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 9 HKO 24173/05
Vorinstanz: OLG München, vom 18.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 4011/07
Fundstellen
GRUR 2011, 1112
GRURInt 2012, 74
MDR 2011, 1437
wrp 2011, 1621