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BGH - Entscheidung vom 21.12.2005

X ZR 108/03

Normen:
BGB § 133 § 157

Fundstellen:
FamRZ 2006, 473
JuS 2006, 749
NJW-RR 2006, 699
ZEV 2006, 214

BGH, Urteil vom 21.12.2005 - Aktenzeichen X ZR 108/03

DRsp Nr. 2006/2556

Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung

1. Scheitert eine ergänzende Vertragsauslegung daran, dass sich der hypothetische Parteiwille nicht ermitteln lässt, so kann bei unerwarteten Vor- oder Nachteilen im Rahmen eines (hier: Schenkungs-)Vertrages vielfach eine Halbteilung die angemessene Vertragsergänzung sein.2. Im Falle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist eine Anpassung der vertraglichen Regelungen aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen und einem für beide Parteien zumutbaren Vertragsänderung zu bewirken. Das maßgebliche Kriterium der Zumutbarkeit führt in der Regel dazu, dass einer Partei die sie treffenden unvorhergesehenen Nachteile nicht in vollem Umfang abgenommen werden können, sondern nur insoweit, als die Belastung untragbar erscheint.

Normenkette:

BGB § 133 § 157 ;

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte im Rahmen einer Erbauseinandersetzung auf Rückerstattung einer Schenkung in Anspruch.

Der Kläger war der Ehemann, die Beklagte ist die Tochter aus erster Ehe der am 23. März 1998 verstorbenen Erblasserin. Nach deren Testament ist der Kläger befreiter Vorerbe; die Beklagte ist Nacherbin. Zum Nachlass gehörten im Wesentlichen die Beteiligung an zwei Familiengesellschaften, zwei Eigentumswohnungen, ein Schweizer Bankschließfach und ein gegenüber dem deutschen Finanzamt nicht deklariertes Wertpapierdepot in der Schweiz. Hinsichtlich der beiden Gesellschaftsbeteiligungen hatte die Erblasserin testamentarisch verfügt, dass der Kläger ihr Nachfolger werden und die Beklagte zu 50 % an den Gewinnen beteiligen solle; für den Fall, dass dies aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht möglich sein werde, hatte die Erblasserin der Beklagten ihre Gesellschaftsanteile mit der Auflage vermacht, die Hälfte der Erträge an den Kläger auszukehren. Aus gesellschaftsvertraglichen Gründen mussten die Parteien diese zweite Testamentsalternative verwirklichen. Die beiden Eigentumswohnungen veräußerte der Kläger; von dem Erlös und mit Hilfe eines zusätzlich aufgenommenen Darlehens kaufte er sich ein Einfamilienhaus. Den Inhalt des Bankschließfachs - Gold und Schmuck - nahm die Beklagte an sich. Das Schweizer Wertpapierdepot, für das die Erblasserin der Beklagten bereits zu Lebzeiten eine Kontovollmacht über den Tod hinaus eingeräumt hatte, übertrug die Beklagte im Rahmen eines gemeinsamen Bankbesuchs mit dem Kläger am 15. April 1999 auf ein von ihr neu eröffnetes Konto. Die Parteien nehmen die Beurteilung des Berufungsgerichts hin, dass dem eine Schenkung des Klägers an die Beklagte zugrunde liegt, die Wertpapiere der Beklagten also nicht schon von der Erblasserin zu Lebzeiten geschenkt worden waren. Als es später zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten kam, deckte die Beklagte das Depot dem Finanzamt auf und entrichtete auf dessen Wert 361.689,-- DM Schenkungssteuer. Das Finanzamt hat angekündigt, den Kläger hinsichtlich des Depots als Erben auf die von der Erblasserin hinterzogene Vermögens- und Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag sowie auf die von ihm selbst geschuldete Erbschaftsteuer in Anspruch zu nehmen. Der Kläger schätzt die auf ihn zukommende Nachversteuerung auf 915.613,33 DM.

Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung in Höhe des Depotwertes nebst Zinsen sowie Auskunft über die Erträge dieses Depots verlangt. Des Weiteren hat er Auskunft begehrt, welche Vermögensgegenstände die Beklagte dem Schweizer Schließfach entnommen habe. Schließlich hat er verschiedene Auskünfte über das Vermögen der Familiengesellschaften verlangt.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Rückforderungsrecht des Klägers bezüglich des verschenkten Schweizer Wertpapierdepots abgelehnt, weil die künftige Steuernachforderung des Finanzamtes weder einen Notbedarf des Klägers als Schenker noch einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründe. Einen Auskunftsanspruch des Klägers hinsichtlich des Schließfachs hat das Berufungsgericht verneint, weil die Beklagte diesen Anspruch bereits erfüllt habe. Den Antrag auf Auskunft über die beiden BGB -Gesellschaften hat das Berufungsgericht abgewiesen, weil dem Kläger der geltend gemachte gesellschaftsrechtliche Abfindungsanspruch nicht zustehe und weil hinsichtlich seiner hälftigen Beteiligung an den gezogenen Früchten die Beklagte ihm die geschuldeten Auskünfte bereits erteilt habe.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat die Revision insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers hinsichtlich des Klageantrags zu 1 in Höhe von 915.613,33 DM nebst Zinsen abgewiesen hat. Im Übrigen hat der Senat durch Beschluss vom 19. Juli 2005 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und dem Kläger von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einen Teil der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten auferlegt. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag zu 1 im zugelassenen Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat teilweise Erfolg. Sie führt zu der Feststellung, dass die Beklagte den Kläger von dem auf den Wert des Schweizer Depots entfallenden Mehrbetrag der Erbschaftssteuer freistellen muss. Dies ergibt sich aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages.

1. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die Vorrang vor der Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage hätte (BGH, Urt. v. 01.02.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 , 74), ist nicht möglich.

a) Die erste Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung, dass der Vertrag eine Regelungslücke aufweist, ist zwar gegeben. Eine Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt übersehen haben (BGH, Urt. v. 19.12.2001 - XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260 ). Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von den Parteien auch nicht angegriffen festgestellt hat, haben die Parteien bei der Schenkung vom 15. April 1999 an eine wegen des Depots erforderlich werdende Nachentrichtung der von der Erblasserin hinterzogenen Steuern und der vom Kläger insoweit geschuldeten Erbschaftssteuer schlichtweg nicht gedacht, ebensowenig wie daran, dass die Schenkung des Klägers an die Beklagte dem Finanzamt bekanntwerden könne und die Beklagte darauf Schenkungssteuer entrichten müsse.

b) Von einer durch das Depot verursachten beträchtlichen Steuerschuld des Klägers ist auszugehen, obwohl das Finanzamt den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abwarten will, bevor es den Steuerbescheid erlässt. Der erkennende Senat vermag ebenso wenig wie die Parteien in der Beurteilung des Berufungsgerichts, nicht schon die Erblasserin, sondern erst der Kläger habe der Beklagten das Depot geschenkt, einen Rechtsfehler zu erkennen. Da somit der Kläger als Alleinerbe auch das Schweizer Wertpapierdepot von der Erblasserin geerbt hat, bevor er es weitergeschenkt hat, muss er die darauf entfallende Erbschaftsteuer nachentrichten. Außerdem ist er verpflichtet, soweit die Erblasserin das Vermögen und die Erträge aus dem Depot nicht versteuert hat, die hinterzogene Vermögens- und Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag nachzuzahlen. Denn insoweit handelt es sich um eine Erblasserschuld, die ebenfalls den Kläger als Erben trifft (§ 1967 BGB , § 45 Abs. 2 AO ).

Die Frage, wen eine solche Besteuerung im Innenverhältnis treffen sollte, war auch regelungsbedürftig, da für den Kläger durch eine Nachversteuerung zu der Vermögenseinbuße, die er durch die Schenkung an die Beklagte erfuhr und die er einzugehen bereit war, noch eine erhebliche finanzielle Belastung hinzutrat, die er nicht eingeplant hatte und mit der auch die Beklagte nicht gerechnet hatte.

Diese Vertragslücke kann nicht durch Heranziehung des dispositiven Rechts geschlossen werden, das die Nachzahlung der hinterzogenen Vermögens- und Einkommenssteuer nebst Solidaritätszuschlag und der wegen des Depots angefallenen Erbschaftssteuer allein dem Kläger auferlegt. Denn diese gesetzliche Regelung der Steuerpflicht widerspricht dem mutmaßlichen Parteiwillen, weil sie der Interessenlage offensichtlich nicht gerecht wird; deshalb ist anzunehmen, dass die Parteien sie nicht wollten (BGH, Urt. v. 14.03.1990 - VIII ZR 18/89, NJW-RR 1990, 817 ). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wollten die Parteien vielmehr mit der Schenkung übereinstimmend den Willen der Erblasserin erfüllen, die das Depot, dessen Wert rund 2,2 Mio. DM betrug, ihrer Tochter zugedacht hatte, aber andererseits den größten Teil ihres Vermögens zunächst ihrem Mann als Vorerben zuzuwenden wünschte, nämlich die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen im Wert von etwa 7.470.000,-- DM und zwei Eigentumswohnungen im Wert von rund 1 Mio. DM. Für den Fall, dass ihr Mann aus gesellschaftsrechtlichen Gründen die beiden Beteiligungen nicht übernehmen könne, sollten zwar auch diese an ihre Tochter gehen, jedoch verblieben ihrem Mann dann immer noch - neben der hälftigen Ertragsbeteiligung aus den BGB -Gesellschaftsanteilen - die beiden Wohnungen. Es war also der Wille der Erblasserin, dass der Kläger nicht nur ein laufendes Einkommen aus den Gesellschaftsbeteiligungen, sondern auch einen beträchtlichen Vermögensstamm, nämlich mindestens 1 Mio. DM, erhalten sollte. Da die Parteien diesen Erblasserwillen verwirklichen wollten, bestimmte er die Interessenlage der Parteien bei Abschluss des Schenkungsvertrages. Dem würde es widersprechen, wenn das dem Kläger zugedachte Vermögen durch die Erbschaftssteuer auf das der Tochter zugeflossene Wertpapierdepot und die Nachzahlung der von der Erblasserin hinterzogenen Vermögens- und Einkommensteuer nahezu vernichtet würde.

c) Die Lückenfüllung scheitert indessen an der weiteren Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung, dass sich der hypothetische Parteiwille ermitteln lässt. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu untersuchen, wie die Beteiligten bei redlichem Verhalten den offen gebliebenen Punkt geregelt haben würden, wenn sie ihn bedacht hätten (st. Rspr. des BGH, vgl. Urt. v. 21.09.1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138 , 142). Hier kommen indessen mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der vertraglichen Regelungslücke in Betracht:

aa) Bei unerwarteten Vor- oder Nachteilen kann vielfach eine Halbteilung die angemessene Vertragsergänzung sein (vgl. BGH, Urt. v. 18.02.2000 - V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894 ). Eine solche Halbteilung müsste hier, wo durch die Aufdeckung des Schweizer Wertpapierdepots gegenüber den Finanzbehörden nicht nur der Kläger mit der vermögens-, einkommens- und erbschaftssteuerlichen Nachversteuerung belastet ist, sondern auch die Beklagte Schenkungssteuer entrichtet hat, zu einer Teilung der gesamten Steuerlast führen.

bb) Eine Verständigung der Parteien hätte aber auch aus der - laienhaften - Überlegung heraus erfolgen können, dass die Erblasserin der Beklagten das Depot mitsamt den darauf ruhenden Erblasserschulden "vermacht" habe und deshalb die Beklagte sowohl die hinterzogene Vermögens- und Einkommenssteuer als auch - an Stelle der für ein Vermächtnis geschuldeten Erbschaftssteuer - die Schenkungssteuer tragen müsse, nicht aber die durch den Depotwert verursachte Erbschaftssteuer, da die Erblasserin das Depot nun einmal nicht aus dem Nachlass herausgenommen habe und dieser Fehler zu Lasten des Klägers als ihres Alleinerben gehe.

cc) Schließlich wäre es auch eine angemessene Reaktion gewesen, wenn sich die Parteien darauf geeinigt hätten, dass die Beklagte, weil sie das Depot bekommen würde, alle Lasten zu tragen habe, die auf dem Übergang des Depots auf sie und auf dem Umstand beruhen, dass die Wertpapiere beim Kläger nur einen Durchgangsposten darstellten. Die Beklagte hätte dann sowohl die auf den Durchgangserwerb des Klägers zurückzuführende Erbschaftssteuer auf den Depotwert als auch die für die Weitergabe vom Kläger an die Beklagte geschuldete Schenkungssteuer zu zahlen; die Erblassersteuerschulden und die sonstige Erbschaftssteuer wäre beim Kläger als dem Alleinerben verblieben.

Welche der drei in Betracht kommenden Regelungen die Parteien gewählt hätten, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. Es sind auch weder Anhaltspunkte ersichtlich, die diese Feststellung ermöglichen würden, noch ist weiterer Parteivortrag, der dafür von Bedeutung sein könnte, zu erwarten. In einem solchen Fall scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung aus (BGHZ 90, 69 , 80).

2. Der Kläger hat indessen Anspruch auf eine Anpassung des Schenkungsvertrages zu seinen Gunsten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

a) Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass das Schenkungsrecht mit dem Rückforderungsrecht des Schenkers wegen Nichterfüllung einer Auflage, wegen eigener Verarmung und wegen groben Undanks des Beschenkten (§§ 527 , 528 Abs. 1 Satz 1, 530 BGB ) Sonderfälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausdrücklich regelt. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist daneben das allgemeine Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar, soweit der Sachverhalt außerhalb des Bereichs der speziellen Herausgabeansprüche des Schenkers liegt (BGH, Urt. v. 17.01.1990 - XII ZR 1/89, NJW-RR 1990, 386 ). Das ist hier der Fall, weil es unabhängig von der vom Kläger geltend gemachten Verarmung auch darum geht, dass ihm der Verlust des ihm von der Erblasserin zugedachten Vermögensstammes droht.

b) Die Ansicht des Berufungsgerichts, weil die Parteien an eine etwaige Nachversteuerung nicht gedacht hätten, könne es sich dabei nicht um eine Geschäftsgrundlage handeln, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie weicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, dass es für eine Geschäftsgrundlage genügt, wenn die Parteien bestimmte Umstände als selbstverständlich ansahen, ohne sich diese bewusst zu machen (vgl. Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 164/94, BGHZ 131, 209 , 215).

c) Im Streitfall, in dem die Parteien an eine etwaige Nachversteuerung des Depots nicht dachten, war das Nichteintreten einer solchen Besteuerung die Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrags. Wie bereits bei der Erörterung der ergänzenden Vertragsauslegung dargelegt worden ist, baute der Geschäftswille des Klägers auf der Vorstellung auf, dass er durch die Schenkung keine weiteren finanziellen Nachteile als den Verlust des Depots erfahren und dass ihm nicht durch eine Nachversteuerung praktisch der Wert der beiden ererbten Eigentumswohnungen entzogen werden würde. Diese Vorstellung des Klägers war auch für die Beklagte erkennbar und wurde von ihr nicht beanstandet (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2000 - VIII ZR 324/99, NJW 2001, 1204 ).

Diese Geschäftsgrundlage ist durch das Aufdecken des Wertpapierdepots gegenüber den Finanzbehörden und die infolgedessen auf den Kläger zukommende Nachversteuerung entfallen. Da die Nachversteuerung den von beiden Parteien respektierten Wunsch der Erblasserin, dem Kläger auch Vermögen, nämlich mindestens die beiden Eigentumswohnungen, zuzuwenden, im Ergebnis vereiteln würde, ist es für den Kläger unzumutbar, die zusätzliche Steuerlast allein zu tragen. Er kann deshalb eine Anpassung des Schenkungsvertrages an die veränderten Verhältnisse verlangen.

d) Bei der Anpassung ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen eine für beide Parteien zumutbare Vertragsänderung zu bewirken. Das maßgebliche Kriterium der Zumutbarkeit führt in der Regel dazu, dass einer Partei die sie treffenden unvorhergesehenen Nachteile nicht in vollem Umfang abgenommen werden können, sondern nur insoweit, als die Belastung untragbar erscheint. Im vorliegenden Fall besteht die angemessene Lösung darin, dass die von der Erblasserin hinterzogenen Steuern den Kläger treffen, dass aber die Beklagte zusätzlich zu der von ihr bereits gezahlten Schenkungssteuer im Innenverhältnis zum Kläger auch den Mehrbetrag der Erbschaftssteuer trägt, der durch den Depotwert verursacht wird. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass den Parteien eine Aufteilung der Steuerlast zuzumuten ist, bei der sie zum einen so gestellt werden, als wenn die Erblasserin sich hinsichtlich des Schweizer Wertpapierdepots steuerrechtlich korrekt verhalten, nämlich die von ihr darauf geschuldete Vermögens- und Einkommenssteuer nebst Solidaritätszuschlag nicht hinterzogen, sondern gezahlt hätte, und bei der zum anderen die Beklagte, weil sie das Depot bekommen hat, alle mit dessen Übergang aus dem Vermögen der Erblasserin auf sie, die Beklagte, verbundenen Kosten trägt. Diese Lösung entspricht der oben dargelegten dritten Alternative für eine ergänzende Vertragsauslegung (unter 1 c cc).

Hätte die Erblasserin die hinterzogenen Steuern gezahlt, so wäre ihr Nachlass um die Steuersumme geringer gewesen und hätte der Kläger entsprechend weniger geerbt. Diese Steuerschuld muss deshalb bei ihm verbleiben, wie ihm andererseits der Vorteil erhalten bleibt, dass sich die von ihm zu zahlende Erbschaftssteuer durch den Abzug der Erblassersteuerschulden vom Nachlasswert vermindert. Auf die Beklagte hingegen entfallen als "Erwerbskosten" für das Depot nicht nur die von ihr bereits gezahlte Schenkungssteuer, sondern sie muss im Innenverhältnis auch die vom Kläger für seinen Durchgangserwerb zu entrichtende Erbschaftssteuer auf den Depotwert tragen, d.h. denjenigen Anteil seiner gesamten Erbschaftssteuerschuld, der entfallen würde, wenn das Depot nicht zum Nachlass gehört bzw. von der Erblasserin wirksam der Beklagten vermacht worden wäre.

e) Da dieser Mehrbetrag derzeit nicht zuverlässig beziffert werden kann, weil das Finanzamt den ausstehenden Änderungsbescheid für die Erbschaftssteuer noch nicht erlassen hat, dessen Höhe unter anderem von der Höhe der nachzuzahlenden hinterzogenen Steuern abhängt, ist aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage weder der Zahlungsantrag des Klägers noch überhaupt eine Klage auf - derzeitige oder künftige - Leistung auch nur teilweise begründet. Im Übrigen scheitert der Zahlungsantrag auch daran, dass der Kläger nur Freistellung von seiner eigenen Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt verlangen kann. Der Freistellungsanspruch ist indes als ein Weniger im Zahlungsanspruch enthalten (Zöller/Vollkommer, ZPO , 25. Aufl., § 308 Rdn. 4). Der Kläger kann aus diesen beiden Gründen lediglich die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von dem durch den Depotwert verursachten Mehrbetrag der Erbschaftssteuer freizustellen, sobald der Gesamtbetrag der Erbschaftssteuer aufgrund eines unanfechtbaren Bescheides des Finanzamts feststeht. Auch die Feststellung einer Leistungspflicht ist im Vergleich zu einem Leistungsgebot ein Weniger. Im Zahlungsantrag des Klägers ist deshalb ein Feststellungsantrag inbegriffen. Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse des Klägers, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn dieser Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist (BGH, Urt. v. 09.04.1992 - IX ZR 304/90, BGHZ 118, 70 , 81 f.).

3. Der Zahlungsanspruch des Klägers ist auch nicht als Herausgabeanspruch des Schenkers wegen Verarmung begründet (§ 528 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Abgesehen davon, dass dieser Anspruch, der den Unterhaltsbedarf des Schenkers schützt, sich nicht auf einen Gesamtbetrag richtet, sondern auf wiederkehrende Leistungen des Beschenkten in einer dem Unterhaltsbedarf entsprechenden Höhe, bis der Schenkungswert erschöpft ist (BGH, Urt. v. 17.09.2002 - X ZR 196/01, NJW-RR 2003, 53 ), fehlt es zur Zeit an der Bedürftigkeit des Klägers. Diese hat der Kläger schon deshalb nicht dargelegt, weil er sie mit der auf ihn zukommenden Nachversteuerung in Höhe von schätzungsweise 915.613,33 DM begründet hat und diese Begründung nicht trägt, nachdem der erkennende Senat festgestellt hat, dass dem Kläger ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe des auf den Depotwert entfallenden Mehrbetrages der Erbschaftssteuer zusteht. Denn dieser Freistellungsanspruch reduziert die finanzielle Belastung des Klägers durch seine Steuerschuld erheblich.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 , 97 Abs. 1 ZPO . Es war zu berücksichtigen, dass der Wert des dem Kläger zuerkannten Freistellungsanspruchs auf etwa 300.000,-- DM zu schätzen ist und davon noch etwa 20 % als so genannter Feststellungsabschlag abzuziehen sind, so dass der Kläger streitwertmäßig in Höhe von 240.000,-- DM obsiegt. Ferner war zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat den Streitwert des Klageantrags zu 4 schon mit Beschluss vom 19. Juli 2005 auf (324.000,-- DM + 230.000,-- DM + 193.000,-- DM =) 747.000,-- DM heraufgesetzt hat.

Vorinstanz: SchlHOLG, vom 01.07.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 95/01
Vorinstanz: LG Kiel, vom 20.03.2001 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 165/00
Fundstellen
FamRZ 2006, 473
JuS 2006, 749
NJW-RR 2006, 699
ZEV 2006, 214