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OLG Bremen

Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Hanseatischen OLG in Bremen

Stand 01.01.2023

Die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen verwenden die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH. Sie beruhen auf für typische Sachverhalte gelten-den Erfahrungswerten und sollen zu einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung beitragen. Sie haben jedoch keine bindende Wirkung, können insbesondere die Prüfung des Einzelfalles nicht ersetzen.

Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist angefügt. Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.

Unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.

1. Geldeinnahmen

1.1. Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Renten, Pensionen, Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Prämien und Tantiemen.

1.2. Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen.

1.3. Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das im jeweiligen Beruf übliche Maß nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Einnahmen aus Überstunden oder Zusatzarbeit sind aufgrund der Umstände des Einzelfalls (z.B. hohe Schuldenbelastung, Sicherung des Mindestbedarfs) nach Billigkeit anzurechnen.

1.4. Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten i.d.R. als Einnahmen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnisse, sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen kann i.d.R. 1/3 als Einkommen angesetzt werden.

1.5. Bei der Ermittlung des laufenden und künftigen Einkommens eines Selbständigen ist i.d.R. der Gewinn von drei Jahren zugrunde zu legen. Für die Vergangenheit ist von den in den jeweiligen Jahren erzielten Einkünften auszugehen, wobei auch eine Durchschnittsberechnung für mehrere Jahre möglich ist. Privatentnahmen haben Indizcharakter für die Feststellung der für den Lebensunterhalt tatsächlich verfügbaren Mittel.

1.6. Bei Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuss der Bruttoeinkünfte über die anerkennungswürdigen Werbungskosten maßgebend. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

1.7. Steuererstattungen und -zahlungen sind i.d.R. im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistung zu berücksichtigen. Eine Fortschreibung für Folgejahre setzt voraus, dass die Bemessungsgrundlagen im Wesentlichen unverändert bleiben.

1.8. Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder.

2. Sozialleistungen

2.1. Arbeitslosengeld136 SGB III) und Krankengeld.

2.2. Arbeitslosengeld II (nach dem SGB II) beim Verpflichteten. Beim Berechtigten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II kein Einkommen, es sei denn, die Nichtberücksichtigung der Leistungen ist in Ausnahmefällen treuwidrig (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; 2001, 619); nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen.

2.3. Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4. BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36 f. BAföG.

2.5. Der den Sockelbetrag von 300 €/Kind (bei verlängertem Bezug 150 €/Kind) übersteigende Betrag des Elterngeldes; der Sockelbetrag selbst nur in den Ausnahmefällen des § 11 Satz 4 BEEG.

2.6. Renten wegen Minderung oder Verlust der Erwerbsfähigkeit (§§ 43 SGB VI, 56 SGB VII).

2.7. Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen, jeweils nach Abzug des Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8. Der Anteil des an die Pflegeperson weitergeleiteten Pflegegeldes, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nur in den Ausnahmefällen des § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB XI.

2.9. Leistungen nach §§ 4143 SGB XII (Grundsicherung) i.d.R. beim Verwandtenunterhalt (anders beim Ehegattenunterhalt).

2.10. Kein Einkommen ist sonstige Sozialhilfe nach SGB XII. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH, FamRZ 1999, 843; 2001, 619).

2.11. Kein Einkommen sind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Siehe Nr. 2.10.

3. Kindergeld

Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern. Zur Berücksichtigung beim Kind vgl. Nr. 14.

4. Geldwerte Zuwendungen

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen, kostenlose oder verbilligte Wohnung, unentgeltliche Verpflegung, sind Einkommen, soweit sie – ggf. nach § 287 ZPO zu schätzende – entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst und die verbrauchsunabhängigen Kosten, die gem. § 556 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 BetrKV nicht auf einen Mieter umgelegt werden können (insbesondere Kosten der Verwaltung und erforderliche Instandhaltungskosten), übersteigt (vgl. BGH, FamRZ 2009, 1300).

Auszugehen ist von der vollen Marktmiete (objektiver Mietwert). Ist eine Fremdvermietung oder Veräußerung nicht möglich oder nicht zumutbar, ist stattdessen die Miete anzusetzen, die für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zu zahlen wäre (ersparte Miete). Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zum endgültigen Scheitern der Ehe (i.d.R. Ablauf des Trennungsjahres, ggf. Zustellung des Scheidungsantrags) in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 963).

Bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt ist der Wohnvorteil auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete zu berechnen (BGH, FamRZ 2017, 519, 520).

6. Haushaltsführung

Führt ein nicht voll Erwerbstätiger den Haushalt eines leistungsfähigen Dritten, kann hierfür ein Entgelt (von je nach den Umständen zwischen 200 € und 550 €) anzusetzen sein.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind i.d.R. nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

9.1. Einkommen sind auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte. Gegenüber minderjährigen und diesen gleichgestellten volljährigen Kindern ist die Obliegenheit nach Maßgabe des § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert.

9.2. Bei Arbeitslosigkeit sind über eine Meldung bei der Agentur für Arbeit hinausgehende Erwerbsbemühungen im Einzelnen darzulegen und zu belegen. Der Hinweis auf die Arbeitsmarktlage macht den Nachweis von Bemühungen nur im Ausnahmefall entbehrlich. Bei unzureichenden Bemühungen können fiktive Einkünfte nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Beruf, Alter und des zuletzt erzielten Verdienstes zugrunde gelegt werden.

9.3. Neben dem Bezug von Leistungen der Agentur für Arbeit kann die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung (§ 155 SGB III) in Betracht kommen.

9.4. Dem wiederverheirateten Elternteil obliegt es ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe, im Rahmen des Zumutbaren zum Unterhalt seiner barunterhaltsberechtigten Kinder aus früherer Ehe beizutragen, ggf. durch Aufnahme einer Teilzeitarbeit.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1. Vom Bruttoeinkommen sind Steuern und Vorsorgeaufwendungen abzuziehen (Nettoeinkommen). Zu Letzteren zählen Aufwendungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung bzw. die entsprechende private Kranken- und Altersvorsorge sowie Kammerbeiträge. Zur Absicherung einer angemessenen Altersvorsorge kann insbesondere der nichtselbständig Erwerbstätige eine zusätzliche Altersvorsorge von bis zu 4 % seines jeweiligen Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres, gegenüber Ansprüchen auf Elternunterhalt von bis zu 5 % seines Bruttoeinkommens betreiben. Andere Personen können Aufwendungen für eine angemessene Altersversorgung von bis zu 24 % des Gesamtbruttoeinkommens, beim Elternunterhalt von bis zu 25 % einkommensmindernd geltend machen.

Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.

10.2. Berufsbedingte Aufwendungen sind im Rahmen der Angemessenheit vom Einkommen abzuziehen.

10.2.1. Die Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen setzt eine konkrete Darlegung des Aufwands voraus.

10.2.2. Für notwendige Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann pro gefahrenen Kilometer ein Pauschalbetrag von 0,42 € (in Anlehnung an § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG) angesetzt werden. Damit sind i.d.R. Anschaffungskosten einschließlich Finanzierungskosten erfasst. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 60 km hin und zurück) kann nach unten abgewichen werden (für jeden Mehrkilometer in der Regel Ansatz von 0,28 €).

10.2.3. Bei Auszubildenden sind i.d.R. 100 € als ausbildungsbedingter Aufwand abzuziehen.

10.3. Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann ein Betreuungsbonus zu berücksichtigen sein. Zu den abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten zählen nicht die Kosten des Kindergartenbesuchs und andere Kosten, bei denen es sich um betreuungsbedingten Mehrbedarf des Kindes handelt; vgl. dazu Nr. 12.4.

10.4. Schulden (Zins und ggf. Tilgung) können bei tatsächlicher Zahlung im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplans mit angemessenen Raten zu berücksichtigen sein. Es ist zu differenzieren:

10.4.1. Beim Ehegattenunterhalt sind für die Bedarfsbemessung grundsätzlich nur Schulden berücksichtigungsfähig, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.

Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen können zusätzlich solche Schulden berücksichtigt werden, deren Eingehung notwendig und unabweisbar war. Das Gleiche gilt für die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten mit eigenem Einkommen.

10.4.2. Beim Unterhalt minderjähriger und gleichgestellter volljähriger privilegierter Kinder1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) können für die Einordnung in die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigungswürdige Schulden vom Einkommen abgesetzt werden. Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (z.B. Zweck der Verbindlichkeit, Zeitpunkt und Art der Entstehung, Dringlichkeit des Bedürfnisses, Möglichkeit der Schuldenreduzierung). Geht es nur um Mindestunterhalt, ist ein besonders strenger Maßstab anzuwenden.

10.4.3. Bei sonstigem Verwandtenunterhalt, insbesondere dem nicht privilegierter volljähriger Kinder, sind Schulden nach einer Interessenabwägung ggf. abzusetzen.

10.5. (nicht belegt)

10.6. (nicht belegt)

10.7. (nicht belegt)

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang 1).

Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Vomhundertsatz des Mindestunterhalts i.S.v. § 1612a BGB (= 1. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle) geltend gemacht werden.

11.1. Die Tabellensätze enthalten keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung des Kindes, das nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Solche zusätzlich aufzubringenden Beiträge sind vorweg vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen.

11.2. Die Unterhaltssätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen sein. Dabei sind auch nachrangig Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen.

Bei der Eingruppierung sind die Bedarfskontrollbeträge zu beachten. Sie sollen eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen Unterhaltspflichtigem und unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird der Bedarfskontrollbetrag unter Berücksichtigung anderer – auch nachrangiger – Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten ist, heranzuziehen.

12. Minderjährige Kinder

12.1. Die Höhe des Barbedarfs bemisst sich im Regelfall allein nach dem Einkommen des das Kind nicht betreuenden Elternteils. Der Betreuungsunterhalt i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB entspricht wertmäßig i.d.R. dem vollen Barunterhalt.

12.2. Eigenes Einkommen des Kindes ist anteilig auf den Barunterhalt und den Betreuungsunterhalt zu verrechnen. Zum Kindergeld vgl. Nr. 14.

12.3. Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil i.d.R. keinen Barunterhalt zu leisten (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Etwas anderes kann gelten, wenn das Einkommen des betreuenden Elternteils das des anderen erheblich übersteigt oder wenn der eigene angemessene Selbstbehalt des an sich allein barunterhaltspflichtigen Elternteils gefährdet ist, der des betreuenden Elternteils dagegen nicht und ohne dessen Beteiligung am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB; BGH, FamRZ 2013, 1558).

Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie für den Gesamtbedarf anteilig (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Für die Ermittlung der Haftungsanteile gilt Nr. 13.3 Abs. 2 und 3.

12.4. Kosten für Kindergärten und vergleichbare Betreuungseinrichtungen (ohne Verpflegungskosten) sind Mehrbedarf des Kindes. Zur Qualifizierung von Betreuungskosten als Mehrbedarf des Kindes vgl. BGH, FamRZ 2018, 23.

Die Tabellensätze berücksichtigen keinen Mehrbedarf oder Sonderbedarf; dafür gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.

13. Volljährige Kinder

13.1. Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zwischen Kindern mit einem eigenen Haushalt und im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Kindern zu unterscheiden.

13.1.1. Für im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnende volljährige Kinder gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle. Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3.1.), ist der Bedarf des Kindes i.d.R. nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Zu- und Abschläge nach Nr. 11.2.) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich aus seinem Einkommen nach der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

13.1.2. Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt i.d.R. monatlich 930 €. Darin sind Kosten für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) von bis zu 410 € enthalten. Nicht enthalten sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren. Bei besonders guten Einkommensverhältnissen der Eltern oder bei erhöhtem Bedarf kann hiervon abgewichen werden.

13.2. Auf den Unterhaltsbedarf werden das volle Kindergeld (vgl. Nr. 14) und Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen – vermindert um ausbildungsbedingte Aufwendungen, vgl. Nr. 10.2.3. – angerechnet. Einkünfte aus nicht geschuldeter Erwerbstätigkeit können nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

13.3. Ab Volljährigkeit besteht – auch für privilegierte volljährige Kinder – grundsätzlich eine Barunterhaltspflicht beider Elternteile.

Zur Ermittlung des Haftungsanteils bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gemäß Nr. 10 zu ermitteln und vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts von 1.650 € abzuziehen. Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden. Nr. 13.1.1. Satz 4 gilt entsprechend.

Bei volljährigen privilegierten Kindern wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (1.120 € / 1.370 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf des Kindes andernfalls nicht gedeckt werden kann; § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB ist zu beachten.

14. Kindergeld

Das Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612b BGB zur Deckung des Bedarfs des Kindes heranzuziehen.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1. Der Unterhaltsbedarf wird bestimmt und begrenzt durch die ehelichen Lebensverhältnisse. Diese werden in erster Linie durch das für den gesamten Lebensunterhalt – ggf. nach Abzug des Unterhalts (Zahlbetrag) für minderjährige oder volljährige Kinder – verfügbare Einkommen geprägt. Während der Ehe zur Vermögensbildung verwendete Teile des Einkommens bleiben bei der Bedarfsbemessung i.d.R. unberücksichtigt. Der Bedarf ist mindestens in Höhe des notwendigen Selbstbehalts eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen anzusetzen – Mindestbedarf – (Nr. 21.2, zzt. 1.120 €). Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen i.d.R. als eheprägend (BGH, FamRZ 2001, 986).

15.2. Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, Erwerbseinkünfte werden jedoch nur zu 9/10 berücksichtigt (Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen).

Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Zahlbetrag) bereinigt. Erbringt der Verpflichtete sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Nr. 10.3. (BGH, FamRZ 2001, 350).

15.3. Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Verpflichteten ist der Bedarf konkret zu berechnen.

15.4. Werden Altersvorsorgeunterhalt (zu berechnen nach der „Bremer Tabelle“), Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese vom Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, sofern nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. in Folge der Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten.

Vorsorgeunterhalt kann nur beansprucht werden, wenn der Elementarunterhalt in Höhe des notwendigen Selbstbehalts für Nichterwerbstätige sichergestellt ist.

15.5. (nicht belegt)

15.6. (nicht belegt)

15.7. (nicht belegt)

16. Bedürftigkeit

Nicht eheprägendes Einkommen des Berechtigten ist – ggf. vermindert um den Erwerbstätigenbonus – auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.

17. Erwerbsobliegenheit

Bei nachehelichem Unterhalt besteht keine Verpflichtung zu einer Erwerbstätigkeit, wenn und soweit der geschiedene Ehegatte durch Kindesbetreuung, Krankheit oder Alter an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

17.1. Für den Fall der Kindesbetreuung gilt:

Hat das – ggf. jüngste – betreute Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet, besteht keine Erwerbsobliegenheit (zeitlich begrenzter Basisunterhalt).

Ab Vollendung des dritten Lebensjahres des – ggf. jüngsten – betreuten Kindes besteht grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit. Ob und in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, ist jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der bisher ausgeübten Tätigkeit und der Möglichkeiten der Kinderbetreuung, zu beurteilen.

17.2. Im ersten Jahr nach der Trennung besteht für den Berechtigten i.d.R. keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Tätigkeit.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt i.d.R. mindestens 1.120 €. Die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt. Wegen des Selbstbehalts vgl. 21.3.2.

19. Elternunterhalt

Der Bedarf ist konkret darzulegen. Leistungen nach §§ 4143 SGB XII (Grundsicherung) sind anzurechnen (vgl. Nr. 2.9.). Wegen des Selbstbehalts vgl. Nr. 21.3.3.

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1. Dem Unterhaltspflichtigen muss nach Abzug der Unterhaltsansprüche von seinem Einkommen der sogenannte Selbstbehalt verbleiben.

21.2. Für Eltern gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze (§ 1603 Abs. 2 BGB).

Er beträgt bei nicht Erwerbstätigen 1.120 €, bei Erwerbstätigen 1.370 €. Hierin sind Kosten des Wohnbedarfs (Warmmiete, d.h. Miete einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung) i.H.v. 520 € enthalten.

21.3. Beim Verwandtenunterhalt gilt im Übrigen der angemessene Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB).

21.3.1. Der Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern beträgt 1.650 €. Darin sind Kosten des Wohnbedarfs (Warmmiete) i.H.v. 650 € enthalten. Für den Selbstbehalt gegenüber bereits wirtschaftlich selbständigen Kindern gilt Nr. 21.3.3. entsprechend (BGH, FamRZ 2012, 1553).

21.3.2. Gegenüber der Mutter/dem Vater nichtehelicher Kinder entspricht der Selbstbehalt dem nach Nr. 21.4.; er beträgt somit i.d.R. 1.510 €.

21.3.3. Gegenüber Eltern ist der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen unter Beachtung von Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigenentlastungsgesetz) vom 10.12.2019 (BGBl I S. 2135) zu bemessen.

21.3.4. Für den Selbstbehalt gegenüber Enkeln gilt Nr. 21.3.3 entsprechend (BGH, FamRZ 2007, 375).

21.4. Der Selbstbehalt gegenüber getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten ist sowohl bei Erwerbstätigkeit als auch bei mangelnder Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB (1.120 € / 1.370 €) und dem angemessenen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB (1.650 €) liegt, i.d.R. mit 1.510 €. Darin enthalten sind Kosten des Wohnbedarfs von 580 € (Warmmiete).

21.5. Der Selbstbehalt kann im Einzelfall angemessen abgesenkt oder erhöht werden. Er soll erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1. Der Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen des nachrangigen geschiedenen Ehegatten beträgt 1.208 €.

22.2. Der Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder beträgt 1.320 €.

22.3. Zum Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen von Eltern oder Enkeln vgl. Nr. 21.3.3 bzw. 21.3.4.

23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten

23.1. Der Mindestbedarf des vom Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten bei Ansprüchen des nachrangigen geschiedenen Ehegatten beträgt 1.510 €.

23.2. Der Mindestbedarf des vom Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten bei Ansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder beträgt 1.650 €.

23.3. Der Mindestbedarf des vom Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten bei Ansprüchen von Eltern oder Enkeln beträgt 2.000 €.

24. Mangelfall

24.1. Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs der im ersten Rang unterhaltsberechtigten Kinder (§ 1609 Nr. 1 BGB) und zur Deckung des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltsverpflichteten nicht aus, ist der nach Abzug des Selbstbehalts verbleibende Betrag auf die unterhaltsberechtigten Kinder im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge zu verteilen. Einsatzbeträge sind der jeweilige Mindestunterhalt (1. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle) abzüglich des zu berücksichtigenden Kindergeldanteils (Zahlbetrag).

Berechnungsformel: K = V / S x 100

K = prozentuale Kürzung

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalt)

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

24.2. Entsprechendes gilt, wenn das unter Berücksichtigung des maßgebenden Selbstbehalts zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltspflichtigen für die Deckung des Bedarfs von im zweiten (§ 1609 Nr. 2 BGB) oder einem späteren Rang (§ 1609 Nr. 3 ff. BGB) Berechtigten nicht ausreicht.

24.3. Sind neben erstrangigen auch nachrangige Unterhaltsberechtigte vorhanden, und reicht das unter Berücksichtigung des Selbstbehalts zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des Bedarfs aller Berechtigen aus, so ist zunächst der Bedarf der erstrangigen Unterhaltsberechtigten zu befriedigen; dabei ist jedoch Nr. 11.2 (Bedarfskontrollbetrag) zu beachten.

24.4. Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen.

Sonstiges

25. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

Anhang

1. Düsseldorfer Tabelle:

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Nr. 1–10 der Leitlinien)

 

Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB)

 

Vomhundertsatz

Bedarfskontrollbetrag

 

 

0–5

6–11

12–17

ab 18

 

 

Alle Beträge in €

1.

bis 1.900

437

502

588

628

100

1.120/1.370

2.

1.901–2.300

459

528

618

660

105

1.650

3.

2.301–2.700

481

553

647

691

110

1.750

4.

2.701–3.100

503

578

677

723

115

1.850

5.

3.101–3.500

525

603

706

754

120

1.950

6.

3.501–3.900

560

643

753

804

128

2.050

7.

3.901–4.300

595

683

800

855

136

2.150

8.

4.301–4.700

630

723

847

905

144

2.250

9.

4.701–5.100

665

764

894

955

152

2.350

10.

5.101–5.500

700

804

941

1.005

160

2.450

11.

5.501–6.200

735

844

988

1.056

168

2.750

12.

6.201–7.000

770

884

1.035

1.106

176

3.150

13.

7.001–8.000

805

924

1.082

1.156

184

3.650

14.

8.001–9.500

840

964

1.129

1.206

192

4.250

15.

9.501–11.000

874

1.004

1.176

1.256

200

4.950

2. Zahlbeträge Kindesunterhalt (nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils – hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen – sich ergebende Zahlbeträge; ab dem 01.01.2023 beträgt das Kindergeld einheitlich je Kind 250 €):

Zahlbeträge Kindesunterhalt

 

von

bis

0–5

6–11

12–17

Ab 18

Stufe

%

1.

0

1.900

312

377

463

378

1

100

2.

1.901

2.300

334

403

493

410

2

105

3.

2.301

2.700

356

428

522

441

3

110

4.

2.701

3.100

378

453

552

473

4

115

5.

3.101

3.500

400

478

581

504

5

120

6.

3.501

3.900

435

518

628

554

6

128

7.

3.901

4.300

470

558

675

605

7

136

8.

4.301

4.700

505

598

722

655

8

144

9.

4.701

5.100

540

639

769

705

9

152

10.

5.101

5.500

575

679

816

755

10

160

11.

5.501

6.200

610

719

863

806

11

168

12.

6.201

7.000

645

759

910

856

12

176

13.

7.001

8.000

680

799

957

906

13

184

14.

8.001

9.500

715

839

1.004

956

14

192

15.

9.501

11.000

749

879

1.051

1.006

15

200

3. Selbstbehaltsätze im Überblick (in €)

 

 

bei mangelnder Erwerbstätigkeit

bei Erwerbstätigkeit

1.

notwendiger Selbstbehalt gegenüber unverheirateten minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern

1.120

1.370

2.

angemessener Selbstbehalt: gegenüber sonstigen volljährigen Kindern

1.650

1.650

3.

Selbstbehalt gegenüber getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten sowie gegenüber Mutter/Vater eines nichtehelichen Kindes i.d.R.

1.510

1.510

4.

Selbstbehalt gegenüber Eltern, wirtschaftlich selbständigen Kindern und Enkeln

vgl. Leitlinien Nr. 21.3.3.

vgl. Leitlinien Nr. 21.3.3.

4. Umrechnung nach früherem Recht erstellter dynamischer Unterhaltstitel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO:

Vgl. Rechenformel mit Beispielen in Düsseldorfer Tabelle, Anmerkungen E.