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BVerfG - Entscheidung vom 18.08.2022

2 BvR 1276/20

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
BVerfGG § 34a Abs. 3
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1

BVerfG, Beschluss vom 18.08.2022 - Aktenzeichen 2 BvR 1276/20

DRsp Nr. 2023/14894

Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach Erledigung

Tenor

Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ;

Gründe

1. Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Beschwerdeführerin das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020 für erledigt erklärt hat.

2. Der sinngemäße Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist unbegründet.

Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG ), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. BVerfGE 49, 70 <89>) dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 - 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall - falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Das ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig war (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. April 2011 - 1 BvR 689/11 -, Rn. 4; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2014 - 2 BvR 550/14 -, juris, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2019 - 1 BvR 2066/18 -, juris, Rn. 2 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1054/20 -, Rn. 2 f.).

Nach diesen Maßstäben entspricht es nicht der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen.

Zwar hat das Landgericht Berlin die angegriffenen Beschlüsse der Beschwerdekammer vom 17. März 2020 und des Amtsgerichts vom 15. Januar 2020 durch Beschluss vom 22. Juni 2020 aufgehoben, sodass auch der weitere angegriffene Nichtabhilfebeschluss vom 12. Februar 2020 wirkungslos geworden ist. Es sprechen jedoch andere Gründe, nämlich die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, gegen eine Anordnung der Auslagenerstattung. Der Rechtsweg war bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde vor der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Es wäre erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg nicht nur formell, sondern auch in der gehörigen Weise unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten durchläuft, um auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinzuwirken (vgl. BVerfGE 112, 50 <60>). Wurde die Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren tatsächlich erhoben, gehört sie auch dann zu dem zu erschöpfenden Rechtsweg, wenn mit der Verfassungsbeschwerde keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemacht wird; entscheidend ist insofern allein, dass das vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführte Anhörungsrügeverfahren nicht offensichtlich aussichtslos war (vgl. BVerfGE 134, 106 <114> zur fristbestimmenden Wirkung des Anhörungsrügeverfahrens). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beschwerdeführerin hat mit der Anhörungsrüge eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt. Diese Rüge hat das Landgericht Berlin für begründet erachtet.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 17.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 55 T 11/20 WEG
Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 15.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 20 AR 4/20
Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 12.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 20 AR 4/20