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BSG - Entscheidung vom 16.02.2021

B 13 R 143/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 16.02.2021 - Aktenzeichen B 13 R 143/20 B

DRsp Nr. 2021/8437

Rente wegen Erwerbsminderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung hat. Der beklagte RV-Träger hat dies verneint und das SG hat seine Rechtsauffassung durch Gerichtsbescheid vom 31.8.2018 bestätigt. Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers hiergegen durch Urteil vom 26.5.2020 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne noch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche verrichten. Teilweise Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit des Klägers sei ebenfalls nicht gegeben. Zwar könne er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister - eine Facharbeitertätigkeit - nicht mehr ausüben. Er sei aber auf eine Tätigkeit als Registrator, vergütet nach der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD/Anlage 1 - Entgeltgruppenordnung TV-L ) verweisbar. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG . Er macht einzig eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Die Beschwerdebegründung vom 3.9.2020 genügt nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG .

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).

Der Kläger misst den nachfolgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu,

"ob einem Facharbeiter grundsätzlich der Verweisungsberuf eines Registrators der Entgeltgruppe 3 TVöD bzw TV-L benannt werden kann,

ob eine solche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in hinreichender Anzahl zur Verfügung steht und

ob die Tätigkeit als Registrator die Fähigkeit zum Besteigen von Leitern erfordert?"

Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zur Auslegung einer revisiblen (Bundes-)Norm formuliert hat, an der das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - juris RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG , den Vortrag eines Beschwerdeführers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

Im Hinblick auf die erste der drei aufgeworfenen Fragen danach, ob nach Inkrafttreten des TVöD/TV-L ein Facharbeiter auf die Tätigkeit eines Registrators der Entgeltgruppe 3 TVöD/TV-L verwiesen werden könne, hat der Kläger jedenfalls deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend begründet.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).

Nach der vom Kläger selbst zitierten Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 27.11.1991 - richtig: 5 RJ 91/89 <und nicht wie vom Kläger zitiert: B 5 RJ 89/91, s schon BSG Beschluss vom 27.2.2019 - B 5 R 146/18 B - RdNr 11> - juris RdNr 15 f) war die Tätigkeit als Registrator nach der Vergütungsgruppe des Bundes-Angestelltentarifvertrags ( BAT ) VIII für Facharbeiter eine zumutbare Verweisungstätigkeit im Rahmen des Mehrstufenschemas. Entscheidend dafür sei gewesen, dass die Einordnung nach BAT VIII "schwierigere" Tätigkeiten voraussetzte. Der Kläger trägt weiter vor, es spreche nun vieles dafür, dass eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Registrator nach dem früheren BAT VIII im Rahmen des TVöD/TV-L nicht mit der Entgeltstufe 3, sondern mit der Entgeltstufe 4 beschrieben sei, weil nur dort "schwierigere" Tätigkeiten verlangt würden.

Dieses Vorbringen enthält keine hinreichende Auseinandersetzung mit der hier einschlägigen Rechtsprechung des BSG . Danach sind Facharbeiter sozial zumutbar auf Tätigkeiten verweisbar, die innerhalb des sog Mehrstufenschemas zumindest der Stufe der Angelernten zugeordnet werden können. Insoweit können Facharbeiter auf angelernte Tätigkeiten sowohl des oberen als auch des unteren Bereichs dieser Gruppe verwiesen werden. Dabei reicht es grundsätzlich aus, wenn es sich um eine ungelernte Tätigkeit handelt, die aufgrund ihrer Wertigkeit für den Betrieb in einem einschlägigen Tarifvertrag Anlerntätigkeiten gleichgestellt worden ist (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 45/98 R - juris RdNr 21). Facharbeiter sind damit zumutbar verweisbar auf alle Tätigkeiten, die zu den sonstigen, staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17).

Zu der hier streitentscheidenden Frage, ob die Entgeltgruppe 3 TVöD/TV-L Anlerntätigkeiten im Sinne dieser Rechtsprechung zum Mehrstufenschema erfasst, trägt der Kläger nicht hinreichend vor. Allein das wörtliche Zitieren aus einem - vom Berufungsgericht in Bezug genommenen - Urteil des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 25.9.2012 (L 13 R 6087/09) mit dem bloßen Hinweis, es sei zweifelhaft, ob die vom LSG darin vertretene Auffassung zutreffend sei, genügt nicht den Anforderungen an eine hinreichende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger umschreibt in seiner Beschwerde zwar, was unter "schwierige Tätigkeiten" zu verstehen ist. Allerdings macht er keine Ausführungen dazu, wie die unterschiedlichen Formulierungen "schwierigere Tätigkeiten" und "schwierige Tätigkeiten" auszufüllen sind. Alleine die Darlegung, es spreche vieles dafür, dass die "schwierigere Tätigkeit" nach BAT VIII eine vergleichbare Einstufung in die Entgeltstufe 4 nach sich ziehe, genügt insoweit nicht. Eine nähere Auseinandersetzung damit wäre - hierauf hat der 5. Senat des BSG in seinem Beschluss vom 27.2.2019 (B 5 R 146/18 B - juris RdNr 13) bereits hingewiesen - gerade deshalb erforderlich gewesen, weil das frühere Tätigkeitsmerkmal in BAT VIII "schwierigere Tätigkeiten" aufgespalten wurde in "schwierige Tätigkeiten" nach Entgeltgruppe 4 TVöD und in Tätigkeiten der Entgeltgruppe 3 TVöD , die höhere Anforderungen aufweisen als einfache Tätigkeiten in Entgeltgruppe 2 TVöD (vgl Krämer/Reinecke, Die Entgeltordnung des Bundes zum TVöD - Rückblick auf die Entwicklung des Eingruppierungsrechts und erster Überblick über die Neuregelungen, ZTR 2014, 3 , 13). Insoweit trägt der Kläger selbst vor, in die Entgeltgruppe 3 seien Beschäftigte einzugruppieren, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 2 heraushöben, dass sie eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderten. Weitere Ausführungen dazu, ob davon auch Anlerntätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas erfasst sind, erfolgen nicht.

Zur zweiten Frage bringt der Kläger unter Hinweis auf sein früheres Vorbringen in der Berufungsinstanz vor, entsprechende Tätigkeiten als Registrator existierten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in hinreichendem Umfang. Der 13. Senat des LSG Baden-Württemberg habe 2012 aufgrund einer Befragung ausgeführt, es seien beschränkt auf den süddeutschen Raum eine Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse hierfür von mehr als 500 vorhanden. Inwieweit es sich dabei um Schonarbeitsplätze handele, habe das Gericht jedoch nicht ermittelt. Damit stehe nicht fest, dass in hinreichendem Umfang Arbeitsplätze für Registratoren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden seien. Der Kläger rügt damit jedoch eine unzureichende Sachaufklärung durch das LSG als Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), eingekleidet in eine Rechtsfrage. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 103 SGG jedoch nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zur Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels benennt der bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger schon keinen Beweisantrag, den er bis zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten habe. Allein sein Vortrag, es hätten Anhaltspunkte dafür vorgelegen, die Frage zu klären, ob der Beruf als Registrator auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in hinreichendem Ausmaß zur Verfügung stehe, genügen nicht.

Dasselbe gilt für die dritte Frage nach dem Erfordernis des Arbeitens des Registrators auf Leitern. Der Kläger bringt hierzu vor, 2006 habe das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.12.2006 - L 10 R 3434/06) festgestellt, dass die Tätigkeit als Registrator zwingend die Fähigkeit zum Besteigen von Leitern voraussetze. Dies sei dem Kläger nach dem Gutachten des Sachverständigen J. nicht mehr möglich. Die Fragestellung stellt ebenso wie diejenige zu 2) auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung, also ein nach Auffassung des Klägers verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Berufungsgerichts. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Ein Beschwerdeführer kann die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge durch § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG nicht erfolgreich dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung fasst (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.2.2020 - B 9 V 53/19 B - juris RdNr 6, s auch BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11). Der Kläger zeigt zudem auch nicht auf, dass es hier um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge nicht greifen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 3487/18
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 31.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 366/17