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BSG - Entscheidung vom 25.02.2020

B 9 V 53/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 25.02.2020 - Aktenzeichen B 9 V 53/19 B

DRsp Nr. 2020/4373

Herabsetzung ein festgestellten Grades der Schädigungsfolgen Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Formgerechte Darlegung einer Divergenz

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung des bei ihr festgestellten Grades der Schädigungsfolgen von 50 auf 30 ab dem 1.7.2016 wegen der anerkannten Schädigungsfolgen "psychoreaktive Störungen" als Folge einer Gewalttat vom 14.12.2009. Sie begehrt die Weitergewährung der Beschädigtenrente in bisheriger Höhe. Das LSG hat den geltend gemachten Anspruch verneint (Beschluss vom 28.10.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie auf eine Divergenz.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) sowie einer Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan bzw bezeichnet worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 31.1.2018 - B 9 V 63/17 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - juris RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht ansatzweise gerecht.

Die Klägerin hält sinngemäß folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

Durfte das LSG ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass keine wesentlichen Änderungen der Schädigungsfolgen bei der Klägerin eingetreten sind, die einen höheren Anspruch auf Beschädigtenversorgung rechtfertigen? Wann dürfen Gerichte in Bezug auf medizinische Sachverhalte im sozialen Entschädigungsrecht auf Grundlage eigener Sachkenntnis einen Sachverhalt bewerten und ist die Einholung eines Sachverständigenrats erforderlich?

Wann müssen sich Gerichte hinsichtlich ihrer Entscheidung am Einzelfall orientieren und jedes Verfahren für sich bewerten?

Damit hat die Klägerin jedoch bereits keine Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Beweiswürdigung und der Sachaufklärung. Die Zulassung der Revision kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG aber nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung verstoßen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Beschwerde ausdrücklich eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geltend macht, sondern auch dann, wenn sie ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG ist die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein Beschwerdeführer kann diese gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht erfolgreich dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5). Die Klägerin zeigt nicht auf, dass es hier um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.

Aber selbst wenn man die von der Klägerin formulierten Fragen in eine Rechtsfrage "umdeuten" könnte und wollte, hat sie es unterlassen, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen darzulegen. Sie geht nicht darauf ein, inwieweit die Fragen bereits durch Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind. Insbesondere hätte sich die Klägerin zunächst mit den Anspruchsvoraussetzungen in § 48 Abs 1 SGB X und § 30 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz sowie mit § 103 SGG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen. Denn das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn die Frage bereits höchstrichterlich geklärt ist und ihre Beantwortung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt (vgl zB Senatsbeschluss vom 7.3.2019 - B 9 V 40/18 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es.

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht.

Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher in der Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 13 R 140/17 B - juris RdNr 12 f). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin trägt vor, das LSG sei zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen, die nach "Lage der Sache" erforderlich seien. Im Sozialgerichtsverfahren gehe es oftmals um medizinische Sachverhalte, für deren Beurteilung auch erfahrenen Sozialrichtern in der Regel die Sachkunde fehle. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin jedoch keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bezeichnet. Sie behauptet nicht einmal, dass das LSG von der Rechtsprechung des BSG abweiche. Darüber hinaus benennt sie weder einen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BSG noch stellt sie einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Beschluss gegenüber.

3. Schließlich war der Senat nicht verpflichtet, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis soweit "weitere Ausführungen als nötig erachtet werden", vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG . § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7). Hierauf ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch bereits mehrfach hingewiesen worden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 28.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 10 VE 54/18
Vorinstanz: SG Hildesheim, vom 14.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 VE 17/16