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BSG - Entscheidung vom 31.07.2017

B 13 R 140/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2
SGG § 160a Abs. 2 S. 3

BSG, Beschluss vom 31.07.2017 - Aktenzeichen B 13 R 140/17 B

DRsp Nr. 2017/14001

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren Bezeichnung des Verfahrensmangels eines Prozessurteils statt einer Sachentscheidung

Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn statt einer Sachentscheidung zu Unrecht ein Prozessurteil ergangen ist. Dabei kommt es ausnahmsweise nicht allein auf das Berufungsverfahren an. Vielmehr kann ein fortwirkender Verfahrensmangel vorliegen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und auch das LSG lediglich das Prozessurteil des SG bestätigt hat.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3;

Gründe:

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 23.3.2017 des LSG Baden-Württemberg.

Er macht einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) sowie das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 26.6.2017 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargetan.

1. Der Kläger rügt, dass das SG die Klage gegen die Bewilligung einer von ihm nicht beantragten Rehabilitationsmaßnahme mit Bescheid vom 1.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.2.2010 als unzulässig abgewiesen und das LSG diese Auffassung geteilt habe. Das SG habe die Klagebefugnis verneint, weil der Kläger durch die Gewährung der Rehabilitationsmaßnahme in seinen subjektiven Rechten nicht beeinträchtigt sei. Das Berufungsgericht habe hierzu bestätigend ausgeführt, dass eine über die Bewilligungsentscheidung hinausgehende Verpflichtung zu einem bestimmten Tun in dieser Entscheidung der Beklagten nicht enthalten sei.

Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn statt einer Sachentscheidung zu Unrecht ein Prozessurteil ergangen ist. Dabei kommt es ausnahmsweise nicht allein auf das Berufungsverfahren an. Vielmehr kann ein fortwirkender Verfahrensmangel vorliegen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und auch das LSG lediglich das Prozessurteil des SG bestätigt hat (vgl BSG Beschluss vom 6.2.2017 - B 4 AS 47/16 BH - Juris RdNr 10).

Insoweit muss die Beschwerde schlüssig darlegen, worin die unrichtige Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen liegt, und die entsprechenden Tatsachen angeben. Sofern - wie hier - nicht ein absoluter Revisionsgrund geltend gemacht wird, bedarf es außerdem des Vorbringens, dass und warum das LSG ohne den gerügten Verfahrensmangel zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte gelangen können (vgl BSG Beschluss vom 5.4.2017 - B 14 AS 376/16 B - Juris RdNr 3; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 661 f).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger möchte einen Eingriff in seine subjektiven Rechte durch die Bescheide vom 1.10.2009 und 10.2.2010 und eine daraus folgende - einem Prozessurteil entgegenstehende - Klagebefugnis daraus ableiten, dass die Beklagte ihm einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente wegen mangelnder Mitwirkung an der Rehabilitationsmaßnahme nach § 66 Abs 2 SGB I versagt habe und er damit entgegen seinem Selbstbestimmungsrecht in die Rehabilitation gezwungen werde. In diesem Vortrag unterscheidet er jedoch nicht - wie für eine substantiierte und schlüssige Begründung erforderlich - zwischen einer zwangsweise durchgesetzten Teilnahmeverpflichtung und einer Mitwirkungsobliegenheit, deren Verletzung zu einer Versagung nach § 66 Abs 2 iVm § 63 SGB I führen kann.

Soweit der Kläger vorträgt, dass wegen des fehlenden Antrags auf Rehabilitation keine Mitwirkungspflicht nach § 63 SGB I bestehe, wendet er sich im Kern gegen die materielle Richtigkeit der Versagungsentscheidung. Die Versagung der Erwerbsminderungsrente ist nach dem Vorbringen des Klägers mit gesondertem Bescheid vom 16.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.11.2010 erfolgt; sie stellt einen weiteren Streitgegenstand der angegriffenen Entscheidungen dar, der von den Tatsachengerichten als unbegründet beurteilt worden ist. Eine Subsumtionsrüge kann jedoch - ebenso wenig wie die vom Kläger behaupteten Verfahrens- und Ermessensmängel der Behörde - nicht mit einer Verfahrensrüge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden.

Mit dem Vortrag, ohne die "nicht beantragte, aber durch die Beklagte erzwungene Rehabilitationsmaßnahme" würde kein Grund für eine Versagungsentscheidung bestehen, legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Nach der vom Kläger wiedergegebenen Rechtsauffassung des LSG ist der fehlende Antrag auf Rehabilitation für ein Verlangen des Leistungsträgers iS von § 63 SGB I irrelevant. Insofern ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG ohne förmliche Bewilligung einer Rehabilitation zu einer günstigeren Entscheidung für den Kläger hätte gelangen können.

Soweit der Kläger rügt, dass ihm der Einwand der mangelnden "Rehafähigkeit" abgeschnitten worden sei, legt er nicht dar, ob und ggf warum er diesen nicht im Zusammenhang mit der Versagung der Rente mangels Mitwirkung an der Rehabilitation (vgl Grenzen der Mitwirkung nach § 65 SGB I ) geltend machen konnte. Im Übrigen fehlt auch jeglicher Vortrag dazu, auf welche Tatsachen sich die behauptete mangelnde Rehafähigkeit gründen soll und welche gerichtlichen Feststellungen dazu ggf getroffen worden sind.

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass der angefochtene Beschluss auf der Abweichung beruht (vgl Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - Juris RdNr 10).

Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die vom Kläger herangezogenen Passagen aus der angefochtenen LSG-Entscheidung einerseits und dem BSG -Urteil vom 17.2.2004 ( B 1 KR 4/02 R - SozR 4-1200 § 66 Nr 1) andererseits lassen schon nicht hinreichend erkennen, dass die darin enthaltenen Rechtssätze in Widerspruch zueinander stehen. Zwar enthalten sie jeweils Rechtssätze über prozessuale Fragen zu Versagungsbescheiden. Zum einen betrifft dies jedoch die Beendigung der Untätigkeit einer Behörde durch den Erlass eines (ersten) Versagungsbescheids, zum anderen die Anfechtungsklage gegen einen Versagungsbescheid und die im Falle der Aufhebung mangelnde Möglichkeit, eine Untätigkeitsklage durch Erlass eines zweiten Versagungsbescheids zu beenden.

Überdies genügt es nicht, isoliert einzelne Sätze der bundesgerichtlichen Entscheidung zu zitieren und - losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich dabei um einen (daraus abzuleitenden) tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz, der hier anzuwenden sei. Vielmehr ist auch der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem die vom Kläger für eine Divergenzrüge herangezogenen bundesgerichtlichen Rechtssätze stehen (vgl zB BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - Juris RdNr 10 mwN). Auch hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 1861/16
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 25.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 6457/10