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BSG - Entscheidung vom 28.04.2021

B 5 R 6/21 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI § 118 Abs. 4 S. 1

BSG, Beschluss vom 28.04.2021 - Aktenzeichen B 5 R 6/21 BH

DRsp Nr. 2021/10022

Erstattung einer überzahlten Rente Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Januar 2021 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB VI § 118 Abs. 4 S. 1;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung einer überzahlten Rente.

Der Kläger ist Erbe des am 29.9.2017 verstorbenen Versicherten E. Noch am Todestag wurde eine Rentenzahlung für den Monat Oktober 2017 auf dessen Konto gutgeschrieben. Für dieses Konto war der Kläger verfügungsberechtigt. Das kontoführende Geldinstitut überwies auf Anforderung vom 17.10.2017 einen Betrag in Höhe von 28,09 Euro an den Renten Service der Deutschen Post AG zurück. Zwischenzeitlich waren vom Konto des Versicherten ua 800 Euro am Geldautomaten abgehoben (2.10.2017) und eine Überweisung an einen Dritten in Höhe von 1140 Euro (4.10.2017) getätigt worden. Bei der im Verwendungszweck "Miete Schumacherstr 3 + Garage" angegebenen Adresse handelt es sich um die Wohnanschrift des Klägers. Den noch offenen überzahlten Betrag in Höhe von 1289,29 Euro forderte die Beklagte vom Kläger zurück (Bescheid vom 5.3.2018, Widerspruchsbescheid vom 7.12.2018). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

Der Kläger hat mit einem am 2.3.2021 beim BSG eingegangenem Schreiben vom 23.2.2021 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 2.2.2021 zugestellten Urteil des LSG vom 26.1.2021 beantragt.

II

1. Der Senat kann über den isolierten PKH-Antrag des Klägers ungeachtet des mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 31.5.2013 über das Vermögen des Klägers eröffneten Insolvenzverfahrens entscheiden. Das Verfahren über die Bewilligung von PKH ist nach der gesetzlichen Regelung in § 73a Abs 1 SGG iVm §§ 114 ff ZPO ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren, in dem sich als Beteiligte nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen (vgl BSG Beschluss vom 20.2.2020 - B 6 KA 1/19 BH - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 14.6.2018 - B 5 RE 2/17 BH - juris RdNr 1). Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung betrifft auch nicht die Insolvenzmasse; vorrangig zu beachtende Rechte des Insolvenzverwalters (vgl § 80 InsO , § 240 ZPO ) bestehen insoweit nicht (dazu sogleich unter 2. a).

2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Im Hinblick darauf muss nicht weiter vertieft werden, ob der Kläger den PKH-Antrag und insbesondere die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbst unterzeichnet hat, woran nach den unterschiedlichen Schriftbildern Zweifel bestehen könnten.

a) Es ist nicht ersichtlich, dass eine Zulassung der Revision auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl bereits Senatsbeschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9).

Zu den Voraussetzungen einer Erstattungspflicht nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung (vgl zuletzt BSG Urteil vom 17.6.2020 - B 5 R 21/19 R - BSGE 130, 211 = SozR 4-2600 § 118 Nr 19; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 4/18 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 18). Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vermag der Senat auch nicht im Hinblick darauf zu erkennen, dass der Kläger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes die Befugnis, das vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, nach § 80 Abs 1 InsO verloren hat. Das Insolvenzverfahren nach § 35 InsO erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Hierzu gehören auch Erbschaften des Insolvenzschuldners (vgl BGH Beschluss vom 15.7.2010 - IX ZB 229/07 - BGHZ 186, 223 = juris RdNr 4). Gläubigern, die ihren Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung erlangt haben (sog Neugläubigern), steht indes grundsätzlich nur ein Anspruch gegen den Schuldner selbst zu. Sie können nur in das insolvenzfreie Vermögen vollstrecken (vgl Leithaus in Andres/Leithaus, InsO , 4. Aufl 2018, § 35 RdNr 14; Büteröwe in Schmidt, InsO , 19. Aufl 2016, § 38 RdNr 3). Dies gilt auch für Gläubiger öffentlich-rechtlicher Forderungen, wenn diese im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet waren oder der entsprechende Verwaltungsakt dem Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekanntgegeben wird (vgl Bäuerle in Braun, InsO , 8. Aufl 2020, § 38 RdNr 5 unter Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.2.2018 - OVG 6 B 5.16 - und Beschluss vom 26.1.2010 - OVG 9 S 1.09). Dass sich in diesem Zusammenhang hier Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen könnten, ist nicht erkennbar.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Auch dies ist hier nicht ersichtlich.

c) Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG mit Schreiben an das LSG vom 24.12.2020 ausdrücklich zugestimmt, sodass auch insoweit kein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegt.

Sollte der Kläger mit einer Nichtzulassungsbeschwerde eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Berufungsurteils geltend machen wollen, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - SozR 1500 § Nr 7 und vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67 und Senatsbeschluss vom 3.7.2019 - B 5 RS 10/18 B - juris RdNr 11).

Da dem Kläger keine PKH zusteht, entfällt damit zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 1836/20
Vorinstanz: SG Karlsruhe, vom 06.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 218/19