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BSG - Entscheidung vom 03.06.2020

B 3 KR 36/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
AV-Bay § 9 Abs. 5 S. 1

BSG, Beschluss vom 03.06.2020 - Aktenzeichen B 3 KR 36/19 B

DRsp Nr. 2020/10810

Retaxierungen von Apothekenleistungen Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3308,12 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; AV-Bay § 9 Abs. 5 S. 1;

Gründe

I

Die Klägerin - eine Apotheke vertreten durch ihre Inhaberin - stellt ua für Onkologen Zytostatikazubereitungen nach der Apothekenbetriebsordnung her und rechnet die Kosten gegenüber der beklagten AOK ab. Die Abrechnung für März 2012 beanstandete die Beklagte im März 2013 unter Hinweis auf § 9 des im Freistaat Bayern im Verhältnis zur Beklagten geltenden Arzneimittelversorgungsvertrags (AV-Bay); denn die Klägerin habe ihr zu Unrecht vermeidbare Anbrüche von Lösungen als Verwürfe (= nicht mehr weiterverarbeitungsfähige Lösungs-Teilmengen) in Rechnung gestellt, obwohl diese Anbrüche noch verarbeitungsfähig gewesen seien. Den nicht abrechenbaren Betrag von 3402,73 Euro verrechnete die Beklagte mit Forderungen der Klägerin.

Hiergegen erhob die Klägerin am 10.4.2013 einen - in den Regelungen des AV-Bay vorgesehenen - Einspruch und machte geltend, sie habe ihre Leistungen unter Beachtung der ab 1.1.2010 geltenden Hilfstaxe (= Anlage 3 Teil 1 Ziffer 3.6 zu dem im Apothekenbereich zwischen den Spitzenverbänden auf Bundesebene geschlossenen "Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen < §§ 4, 5 Arzneimittelpreisverordnung - AMPreisV>") korrekt als Verwurf abgerechnet.

Die Prüfung des Einspruchs hat durch die Krankenkasse nach § 9 Abs 5 Satz 1 bis 3 AV-Bay innerhalb von vier Monaten nach dessen Zugang zu erfolgen und ist dem Apotheker schriftlich mitzuteilen; wird die Frist überschritten, gilt der Einspruch danach als anerkannt.

Die Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 12.8.2013 (der Klägerin schriftlich zugegangen am 16.8.2013) - unter Rücknahme von Teilretaxierungen in Höhe von 69,62 Euro - zurück; für die Bewertung, ob es sich um einen Verwurf handele, sei allein auf die jeweiligen Arzneimittel-Fachinformationen zurückzugreifen.

Die Klägerin hat sich daraufhin mit einer Zahlungsklage gegen die Retaxierungen in der verbleibenden Höhe gewandt und ua geltend gemacht, die Beklagte habe einen Verstoß gegen die Hilfstaxe nur pauschal behauptet. In einem Verhandlungstermin beim SG am 28.4.2017 hat die Klägerin erklärt, dass sie für die Abrechnung März 2012 auf den Einwand nach § 9 Abs 5 Satz 3 AV-Bay verzichte.

Das SG hat - nach Einholung von Auskünften zur Auslegung der Hilfstaxe bei den Krankenkassen- und Apotheker-Spitzenverbänden - der Zahlungsklage in Höhe von 3308,12 Euro nebst Zinsen stattgegeben, darüber hinaus sei der Anspruch durch Aufrechnung erloschen. Die Frist zur Entscheidung über den Einspruch sei - ua wegen des von der Klägerin erklärten Verzichts - eingehalten worden. Im Übrigen bestehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten, der zur Aufrechnung berechtige. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne für die Prüfung der Vermeidbarkeit eines Verwurfs nur auf die Hilfstaxe und die Arzneimittel-Fachinformationen zurückgegriffen werden, wie auch den eingeholten Stellungnahmen zu entnehmen sei. Es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass die Klägerin den Verwurf zu Unrecht abgerechnet habe (Urteil vom 15.12.2017).

Das LSG hat - nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 17.1.2019 und nach einem Schreiben des Gerichts vom 22.5.2019 - die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Satz 1 und 2 SGG zurückgewiesen: Der Erfolg des Rechtsmittels der Beklagten scheitere an der Nichteinhaltung der Vier-Monats- Frist für die Entscheidung über den Einspruch (§ 9 Abs 5 AV-Bay). Da hierfür allein auf die schriftliche Bekanntgabe abzustellen sei und nicht auf den Entscheidungszeitpunkt, habe der Einspruch mit Ablauf des 12.8.2013 als anerkannt gegolten; die Frist stehe nicht zur Disposition der Beteiligten. Allein aufgrund des Fristablaufs entstehe - wie näher ausgeführt wird - ein vorbehaltloser Zahlungsanspruch, der die Verrechnung auf der Grundlage des AV-Bay ausschließe. Im Ergebnis erweise sich § 9 Abs 5 AV-Bay allein als Regelung zur Beweislastverteilung, da es nach Fristablauf der Krankenkasse obliege, den Nachweis einer zu Unrecht beanstandeten Abrechnung und das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu erbringen; hierzu habe die Beklagte jedoch trotz des Hinweises vom 22.5.2019 keine prozessuale Erklärung abgegeben. Soweit "ungeachtet dessen" die von der Beklagten insoweit vorgenommene Verrechnung nach dem AV-Bay "zudem als Erklärung einer Aufrechnung zu betrachten wäre", gelte, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin im Ergebnis auch keinen zur Aufrechnung berechtigenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erfolgreich geltend machen könnte. Es gebe keinen Nachweis dafür, dass die Klägerin die der Beklagten für März 2012 als Verwurf in Rechnung gestellten Arzneimittel zu Unrecht abgerechnet habe und die Retaxierungen der Beklagten daher rechtmäßig seien. Die Klägerin habe - wie unter Hinweis auf die Auslegung der Hilfstaxenregelungen und die Ermittlungen des SG ausgeführt wird - die streitigen Anbrüche ausnahmslos unter Beachtung der maßgebenden pharmazeutischen Fachinformationen zur Haltbarkeit abgerechnet (Beschluss vom 3.7.2019).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und beruft sich auf Verfahrensfehler des LSG.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der beklagten AOK ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entspricht. Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG ).

1. Die Beklagte hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer Weise begründet, die den sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Darlegungserfordernissen genügt.

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen des revisiblen Rechts (vgl § 162 SGG ) sich im konkreten Rechtsstreit stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl zB BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 5 mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zB BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Die Rechtsfrage muss konkret und verständlich formuliert werden; daran fehlt es zB, wenn etwa lediglich die Unwirksamkeit (zB Verfassungswidrigkeit) einer Norm behauptet oder sonst in den Raum gestellt wird, ohne insoweit anhand einer bestimmten höherrangigen Vorschrift im Einzelnen darzutun, aus welchen konkreten Gründen das höherrangige Recht verletzt worden sein soll (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14a mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung - trotz umfänglichen Vorbringens der Beklagten - nicht in dem gebotenen Maße gerecht.

b) Die Beklagte hält folgende drei Fragen iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG für grundsätzlich bedeutsam:

1. "Ist die Prüf- und Einspruchsbearbeitungsfrist nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AV-Bay sowie die daran angeknüpfte Rechtsfolge aus § 9 Abs 5 Satz 3 AV-Bay, dass mit der Nichteinhaltung der viermonatigen Frist der Einspruch der Apotheke als anerkannt gilt und für die Krankenkasse damit die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches ausgeschlossen ist (materielle Ausschlussfrist), mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip (§ 12 SGB V ) zu vereinbaren?"

2. "Kann eine gesetzliche Krankenkasse, im Rahmen eines Retaxationsverfahrens mit der von der Retaxation betroffenen Apotheke auf Individualebene Regelungen vereinbaren, die in Bezug auf Prüf- und Bearbeitungsfristen der Krankenkasse vom Vertrag nach § 129 Abs. 5 SGB V abweichen?"

3. "Verlangt die Regelung der Hilfstaxe in Anlage 3, Teil 1, Anhang 3 sowie in Ziffer 3.6 der Anlage 3, Teil 1 einen Beweis durch die gesetzliche Krankenkasse, wenn es um den Nachweis der Voraussetzungen der Hilfstaxe Ziffer 3.6. der Anlage 3, Teil 1 'unvermeidbarer Verwurf' zu Lasten der Apotheke geht?"

c) Zur von der Klägerin aufgeworfenen Frage 1 fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung der Revisibilität der aufgeworfenen, "die Prüf- und Bearbeitungsfrist nach § 9 Abs. 5 S. 1 AV-Bay" sowie "die daran angeknüpfte Rechtsfolge aus § 9 Abs. 5 S. 3 AV-Bay" betreffenden Fragen (dazu aa). Ferner mangelt es an substantiierten Darlegungen dazu, aus welchen Gründen durch die oa Bestimmungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen worden sein sollte (dazu bb). Die schließlich in der Fragestellung der Beklagten enthaltene Einschätzung, das LSG habe mit Blick auf die genannten Bestimmungen des AV-Bay die Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ausgeschlossen, ist nicht nachvollziehbar (dazu cc).

aa) Bei den Fragen zur Geltung und Auslegung des in Bayern im Apothekenbereich im Verhältnis zu bestimmten Krankenkassen vom LSG angewandten Rechts handelt es sich unmittelbar um Vertragsrecht, welches nur im Bezirk des hier tätig gewordenen Berufungsgerichts gilt und daher mit Rücksicht auf § 162 SGG grundsätzlich der Behandlung im angestrebten Revisionsverfahren nicht zugänglich ist. Gleichwohl ist die Revisibilität berufungsgerichtlicher Auslegung von verallgemeinerungsfähigen Aussagen eines einzelnen Landesvertrags auch anerkannt, wenn (1.) in anderen LSG-Bezirken inhaltlich gleiche Vorschriften gelten und (2.) diese Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern bewusst und gewollt herbeigeführt worden ist (vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 162 RdNr 5a mit umfangreichen Nachweisen; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 25). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Beschwerdeführer mit Blick auf den bereits og § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen (vgl allgemein zB Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, RdNr 5b sowie § 160a RdNr 14a, 14b, jeweils mwN).

Die Beklagte benennt zwar mehrere vertragliche Regelungen aus anderen LSG-Bezirken, von denen sie behauptet, der Text sei "wortgleich" bzw "beinahe wortgleich". Dies geschieht allerdings nur pauschal, ohne den jeweiligen genauen Wortlaut dieser Vorschriften zu zitieren und ohne darzulegen, dass von der zeitlichen Geltung der Bestimmungen her eine vergleichbare Situation zum vorliegend streitigen Fall besteht. Ebenso wird lediglich behauptet, nicht aber - wie erforderlich - nachvollziehbar dargetan, dass die inhaltliche Übereinstimmung von § 9 Abs 5 Satz 1 und 3 AV-Bay mit (vermeintlich) entsprechenden Vorschriften nicht rein zufällig, sondern "im Interesse einer Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt" herbeigeführt worden sei (wie dies etwa regelmäßig bei landesrechtlichen Bestimmungen der Fall ist, die sich an der auf Bundesebene beschlossenen Musterweiterbildungsordnung orientieren, vgl BSG Urteil vom 2.4.2003 - B 6 KA 30/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 10 mwN). Angesichts der besonderen Darlegungspflichten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren reicht insoweit der Hinweis auf Revisionsurteile, die sich nicht erkennbar mit der vorliegend entscheidungserheblichen Bestimmung befasst haben, nicht aus. Zwar beruft sich die Beklagte zutreffend darauf, dass § 129 SGB V und die Ermächtigung zu vertraglichen Regelungen von bundesweit "einheitlichen Rahmenbedingungen" für die Arzneimittelversorgung der Versicherten ausgehen (so BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 25). In einem Beschwerdeverfahren hätte aber näher darlegt werden müssen, dass auch und gerade die hier konkret herangezogenen bayerischen Bestimmungen Ausdruck dieses "einheitlichen Rahmens" sind und nicht nur gewillkürt von anderen übernommene vertragliche Detailausgestaltungen in Nebenpunkten. In dem insoweit formaler als das Revisionsverfahren ausgestalteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren besteht nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die besondere Obliegenheit von Beschwerdeführern zur Darlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen der Revisionszulassungsgründe; dort gehört es nicht zu den Aufgaben des BSG als Beschwerdegericht, sich aus umfangreichem Vorbringen selbst dasjenige herauszusuchen, was möglicherweise zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl nur BSG Beschluss vom 12.5.1999 - B 4 RA 181/98 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 47 f und LS 1 Satz 2 mwN).

bb) Da Rechtsfrage 1 weiter zum Inhalt hat, ob die - detailliert angesprochenen und in bestimmter Weise bewerteten Regelungen des AV-Bay - "mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip 12 SGB V ) zu vereinbaren" seien, wären zudem Darlegungen dazu geboten gewesen, bezüglich welcher Elemente bzw höchstrichterlich anerkannten Grundsätze zum Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Bestimmungen aus dem Bereich der Arzneimittelversorgung verstoßen worden sein sollte. Hier gilt Ähnliches wie in dem Fall, dass ein Beschwerdeführer den Verstoß einer vom LSG vorgenommenen Auslegung gegen Verfassungsrecht darlegen will. Dort darf sich die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Benennung (angeblich) verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden beanstandeten Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden (vgl zum Ganzen zB BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - juris RdNr 7 und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B - juris RdNr 4). In ähnlicher Weise bestehen qualifizierte Darlegungsanforderungen auch bei dem hier geltend gemachten Verstoß untergesetzlicher Bestimmungen gegen höherrangiges Gesetzesrecht. An solchen Darlegungen fehlt es. Weshalb im Übrigen die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu Vergütungsregelungen im Krankenhausbereich Rückschlüsse auf die Auslegung auf das anders ausgestaltete Vergütungssystem der Arzneimittelversorgung zulassen sollte, erschließt sich nicht (vgl im Übrigen bereits zur Zulässigkeit von Ausschlussfristen in Arzneilieferverträgen zB das schon zitierte Senatsurteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, LS 3 und RdNr 32 ff; ferner zB BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 16/11 R - SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 13 ff).

cc) Die in der Formulierung zu Frage 1 schließlich enthaltene Einschätzung und Prämisse der Beklagten, das LSG habe mit Blick auf die genannten Bestimmungen des AV-Bay einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (gänzlich) ausgeschlossen, ist - unbeschadet der Qualifizierung der Frist als "materiell" oder nicht - bereits nicht nachvollziehbar. Ausweislich der Gründe des LSG-Beschlusses auf Seite 19 ff verhält es sich nämlich so, dass das LSG seine tragenden Erwägungen gerade nicht nach Prüfung der Fristenproblematik beendet hat. Es hat vielmehr ausgeführt, dass die Beklagte unbeschadet der ausgeschlossenen Verrechnung auf der Grundlage des AV-Bay gegenüber der Klägerin auch nicht im Wege der Aufrechnung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs mit Erfolg geltend machen könne, die Abrechnung für März 2012 sei unter Beachtung der Hilfstaxe zu Unrecht erfolgt. Das LSG hat sich der inhaltlichen Überprüfung des Erstattungsanspruchs mithin nicht verschlossen (dies allerdings möglicherweise <zu Gunsten der Beklagten> abweichend von dem zu niedersächsischen Abrechnungsbestimmungen ergangenen og Senatsurteil vom 17.12.2009 - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 9, 32 ff). Ob das LSG in diesem Zusammenhang "richtig" entschieden hat, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich, da es dort allein auf die Darlegung und das Vorliegen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Revisionszulassungsgründe ankommt (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75, SozR 1500 § Nr 7).

Dass nach den zitierten Bestimmungen des AV-Bay ein Einspruch der klagenden Apotheke gegen eine Retaxierung bei Nichteinhaltung der für die beklagte Krankenkasse vorgesehenen Frist zur Bearbeitung des Einspruchs als "anerkannt" gilt und das LSG diese Bestimmungen in bestimmter Weise ausgelegt hat, kann nach alledem letztlich nicht allein für das Unterliegen der Beklagten im Berufungsverfahren verantwortlich gemacht werden; denn das LSG ist in seinem Beschluss (auch) zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht nachgewiesen, die Klägerin habe für März 2012 der Beklagten in Rechnung gestellte Arzneimittel zu Unrecht als Verwurf abgerechnet.

d) Die Darlegungsanforderungen sind auch in Bezug auf die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage 2 nicht erfüllt.

Die Beklagte wirft in ihrem Beschwerdevorbringen der Sache nach sinngemäß die - von ihr mit mehreren Maßgaben und Prämissen versehene - Frage auf, ob

(1.) eine Krankenkasse (hier: die Beklagte) "im Rahmen eines Retaxionsverfahrens" (2.) mit der davon "betroffenen Apotheke auf Individualebene" (hier: allein mit der Klägerin) (3.) "in Bezug auf Prüf- und Bearbeitungsfristen" Vereinbarungen treffen kann (gemeint: "darf"), die (4.) "vom Vertrag nach § 129 Abs. 5 SGB V abweichen."

Sie formuliert damit schon keine Rechtsfrage, die erkennbar über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist. Aufgeworfen werden muss bei geltend gemachter grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nämlich eine Frage, die der Beantwortung durch das Revisionsgericht zugänglich ist und deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).

Bei Frage 2 gelten zum einen die Ausführungen zu Frage 1 unter c) aa) zur Darlegung der Revisibilität von § 9 Abs 5 Satz 1 und 3 AV-Bay, aus dem sich auch hier erst der Zugang zu der Fragestellung erschließt, sinngemäß. Hinzu kommt aber, dass Hintergrund der Frage offenkundig allein die Erklärung der Klägerin im Verhandlungstermin beim SG am 28.4.2017 ist, dass sie für die Abrechnung März 2012 auf den Einwand nach § 9 Abs 5 Satz 3 AV-Bay verzichte. Das LSG hat diesen "Verzicht" aus Rechtsgründen als unbeachtlich für die uneingeschränkte Geltung der Frist für die Bearbeitung des Einspruchs angesehen. Es hat seinen die Berufung der Beklagten zurückweisenden Beschluss ausführlich damit begründet, dass die Vier-Monats-Frist zur Entscheidung über den Einspruch der Klägerin als solche verstrichen gewesen sei (was die Beklagte im Beschwerdeverfahren auch nicht mehr rügt), und dass die Verlängerung dieser Frist nicht zur Disposition der Beteiligten des Rechtsstreits gestanden habe. Die Beklagte hat auf Seite 3 ihrer Beschwerdebegründung dazu selbst erläutert, die Klägerin habe den Verzicht erklärt, weil man sonst zu dem "eigentlichen Anliegen" des Rechtsstreits, die Regelungen der Hilfstaxe auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüfen zu lassen, nicht mehr durchgedrungen wäre. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls die Breitenwirkung gerade der Frage 2 für eine Vielzahl anderer vergleichbarer Fälle und die "grundsätzliche" Bedeutung nicht dargelegt werden; denn die Fragestellung resultiert ausschließlich aus den besonderen Umständen und der sich aus ganz anderen Gründen erschließenden Interessenlage im vorliegenden Rechtsstreit, nämlich aus der im Einzelfall gegebenen Prozesssituation. Die grundsätzliche Bedeutung der Frage 2 kann offenkundig nicht (mittelbar) daraus hergeleitet werden, dass die Beteiligten besonders daran interessiert waren, Frage 3 im Rechtsstreit verbindlich beantwortet zu erhalten; denn die Beteiligten eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens sind nicht befugt, über die Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage zu disponieren, der diese Eigenschaften bei objektiver Betrachtung nicht zukommen.

Auf die weiter von der Beklagten zu Frage 2 angesprochenen Gesichtspunkte kommt es für die Revisionszulassung nicht an.

e) Der Beklagten gelingt eine prozessrechtlich konforme Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung schließlich auch nicht hinsichtlich der - schwer verständlich formulierten - Frage 3.

aa) Bei verständiger Würdigung - vor dem Hintergrund des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsprinzips nach § 103 SGG statt der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime - soll damit anscheinend sinngemäß die Frage in den Raum gestellt werden, ob Anlage 3, Teil 1, Anhang 3 sowie Ziffer 3.6 der Anlage 3, Teil 1 der bundesrechtlichen Hilfstaxenregelung dahin auszulegen sei, dass die betroffene Krankenkasse hinsichtlich der Voraussetzungen der Hilfstaxe Ziffer 3.6 der Anlage 3, Teil 1 (Nichtvorliegen eines "unvermeidbaren Verwurfs") die objektive Beweis- bzw Feststellungslast trifft (und nicht umgekehrt die Apotheke im beschriebenen Sinne "beweisbelastet" ist, das Vorliegen eines "unvermeidbaren Verwurfs" nachzuweisen).

Die Darlegung "grundsätzlicher" Bedeutung der Rechtsfrage und ihrer Klärungsbedürftigkeit hat allerdings in den Blick zu nehmen, dass - sofern keine elementaren, normübergreifenden Fragen im Raum stehen - nicht jedwede der überaus zahlreichen Einzelregelungen des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung in den Rang einer Frage von "grundsätzlicher" Bedeutung erhoben werden kann, nur weil auch zu der jeweiligen Regelung ermittelt werden muss, wie es sich dabei mit der Verteilung der Feststellungslast verhält. Die Beklagte bezieht insoweit in ihre Erwägungen nicht mit ein, dass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Krankenkasse die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines von ihr geltend gemachten Erstattungs- und/oder Rückzahlungsanspruchs trägt. Auch hier gilt der allgemeine prozessuale Grundsatz, dass jeder Rechtsuchende im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für die ihm vorteilhaften Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl schon BSG Urteil vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70 ; ferner zB BSG Urteil vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 , 258 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 7 S 31 ff; BSG Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/08 KR R - SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 17; Schmidt in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 103 RdNr 19a mwN). Wieso dies (erneut) klärungsbedürftig sein sollte, legt die Beklagte ebenso wenig ausreichend dar wie Argumente dafür, dass im konkreten Fall von diesen Grundsätzen abzuweichen sei. Letztlich wird auch in diesem Punkt nur die - im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerhebliche - Richtigkeit des Beschlusses des LSG beanstandet.

Das LSG hat - trotz teilweise mehrdeutiger bzw missverständlicher Formulierungen im Beschluss - der Beklagten insoweit nicht im engeren (zivilprozessualen) Sinne generell die "Darlegungs- und Beweislast" für die Weiterverarbeitungsfähigkeit des Verwurfs auferlegt. Das LSG hat ausgehend von seiner ohne Weiteres erkennbaren Einschätzung, dass zunächst die Klägerin mit dem Nachweis der Voraussetzungen für den Erfolg ihres Einspruchs gegen die Abrechnungsentscheidung der Beklagten belastet sei, angenommen, dass nach dem - hier bejahten - Ablauf der Frist für die Entscheidung über den Einspruch durch § 9 Abs 5 AV-Bay ein vorbehaltloser Zahlungsanspruch der Klägerin entstehe: Der Einspruch der Apotheke gelte dann als anerkannt und von diesem Zeitpunkt an sei nun die Beklagte mit dem Vorliegen der Voraussetzungen ihrer Gegenansprüche bzw -rechte (= Nachweis einer zu Unrecht beanstandeten Abrechnung sowie der Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs) beweisbelastet. Aufbauend darauf hat sich das LSG dann schließlich darauf gestützt, dass substantiierter Vortrag der Beklagten dazu fehle, welche Anbrüche wie lange noch haltbar gewesen seien und dass - zu ihren Gunsten - eine Sachaufklärung im Einzelfall wegen des Zeitablaufs und des Umstandes, dass die Anbrüche kurzfristig zu entsorgen gewesen seien, nicht mehr möglich sei.

Dass das LSG bei alledem einen von allgemein geltenden Rechtsgrundsätzen abweichenden, der Bewertung als "grundsätzlich bedeutsam" zugänglichen Rechtssatz zur Beweislast bei Regelungen in der Hilfstaxe als reinem Arzneimittelpreisrecht aufgestellt haben könnte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Richtig verstanden hat das LSG vielmehr die Frage behandelt, welchen der Beteiligten eines Rechtsstreits die Nachteile daraus treffen, dass sich ein bestimmter rechtserheblicher Umstand nicht aufklären lässt. Es verhält sich im entschiedenen Rechtsstreit auch nicht etwa so, dass in den Tatsacheninstanzen überhaupt keinerlei Sachaufklärung zur Behandlung von Lösungsresten (Verwurf) vorgenommen worden wäre, und das LSG der Beklagten gleichwohl eine umfassende Darlegungs- und Beweislast im zivilprozessualen Sinne auferlegt hätte. Vielmehr hat schon das SG durch Einholung von Stellungnahmen und Auskünften von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Apotheker Ermittlungen vorgenommen, auf die sich das LSG in seinem Beschluss ebenfalls bezogen und daran angeknüpft hat. Das Risiko der Nichtaufklärbarkeit bzw der nur begrenzten Aufklärbarkeit der entscheidungserheblichen Umstände im konkreten Fall hat das LSG auf dieser Basis nach allgemein geltenden Grundsätzen der Beklagten auferlegt und entschieden, dass für die Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Verwurfs nur auf die Hilfstaxe und die Arzneimittel-Fachinformationen zurückgegriffen werden dürfe; ein Hinweis auf fehlerhaftes Vorgehen der Klägerin habe sich daraus nicht ergeben. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob das Gericht seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht vor dem Zurückgreifen auf die Verteilung der objektiven Beweislast beanstandungsfrei nachgekommen ist, nach Maßgabe von § 103 SGG und - in Bezug auf die Beweiswürdigung - nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu beurteilen ist, aber nicht in den Rang einer Frage von "grundsätzlicher" Bedeutung erhoben werden kann.

bb) Bezüglich der Frage 3 wird im Übrigen auch schon nicht dargelegt und ist bereits unklar, auf welche Fassung der von der Beklagten als Prüfungsgegenstand herangezogenen Hilfstaxe sich die Fragestellung überhaupt beziehen sollte: Während die Klägerin nach ihrem Vortrag den Monat März 2012 noch nach Anlage 3 der bundesweit geltenden Hilfstaxe aus dem Jahr 2010 abrechnete, enthielt Ziffer 3.6 Teil 1 nach Änderung der seit 1.3.2012 geltenden Hilfstaxe vom 29.2.2012 (Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen), die das LSG als für den Streitzeitraum maßgebend angesehen hat (Beschluss S 19), gerade in Bezug auf die Definition des Verwurfs andere Regelungen, weil erstmals der unvermeidbare Verwurf als nicht mehr weiterverarbeitungsfähige Teilmenge definiert wurde. Genau dieser Unterschied hätte in der Fragestellung in den Blick genommen werden müssen und hätte möglicherweise zur Folge, dass die Ausführungen der Beklagten zur Klärungsbedürftigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der vom LSG entschiedenen Frage ins Leere gingen und daher von vornherein gänzlich unzureichend formuliert sind.

2. Die Beklagte macht auch Verfahrensmängel nicht den Darlegungsanforderungen genügend als Revisionszulassungsgründe geltend.

a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die vorgenannten Maßgaben sind hier nicht erfüllt. Weder die Verletzung von § 153 Abs 4 SGG und des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (dazu unter b) noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG , dazu unter c) werden formgerecht aufgezeigt.

b) Die Beklagte hat in ihrer Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt, dass das LSG verfahrensfehlerhaft gemäß § 153 Abs 4 SGG und dadurch zugleich in fehlerhafter Besetzung der Richterbank nur mit drei Berufsrichtern entschieden hat.

Die Beklagte rügt, gegen eine solche Verfahrensweise habe gesprochen, dass Gegenstand des Erörterungstermins beim LSG am 17.1.2019 nur die Frage des Ablaufs der Frist des § 9 Abs 5 Satz 1 AV-Bay gewesen sei. Nach dem Termin hätten sich ihr dann weitergehende Fragen gestellt, zu denen sie habe vortragen wollen; diese Äußerungsmöglichkeit habe für sie auch nicht aufgrund eines nachfolgenden Berichterstatter-Hinweises vom 22.5.2019 bestanden, weil sich daraus die rechtliche Einordnung der Frist nicht habe erkennen lassen. Überraschend habe in den LSG-Beschluss dann nicht nur die Fristenproblematik Eingang gefunden, sondern auch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch und der Nachweis der Haltbarkeit der Lösungen. Letztlich seien Rechtsfragen von einem Schwierigkeitsgrad zu behandeln gewesen, die eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Dies gelte auch, weil der Berichterstatter zur Rechtsnatur des § 9 Abs 5 AV-Bay widersprüchliche Hinweise erteilt habe und bei der Anfrage zum Vorgehen nach § 153 Abs 4 SGG unzulässig Zeitdruck aufgebaut worden sei.

Mit diesem Vortrag wird ein Verfahrensfehler nicht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend dargetan. Die Entscheidung eines LSG zum Vorgehen nach § 153 Abs 4 SGG steht regelmäßig in dessen pflichtgemäßem Ermessen und ist vom BSG daher nur darauf zu überprüfen, ob Ermessensfehler des Berufungsgerichts vorliegen, seiner Beurteilung also sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen. Das Vorliegen einer solchen Fehleinschätzung ist anhand einer Gesamtschau zu beurteilen und nur zu bejahen, wenn bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung gegen den ausdrücklichen Willen eines Beteiligten unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (vgl zB BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 2.7.2015 - B 1 KR 15/15 B - BeckRS 2015, 7009 RdNr 16; vgl zu Einzelheiten näher Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 153 RdNr 15 ff mwN).

Ausgehend vom Vortrag der Beklagten sind in diesem Sinne nach dem Sach- und Streitstand des Rechtsstreits und seinen Begleitumständen Ermessensfehler des LSG ausgehend von seinem materiell-rechtlich eingenommenen Rechtsstandpunkt in Bezug darauf, eine mündliche Verhandlung nicht vorzusehen, weil die entscheidungserheblichen Fragen bereits im Erörterungstermin und im Schreiben des Gerichts vom 22.5.2019 angesprochen wurden, nicht erkennbar. Entscheidend dafür ist, dass die Beklagte trotz des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter und dem nachfolgenden gerichtlichen Schreiben, in dem zwar nur die Fristfrage angesprochen wurde, vernünftigerweise nicht annehmen konnte, dass ausschließlich die Frage der Einhaltung der Frist des § 9 Abs 5 AV-Bay entscheidungserheblich sein würde und die Berufung - für den Fall, dass das LSG der Rechtsposition der Beklagten dennoch folgen würde - auch ohne ein Eingehen auf die Beurteilung der Haltbarkeit des Verwurfs (auf die das SG entscheidungserheblich abgestellt hat) ohne Weiteres hätte erfolgreich sein müssen. Das LSG hat sich insoweit durch Rechtsprechung des BSG gestützt gesehen und ist erkennbar davon ausgegangen, dass seiner Ansicht nach die zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfragen durch diese Rechtsprechung auch für die zu entscheidende Konstellation bereits hinreichend geklärt sei. Der Berichterstatter hat versucht zu erläutern, dass im Gegensatz zur ersten Instanz allein die Fristüberschreitung nach § 9 Abs 5 AV-Bay für entscheidend gehalten werde, und die Beklagte ist darauf hingewiesen worden, dass im Raum stehe, dass ihr vertraglicher Anspruch auf Verrechnung bereits an der Nichteinhaltung der Frist scheitere. Ferner ist bereits im Schreiben des Gerichts vom 22.5.2019 beschrieben worden, dass der Nachweis der der Beklagten günstigen Voraussetzungen auch für einen - unabhängig von der vertraglichen Bestimmung - gegen- über der Klägerin zur Aufrechnung gestellten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Hinblick auf die bereits erfolgte Entsorgung der Wirkstoffe und den Zeitablauf für jeden im Streit stehenden Verwurf "bis an die Grenze der Unmöglichkeit erschwert" sei; insoweit müsse nämlich jeweils nachgewiesen werden, dass dessen Weiterverwendung weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegengestanden hätten. Ähnliches findet sich später auch im instanzabschließenden Beschluss des LSG wieder. Damit sind sowohl die Frage des Fristablaufs nach dem AV-Bay als auch die vom LSG angenommenen Folgen für die Geltendmachung von Ansprüchen der Beklagten Gegenstand von Hinweisen im Vorfeld der berufungsgerichtlichen Entscheidung gewesen. Auch insoweit kommt es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unter verfahrensrechtlichem Blickwinkel auf die Frage der Richtigkeit der Ansicht des LSG ebenso wenig an wie auf die Einschätzung zu der Frage, ob § 9 Abs 5 AV-Bay eine "strikte" materielle Ausschlussfrist ist oder eine solche, die nicht geeignet ist, die allgemeinen Aufrechnungsmöglichkeiten (vgl §§ 387 ff BGB ) der Vertragsparteien zu verkürzen.

Nicht ersichtlich ist bei alledem, dass die Beklagte vor einer Entscheidung des LSG durch Beschluss keine hinreichende Gelegenheit zur Äußerung hatte und allein deswegen die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung geboten war; denn es kann nicht angenommen werden, dass die Zeit zwischen dem Erörterungstermin von Januar 2019 und der instanzabschließenden Entscheidung im Juli 2019 zu kurz war, um der sachkundigen Beklagten - die in dieser Zeit auch tatsächlich noch im Berufungsverfahren vorgetragen hat - eine sachgerechte Stellungnahme zu ermöglichen. Ihre Argumente sind im Übrigen im Beschluss des LSG an mehreren Stellen mit abgehandelt worden.

Mangels einer von der Beklagten hinreichend dargelegten Verletzung von § 153 Abs 4 SGG kann damit auch nicht angenommen werden, dass die Besetzung der Richterbank des LSG nur mit Berufsrichtern fehlerhaft war 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO ).

c) Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG ) führt schließlich ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der verfassungsrechtliche Anspruch der genügenden Gewährleistung rechtlichen Gehörs setzt ua voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 15.8.1996 - 2 BvR 2600/95 - juris RdNr 22 unter Hinweis auf BVerfGE 31, 364 , 370 ua). Um den Anspruch auf rechtliches Gehör und damit zugleich das Gebot fairen Verfahrens zu wahren, darf das Gericht deshalb seine Entscheidung nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützen, mit dem selbst ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfG Beschluss vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 , 144 f; Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 62 RdNr 8a, 8b mwN).

Die Beklagte hat allerdings - wie schon unter 2b) ausgeführt - nicht darlegen können, dass der Beschluss des LSG auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt worden sei, die nicht zuvor mit den Beteiligten erörtert worden sind. Auch ist nicht erkennbar, dass der Rechtsstreit nach dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren eine unerwartete Wendung genommen hat, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl dazu allgemein zB BVerfG Kammerbeschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 = BVerfGK 19, 377; BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 44/08 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17 mwN; BSG Beschluss vom 22.11.2012 - B 3 P 10/12 B - SozR 4- 1500 § 153 Nr 15 RdNr 13). Das LSG hat seine Rechtsposition im Erörterungstermin am 17.1.2019 und im Hinweisschreiben vom 22.5.2019 dargelegt. Dabei ist auch zur Sprache gekommen, dass das LSG die Beteiligten des Rechtsstreits nicht für befugt hielt, über die Frist des § 9 Abs 5 AV-Bay zu disponieren. Es fehlt an durchgreifenden Hinweisen darauf, dass die Beklagte keine ausreichende Gelegenheit gehabt haben sollte, sich im Vorfeld des Beschlusses zu den sich stellenden Fragen zu äußern. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet bei alledem nur, dass die Rechtsuchenden "gehört", nicht jedoch auch "erhört" werden (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - juris RdNr 8).

Selbst wenn im Übrigen rechtliche Hinweise des Berichterstatters und/oder seine Äußerungen im Erörterungstermin indessen anders gelautet hätten als im angegriffenen Beschluss der drei Berufsrichter - wofür ausgehend von dem von der Beklagten in Bezug genommenen Protokoll und Hinweisschreiben Anhaltspunkte fehlen -, könnte daraus nichts hergeleitet werden; denn weder ist ein Kollegialgericht verpflichtet, bereits bei einer Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten die Gründe seiner endgültigen Entscheidung darzulegen noch darf ein rechtskundig vertretener Beteiligter darauf vertrauen, dass vorläufige Einschätzungen eines einzelnen Richters des Berufungsgerichts eine spätere davon abweichende Entscheidung des gesamten Spruchkörpers ausschließen (vgl zB BSG Beschluss vom 18.7.2011 - B 14 AS 86/11 B - juris RdNr 7 mwN; Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 62 RdNr 8c, 8e mwN).

3. Der Senat sieht in Anwendung von § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG von einer weiteren Begründung ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 03.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 KR 177/18
Vorinstanz: SG Nürnberg, vom 15.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 21 KR 333/14