Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 21.01.2020

XI ZR 465/18

Normen:
BGB § 357 Abs. 1 S. 1
BGB § 242

BGH, Urteil vom 21.01.2020 - Aktenzeichen XI ZR 465/18

DRsp Nr. 2020/3489

Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss von vier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen der Darlehensnehmer; Voraussetzungen der Verwirkung des Widerrufrechts in Bezug auf Darlehensverträge

Einer Berücksichtigung der Freigabe von Sicherheiten steht bei der Prüfung des Umstandsmoments der Verwirkung nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und nach vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juli 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 357 Abs. 1 S. 1; BGB § 242 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss von vier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen der Darlehensnehmer.

Die Parteien schlossen am 19. Dezember 2002 zur Endnummer -704 einen Darlehensvertrag über 186.000 € mit einem bis zum 30. Dezember 2012 festen Nominalzinssatz von 4,97% p.a. (Darlehen I). Im Dezember 2012 beendeten die Parteien den Darlehensvertrag nach Ablauf der Zinsbindung.

Am 27. Dezember 2002 schloss der Kläger zu 2 mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag zur Endnummer -696 über 113.000 € mit einem bis zum 30. Dezember 2012 festen Nominalzinssatz von 4,97% p.a. (Darlehen II). Die Vertragsparteien beendeten den Darlehensvertrag nach Ablauf der Zinsfestschreibung.

Am 23. Dezember 2002 schloss eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter der Kläger zu 2 und ein Mitgesellschafter waren, mit der Beklagten einen Darlehensvertrag mit der Endnummer -746 über 30.000 € mit einem bis zum 30. Dezember 2012 festen Nominalzinssatz von 4,97% p.a. (Darlehen III). Der Darlehensvertrag wurde mit Ablauf der Zinsbindung Ende 2012 beendet.

Am 18. Januar 2005 schließlich schloss die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag zur Endnummer -733 über 30.000 € mit einem bis zum 30. Dezember 2014 festen Nominalzinssatz von 4,60% p.a. (Darlehen IV). Auch dieses Darlehen wurde im März 2015 vollständig zurückgeführt.

Bei sämtlichen Darlehensverträgen belehrte die Beklagte die Darlehensnehmer unter Verwendung eines Formulars, das der Senat mit Urteil vom 12. Juli 2016 ( XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 ff.) beanstandet hat. Im Zuge der Beendigung der Darlehensverträge gab die Beklagte die Sicherheiten frei. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 widerriefen beide Kläger hinsichtlich sämtlicher Darlehensverträge ihre auf den Abschluss der Verträge gerichteten Willenserklärungen. Mit weiterem Schreiben vom 17. März 2016 widerriefen die Kläger erneut ihre auf Abschluss der Darlehensverträge I und II gerichteten Willenserklärungen. Unter dem 16. Juni 2016 widerrief der weitere Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die auf den Abschluss der Darlehensverträge III und IV gerichteten Willenserklärungen. Schließlich bekräftigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 2 unter dem 28. Juli 2016 den Widerruf der auf den Abschluss der Darlehensverträge III und IV gerichteten Willenserklärungen. Der Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Kläger zu 2 vereinbarten unter dem 12. November 2016 die Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus den Darlehensverträgen III und IV einschließlich der aus dem Widerruf resultierenden Ansprüche an den Kläger zu 2.

Die Klage der Kläger auf Zahlung der zu ihren Gunsten aus den Rückgewährschuldverhältnissen errechneten Salden nebst weiterer (Verzugs-) Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, "an die Kläger gemeinschaftlich" den aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags I resultierenden Saldo in Höhe von 35.004,34 € nebst Prozesszinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Beklagte in entsprechender Weise zur Zahlung an den Kläger zu 2 aus den übrigen drei Rückgewährschuldverhältnissen verurteilt. Die weitergehende Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Zurückweisung der Berufung der Kläger begehrt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:

Die Kläger könnten von der Beklagten Zahlung beanspruchen. Der Kläger zu 2 sei auch insoweit aktivlegitimiert, als Forderungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Rede stünden. Der Mitgesellschafter habe Ansprüche an den Kläger zu 2 abgetreten. Die entsprechende Vereinbarung zwischen dem Mitgesellschafter und dem Kläger zu 2 sei dahin auszulegen, dass die in das Gesellschaftsvermögen fallenden Ansprüche aus einer Rückabwicklung abgetreten seien. Gleichzeitig sei vereinbart worden, den Kläger zu 2 von den Beschränkungen des Doppelvertretungsverbots zu befreien.

Sämtliche Darlehensnehmer hätten bei Vertragsschluss als Verbraucher gehandelt. Das gelte auch für die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgenommenen Darlehen. Die Widerrufsrechte seien im Zeitpunkt der Ausübung nicht verwirkt gewesen, wobei dahinstehen könne, ob Vertragserklärungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund der für sie geltenden Vertretungsregeln erst mit dem Schreiben vom 16. Juni 2016 wirksam widerrufen worden seien. Die zeitlichen Abläufe sprächen nicht für Verwirkung. Im Übrigen habe die Beklagte relevantes Vertrauen nicht ausgeübt. Der Umstand, dass die Beklagte Sicherheiten freigegeben habe, genüge hier nicht.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Würdigung des Berufungsgerichts, das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, weist Rechtsfehler auf. Das Berufungsgericht hat Überlegungen übernommen, die seinen Urteilen vom 9. Januar 2018 zugrunde lagen (OLG Karlsruhe, WM 2018, 622 ff. und ZIP 2018, 467 ff.). Diese Urteile hat der Senat mit Urteilen vom 16. Oktober 2018 ( XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 f. und XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 ff.) aufgehoben. Die dort tragenden Grundsätze gelten auch hier:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht einer Berücksichtigung der Freigabe von Sicherheiten bei der Prüfung des Umstandsmoments der Verwirkung nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und nach vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Die Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB . Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an. Beendet der Darlehensgeber trotz der Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liegen (Senatsurteile vom 11. September 2018 - XI ZR 125/17, WM 2018, 2128 Rn. 34, vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 Rn. 17 sowie XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 Rn. 15, vom 2. April 2019 - XI ZR 687/17, juris Rn. 18 und vom 15. Oktober 2019 - XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 33; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 20 mwN).

Indem das Berufungsgericht den Darlehensgeber in Fällen des Widerrufs der auf Abschluss eines zwischenzeitlich beendeten Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Darlehensnehmers grundsätzlich auf die Aufrechnung der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche verwiesen hat, hat es den Aspekt der Sicherheitenfreigabe als für die Verwirkung relevant für beendete Darlehensverträge ausgeschlossen. Dabei hat es in Abkehr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Rechtssatz aufgestellt, in der Freigabe der Sicherheiten liege keine beachtliche Manifestation des Vertrauens des Darlehensgebers darauf, die Beziehungen der Parteien fänden für die Zukunft in jeder Hinsicht ihr Ende. Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts ist die Betätigung eines entsprechenden Vertrauens bei der Würdigung der nach § 242 BGB relevanten Umstände mit zu berücksichtigen. Darauf, ob der Darlehensgeber nach Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses auch noch auf andere Weise die Erfüllung seiner Forderung erlangen könnte, kommt es dagegen nicht entscheidend an (Senatsurteil vom 24. September 2019 - XI ZR 322/18, WM 2020, 80 Rn. 24).

III.

Das Berufungsurteil, das sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ), unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ). Da der Senat der tatrichterlichen Würdigung der nach § 242 BGB maßgeblichen Umstände anhand der höchstrichterlich gefestigten Grundsätze nicht vorgreifen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 393/16, WM 2017, 2247 Rn. 11, vom 3. Juli 2018 - XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 16, vom 24. Juli 2018 - XI ZR 305/16, BKR 2019, 29 Rn. 19 und vom 9. April 2019 - XI ZR 70/18, juris Rn. 16), verweist er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. Januar 2020

Vorinstanz: LG Baden-Baden, vom 26.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 375/16
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 24.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 17 U 90/17