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BSG - Entscheidung vom 19.12.2019

B 9 SB 76/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 19.12.2019 - Aktenzeichen B 9 SB 76/19 B

DRsp Nr. 2020/1952

Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 100 Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rechtswidrige Ablehnung von PKH

1. Als Verfahrensmangel kann eine rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche nicht geltend gemacht werden.2. Nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht, ist rügefähig.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. September 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt W. aus S. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 100 statt des bisher zuerkannten von 70 sowie die Feststellung der Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG. Diese Ansprüche hat das LSG mit Urteil vom 26.9.2019 verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Zugleich hat er für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus S. beantragt. Er rügt das Vorliegen von Verfahrensmängeln und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

II

1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.

Gemäß § 73 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt eine Beiordnung seines vorgenannten Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht 73 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung des Klägers vom 9.12.2019 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil er die von ihm gerügten Verfahrensmängel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) und die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

a. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

aa. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel zunächst, dass ihm von beiden Vorinstanzen keine PKH bewilligt worden sei.

Soweit sich die Rüge auf die Ablehnung einer PKH-Bewilligung durch das SG bezieht, hat der Kläger bereits nicht aufgezeigt, wieso dies zu einem Verfahrensmangel des LSG geführt haben könnte.

Im Übrigen kann als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht die rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt ( BSG Beschluss vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 9; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 73a RdNr 12b).

Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein begründet noch keinen Verstoß gegen das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Willkürverbot, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt ( BSG Beschluss vom 23.8.2011 - aaO RdNr 10 mwN).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht dargelegt, dass die Ablehnung von PKH durch das LSG gegen das Willkürverbot verstoßen hat.

bb. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Rüge des rechtlichen Gehörs hat er ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (stRspr, zB BSG Beschluss vom 1.6.2017 - B 10 ÜG 30/16 B - juris RdNr 11 mwN). Weder die eine noch die andere dieser beiden Alternativen ist der Beschwerdebegründung des Klägers hinsichtlich einer konkreten Verletzung seines rechtlichen Gehörs zu entnehmen.

cc. Auch die Rüge, das LSG habe gegen § 127 SGG verstoßen, wird vom Kläger nicht substantiiert dargetan. Es fehlt bereits an der substantiierten Darlegung der Tatsachen, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergeben soll.

dd. Soweit der Kläger schließlich mit der Auswertung der im Verfahren von den Vorinstanzen eingeholten und von ihm vorgelegten medizinischen Befunden durch das LSG nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen dessen Beweiswürdigung. Hierauf kann jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

b. Soweit der Kläger schließlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) rügt, fehlt es schon an der Bezeichnung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl allgemein zu den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge BSG Beschluss vom 8.1.2018 - B 10 ÜG 14/17 B - juris RdNr 6 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 26.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 SB 1090/18
Vorinstanz: SG Stuttgart, vom 15.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 26 SB 7102/16