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BSG - Entscheidung vom 06.11.2017

B 12 KR 25/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 06.11.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 25/17 B

DRsp Nr. 2017/17218

Beiträge zur Krankenversicherung Berücksichtigung einer Direktversicherung bei der Beitragsbemessung Grundsatzrüge Vermeintliche Verletzung des Gleichheitssatzes Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 2. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung aber unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. 3. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden.

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3131,23 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, inwieweit eine dem in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig Versicherten ausgezahlte Kapitalleistung der Beitragspflicht in der GKV unterlag.

Dem während des Berufungsverfahrens verstorbenen Versicherten zahlte ein Versicherungsunternehmen kurz vor dessen 65. Geburtstag am 1.4.2009 eine Kapitalleistung in Höhe von 123 540,12 Euro aus. Die Beklagte legte den Gesamtbetrag der Beitragserhebung des freiwillig bei ihr krankenversicherten Versicherten zugrunde. Im März 2011 beantragte der Versicherte unter Hinweis auf die zwischenzeitliche Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) eine Überprüfung der Beitragserhebung. Auf Nachfrage teilte das Lebensversicherungsunternehmen der Beklagten mit, der Versicherte sei vom 1.8.1999 bis 1.4.2009 Versicherungsnehmer gewesen. Auf diesen Zeitraum fielen 34 146,49 Euro des Auszahlungsbetrags. Die Beklagte erstattete dem Versicherten 42,75 Euro, weil ein zu hoher Beitragssatz angewandt worden sei, hielt im Übrigen aber daran fest, dass der gesamte Auszahlungsbetrag auf zehn Jahre umgelegt beitragspflichtig sei. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben; ebenso die Berufung, die von den Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Versicherten fortgeführt wurde (LSG-Beschluss vom 13.2.2017). Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

II

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.2.2017 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerinnen haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

Die Klägerinnen berufen sich in der Beschwerdebegründung vom 15.3.2017 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

1. Die Klägerinnen legen den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise dar.

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforde- rungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil die Klägerinnen keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert haben. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Die Beschwerdebegründung wird auch deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen gerecht, weil die Klägerinnen die Klärungsbedürftigkeit der im Hintergrund stehenden Fragen nicht dargelegt haben. Die Klägerinnen machen geltend, die Heranziehung des privat finanzierten Anteils der Kapitalleistung aus einer ehemaligen betrieblichen Direktversicherung bei freiwillig gesetzlich Versicherten verstoße gegen Art 3 und Art 14 GG . Sie postulieren, das im Krankenversicherungsrecht geltende Solidaritätsprinzip dürfe nicht auf dem Rücken der freiwillig gesetzlich Versicherten ausgetragen werden. Bei der Gruppe der freiwillig Versicherten handele es sich nicht um eine kleine Gruppe, sondern um ein Massenphänomen. Die Tatsache, dass das BVerfG ausdrücklich für die Pflichtversicherten die privat fortgeführten Direktversicherungen von der Beitragspflicht ausgenommen habe, zeige, dass auch die Pflichtversicherten weitere Vorsorgemaßnahmen träfen. Es verstoße gegen Art 3 GG , für die Pflichtversicherten immer weitere Ausnahmen von der Beitragspflicht zu schaffen und ihnen Vorsorgemaßnahmen zu ermöglichen, die "freiwillig gesetzlich Versicherten" jedoch weiter mit Beitragspflichten zu belasten. Es sei durch Studien zu belegen, dass sich die Gruppe der freiwillig Versicherten in den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt habe und dass sie die Kriterien, welche die Rechtsprechung für sie aufgestellt habe, nicht mehr erfülle. Freiwillig Versicherte und Pflichtversicherte näherten sich immer weiter an. Weiterhin liege ein Verstoß gegen Art 14 GG vor. Die Beiträge, welche der Versicherte in seine Direktversicherung eingezahlt habe, seien von seinem Nettoeinkommen gezahlt worden, dh hierauf habe er bereits Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung gezahlt.

Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Zwar erkennen die Klägerinnen den grundlegenden Unterschied zwischen den in der GKV pflichtversicherten und den dort freiwillig versicherten Personen an. Sie fordern allerdings, beide Gruppen - jedenfalls bei der Beitragserhebung - gleich zu behandeln. Zur Begründung führen sie - ohne belastbare Nachweise - nur pauschal an, beide Gruppen näherten sich - jedenfalls bei der Einkommenserzielung - an. Substantiierte Gründe dafür, dass sich die Lebenswirklichkeit derart gewandelt hat, dass eine nach der gegenwärtigen Rechtslage vorgeschriebene Berücksichtigung des unterschiedlichen Versicherungstatbestands (pflichtversichert/freiwillig versichert) bei der Beitragserhebung zur GKV als Solidarversicherung entgegen der langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, auf die die Vorinstanzen bereits hingewiesen haben, als rechts- bzw verfassungswidrig anzusehen sein müsste, können der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung aber unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll ( BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG [Dreier-Ausschuss] Beschluss vom 8.6.1982 - SozR 1500 § 160a Nr 45). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dasselbe gilt hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art 14 GG . Hier beschränken sich die Klägerinnen auf den Hinweis, dass die Prämien zur Direktversicherung von verbeitragtem Einkommen entrichtet worden seien. Eine Begründung, inwieweit dieser Umstand im Rahmen der gesetzlich an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten anknüpfenden Beitragserhebung zu berücksichtigen sein müsste, kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 , § 159 S 1 VwGO . Entgegen der Auffassung der Klägerinnen war das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gemäß § 183 S 1 SGG kostenfrei. Die Klägerinnen sind vorliegend nicht Versicherte iS von § 183 S 1 SGG und auch nicht Sonderrechtsnachfolger des Versicherten gemäß § 56 SGB I . Letzteres folgt daraus, dass es nicht um "laufende Geldleistungen", sondern um einen Beitragserstattungsanspruch geht, dessen sich die Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen des Versicherten berühmen (vgl BSG Urteil vom 24.4.2003 - B 10 LW 15/02 R - Juris mwN). § 183 S 2 SGG kommt vorliegend nicht zur Anwendung, weil der Versicherte bereits während des Berufungsverfahrens verstorben ist.

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG . Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Antrag des Versicherten nicht auf eine Beitragserstattung in Höhe von 34 146,49 Euro gerichtet war, sondern lediglich auf eine Reduktion der verbeitragten Einmalzahlung um diesen Betrag. Die Beitragsdifferenz hat die Beklagte im Schriftsatz vom 4.10.2017 substantiiert dargelegt. Einwendungen hiergegen sind nicht ersichtlich und wurden auch von den Klägerinnen insoweit nicht vorgebracht.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 13.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 115/14
Vorinstanz: SG Hannover, vom 25.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 67 KR 117/12