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BSG - Entscheidung vom 11.04.2017

B 5 R 211/16 B

Normen:
SGB VI § 236b
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 11.04.2017 - Aktenzeichen B 5 R 211/16 B

DRsp Nr. 2017/13537

Altersrente für besonders langjährig Versicherte Grundsatzrüge Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage Bereits geklärte Rechtsfrage Geltendmachung eines Verfassungsverstoßes

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist; als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw. das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. 4. Wer einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht nur auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vortragen, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegende Rechtsprechung die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 236b ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 1.6.2016 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam,

ob "§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Buchst. a HS 2 SGB VI (...) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und mithin verfassungswidrig ist."

Die Klägerin hat es jedoch versäumt, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit ausreichend darzulegen.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Wer einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht nur auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vortragen, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegende Rechtsprechung die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Zudem muss der Beschwerdeführer darlegen, woraus sich die Verfassungswidrigkeit im konkreten Fall ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11).

Die Klägerin zitiert das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 3.7.2014 (WD6-3000-133/14), das schwerwiegende Bedenken an der Angemessenheit der Ungleichbehandlung durch die streitgegenständliche Regelung geäußert habe. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ist aber in jedem Fall eine substantiierte Auseinandersetzung mit den bereits ergangenen Entscheidungen des BVerfG und des BSG zu dem aufgeworfenen Problemkreis unter Kenntnisnahme des dortigen Inhalts erforderlich. Insbesondere muss sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG näher darlegen, aus welchen Gründen die beanstandete Norm verfassungswidrig sein soll. Soweit die Klägerin sich allein auf die Ausführungen im oben genannten Gutachten vom 3.7.2014 stützt, genügt dies der Substantiierungspflicht nicht.

Des Weiteren fehlen ausreichende Angaben zur Klärungsfähigkeit. Insoweit hätte die Klägerin darlegen müssen, von welchem Sachverhalt das BSG auszugehen hat und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die aufgeworfenen Fragen entschieden werden muss. Die Beschwerdebegründung lässt indes offen, an welcher Stelle das LSG welche Tatsachen für das Revisionsgericht verbindlich (§ 163 SGG ) festgestellt hat. Die Klägerin gibt bereits nicht den der Berufungsentscheidung zugrunde liegenden, vom LSG festgestellten Sachverhalt wieder. Zwar schildert sie im Rahmen der Beschwerdebegründung einen Sachverhalt. Ob die dort angegebenen Tatsachen auf Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen, ist den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Der Hinweis, maßgebend sei die Tatsachengrundlage der Vorinstanz und diese sei bereits ausführlich dargelegt worden, genügt dafür nicht. Fehlt jedoch die maßgebliche Sachverhaltsdarstellung, wird das Beschwerdegericht nicht in die Lage versetzt, allein anhand der Beschwerdebegründung zu beurteilen, ob die als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Keinesfalls gehört es zu den Aufgaben des Beschwerdegerichts, sich die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung selbst herauszusuchen (Senatsbeschlüsse vom 16.5.2012 - B 5 R 442/11 B - BeckRS 2012, 70568 RdNr 13 und vom 21.2.2012 - B 5 R 222/11 B - BeckRS 2012, 69065 RdNr 9). Vielmehr muss die Beschwerdebegründung den Senat in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - Juris RdNr 9 mwN). Hieran fehlt es.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 01.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 466/15
Vorinstanz: SG Speyer, vom 26.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 18 R 496/15