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BGH - Entscheidung vom 21.02.2017

XI ZR 88/16

Normen:
ZPO § 3
ZPO § 9

Fundstellen:
NJW 2017, 2343
ZIP 2017, 1007

BGH, Beschluss vom 21.02.2017 - Aktenzeichen XI ZR 88/16

DRsp Nr. 2017/4970

Rechtmäßige Kündigung eines zehn Jahre nach Zuteilungsreife nicht in Anspruch genommenen Bausparvertrages

Für die Berechnung des Werts der Beschwer kommt es auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an. Wie das Interesse eines Bausparers an der Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages, dessen Kündigung von Seiten der Bausparkasse nach mehr als zehnjähriger Zuteilungsreife erklärt worden ist, wertmäßig zu bemessen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Bausparvertrages auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens beläuft, von dem mit Rücksicht auf die positive Feststellungsklage ein Abzug von 20 % vorzunehmen ist.

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO ).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.953,62 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 3 ; ZPO § 9 ;

Gründe

I.

Der Kläger schloss am 12. Juli 1977 mit der Beklagten einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 20.000 DM ab, welche später auf 80.000 DM (= 40.903,35 €) erhöht wurde. Gemäß § 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten (ABB) werden das Bausparguthaben mit 3% p.a. und ein von der Beklagten zu gewährendes Bauspardarlehen mit 5% p.a. verzinst. Die vereinbarte Bausparsumme ist noch nicht vollständig angespart, der Bausparvertrag jedoch seit über zehn Jahren zuteilungsreif. Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen der Beklagten kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 19. Mai 2014 die Kündigung des Bausparvertrages zum 30. November 2014 unter Hinweis auf die seit mehr als zehn Jahren bestehende Zuteilungsreife.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den 30. November 2014 hinaus fortbesteht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert auf 40.903 € festgesetzt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Bei deren Einlegung belief sich das Bausparguthaben auf 35.162,05 €.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.

1. Die Wertberechnung im Rahmen des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2015 - XI ZR 263/14, BGHZ 206, 276 Rn. 3 und vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 3, jeweils mwN). Für die Berechnung des Werts der Beschwer kommt es vorliegend gemäß § 4 ZPO auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, aaO). Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht eigenständig zu befinden, ohne an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen oder die Angaben der Parteien gebunden zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, aaO; BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2014 - V ZR 314/13, [...] Rn. 4 und vom 15. Juli 2014 - VI ZR 145/14, [...] Rn. 3).

2. Wie das Interesse eines Bausparers an der Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages, dessen Kündigung von Seiten der Bausparkasse nach mehr als zehnjähriger Zuteilungsreife erklärt worden ist, gemäß §§ 3 ff. ZPO zu bemessen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

a) Von Teilen der Rechtsprechung wird, entsprechend der Handhabung von Landgericht und Berufungsgericht in diesem Verfahren, das Feststellungsinteresse mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichgesetzt (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 17. August 2016 - 19 U 3/16, [...]; LG Aachen, Urteil vom 19. Mai 2015 - 10 O 404/14, [...] Rn. 26; LG München I, Urteil vom 6. November 2015 - 3 O 241/15, [...]). Dies entspricht im Ergebnis auch den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdeschrift. Demnach wäre die Beschwer mit 40.903,35 € zu beziffern.

b) Teilweise wird das klägerische Interesse demgegenüber nach der Höhe des Bausparguthabens bemessen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17. August 2015 - 6 O 1708/15, [...]; LG Osnabrück, Urteil vom 21. August

c) Andere Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass es einem Bausparer darum geht, sich zum einen den Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erhalten und zum anderen eine weitere Verzinsung des Bausparguthabens zu erlangen. Der Zinsanspruch sei aber bei der Wertermittlung gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, weswegen bei der Wertermittlung allein auf den Differenzbetrag zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme, also auf die Höhe eines zu beanspruchenden Bauspardarlehens abzustellen sei (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 8. April 2016 - 8 O 109/15, [...] Rn. 34). Der Beschwerdewert beliefe sich danach vorliegend auf 5.741,30 € (Bausparsumme in Höhe von 40.903,35 € abzüglich des Bausparguthabens in Höhe von 35.162,05 €).

d) Nach einer vierten Auffassung ist für die Wertbestimmung das Interesse des Klägers an einer Verzinsung des Bausparguthabens und am Erhalt eines Bauspardarlehens maßgeblich. Das Zinsinteresse sei gemäß §§ 3 , 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages des Bausparguthabens zu bestimmen, von dem im Hinblick auf den Feststellungsantrag ein Abzug von 20 % (so LG Stuttgart, Urteil vom 15. September 2015 - 25 O 89/15, [...] Rn. 17) oder von 50 % (so OLG Stuttgart, WM 2016, 742 , 748) vorzunehmen sei. Hinzukomme das Interesse an der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens, welches mit 80 % (so LG Stuttgart, aaO) oder mit 50 % des Darlehensbetrages (so OLG Stuttgart, aaO) zu bemessen sei. Soweit jeweils ein Abschlag von 50 % vorgenommen werde, sei dies gerechtfertigt, weil das Zinsinteresse und das Interesse am Erhalt des Bauspardarlehens in einem Alternativverhältnis zueinander stünden (vgl. OLG Stuttgart, WM 2016, 742 , 748, zustimmend: Maier, VuR 2016, 9 , 14). Der Beschwerdewert betrüge demnach 7.546,66 € (d.i. 80 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages in Höhe von 3.692,02 € [= 35.162,05 € x 0,03 x 3,5 = 3.692,02 €] = 2.953,62 € zuzüglich 80 % des Bau

e) Eine weitere Meinung stellt zur Wertermittlung auf das Interesse an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens in Höhe des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages (§ 9 ZPO ) oder auf das Interesse am Erhalt eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme ab. Da beide Interessen alternativ zueinander bestünden, sei dem Rechtsgedanken von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG folgend jeweils der höhere Wert maßgebend (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 22. April 2016 - 1 O 208/15, [...] Rn. 83 f.). Die Beschwer beliefe sich demzufolge hier auf 5.741,30 €, weil das Bauspardarlehen betragsmäßig höher ist als der dreieinhalbfache Jahreszinsertrag.

f) Nach einer sechsten Ansicht ist für die Wertbestimmung allein auf das Interesse des Klägers an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens abzustellen, welches gemäß §§ 3 , 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zu bestimmen sei, ohne dass von diesem Betrag ein Abschlag zu machen sei (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 21. August 2015 - 8 U 319/15, [...] Rn. 3 und Urteil vom 29. Juli 2016 - 8 U 11/16, [...] Rn. 53; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Juni 2015 - 9 W 25/15, [...] Rn. 3). Der Beschwerdewert betrüge demnach hier 3.692,02 €.

g) Überwiegend wird demgegenüber darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Bausparvertrages gemäß §§ 3 , 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens beläuft, von dem mit Rücksicht auf die positive Feststellungsklage ein Abzug von 20% vorzunehmen sei (vgl. OLG Celle, Urteil vom 14. September 2016 - 3 U 230/15, [...] Rn. 81; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2015 - 31 U 182/15, [...] Rn. 20 und Urteil vom 22. Juni 2016 - 31 U 234/15, [...]

3. Der Senat erachtet die letztgenannte Auffassung für richtig.

a) Entgegen der Festsetzung des Berufungsgerichts und der Auffassung des Klägers ist das Interesse an der Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 3 , 9 ZPO nicht mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichzusetzen, sondern nach dem dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens zu bemessen.

aa) Für die Wertfestsetzung gemäß § 3 ZPO ist das objektiv zu ermittelnde wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2001 - II ZR 328/00, WM 2001, 1270 , 1271 f.; Beschlüsse vom 28. September 2009 - IX ZB 230/07, [...] Rn. 3 und vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 405/15, NJW 2016, 714 Rn. 13). Dieses liegt vorliegend im Ausgangspunkt ausschließlich in der Fortsetzung des Bausparvertrags und der fortwährenden Zahlung der vereinbarten Guthabenzinsen.

Der von der Beklagten gekündigte, bereits im Jahre 1977 abgeschlossene und zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife Bausparvertrag bietet dem Kläger mit der vertraglich vereinbarten Guthabenverzinsung von 3 % p.a. angesichts der seit Längerem währenden Niedrigzinsphase eine im Hinblick auf die Rendite vergleichsweise sichere Geldanlage zu relativ günstigen Konditionen. Die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu dem vereinbarten Zinssatz von 5 % p.a. wäre hingegen für den Kläger wirtschaftlich unvernünftig, weil am allgemeinen Kapitalmarkt derzeit und auch noch auf unabsehbare Zeit Immobiliardarlehen zu deutlich günstigeren Konditionen gewährt werden. Das objektive wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Bausparvertrages besteht vor diesem Hintergrund allein

bb) Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung, das durch die Kündigung zur Rückzahlung fällig werdende Bausparguthaben und die Höhe des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens seien zusammenzurechnen, auf den Senatsbeschluss vom 25. Februar 1997 ( XI ZB 3/97, WM 1997, 741 ) stützen möchte, ist dies unbehelflich. Gegenstand der Feststellungsklage in jenem Verfahren war die Unwirksamkeit der Kündigung eines Bauspardarlehens, mit dem die noch ausstehende Darlehensvaluta zur Rückzahlung fällig gestellt wurde. Dementsprechend war das Interesse der Kläger an der Feststellung des Fortbestandes des Darlehensvertrages darauf gerichtet, das Darlehen nicht sofort zurückzahlen zu müssen, und damit wie bei einer entsprechenden negativen Feststellungsklage mit dem noch offenen Darlehensbetrag gleichzusetzen. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei der Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse in der Ansparphase nicht (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257 ; Maier, VuR 2016, 9 , 14).

b) Bei der Bezifferung des Beschwerdewertes ist gemäß §§ 3 , 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag abzustellen, der sich auf 3.692,02 € beläuft. Von diesem Betrag ist ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen, weil der Beschwerdeführer keine Leistungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2000 - IV ZR 294/99, NJW-RR 2000, 1266 , vom 12. April 2007 - VII ZR 16/06, [...] Rn. 1, vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 116/14, [...] Rn. 1, vom 16. Juli 2015 - IX ZR 273/14, [...] Rn. 1 und vom 7. September 2016 - IV ZR 548/15, [...] Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO , 31. Aufl., § 3 Rn. 16 - Feststellungsklagen; MünchKommZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 3 Rn. 72).

Etwas anderes folgt in diesem Zusammenhang nicht aus dem Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 ( XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 12), demzufolge bei der Bezifferung des Beschwerdewertes nach dem Widerruf eines Verbraucherdarlehens auf den ungekürzten Betrag der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen abzustellen ist. Diese Entscheidung ist den Besonderheiten bei der Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses nach erfolgtem Widerruf geschuldet.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 20.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 119/15
Vorinstanz: OLG Köln, vom 15.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 151/15
Fundstellen
NJW 2017, 2343
ZIP 2017, 1007