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BSG - Entscheidung vom 12.10.2015

B 13 R 272/15 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 12.10.2015 - Aktenzeichen B 13 R 272/15 B

DRsp Nr. 2015/18659

Grundsatzrüge Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes Bloße Behauptung einer Ungleichbehandlung Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG

1. Grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Sofern ein Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG ) geltend machen will, darf er sich nicht auf die bloße Behauptung einer Ungleichbehandlung, einer gleichheitswidrigen gesetzlichen Ausgestaltung oder eines "gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses" beschränken, sondern muss sich unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG mit den Maßstäben der herangezogenen Prüfungsnorm beschäftigen und in substantieller Argumentation darlegen, worin er die für eine Gleich-oder Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt, warum die vorgenommene Abgrenzung der betroffenen Personengruppen sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt sein soll und dass der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe:

Mit Urteil vom 16.6.2015 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente für Arbeitsentgelt aus einer nach Rentenbeginn aufgenommenen Beschäftigung, für das der Arbeitgeber einen Beitragsanteil gezahlt hat, verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 23.9.2015 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob die Nichtberücksichtigung von Beiträgen von Arbeitgebern an die Beschwerdegegnerin gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI im Versicherungskonto des betreffenden Arbeitnehmers mit dem Grundgesetz vereinbar ist."

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger damit eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet hat, die in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein könnte. Denn er zeigt nicht auf, inwieweit die von ihm formulierte Frage zur Nichtberücksichtigung der Beitragsanteile des Arbeitgebers nach § 172 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im Versicherungskonto nach § 149 SGB VI im Rechtsstreit über die Höhe der Altersrente überhaupt entscheidungserheblich sein könnte.

Selbst wenn man aber die Frage in wohlwollender Auslegung seines Beschwerdevortrags dahin deuten wollte, ob die Regelung in § 76d iVm § 76b Abs 4 Nr 1 SGB VI , also der Ausschluss von zusätzlichen Entgeltpunkten (EP) für Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung, für das der Arbeitgeber einen Beitragsanteil gezahlt hat, bei Beziehern einer Vollrente wegen Alters verfassungsgemäß sei, hat er deren Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dargetan.

Soweit der Kläger eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG geltend macht, fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung, dass durch die angegriffenen gesetzlichen Regelungen überhaupt in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts eingegriffen wird. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG liegt nämlich nur dann vor, wenn der Bestand an geschützten vermögenswerten Rechten in der Hand des Grundrechtsinhabers auf Grund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden staatlichen Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 - BVerfGK 6, 266, 269). Der Kläger behauptet nicht, dass durch die angegriffenen Normen sein (bereits erworbener) Rentenanspruch vermindert oder entzogen wird, sondern macht lediglich die Versagung von Zuschlägen an EP für beitragsbelastetes Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung geltend, die in anderen Fällen gewährt werden. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung des BVerfG vom 26.9.2005 (1 BvL 5/80 ua - BVerfGE 69, 272 = SozR 2200 § 165 Nr 81) meint, dass "die Beitragsleistungen" als von Art 14 Abs 1 S 1 GG geschützt anzusehen seien, verkennt er, dass durch dieses Grundrecht primär der Rentenanspruch oder die Rentenanwartschaft des Versicherten geschützt ist, deren konkrete (einfach- und verfassungsrechtliche) Ausgestaltung - auch in der Höhe - dem Gesetzgeber gemäß Art 14 Abs 1 S 2 GG vorbehalten ist. Zwar weist er zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung den eigentumsrelevanten "Eigenleistungen" des Arbeitnehmers zuzurechnen seien (aaO - BVerfGE 69, 272 , 302 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 127). Er setzt sich aber nicht damit auseinander, ob diese (eigentumsrechtliche) Qualifizierung der sog Arbeitgeberanteile auch den von ihm darin gesehenen (einfach)gesetzlichen Sinn hat. Anlass dafür hätte aber schon deshalb bestanden, weil das BSG in seiner Entscheidung vom 29.6.2000 (B 4 RA 57/98 R - BSGE 86, 262, 289 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 31) in Auseinandersetzung (ua) mit der vorgenannten Entscheidung des BVerfG ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass dort gerade nicht die Aussage enthalten sei, das GG gebiete, den Arbeitgeberanteil dem einzelnen Arbeitnehmer als "Gegenleistung für geleistete Arbeit" rentenversicherungsrechtlich - oder sonst einfachgesetzlich oder wirtschaftlich - zuzurechnen.

Soweit der Kläger rügt, er werde als Rentenbezieher durch die Versagung von Zuschlägen an EP für beitragsbelastetes Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung in "Art 3 GG " verletzt, versäumt er es bereits aufzuzeigen, welche der unterschiedlichen Regelungen dieser GG -Norm als Prüfungsmaßstab hier überhaupt einschlägig sein soll. Sofern er sinngemäß eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG ) geltend machen will, darf er sich nicht auf die bloße Behauptung einer Ungleichbehandlung, einer gleichheitswidrigen gesetzlichen Ausgestaltung oder eines "gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses" beschränken, sondern muss sich unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG mit den Maßstäben der herangezogenen Prüfungsnorm beschäftigen und in substantieller Argumentation darlegen, worin er die für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt, warum die vorgenommene Abgrenzung der betroffenen Personengruppen sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt sein soll und dass der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl BSG Beschluss vom 20.12.2012 - B 5 RS 46/12 B - BeckRS 2013, 66091 RdNr 11; Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG , 2014, § 160a RdNr 60 mwN). Entsprechender Vortrag fehlt. In diesem Sachzusammenhang hätte der Kläger sich zudem auch damit auseinandersetzen müssen, ob die Argumente von BVerfG und BSG (ua) in den von ihm zitierten Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit des § 172 Abs 1 SGB VI (bzw seiner Vorgängernorm in § 113 AVG ) hinreichende Anhaltspunkte für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der verschiedenen Beschäftigtengruppen bei der Ermittlung von Zuschlägen an EP für Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung, für das der Arbeitgeber einen Beitragsanteil getragen hat, bieten.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 16.06.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 4276/12
Vorinstanz: SG Freiburg, - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 3408/12