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BGH - Entscheidung vom 15.05.2014

I ZR 137/12

Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
UWG § 4 Nr. 11
GG Art. 100 Abs. 1

Fundstellen:
GRUR 2014, 791
MDR 2014, 914
NJW-RR 2014, 1188
NZS 2014, 599
WM 2014, 1775
WRP 2014, 844

BGH, Urteil vom 15.05.2014 - Aktenzeichen I ZR 137/12

DRsp Nr. 2014/9533

Verfassungsmäßigkeit der in § 18 Abs. 1 S. 3 Fall 1 Berufsordnung für Ärzte der Landesärztekammer Baden-Württemberg enthaltenen Regelung im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit; Beitrag des Arztes bzgl. des Erbringens medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft

Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung für Ärzte der Landesärztekammer Baden-Württemberg, wonach eine Umgehung des § 31 der Berufsordnung und damit kein gemäß § 18 der Berufsordnung zulässiger Zusammenschluss zur gemeinsamen Ausübung des Arztberufs insbesondere dann vorliegt, wenn sich der Beitrag des Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beschränkt, ist mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit unvereinbar und deshalb nichtig.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

GG Art. 12 Abs. 1 ; UWG § 4 Nr. 11 ; GG Art. 100 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Partnerschaftsgesellschaft, der 30 Ärzte angehören, darunter vier Radiologen. Die Partner haben sich in § 2 Nr. 1 des Partnerschaftsvertrags außerhalb ihrer bisherigen Praxis zusätzlich zur gemeinsamen standortübergreifenden Erbringung privatärztlicher Leistungen verbunden. Gemäß § 2 Nr. 4 des Partnerschaftsvertrags erbringen sie die Leistungen nach den jeweiligen Normen der privatärztlichen Abrechnungen, sind alle dem jeweiligen Fachgebiet und Beruf vorbehaltenen privatmedizinischen Leistungsmöglichkeiten gemeinsamer Leistungsinhalt und werden diese Leistungen im Namen der Gesellschaft abgerechnet. Nach § 6 Nr. 2 des Partnerschaftsvertrags wird ein Prozent des von der Partnerschaft erzielten Gewinns vorab nach Köpfen und der Rest nach dem persönlich erbrachten Anteil an den gemeinschaftlichen Leistungen verteilt. Dabei stellt die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der Laboratoriumsmedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, keinen solchen Leistungsanteil dar.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Beteiligung der Radiologen an der Beklagten für unzulässig, weil sie der Umgehung des § 31 der Berufsordnung für Ärzte der Landesärztekammer Baden-Württemberg (im Weiteren: Berufsordnung) diene, wonach Ärzte für die Zuweisung von Patienten weder Vorteile gewähren noch sich versprechen lassen dürfen.

Das Landgericht hat die von der Klägerin deswegen erhobene Klage abgewiesen (LG Mosbach, Urteil vom 22. Dezember 2010 3 O 13/10, [...]).

Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - beantragt,

1.

es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit Radiologen eine ärztliche Teilberufsausübungsgemeinschaft gemäß § 18 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg zu betreiben und/oder betreiben zu lassen, soweit deren Beitrag nicht über das Erbringen medizinischtechnischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Partner der ärztlichen Teilberufsausübungsgemeinschaft hinausgeht,

hilfsweise,

2.

es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit Radiologen eine ärztliche Teilberufsausübungsgemeinschaft gemäß § 18 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg zu betreiben und/oder betreiben zu lassen, soweit deren Beitrag nicht über die Durchführung von Knochendichtemessungen und/oder Koronar-Computertomographien und/oder Implantat-Computertomographien und/oder Magnetresonanztomographien des Herzens und/oder Mamma-Magnetresonanztomographien auf Veranlassung der übrigen Partner der ärztlichen Teilberufsausübungsgemeinschaft hinausgeht.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz zwei weitere Hilfsanträge (Unterlassungsanträge zu 3 und 4) gestellt, mit denen sie das Verbot zusätzlich darauf gestützt hat, dass der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der von den Ärzten persönlich erbrachten Leistungen entspricht.

Das Berufungsgericht hat dem ersten Antrag stattgegeben (OLG Karlsruhe, WRP 2012, 1434).

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die auf Unterlassung gerichtete Klage als mit dem ersten Antrag begründet angesehen und dazu ausgeführt:

Die Beklagte verstoße gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung, weil der Beitrag der der Partnerschaft angehörenden Radiologen nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung allein in Knochendichtemessungen bestehe, die auf Veranlassung der anderen Gesellschafter vorgenommen würden.

Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung sei durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden. Im Gesundheitswesen seien Maßnahmen gegenüber dem Patienten grundsätzlich allein am medizinisch Sinnvollen auszurichten. Ausprägungen dieses Grundsatzes fänden sich für den Bereich des Kassenarztrechts in § 73 Abs. 7 SGB V sowie in den §§ 31 und 33 bis 35 der Berufsordnung. Das Kassenarztrecht begegne der von einer gesellschaftsrechtlichen Zusammenarbeit ausgehenden Missbrauchsgefahr durch die Regelung im inhaltlich mit § 18 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung übereinstimmenden § 33 Abs. 2 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ( Ärzte-ZV ). Das Risiko einer Umgehung des Verbots der entgeltlichen Zuweisung von Patienten sei besonders hoch, wenn sich der Beitrag mindestens eines Gesellschafters bei Teil-Berufsausübungsgemeinschaften auf die Erbringung medizinisch-technischer Leistungen beschränke. § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung sei eine nationale Regelung für reglementierte Berufe im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die damit nach Art. 3 Abs. 8 dieser Richtlinie von ihr unberührt bleibe. Die fragliche Bestimmung der Berufsordnung rechtfertige als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG das beantragte Unterlassungsgebot, in dem auch das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck komme.

II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die von der Klägerin im zweiten Rechtszug gestellten Unterlassungsanträge zu 1 und 2 sind zwar hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (dazu unter II 1). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der zuerkannte Unterlassungsanspruch sei aus §§ 8 , 3 , 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 Fall 1 der Berufsordnung begründet, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand; diese Bestimmung der Berufsordnung ist mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit unvereinbar und nichtig (dazu unter II 2).

1. Die nach rechtskräftiger Abweisung der Klage mit dem von der Klägerin ursprünglich gestellten Unterlassungshauptantrag in Rede stehenden Unterlassungsanträge zu 1 und 2 sind hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Der Umstand, dass diese Anträge sehr weitgehend an den Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung angelehnt sind, steht dem nicht entgegen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Verbotsantrag im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO ) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst ist oder wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt (BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 16 = WRP 2012, 1222 - Tribenuronmethyl).

b) Nach diesen Maßstäben sind die im Streitfall in Rede stehenden Unterlassungsanträge zu 1 und 2 als hinreichend bestimmt anzusehen. Zwischen den Parteien besteht vorliegend kein Streit darüber, dass die Beklagte eine Teil-Berufsausübungsgemeinschaft im Sinne des § 18 der Berufsordnung betreibt, dass an dieser Gemeinschaft Radiologen als Partner beteiligt sind und diese auf Veranlassung der übrigen Partner medizinischtechnische Leistungen erbringen. Die Parteien streiten in tatsächlicher Hinsicht vielmehr allein darüber, inwieweit die Radiologen den anderen der Beklagten angehörenden Ärzten beratend zur Seite stehen und Meinungen zu "Fremdbefunden" und "Fremdbildern" äußern. Auch durch die Formulierung "nicht ... hinausgeht" in den Klageanträgen wird keine Unsicherheit in den Rechtsstreit hineingetragen, die zu einer Unbestimmtheit der Anträge führt. Soweit zwischen den Parteien weiterhin Streit darüber besteht, ob die betreffenden Tätigkeiten der der Beklagten angehörenden Radiologen mangels Abrechenbarkeit außer Betracht bleiben müssen, geht es um Rechtsfragen, zu denen sich gegebenenfalls das Gericht zu äußern hätte. Auf die Bestimmtheit der Klageanträge ist dies ohne Einfluss.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung enthaltene Regelung sei durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Beurteilung ist mit der in Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgten Berufsausübungsfreiheit unvereinbar.

a) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung dürfen sich Ärzte zu Berufsausübungsgemeinschaften zusammenschließen. Der Zusammenschluss von Ärzten zur gemeinsamen Berufsausübung kann nach § 18 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung zum Erbringen einzelner Leistungen erfolgen, wenn er nicht lediglich einer Umgehung des in § 31 der Berufsordnung geregelten Verbots dient. § 31 der Berufsordnung regelt die unerlaubte Zuweisung. Danach ist es Ärzten nicht gestattet, ein Entgelt oder andere Vorteile für die Zuweisung von Patienten sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Diese Bestimmungen haben ihre Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 7 und 11 des Heilberufe-Kammergesetzes Baden-Württemberg. Danach können die Berufsordnungen Vorschriften über die gemeinsame Ausübung der Berufstätigkeit sowie über das berufliche Verhalten gegenüber anderen Berufsangehörigen und die Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe enthalten. Sie dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen von merkantilen Erwägungen zu gewährleisten (vgl. Ratzel in Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte [MBO], 5. Aufl., § 31 Rn. 1) und unterliegen damit - was auch beide Vorinstanzen angenommen haben und wovon ebenfalls die Revision ausgeht - keinen rechtlichen Bedenken. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 2 der Berufsordnung, wonach eine Umgehung des § 31 der Berufsordnung dann vorliegt, wenn der Gewinn einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der jeweiligen persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Eine solche ungleichmäßige Gewinnverteilung wird regelmäßig auf eine Umgehung des Verbots der Gewährung von unzulässigen Vorteilen nach § 31 der Berufsordnung hinweisen. Entsprechendes gilt ferner für die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Satz 4 der Berufsordnung, wonach die Anordnung einer Leistung aus den Bereichen der Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, keinen Leistungsanteil im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung darstellt. Diese Regelung verhindert, dass eine Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial, für die bei nicht miteinander kooperierenden Ärzten keine Vorteile versprochen oder gewährt werden dürfen, innerhalb von beruflichen Kooperationen als zu vergütende Leistung behandelt werden kann.

b) Mit der in Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgten Berufsausübungsfreiheit unvereinbar und deshalb unwirksam ist dagegen die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung, wonach eine Umgehung des § 31 der Berufsordnung und damit kein gemäß § 18 der Berufsordnung zulässiger Zusammenschluss zur gemeinsamen Ausübung des Arztberufs immer dann vorliegt, wenn sich der Beitrag des Arztes auf das Erbringen medizinischtechnischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beschränkt. Da es sich bei der Berufsordnung nicht um ein förmliches Landesgesetz handelt, ist insoweit keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen (vgl. Sturm/Detterbeck in Sachs, GG , 6. Aufl., Art. 100 Rn. 7 mwN). Vielmehr hat der Senat über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Bestimmung mit dem Grundgesetz selbst zu entscheiden.

aa) Nach § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung kann sich ein Arzt, der auf Veranlassung anderer Ärzte medizinischtechnische Leistungen erbringt, nur dann an einer von den ihn beauftragenden Ärzten betriebenen Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beteiligen, wenn sich sein Leistungsanteil nicht auf das Erbringen solcher medizinisch-technischer Leistungen beschränkt. Auf die Frage, ob der Gewinn entsprechend dem Anteil der jeweiligen persönlich erbrachten Leistungen verteilt wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Berufsordnung fingiert damit eine Umgehung des § 31 mit der Folge eines Verbots einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft auch in Fällen, in denen eine unerlaubte Zuweisung nach den erkennbaren Umständen nicht vorliegt.

bb) Die in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung enthaltene Regelung stellt danach nicht nur einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der betroffenen Ärzte dar (vgl. Orlowski/Halbe/Karch, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, 2. Aufl., S. 126 ff.; Krafczyk/Lietz, ZMGR 2010, 24, 29), sondern verletzt auch deren durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit.

(1) Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung greift in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ein. Sie schließt unter den näher bezeichneten Voraussetzungen eine Beteiligung von Ärzten, die medizinischtechnische Leistungen erbringen, an Teil-Berufsausübungsgemeinschaften mit anderen Ärzten aus. Zur Berufsausübung gehört das Recht, sich beruflich zusammenzuschließen (BVerfGE 54, 237 , 246; 80, 269, 278; 108, 150, 165). Die beklagte Partnerschaftsgesellschaft, in der sich Radiologen mit anderen Ärzten zusammengeschlossen haben, kann sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf den Schutz dieses Grundrechts ebenfalls berufen, weil Art. 12 Abs. 1 GG seinem Wesen nach auf juristische Personen des Privatrechts und diesen gleichstehende Personengesellschaften des Privatrechts anwendbar ist (BVerfGE 23, 208 , 223; 50, 290, 363; 53, 1, 13; 97, 228, 253; 102, 197, 212 f.). Im vorliegenden Fall ist die Beklagte auch selbst durch die Beschränkung der Ärzte, die sich in ihr zusammenschließen können, in ihrem Recht auf freie Berufsausübung beeinträchtigt.

Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Juni 2011 - 1 BvR 233/10 und 235/10, GRUR 2011, 838 , 839 = WRP 2011, 1438 - Zahnarzt für Implantologie; Kammerbeschluss vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11, GRUR 2012, 72 , 73 = WRP 2011, 1435 - Zahnärztehaus; Kammerbeschluss vom 7. März 2012 - 1 BvR 1209/11, GesR 2012, 360, 361 = MedR 2012, 516 - Zentrum für Zahnmedizin).

(2) Die in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 der Berufsordnung enthaltene Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil das dort statuierte abstrakte Verbot zwar geeignet ist, dem Zweck zu dienen, die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen von merkantilen Erwägungen zu gewährleisten, insoweit aber weder ein erforderliches noch ein angemessenes Mittel darstellt, um diesen Zweck zu erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits die in § 18 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Fall 2 und Satz 4 der Berufsordnung enthaltenen Regelungen dazu bestimmt und geeignet sind, dem genannten Zweck zu dienen. Diese sehen ein Verbot der Umgehung des § 31 der Berufsordnung und im Grundsatz eine Gewinnverteilung vor, die dem Anteil der persönlich erbrachten Dienstleistungen entspricht. Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine nach diesen Bestimmungen unzulässige Zusammenarbeit vorliegt, bei demjenigen, der - wie im Streitfall die Klägerin - die Unzulässigkeit geltend macht. Diese Darlegungs und Beweislast ist hier allerdings dadurch gemildert, dass die Beklagte insoweit eine sekundäre Darlegungslast trifft. Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass nicht bereits die in § 18 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Fall 2 und Satz 4 der Berufsordnung enthaltenen Regelungen einen effektiven Schutz vor Formen der beruflichen Zusammenarbeit von Ärzten gewährleisten, bei denen die Unabhängigkeit der dabei zu treffenden ärztlichen Entscheidungen durch merkantile Erwägungen beeinträchtigt wird.

Das in § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 1 statuierte Verbot ist auch nicht im Hinblick auf die besondere Anfälligkeit der medizinischtechnischen Überweisungsfächer für "kickback-Leistungen" gerechtfertigt; denn die Ärztekammern verfügen über verhältnismäßigere Kontrollmechanismen und können sich etwa die Gesellschaftsverträge zur Prüfung vorlegen lassen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 5 der Berufsordnung) sowie erforderlichenfalls mit berufsrechtlichen Mitteln gegensteuern (vgl. Ratzel/Möller/Michels, MedR 2006, 377, 380 f.).

3. Das mit der Revision angefochtene Urteil des Berufungsgerichts hat danach weder mit der von diesem gegebenen Begründung noch, da das Berufungsgericht insoweit - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, aus anderen Gründen Bestand; es ist deshalb aufzuheben (§§ 561 , 562 Abs. 1 ZPO ).

Da sich die Klägerin im zweiten Rechtszug weiterhin dagegen gewandt hat, dass das Landgericht auch Verstöße gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 2 und gegen § 31 der Berufsordnung verneint hat, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Der Senat hat davon abgesehen, die Klage mit den Unterlassungsanträgen zu 1 und 2 bereits jetzt abzuweisen, weil diese Anträge in den Unterlassungsanträgen zu 3 und 4 wieder aufgegriffen werden und die Klägerin das Verhältnis der Anträge 3 und 4 zu den Anträgen 1 und 2 klarstellen muss.

III. In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben:

1. Das Berufungsgericht wird nach den vorstehend dargestellten Maßstäben (Rn. 13) zu prüfen haben, ob die weiteren, hilfsweise gestellten Unterlassungsanträge zu 3 und 4, mit denen sie einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 2 der Berufsordnung aufgegriffen hat, hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind. Die Bedenken gegen die weite Fassung dieser Unterlassungsanträge könnten zurückzustellen sein, wenn sich entweder das Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungsform orientiert oder eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung hinzunehmen ist, um Rechtsschutz im Hinblick auf eine unzulässige geschäftliche Handlung zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Rn. 16 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für "Individualverträge").

2. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts war die Vernehmung des Zeugen Dr. H. zu der von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11. April 2012 aufgestellten Behauptung, die Tätigkeit der Radiologen innerhalb der Beklagten bestehe überwiegend darin, den anderen Ärzten beratend zur Seite zu stehen und Meinungen zu Fremdbefunden und Fremdbildern zu äußern, deshalb verzichtbar, weil diese Behauptung in Widerspruch zu der Darstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 29. Februar 2012 stand, die Tätigkeit der Radiologen sei im Wesentlichen auf die Osteodensitometrie beschränkt.

Sollte es im wiedereröffneten Berufungsrechtszug im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 Fall 2 der Berufsordnung hierauf ankommen, wird das Berufungsgericht den von der Beklagten in dieser Hinsicht gehaltenen und unter Beweis gestellten Vortrag nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Die von ihm angenommene Widersprüchlichkeit des Vorbringens der Beklagten änderte daran nichts und rechtfertigte insbesondere nicht die Nichterhebung des angebotenen Beweises. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern und insbesondere auch zu berichtigen. Eine etwaige Widersprüchlichkeit im Parteivortrag ist allein im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. April 2013 - I ZR 66/12, TranspR 2014, 80 Rn. 41 mwN). Die Zurückweisung eines Beweisantrags für beweiserhebliche Tatsachen ist nur dann zulässig, wenn entweder die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder die Bezeichnung der Tatsache zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber "ins Blaue hinein" aufgestellt ist und der Beweisantrag sich deshalb als rechtsmissbräuchlich darstellt oder ein Beweisantrag gestellt wird, um bei Gelegenheit der beantragten Beweisaufnahme Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die genaueres Vorbringen oder die Benennung weiterer Beweismittel erst ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - I ZR 180/11, TranspR 2013, 290 Rn. 39 = VersR 2014, 219; BGH, TranspR 2014, 80 Rn. 41, jeweils mwN). Im Streitfall liegt keiner dieser Fälle vor.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. Mai 2014

Vorinstanz: LG Mosbach, vom 22.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 13/10
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 27.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 15/11
Fundstellen
GRUR 2014, 791
MDR 2014, 914
NJW-RR 2014, 1188
NZS 2014, 599
WM 2014, 1775
WRP 2014, 844