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BGH - Entscheidung vom 20.05.2014

II ZR 290/13

Normen:
HGB § 105 Abs. 3
HGB § 161 Abs. 2
HGB § 171 Abs. 1
HGB § 172 Abs. 4 S. 1
BGB § 305c Abs. 2

BGH, Urteil vom 20.05.2014 - Aktenzeichen II ZR 290/13

DRsp Nr. 2014/11574

Subsidiäre Haftung der Kommanditisten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus sog. Drittgeschäften mit Gesellschaftern

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. August 2013 teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 6. Februar 2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.883,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

Normenkette:

HGB § 105 Abs. 3 ; HGB § 161 Abs. 2 ; HGB § 171 Abs. 1 ; HGB § 172 Abs. 4 S. 1; BGB § 305c Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten "E. KG (GmbH & Co.)" (im Folgenden: KG), einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Die Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditistin beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der KG in Anspruch.

Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgende Regelung:

"Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt."

Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik "Rechtsform und Haftung" folgende Hinweise:

"... Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.

Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen."

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darlehen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.

Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der KG in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinbarungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis 30. August 2011.

Die auf Zahlung von 8.883,70 € gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Über die Revision ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 , 81).

Die Revision der Klägerin hat weitgehend Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar habe die Beklagte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 8.883,70 € erhalten, die auch haftungsschädlich im Sinne von § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 HGB gewesen seien, da den Anlegern bereits 1993 planmäßig ein Verlust in Höhe von etwa 80 % der geleisteten Einlage zugewiesen worden sei. Der Klägerin habe gegen die KG eine fällige Zinsforderung in Höhe von ursprünglich 500.000 € zugestanden, die nach Eingang von Zahlungen anderer Kommanditisten noch in Höhe von 59.810,82 € bestehe.

Einem Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten stehe aber die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaftern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB umfasse. Der potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.

Die Beklagte könne die Klägerin ferner darauf verweisen, in erster Linie die KG in Anspruch zu nehmen. Kommanditisten hafteten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus sogenannten Drittgeschäften mit Gesellschaftern lediglich subsidiär. Dass eine Inanspruchnahme der KG aussichtslos wäre, weil sie den von der Stundung ausgenommenen Zinsanteil nicht aufbringen könne, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft der KG rechtfertige im vorliegenden Fall keine andere Beurteilung, da die Klägerin einen dominierenden Einfluss auf die Geschäftsführung der KG habe.

Schließlich verstoße eine Inanspruchnahme der Beklagten gegen § 242 BGB . Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gegenüber ihren Mitgesellschaftern verbiete es jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls, dass die Klägerin ihre drohenden Verluste auf die Anleger abwälze. Die Klägerin schiebe bewusst die Insolvenz der KG durch die Stundungsvereinbarungen hinaus, lasse aber jeweils einen Teilbetrag der Zinsen fällig, um gegen die Mitkommanditisten vorgehen zu können. Käme es stattdessen zu einem Insolvenzverfahren, müssten die Kommanditisten die Ausschüttungen zwar auch zurückzahlen, hätten aber nicht die mit der klageweise Geltendmachung verbundenen Nachteile. Zum anderen sei es aufgrund der wieder erreichten Vollvermietung der Immobilie denkbar, dass eine Insolvenz auch ohne die Rückzahlungen vermieden werden könne. Treuwidrig sei auch, dass die Klägerin lediglich einen Teil der Kommanditisten in Anspruch nehme, ohne dass für die Auswahl nachvollziehbare Kriterien ersichtlich seien.

II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.

1. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen. Die Vertragsklausel ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2 , § 105 Abs. 3 HGB , § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 19 ff.).

2. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, zunächst die KG in Anspruch zu nehmen, bevor sie ihre Drittgläubigerforderung gegen die Kommanditisten geltend macht. Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. Zwar ist anzuerkennen, dass ein Gesellschafter, wenn möglich, nicht sein eigenes Vermögen einsetzen soll, vielmehr Gesellschaftsschulden vor allem aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem Gesellschafter-Gläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft gemäß § 110 HGB , wenn er die Gesellschaftsschuld begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen (Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB , 2. Aufl., § 110 Rn. 33; MünchKommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 128 Rn. 35 mwN). Ist die Gesellschaft zur Zahlung bereit und in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst wenn sich der Gesellschafter-Gläubiger direkt an ihn wendet. Kann oder will die Gesellschaft ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der Gesellschafter auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 34).

3. Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt die Klägerin auch sonst nicht gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb gegenüber den Kommanditisten auf ihre Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirtschaftliche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu dürfen. Sie sind im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auflegt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurückfordern wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin anders zu behandeln wäre als andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, wen sie in Anspruch nimmt (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 36 ff.).

III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO ).

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe der ihm gewährten Ausschüttungen von 8.883,70 € gemäß § 171 Abs. 1 , § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB zu, weil ihre Einlage teilweise zurückbezahlt worden ist, so dass ihre persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der KG in diesem Umfang wiederaufgelebt ist.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin ein fälliger Zinsanspruch gegen die KG zusteht, der den von der Beklagten geforderten Betrag übersteigt, der Anspruch noch nicht durch Zahlungen anderer in Anspruch genommener Kommanditisten getilgt wurde und die Beklagte Ausschüttungen in Höhe der Klagesumme erhalten hat, durch die ihr die Einlage zurückbezahlt wurde. Gegen diese Feststellungen hat die Beklagte keine Einwände erhoben.

2. Verzugszinsen sind der Klägerin allerdings erst ab dem 1. November 2011 und nicht wie beantragt ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Klägerin hat ihren Anspruch gegen die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2011 auf den Zinsanspruch in Höhe von 500.000 € für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis 30. August 2011 gestützt. Nachdem der bis dahin geltend gemachte Zinsanspruch gestundet worden war, ist die Beklagte erst mit Zugang dieses Schriftsatzes in Verzug geraten. Der Schriftsatz wurde ausweislich der Akten vom Klägervertreter direkt an den Beklagtenvertreter versandt. Daher kann vom Zugang des Schreibens am zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post (vgl. § 270 Satz 2 ZPO ), mithin am 31. Oktober 2011, einem Montag, ausgegangen werden. Die Klägerin hat daher erst ab 1. November 2011 einen Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß § 280 Abs. 1 , Abs. 2 , §§ 286 , 289 Satz 2 BGB . Gegen die Höhe des geltend gemachten Verzugsschadens hat die Beklagte keine Einwände erhoben.

Rechtsmittelbelehrung:

...

Von Rechts wegen

Verkündet am: 20. Mai 2014

Vorinstanz: OLG Celle, vom 07.08.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 37/13
Vorinstanz: LG Stade, vom 06.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 186/11