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BGH - Entscheidung vom 18.12.2014

V ZB 192/13

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 18.12.2014 - Aktenzeichen V ZB 192/13

DRsp Nr. 2015/3139

Notwendigkeit eines zulässigen Haftantrags für die Anordnung und die Aufrechterhaltung einer Haft

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. November 2013 und der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Hessen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste am 15. Januar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. Februar 2012 einen Asylantrag. Nach der Zustimmung der italienischen Behörden zur Rückübernahme des Betroffenen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 7. September 2012 den Asylantrag des Betroffenen als unzulässig ab und ordnete dessen Abschiebung nach Italien an.

Nach dem Scheitern zweier Rücküberstellungsversuche hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde am 18. November 2013 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis einschließlich 22. Dezember 2013 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 22. November 2013 zurückgewiesen. Im Dezember 2013 hat der Senat die Vollziehung der Sicherungshaft einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene will mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung erreichen, dass die Anordnung der Haft und deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht seine Rechte verletzt haben.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft lägen vor, insbesondere sei der Haftantrag zulässig. Auch entspreche die Unterbringung des Betroffenen in einer speziellen Abteilung innerhalb der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I den Vorgaben des § 62a AufenthG .

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG ) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht und deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigem Haftantrag fehlte und dieser Mangel während des Verfahrens nicht behoben wurde.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 - V ZB 127/13, [...] Rn. 6, vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 15, vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10, vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, [...] Rn. 4 und vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält. Die Begründung erschöpft sich in diesem Punkt auf den Hinweis, dass das Rückübernahmeverfahren mit Italien erneut einzuleiten sei, wofür mindestens vier Wochen veranschlagt werden müssten. Zudem müsse eine Sicherungsbegleitung organisiert werden. Daher sei die beantragte Haft von sechs Wochen erforderlich und angemessen. Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, welche Schritte die beteiligte Behörde für die Durchführung der Zurückschiebung für notwendig hielt. Offen bleibt insbesondere, ob es sich hierbei nur um technische Einzelheiten, wie die Abstimmung des Überstellungszeitpunkts mit den italienischen Behörden, die Buchung des Flugs und die Einsatzplanung für eine Begleitung handelt und aus welchen Gründen für diese Vorgänge ein Zeitraum von mehreren Wochen auszusetzen ist.

b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angabe zu der erforderlichen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG ) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrages erlassenen Haftanordnung (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 18 ff.). Sie können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Die Behebung des Mangels kann dadurch erfolgen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegung ergänzt, dadurch die Lücken des Haftantrags schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann. Der Mangel kann aber auch dadurch behoben werden, dass das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG ) in dem Beschluss feststellt (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, aaO, Rn. 21 ff.).

Eine solche Heilung des Mangels ist hier jedoch nicht eingetreten. Das Beschwerdegericht hat zwar die Feststellungen getroffen, dass die Überstellung für den 12. Dezember 2013 organisiert ist und auch ein Laissez-Passer für den Betroffenen vorliegt. Das führt indessen noch nicht zu einer Heilung des unzulässigen Haftantrages. Vielmehr muss der Betroffene im Anschluss an die gerichtliche Ermittlung von Tatsachen, die die Lücken des Haftantrages schließen, gemäß § 420 Abs. 1 FamFG angehört werden, woran es vorliegend fehlt. Die Anhörung des Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen nach § 420 Abs. 1 FamFG dient der Verwirklichung der in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechte eines Betroffenen. Danach darf die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhörung zu den Grundlagen der Haftanordnung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG , sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 10 und vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13, FGPrax 2014, 130 Rn. 25).

2. Ferner hat die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen auch deshalb in seinen Rechten verletzt, weil abzusehen war, dass die Haft in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I und damit unter Verletzung der im Lichte von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG auszulegenden Vorschrift des § 62a Abs. 1 AufenthG vollzogen werden würde (Senat, Beschluss vom 17. September 2014 - V ZB 56/14, [...] Rn. 4 f.).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Frankfurt am Main, vom 18.11.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 934 XIV 482/13
Vorinstanz: LG Frankfurt am Main, vom 29.11.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 29 T 319/13