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BGH - Entscheidung vom 05.02.2014

IV ZB 34/13

Normen:
ZPO § 233
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 85 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 05.02.2014 - Aktenzeichen IV ZB 34/13

DRsp Nr. 2014/3553

Ausreichende Ausgangskontrolle bei Versendung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax

1. Erfolgt nach einer wirksamen Zustellung eine weitere Zustellung, ist hinsichtlich einer gesetzlichen Frist die erste wirksame Zustellung maßgebend. 2. Eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht kommt nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war. 3. In einem Fall, in dem am letzten Tag einer laufenden Frist das fristwahrende Telefax durch das Büropersonal des Prozessbevollmächtigten übermittelt wird und dieses auf telefonische Nachfrage durch die Geschäftsstelle des Gerichts erfährt, dass jedenfalls dort noch kein Telefax eingegangen ist, kann sich der Anwalt nur dann auf eine wirksame Ausgangskontrolle berufen, wenn durch eine entsprechende Anweisung festgelegt worden ist, dass eine erneute Nachfrage beim Gericht erfolgt und der Schriftsatz gegebenenfalls noch einmal per Fax übermittelt wird.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München 13. Zivilsenat vom 7. Oktober 2013 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 16.960 €

Normenkette:

ZPO § 233 ; ZPO § 520 Abs. 2 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2 ;

Gründe

I. Die Beklagte begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Landgerichts wurde dem Beklagtenvertreter zunächst per Fax am 17. Juni 2013 und ein weiteres Mal am 20. Juni 2013 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013, eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag, legte die Beklagte Berufung ein. In einer von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Berufungs gerichts gefertigten Verfügung wurde das zunächst maschinenschriftlich eingetragene Zustellungsdatum 17. Juni 2013 handschriftlich auf den 20. Juni 2013 geändert, ebenso das Fristende für die Berufungsbegründungsfrist vom 19. August 2013 auf den 20. August 2013 korrigiert. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. August 2013, eingegangen beim Berufungsgericht am 20. August 2013, beantragte die Beklagte, die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 9. September 2013 zu verlängern. Das Berufungsgericht gab dem Antrag mit Verfügung vom 20. August 2013 statt. Am 22. August 2013 erteilte das Berufungsgericht einen Hinweis, dass die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig sein dürfte.

Zur Begründung ihres zusammen mit der Berufungsbegründu ng am 9. September 2013 beim Berufungsgericht eingegangenen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihrer damaligen Rechtsanwältin sowie einer Rechtsanwaltsfachangestellten und unter Vorlage des Faxberichts vorgetragen, ihre Rechtsanwältin habe die Rechtsanwaltsfachangestellte am Vormittag des 19. August 2013 angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen bei Gericht verlängern zu lassen. Der Fristverlängerungsantrag sei dann gefertigt, durch die Rechtsanwältin unterschrieben und durch die Rechtsanwaltsfachangestellte vorab per Telefax versandt worden. Auf einen Anruf der Rechtsanwaltsfachangestellten beim Berufungsgericht, über den sie die Rechtsanwältin unterrichtet habe, sei ihr mitgeteilt worden, es sei noch kein Telefax in der Geschäftsstelle des Senats eingegangen. Die Sachbearbeiterin der Geschäftsstelle habe erklärt, dass sie die Post allerdings erst am späten Nachm ittag erhalte und einer Verlängerung der Frist bei einem ersten Antrag nichts im Wege stehen dürfte. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe daraufhin das Faxprotokoll geprüft, die Seitenzahl "2" gesehen und sei davon ausgegangen, dass das Fax durchgegangen sei. Eine derartige Überprüfung der Anzahl der Seiten und des Faxprotokolls entspreche der Anweisung der Rechtsanwältin. Anschließend habe sie die Frist im Fristensystem als erledigt markiert und den Schriftsatz per Post versandt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II. Die nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist eine Entscheidung des Senats insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO erforderlich.

1. Die Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO versäumt. Das erstinstanzliche Urteil ist ihren Prozessbevollmächtigten wirksam am 17. Juni 2013 zugestellt worden. Unerheblich ist, dass eine weitere Zustellung am 20. Juni 2013 erfolgt ist, da die erste wirksame Zustellung maßgebend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2005 IX ZB 147/01, NJW -RR 2006, 563 unter II 1; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 34. Aufl. § 517 Rn. 2). Die Frist für die Berufungsbegründung endete daher gemäß § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, dem 19. August 2013. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte weder eine Berufungsbegründung eingereicht noch einen Fristverlängerungsantrag gestellt. Auf ihren beim Berufungsgericht erst am 20. August 2013 eingegangenen Verlängerungsantrag kam es daher nicht mehr an. Ebenso wenig konnte die vom Berufungsgericht mit Verfügung vom 20. August 2013 gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. September 2013 die Fristversäumung verhindern. Eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht kommt nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 VI ZB 26/91, BGHZ 116, 377 , 378; Zöller/He ßler, ZPO 30. Aufl. § 520 Rn. 16a).

2. Revisionsrechtlich beanstandungsfrei hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO nicht in Betracht kommt, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch die Beklagte, die sich das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, nicht unverschuldet war.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendepro tokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2012 IV ZB 20/12, NJW -RR 2013, 305 Rn. 9; vom 12. Mai 2010 IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rn. 11). Erforderlich hierfür ist, dass der Rechtsanwalt seinen Büroangestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, um auf dessen Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung prüfen zu können (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 XII ZB 59/10, NJW -RR 2010, 1648 Rn. 12, 16). Diese Überprüfung hat insbesondere im Hinblick auf den so genannten "OK-Vermerk" des Sendeprotokolls zu erfolgen (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2012 aaO Rn. 9 f.; vom 16. Dezember 2009 IV ZB 30/09, r+s 2010, 307 Rn. 11 f.; Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 233 Rn. 23 "Telefax"). Nur wenn insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal ergangen und klare Zuständigkeiten festgelegt sind sowie eine mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals erfolgt, darf der Anwalt dara uf vertrauen, dass das zuständige Büropersonal die ihm übertragene Aufgabe des Fristenwesens ordnungsgemäß erfüllt (BGH, Beschlüsse vom 12. September 2012 XII ZB 528/11, NJW -RR 2013, 304 Rn. 10; vom 5. Februar 2003 VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815 unter II 3 a). Lediglich in diesen Fällen ist es dem Anwalt nicht als eigenes Verschulden anzulasten, wenn seine Angestellten im Einzelfall die Fristen- oder Ausgangskontrolle nicht oder nicht sorgfältig durchführen.

b) Ob die von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgenommene Organisation, Anweisung und Kontrolle der Übermittlung der fristwahrenden Schriftsätze durch Telefax diesen allgemeinen Anforderungen genügt, kann offen bleiben. Jedenfalls fehlt eine klare und unmissverständliche Anweisung für den hier zu beurteilenden Fall, dass das Telefax durch das Büropersonal übermittelt wird und dieses auf telefonische Nachfrage durch die Geschäftsstelle des Gerichts erfährt, dass jedenfalls dort noch kein Telefax eingegangen ist. In einem derartigen Fall ist nicht sichergestellt, dass das Telefax ordnungsgemäß übermittelt worden ist. Dann muss durch eine entsprechende Anweisung festgelegt werden, dass eine erneute Nachfrage beim Gericht erfolgt und der Schriftsatz gegebenenfalls noch einmal per Fax übermit telt wird. Die Beklagte selbst behauptet nicht, dass ihre Prozessbevollmächtigte , die von diesem Vorgang Kenntnis hatte, entsprechende Anweisungen erteilt hätte. Schon gar nicht hat die Prozessbevollmächtigte selbst, nachdem sie von dem nicht erfolgten Eingang beim Berufungsgericht Kenntnis erlangt hatte, vor Verlassen des Büros an diesem Tag dafür gesorgt, dass die Berufungsbegründung noch rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingeht.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat sich das Berufungsgericht mit seiner Auffassung auch nicht in Widerspruch zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. September 2012 gesetzt ( XII ZB 528/11, NJW -RR 2013, 304 ). Der Bundesgerichtshof hat dort entschieden, der Rechtsanwalt genüge seinen Pflichten nur dann, wenn er eine fachlich einwandfreie Kanzleiorganisation sicherstelle und seine mit der Fristen- und Ausgangskontrolle betrauten Angestellten sorgfältig aussuche und etwa durch Stichproben kontrolliere (aaO Rn. 10). Hier fehlt es indessen wie oben dargelegt bereits an einer einwandfreien Kanzleiorganisation im Sinne dieser Rechtsprechung.

c) Schließlich entfällt die Ursächlichkeit des schuldhaften Verhaltens der Beklagten für die Fristversäumnis auch nicht durch ein eigenes Fehlverhalten des Berufungsgerichts (hierzu Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 233 Rn. 22a). Dies gilt schon deshalb, weil ein für die Versäumung der Frist kausales Fehlverhalten des Gerichts nicht festgestellt werden kann. Soweit die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts in der Verfügung vom 17. Juli 2013 fehlerhaft das maschinenschriftlich vermerkte Zustellungsdatum 17. Juni 2013 handschriftlich in 20. Juni 2013 geändert hat, ist nicht ersichtlich, dass diese Verfügung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde und sie daher irrig davon ausging, die Frist zur Berufungsbegründung ende erst am 20. August 2013. Ausweislich der Verfügung erhielt die Prozessbevollmächtigte der Beklagten lediglich formlos eine Eingangsmitteilung. In ihrem eigenen Fristverlängerungsantrag vom 19. August 2013 war sie zunächst auch selbst von einer Frist zur Berufungsbegründung bis zum 19. August 2013 ausgegangen und hatte erst in einem weiteren Schriftsatz vom 20. August 2013 darauf verwiesen, nach nochmaliger Recherche sei festgestellt worden, dass das landgerichtliche Urteil erst am 20. Juni 2013 zugestellt worden sei. Letzteres ist indessen nicht zutreffend. Tatsächlich war die erste und wirksame Zustellung bereits am 17. Juni 2013 erfolgt.

Vorinstanz: LG München II, vom 21.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 5534/09
Vorinstanz: OLG München, vom 07.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 2805/13