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BGH - Entscheidung vom 13.03.2014

III ZR 91/13

Normen:
GVG § 198 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 Nr. 1
BGB §§ 1684, 1686
GVG § 198 Abs. 1 S. 2
GVG § 198 Abs. 2 S. 4

Fundstellen:
FamRB 2014, 290
FamRZ 2014, 933
FuR 2014, 4
MDR 2014, 534
NJW 2014, 1816

BGH, Urteil vom 13.03.2014 - Aktenzeichen III ZR 91/13

DRsp Nr. 2014/5570

Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Umgangsrechtsverfahrens

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren.b) Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren) vorliegt, führt nicht "automatisch" dazu, dass die Entschädigungspauschale (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG ) nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu erhöhen ist. Vielmehr ist es auch in diesem Fall erforderlich, dass die "Umstände des Einzelfalls" den Pauschalsatz als unbillig erscheinen lassen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.

Normenkette:

GVG § 198 Abs. 1 S. 2; GVG § 198 Abs. 2 S. 4;

Tatbestand

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens zur Regelung des Umgangs mit seinem am 29. November 1994 außerhalb einer Ehe geborenen Sohn C. in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.

Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Familiengericht dauerte nahezu zwei Jahre und acht Monate, während das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht nach acht Monaten beendet war.

Bereits vor Einleitung des streitgegenständlichen Umgangsrechtsverfahrens herrschte zwischen den Kindeseltern ein jahrelanger, in mehreren Gerichtsverfahren ausgetragener Streit über die Besuchskontakte des Klägers zu seinem Sohn.

Auf Anregung des Jugendamts entzog das Familiengericht dem Kläger durch einstweilige Anordnung vom 14. September 2007 vorläufig das Umgangsrecht, da unbelastete Umgangskontakte auf Grund der ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern nicht möglich waren, das Kind Verhaltensweisen mit Krankheitswert zeigte und sogar Suizidabsichten äußerte. Die am 31. Oktober 2007 durchgeführte Anhörung der Kindeseltern und des Amtsarztes führte dazu, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn "vorerst bis längstens 31. März 2008" ausgesetzt wurde, um die Begutachtung des Kindes durch eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu ermöglichen. Der Kläger war mit dieser Verfahrensweise einverstanden. Der bereits am 23. Januar 2008 erstellte Klinikbericht wurde im Mai 2008 dem Familiengericht zugeleitet. Dieses ordnete sodann am 17. Juli 2008 an, dass der Umgang im Interesse des Kindeswohls weiter ausgesetzt werde und eine (abschließende) gutachterliche Stellungnahme des Gesundheitsamts einzuholen sei. Nach Richterwechsel fand am 29. Oktober 2008 ein weiterer Anhörungstermin statt, in dem sich der als Sachverständiger befragte Amtsarzt im Interesse des Kindeswohls gegen Besuchskontakte des Klägers aussprach. Vor diesem Hintergrund schlug das Familiengericht unter anderem vor, der Kläger solle künftige Besuche behutsam durch Briefkontakte vorbereiten. Darauf ging der Kläger jedoch nicht ein. Mit Beschluss vom 28. November 2008 bestellte das Gericht eine berufsmäßige Verfahrenspflegerin für das Kind. Diese erstellte in der Folgezeit einen umfangreichen Bericht, den sie am 6. Februar 2009 zu den Akten reichte und in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein erzwungener Umgang eine Kindeswohlgefährdung darstelle. Nachdem ein auf den 6. Mai 2009 bestimmter Anhörungstermin auf Antrag des Klägers verlegt werden musste und er zudem mit Schreiben vom 5. Mai 2009 mitgeteilt hatte, dass er einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe, verfügte die zuständige Richterin am 5. Juni 2009, ihr die Akte nach vier Wochen wieder vorzulegen. Im Hinblick auf ein Schreiben des Klägers vom 15. Juni 2009 notierte die Richterin am 22. Juni 2009 eine neue Wiedervorlagefrist von vier Wochen ("Stellungnahme RA R."). Mit Verfügung vom 30. September 2009 setzte sie, nachdem bis dahin eine anwaltliche Stellungnahme nicht eingegangen war, den Kläger hiervon in Kenntnis und bestimmte eine weitere Wiedervorlagefrist von zwei Wochen. Am 2. Dezember 2009 fand sodann ein "Abschlusstermin" statt. Wenige Tage zuvor hatte sich der vom Kläger angekündigte Verfahrensbevollmächtigte erstmals gemeldet und schriftlich mehrere Anträge zum Umgangsrecht gestellt. Außerdem machte er einen Anspruch auf vierteljährliche Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des Kindes geltend. Am 3. Dezember 2009 hörte die Familienrichterin das Kind persönlich an und fertigte darüber ein ausführliches Protokoll. Mit Beschluss vom 28. April 2010 entschied das Familiengericht in der Hauptsache, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn bis auf weiteres ausgesetzt werde. Eine Entscheidung über den Auskunftsanspruch unterblieb versehentlich und wurde mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 nachgeholt.

Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2010 legte der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. April 2010 ein und begründete diese unter dem 5. Juli 2010. Nach Gewährung von Stellungnahmefristen für die übrigen Beteiligten hörte das Oberlandesgericht am 17. November 2010 das Kind an und verhandelte am 23. November 2010 abschließend. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010, der an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Dezember 2010 zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Anhörungsrüge und Gegenvorstellung des Klägers vom 10. Januar 2011 blieben erfolglos. Sie wurden mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der das Verfahren beendende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 wurde ihm am 27. Dezember 2011 zugestellt.

Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 4. November 2010 und 13. Oktober 2011 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ( EGMR ) erhoben und die überlange Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens gerügt.

Die vorliegende Entschädigungsklage, die dem Beklagten am 25. Juni 2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 11. Mai 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht.

Er hat geltend gemacht, das erstinstanzliche Verfahren sei um etwa 25 Monate, das Auskunftsverfahren um neun Monate und das Beschwerdeverfahren um vier Monate verzögert. Die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsrechtsverfahrens betrage lediglich 6,8 Monate. Da sein Umgangsrecht durch die überlange Verfahrensdauer faktisch entwertet worden sei, entspreche eine Entschädigung in Höhe von 13.400 € der Billigkeit (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ).

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 1.500 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe gegen das beklagte Land gemäß § 198 Abs. 1 , 2 GVG ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Umgangsrechtsverfahrens in Höhe von 1.500 € zu. Die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG sei nach Art 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anwendbar, da das innerstaatliche Ausgangsverfahren erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 27. Dezember 2011 beendet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Beschwerdeverfahren beim EGMR bereits eingeleitet gewesen.

Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich von der Einleitung des Umgangsrechtsverfahrens am 14. September 2007 bis zur Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010.

Für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sei nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Annahme fester Zeitgrenzen komme ebenso wenig in Betracht wie die Heranziehung der durchschnittlichen Dauer von Verfahren einer bestimmten Art. Es sei dem Kläger deshalb verwehrt, für die Berechnung seines Entschädigungsanspruchs lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer bei Umgangssachen abzustellen.

Eine unangemessene Verfahrensdauer liege regelmäßig dann vor, wenn sachlich nicht begründete Lücken in der Verfahrensförderung vorlägen. Im Streitfall habe es sich um ein komplexes Verfahren gehandelt, bei dem das Zeitmoment wegen der Gefahr der Entfremdung zwischen dem Kläger und seinem Sohn wesentlich sei. Unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Klägers, der zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen zu den Akten gereicht habe, und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommendem Freiraums könne eine sachwidrige Verzögerung des Beschwerdeverfahrens nicht festgestellt werden. Allein die Verfahrensführung durch das Amtsgericht habe zu einer entschädigungspflichtigen Gesamtverzögerung des Verfahrens im Umfang von acht Monaten geführt, insbesondere durch die unzureichende Verfahrensförderung in Bezug auf den Bericht der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 23. Januar 2008, die verspätete Bestellung der Verfahrenspflegerin und die zwischen den Verfügungen vom 22. Juni und 30. September 2009 liegende, sachlich nicht gerechtfertigte "Lücke".

Die nach dem Pauschalsatz des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sich ergebende Entschädigung von 800 € sei unbillig im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG . Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine Kindschaftssache sei und das Familiengericht über den parallel geltend gemachten Auskunftsanspruch zunächst nicht entschieden habe, sei eine moderate Erhöhung des Entschädigungsbetrags auf 1.500 € geboten. Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG liege nicht vor. Die zusätzliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer könne der Kläger deshalb nicht verlangen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG ) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits abgeschlossen waren, wenn deren Dauer zu einer nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässigen Beschwerde vor dem EGMR geführt hat (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 9, 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene familiengerichtliche Verfahren wurde durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010 und 17. Februar 2011, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet. Damit war der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft (Art. 35 Abs. 1 EMRK ). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auf die Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 nicht an. Wird die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht, stellt die Verfassungsbeschwerde keinen effektiven Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar. Ein Beschwerdeführer ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen ( EGMR , NJW 2006, 2389 Rn. 105 ff und NVwZ 2008, 289 Rn. 64 ff; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK , Art. 35 Rn. 34, 57; Meyer-Ladewig, EMRK , 3. Aufl., Art. 13 Rn. 38, Art. 35 Rn. 19). Da der Kläger die Verfahrensdauer bereits mit Individualbeschwerde vom 4. November 2010 gerügt hatte, wurde die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt. Dem steht nicht entgegen, dass der innerstaatliche Rechtsweg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschöpft war (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 3, 35, 52 ff). Die nach Fristablauf eingelegte (erneute) Beschwerde vom 13. Oktober 2011 ist lediglich als jederzeit mögliche Ergänzung der bereits zulässig erhobenen Beschwerde anzusehen (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 17). Dementsprechend wurde sie beim EGMR unter demselben Aktenzeichen geführt.

Durch die am 11. Mai 2012 eingereichte und am 25. Juni 2012 zugestellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 ÜGRG eingehalten (§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 167 ZPO ).

2. Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht hätte die nachgeholte Entscheidung des Familiengerichts über den zunächst übersehenen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 1686 BGB als gesondert zu entschädigendes Verfahren behandeln müssen, bleibt ohne Erfolg.

§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im Sinne der Entschädigungsregelung. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren. Vielmehr geht das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 20). Lediglich für den Bereich des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens fingiert § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 3 GVG , dass jeder Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 49). In zeitlicher Hinsicht ist der gesamte Zeitraum von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren zu behandeln (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 21).

Nach diesem Maßstab ist der Antrag auf Auskunftserteilung (§ 1686 BGB ), den der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 30. November 2009 kumulativ neben weiteren Anträgen in dem familiengerichtlichen Umgangsrechtsverfahren gestellt hat (dazu Palandt/Götz, BGB , 73. Aufl., § 1686 Rn. 1), nicht als Einleitung eines getrennt zu betrachtenden Gerichtsverfahrens anzusehen. Vielmehr sollte darüber in dem bereits anhängigen Umgangsrechtsverfahren entschieden werden. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Familiengericht erstmals in dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 sachlich mit dem Auskunftsantrag befasst hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet. Das Oberlandesgericht hatte zwischenzeitlich die Akten zur Entscheidung über das Auskunftsbegehren an das Familiengericht zurückgesandt. Das Umgangsrechtsverfahren wurde parallel in der zweiten Instanz fortgeführt und im Dezember 2010 durch Zurückweisung der Beschwerde des Klägers abgeschlossen.

3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht über die festgestellte Verzögerung von acht Monaten hinaus eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die diesbezügliche Verfahrensförderung durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens weist keine entschädigungsrechtlich relevanten Lücken auf. Durch die zunächst unterbliebene Entscheidung über den Auskunftsanspruch wurde die Gesamtverfahrensdauer - wie unter 2. dargelegt - nicht verlängert.

a) Die Rüge, das Oberlandesgericht hätte bei der Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht auf die konkreten Fallumstände, sondern auf die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsverfahrens, die bei 6,8 Monaten liege, abstellen müssen, greift nicht durch.

aa) Für die Feststellung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3702 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung, die nicht zum Selbstzweck werden darf, gegenläufigen Rechtsgüter, wobei vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters in den Blick zu nehmen sind. Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28 , 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

bb) Eine abstraktgenerelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern.

Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Ein nach Verfahrensarten oder -gegenständen, nach Schwierigkeitsgraden oder in ähnlicher Weise ausdifferenziertes System fester "Normwerte" scheidet deshalb aus (vgl. Maidowski, JM 2014, 81, 82). Die Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt (dazu Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 236 ff) und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Feste Zeitvorgaben können auch der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei Meyer-Ladewig aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls keine festen Zeitgrenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811 , 2812 und NJW 2013, 3630 Rn. 30, 32 mwN).

Der Verzicht auf allgemeingültige Zeitvorgaben schließt es auch regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer Durchschnittswerte zu ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kommt es auf die "angemessene" und nicht auf die "durchschnittliche" Verfahrensdauer an. Daneben ist zu bedenken, dass § 198 GVG nicht nur einzelfallbezogene "Ausreißer" erfasst, sondern auch dann eingreift, wenn die Verzögerung auf strukturellen Problemen (zum Beispiel unzureichende Personalausstattung der Justiz) beruht. Die Ermittlung aussagekräftiger Vergleichswerte, die keine solchen "Systemfehler" enthalten, stellt sich als schwierig dar, zumal die Verschiedenartigkeit der einzelnen Verfahrensarten eine einheitliche Betrachtung verbietet. Selbst brauchbare statistische Durchschnittswerte sind nur bedingt taugliche Parameter und können ohne eine Einzelfallbetrachtung nicht zur Grundlage einer Entschädigungsentscheidung gemacht werden. Deshalb reicht es - entgegen der Revision - für die Berechnung eines Entschädigungsanspruchs nicht aus, lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer hinzuweisen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 26; Heine MDR 2013 1081, 1085; Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 554; siehe auch BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 28 ff und BSG , NJW 2014, 248 Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem SGG : statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").

b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG , wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN).

Dies bedeutet, dass die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten muss, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG aaO Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").

Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, können innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert werden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f).

c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, [...] Rn. 30). Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, [...] Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Im Entschädigungsprozess dürfen diejenigen rechtlichen Überlegungen, die der erkennende Richter bei der Entscheidungsfindung im Ausgangsprozess angestellt hat, grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden (Schlick aaO S. 555). Stets muss jedoch in den Blick genommen werden, dass die Gerichte sich mit zunehmender Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 11, 14; BVerfG, NJW 2013, 3630 Rn. 32, 37, 44).

Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 31; BVerwG aaO Rn. 42).

d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, durch die Verfahrensführung des Familiengerichts sei das erstinstanzliche Verfahren lediglich im Umfang von acht Monaten ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.

Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. nur Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47).

Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gesamtabwägung anhand der nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien belegt, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind.

aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Ausgangsverfahren vor allem wegen des angespannten Verhältnisses der Eltern und der notwendigen Beteiligung weiterer Stellen (Jugendamt, Verfahrenspfleger, medizinischer Sachverständiger) von einer "gewissen Komplexität" war (vgl. EGMR , FamRZ 2011, 1283 Rn. 47). Dies rechtfertigt die Annahme, dass von vornherein mit zeitaufwändigen zusätzlichen Verfahrensschritten und einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen war.

bb) Das Oberlandesgericht hat ferner zutreffend erkannt, dass die zeitnahe Entscheidung des Umgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war.

In Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem Kind betreffen, obliegt den Gerichten eine besondere Förderungspflicht, weil die Gefahr besteht, dass allein der fortschreitende Zeitablauf zu einer faktischen Entscheidung der Sache führt. Verfahren, die das Sorge- oder Umgangsrecht betreffen, sind deshalb besonders bedeutsam (vgl. EGMR , NJW 2006, 2241 Rn. 100; FamRZ 2011, 1283 Rn. 45 und Urteil vom 10. Mai 2007, Beschwerde Nr. 76680/01, [...] Rn. 93, 99, 104). Bei der Festlegung des konkreten Beschleunigungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht das Alter des Kindes zu Recht in seine Überlegungen einbezogen. Denn eine Verpflichtung zur "größtmöglichen Beschleunigung" des Verfahrens besteht vor allem bei sehr kleinen Kindern (vgl. EGMR , FamRZ 2011, 1283 Rn. 45). Kleinere Kinder empfinden, bezogen auf objektive Zeitspannen, den Verlust einer Bezugsperson - anders als ältere Kinder oder gar Erwachsene - schneller als endgültig (Ott aaO § 198 GVG Rn. 111). In diesen Fällen ist die Gefahr der Entfremdung zwischen Eltern und Kind, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, besonders groß, so dass eine besondere Sensibilität für die Verfahrensdauer erforderlich ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811 , 2812 und NJW 2001, 961 , 962). Im vorliegenden Fall war das Kind allerdings zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bereits knapp 13 Jahre alt und lehnte - zermürbt durch die früheren gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht des Klägers - weitere "erzwungene" Besuchskontakte ab. Den Vorschlag des Familiengerichts, etwaige künftige Besuchsregelungen durch einen Briefkontakt vorzubereiten, hat der Kläger nicht aufgegriffen. Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass keine Situation vorlag, in der allein durch Zeitablauf die Sachentscheidung faktisch präjudiziert wurde. Im konkreten Fall erschien ein Zuwarten mit dem Verfahrensabschluss schon deshalb sinnvoll, um gerade durch Zeitablauf Klärungsprozesse sowohl bei dem älter werdenden Kind als auch bei den Kindeseltern zu ermöglichen und auf diese Weise die innerfamiliären "Selbstheilungskräfte" zu mobilisieren (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG , 18. Aufl., § 155 Rn. 5).

cc) Vergeblich wendet die Revision ein, das Oberlandesgericht habe die zahlreichen und zum Teil umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen und Anfragen des Klägers sowie den Umstand, dass er von den ihm durch das Prozessrecht eingeräumten Verfahrenshandlungen Gebrauch gemacht habe, bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigen dürfen, da das Vorgehen des Klägers weder sachwidrig noch missbräuchlich gewesen sei.

Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 42 mwN).

Das Oberlandesgericht durfte deshalb bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen, dass der Kläger insbesondere durch zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen, einen Terminsaufhebungsantrag sowie die späte Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten beträchtliche Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Familiengerichts fielen. Dazu zählt auch, dass er zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 29. Oktober 2008, der ihm begleitete Umgänge in Aussicht stellte, erst mit Schreiben vom 25. November 2008 (ablehnend) Stellung nahm.

dd) Die Beurteilung der Verfahrensführung der Ausgangsgerichte durch das Oberlandesgericht lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.

Das Entschädigungsgericht hat den zutreffenden Beurteilungsmaßstab (nur Vertretbarkeitskontrolle) zugrunde gelegt. Es ist unter Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt, dass sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verzögerungen im Umfang von acht Monaten vorhanden sind. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit die Revision darüber hinaus geltend macht, das Oberlandesgericht habe das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG ) außer Acht gelassen und insbesondere übersehen, dass ein Erörterungstermin bereits binnen eines Monats nach Verfahrenseinleitung hätte stattfinden müssen (§ 50e Abs. 2 FGG aF), geht die Rüge ins Leere.

Wie bereits ausgeführt, hat das Oberlandesgericht das spezifische Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zutreffend erkannt und gewichtet. Mit den Einzelheiten der von der Revision angeführten gesetzlichen Bestimmungen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG ) musste es sich nicht näher auseinandersetzen. Nach Art. 111 Abs. 1 des FGG -Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) ist § 155 FamFG auf Verfahren, die -wie hier -vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, nicht anwendbar (Keidel/Engelhardt aaO Art. 111 FGG-RG Rn. 2). § 50e FGG aF wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl. I S. 1188) eingeführt. Demgemäß konnte das Gebot aus § 50e Abs. 2 FGG aF (Sollvorschrift), spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchzuführen, im Streitfall noch keine Wirkung entfalten. Unabhängig davon hat das Familiengericht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits am 31. Oktober 2007, also nur sechs Wochen nach Verfahrensbeginn, einen Anhörungstermin durchgeführt. Nach allem ist eine (weitere) sachwidrige Verfahrensverzögerung nicht ersichtlich.

4. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Klägers, im vorliegenden Fall sei eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG ) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG geboten, da die Dauer des Ausgangsverfahrens sein Umgangsrecht faktisch entwertet habe und nach den vom EGMR entwickelten Grundsätzen (dazu EGMR , FamRZ 2012, 1123) eine Entschädigung von 13.400 € gerechtfertigt sei.

§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädigung für immaterielle Nachteile einen Pauschalsatz in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ). Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46; vgl. auch BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Die Entschädigung wird dabei nur für den konkreten Verzögerungszeitraum geleistet, so dass verzögerte Verfahrensabschnitte, die die Gesamtverfahrensdauer nicht verlängert haben, außer Betracht bleiben müssen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 225). Insoweit hat das Oberlandesgericht, was den Kläger jedoch nicht beschwert, bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags die nachgeholte Entscheidung über den Auskunftsantrag, die sich auf die Gesamtverfahrensdauer in keiner Weise ausgewirkt hat, zu Unrecht zur Begründung einer Erhöhung des Pauschalsatzes herangezogen.

Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz aus Billigkeitserwägungen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ) abzuweichen. Dabei ist für eine Abweichung nach oben insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Freiheitsentziehung oder zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46 mwN). Derartige Ausnahmefälle macht die Revision nicht geltend. Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren) vorliegt, rechtfertigt noch keine Erhöhung des Regelsatzes. Denn entscheidend ist, dass die "Umstände des Einzelfalls", das heißt die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer, die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich, da das knapp 13-jährige Kind nach seinem klar geäußerten Willen gerichtlich erzwungene Umgangskontakte von Anfang an abgelehnt hat und die einstweiligen Anordnungen des Familiengerichts, mit denen der Umgang vorläufig ausgesetzt wurde, durch die in der Hauptsache ergangenen Entscheidungen bestätigt wurden. Eine faktische Entwertung des Umgangsrechts durch bloßen Zeitablauf hat gerade nicht stattgefunden.

Der Hinweis der Revision auf die in dem Urteil des EGMR vom 27. Oktober 2011 (Beschwerde Nr. 8857/08, FamRZ 2012, 1123) zugesprochene Entschädigung von 10.000 € ist verfehlt. Der Entscheidung lag ein Fall aus Tschechien zugrunde lag, in dem die Mutter eines Kleinkindes über einen Zeitraum von vier Jahren das Umgangsrecht verweigert hatte, ohne dass die nationalen Behörden einschritten. Dadurch wurde eine de-facto-Situation geschaffen, die schließlich zu einem Verlust der emotionalen Bindung des Kindes zum Vater führte. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 13. März 2014

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 08.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 4 SchH 1/12
Fundstellen
FamRB 2014, 290
FamRZ 2014, 933
FuR 2014, 4
MDR 2014, 534
NJW 2014, 1816