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BGH - Entscheidung vom 01.03.2011

StB 28/10

Normen:
FamFG § 70
BbgPolG § 23
BbgPolG § 24 Abs. 1 S. 3

BGH, Beschluss vom 01.03.2011 - Aktenzeichen StB 28/10

DRsp Nr. 2011/7269

Geltung der Vorschriften des FGG im gerichtlichen Verfahren über eine Durchsuchung zum Zwecke der polizeilichen Gefahrenabwehr

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juni 2010 - 11 Wx 19/10 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert beträgt 3.000 €.

Normenkette:

FamFG § 70; BbgPolG § 23; BbgPolG § 24 Abs. 1 S. 3;

Gründe

Auf Antrag des Polizeipräsidiums hat das Amtsgericht E. am 15. September 2009 zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen die Durchsuchung der Wohnung, der Kraftfahrzeuge und der Person des Antragsgegners angeordnet (§ 23 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Nr. 1 BbgPolG). Die Anordnung wurde am 17. September 2009 vollzogen. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Brandenburgische Oberlandesgericht durch Beschluss vom 24. Juni 2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - vom Oberlandesgericht gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG zugelassene - Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

Das Rechtsmittel ist von Gesetzes wegen nicht statthaft und deshalb unzulässig.

1.

§ 70 FamFG findet im gerichtlichen Verfahren über eine Durchsuchung zum Zwecke der polizeilichen Gefahrenabwehr nach §§ 23, 24 BbgPolG keine Anwendung. Stattdessen gelten hierfür gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 BbgPolG die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FGG ) entsprechend. Danach ist den Beteiligten gegen eine Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts kein Rechtsmittel mehr eröffnet. Der Bundesgerichtshof ist nach § 28 Abs. 2 und 3 FGG nur dann zur Entscheidung berufen, wenn ihm das Oberlandesgericht die dort anhängige (weitere) Beschwerde vorlegt, weil es von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will (sog. Divergenzvorlage). Zwar hat der Antragsgegner dadurch, dass das Oberlandesgericht hier die Zuständigkeit des Landgerichts (§ 19 Abs. 2 FGG ) umgangen und sogleich über die Erstbeschwerde entschieden hat, eine Instanz verloren. Dieser Verfahrensfehler kann indes ein weiteres Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof abweichend vom gesetzlich bestimmten Rechtszug nicht statthaft machen. Nichts anderes gilt für die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 ; Beschluss vom 27. Februar 2003 - I ZB 22/02, BGHZ 154, 102 ).

2.

Hieran ändert nichts, dass das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Normenbestand des Bundesrechts mit Ablauf des 31. August 2009 außer Kraft getreten ist (Art. 112 Abs. 1 FGG -RG vom 17. Dezember 2008, BGBl. I S. 2586). Dies hindert nicht seine Weitergeltung - in der zuletzt geltenden Fassung - in der Weise, dass Landesrecht in einer der Regelung durch den Landesgesetzgeber offen stehenden Materie hierauf Bezug nimmt. Bei Streitigkeiten über Maßnahmen der länderpolizeilichen Gefahrenabwehr handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts, für die grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Kraft der bundesrechtlichen Öffnungsklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO steht es dem Landesgesetzgeber indes frei, solche Streitigkeiten einem anderen Gericht - d.h. einem anderen Rechtsweg - zuzuweisen, was die Festlegung des Instanzenzugs und des weiter zu beachtenden Verfahrensrechts mit einschließt. Ein so geregeltes Verfahren ist deshalb auch dann insgesamt dem Landesrecht zuzurechnen, wenn der Landesgesetzgeber in diesem Zusammenhang die Anwendung anderweitiger Verfahrensordnungen des Bundesrechts bestimmt. Allein das Außerkrafttreten der in Bezug genommenen Vorschriften als Bundesrecht berührt nach der Kompetenzordnung des GG solches in zulässiger Weise gesetztes Landesrecht grundsätzlich nicht in seinem Bestand. So hat Art. 3 des Niedersächsischen Gesetzes zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum GVG und anderer Gesetze vom 8. Dezember 2010 (GVBl. S. 553) - auch im Hinblick auf die Rechtswegeregelungen in § 19 Abs. 4, § 25 Abs. 1 NdsSOG - zur Vermeidung von "Rechtsunsicherheiten ... klargestellt", dass sich die (Weiter-)Verweisungen des NdsFGG auf die am Tage des Außerkrafttretens geltende Fassung des FGG des Bundes beziehen (NdsLT-Drs. 16/3126 S. 11 f.).

3.

Die in § 24 Abs. 1 Satz 3 BbgPolG angeordnete entsprechende Geltung der Vorschriften des FGG kann auch nicht als dynamische Verweisung auf den jeweils gültigen bundesrechtlichen Normenbestand für das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verstanden werden (zu § 22 Abs. 8 Satz 2 SächsPolG ebenso BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - StB 21/10).

Sieht man von der Sonderregelung für Freiheitsentziehungen aufgrund Bundesrechts in § 23a Abs. 2 Nr. 6 GVG , § 415 Abs. 1 FamFG ab, so sind Streitigkeiten über Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr gerade keine Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Wie dargestellt handelt es sich vielmehr um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO , für die grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dass die Polizeigesetze der Länder solche Streitigkeiten den ordentlichen Gerichten zuweisen können, beruht allein auf der bundesrechtlichen Öffnungsklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO . Macht das Land hiervon Gebrauch, so ist aus Gründen der Rechtswege- und Rechtsmittelklarheit eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung zu fordern, welche Gerichte den in der VwGO bestimmten Rechtszug ersetzen und nach welchen Verfahrensvorschriften sie entscheiden sollen. Mit der in § 24 Abs. 1 Satz 3 BbgPolG angeordneten entsprechenden Geltung der Vorschriften des FGG hat das Land Brandenburg diesen Anforderungen genügt. Dagegen wird ein Willensakt des Landesgesetzgebers dahin, dass an die Stelle der nach Maßgabe des FGG zuständigen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (nunmehr) auch andere treten können, weder aus dem BbgPolG noch sonst hinreichend erkennbar.

Weist das Landesrecht öffentlichrechtliche Streitigkeiten der vorliegenden Art den ordentlichen Gerichten zu, so ist die Einrichtung eines an die Regelungen des FamFG angeglichenen Rechtszugs auch nicht zwingend. Vielmehr kann der Landesgesetzgeber im Rahmen seines weiten Ermessens auch Gründe für eine abweichende Regelung finden. So hat sich das Land Niedersachsen wie oben geschildert ausdrücklich dafür entschieden, den im FGG bestimmten Rechtszug weiter beizubehalten. Der Freistaat Bayern verweist in Art. 18 Abs. 3 Satz 3, Art. 24 Abs. 1 Satz 3 BayPAG nunmehr zwar auf die Vorschriften des FamFG, schließt aber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, der Gegenstandswert ergibt sich aus § 40 Abs. 2, § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG.

Vorinstanz: OLG Brandenburg, vom 24.06.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 11 Wx 19/10