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BGH - Entscheidung vom 14.01.2010

IX ZR 50/07

Normen:
ThürKAG § 7 Abs. 7 S. 2-6
ZVG § 115 Abs. 1
BVerfGG § 79 Abs. 2

Fundstellen:
NVwZ-RR 2010, 372

BGH, Urteil vom 14.01.2010 - Aktenzeichen IX ZR 50/07

DRsp Nr. 2010/2136

Beitragsforderung für die Erschließung eines Grundstücks mit Wasserentsorgungseinrichtungen als öffentliche Last und des damit verbundenen Rangvorrangs vor einer Grundschuldforderung; Auswirkung einer für nichtig erklärten landesrechtlichen Norm auf nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidungen

Die Neuregelung des Beitragsrechts für Wasserentsorgungseinrichtungen in § 7 Abs. 7 S. 2 bis 6 ThürKAG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 2004 ist mit der Landesverfassung unvereinbar und nichtig.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Februar 2007 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 21. Februar 2006 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Normenkette:

ThürKAG § 7 Abs. 7 S. 2-6 ; ZVG § 115 Abs. 1 ; BVerfGG § 79 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Die Klägerin war Inhaberin einer Grundschuld an dem unbebauten Grundstück der Gemarkung N. , Flur Flurstück , Straße in N.. Die beklagte Belegenheitsgemeinde hat gegenüber dem früheren Grundstückseigentümer mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Dezember 2002 auf der Grundlage des Thüringer Kommunalabgabengesetzes (ThürKAG) in der Fassung vom 19. September 2000 einen Beitrag in Höhe von 30.243,51 € für die Erschließung des Grundstücks mit Wasserentsorgungseinrichtungen erhoben. Nach der Zwangsversteigerung des Grundstücks am 11. Februar 2005 hat das Vollstreckungsgericht die Beitragsforderung der Beklagten einschließlich der angefallenen Säumniszuschläge in Höhe von 7.550 € als öffentliche Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG angesehen, welche der Grundschuldforderung der Klägerin im Range vorgehe. Auf den Widerspruch der Klägerin hat das Vollstreckungsgericht im Teilungsplan vom 16. März 2005 bestimmt, dass der auf die Forderung der Beklagten entfallende Erlösanteil in Höhe von 37.793,51 € zu hinterlegen und der Klägerin zuzuteilen sei, sofern ihr Widerspruch sich als begründet erweise.

Auf die Widerspruchsklage hat das Landgericht den Teilungsplan dahingehend abgeändert, dass die Grundschuldforderung der Klägerin gegenüber der Beitragsforderung der Beklagten vorrangig zu befriedigen sei. Im Hinblick auf die von der Beklagten verlangten Säumniszuschläge hat das Landgericht die Widerspruchsklage abgewiesen. Nachdem die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben ist, verfolgt diese mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision den Antrag auf vollständige Klagabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat in der Sache Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat im Anschluss an das Landgericht ausgeführt, die Beitragsforderung der Beklagten habe zwar als öffentliche Last auf dem Grundstück geruht, sei jedoch nicht fällig. Zwar entstehe der Beitragsanspruch bei leitungsgebundenen Einrichtungen grundsätzlich, sobald das Grundstück an diese angeschlossen werden könne (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 1 ThürKAG). Auch sehe der Beitragsbescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2002 entsprechend der örtlichen Beitragssatzung vor, dass der Beitrag einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids fällig werde. Mit der Novellierung des ThürKAG durch Gesetz vom 17. Dezember 2004 sei die Fälligkeit von Beitragsforderungen für den Anschluss unbebauter Grundstücke an Abwasserentsorgungseinrichtungen jedoch auf den Zeitpunkt hinausgeschoben worden, zu welchem das Grundstück bebaut und tatsächlich an die Abwasserleitung angeschlossen werde, was vorliegend nicht erfolgt sei (§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 ThürKAG in der Fassung vom 17. Dezember 2004). Da diese Regelung bei ihrem Inkrafttreten auch bereits entstandene Beiträge erfasse (§ 21a Abs. 4 Satz 1 ThürKAG), sei die Fälligkeit der Beitragsforderung entfallen. Diese sei deshalb nicht als rückständig im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG anzusehen.

II.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist abzuändern.

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsurteil nicht schon deshalb unrichtig, weil das Berufungsgericht den Grundsatz der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten verkannt hätte.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Revision darauf hin, dass Gerichte und Behörden die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung grundsätzlich ohne eigenständige Überprüfung als verbindlich zu beachten haben (BGHZ 158, 19 , 22; BVerwG, NVwZ 1987, 496; Kopp/Ramsauer, VwVfG 10. Aufl. § 43 Rn. 18 f; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 137 ff; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 13). Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Fälligkeit der Beitragsforderung wegen dessen Tatbestandswirkung nicht abweichend vom Beitragsbescheid beurteilen dürfen, setzt jedoch voraus, dass der Bescheid bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in unveränderter Fassung fortbestand. Grundsätzlich bedarf die Aufhebung oder Abänderung eines Verwaltungsakts eines gesonderten Verwaltungsakts (vgl. die gemäß § 15 ThürKAG hier entsprechend anwendbare Bestimmung des § 124 Abs. 2 AO ). Der Grundsatz steht jedoch unter dem Vorbehalt abweichender spezialgesetzlicher Regelung (vgl. Kopp/Ramsauer, aaO. § 43 Rn. 43; Stelkens/Bonk/Sachs, aaO. § 43 Rn. 203; Bader/Ronellenfitsch/Schemmer, VwVfG § 43 Rn. 53).

b) Vorliegend hat das Berufungsgericht die Neuregelung in § 21a Abs. 4, § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 ThürKAG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 2004 in der Weise ausgelegt, dass hierdurch nicht lediglich die materielle Neuregelung auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte erstreckt, sondern auch schon bestehende Beitragsbescheide kraft Gesetzes abgeändert werden, ohne dass es eines die Änderung vollziehenden Verwaltungsakts bedürfe. Das Berufungsgericht hat sich insoweit ersichtlich den Ausführungen des Landgerichts angeschlossen, wonach Beitragsbescheide nach der Gesetzesnovelle zwar formal aufrechterhalten bleiben, jedoch die durch Bescheid titulierten Forderungen kraft Gesetzes ihre Fälligkeit verlieren. Diesem Verständnis der ThürKAG-Novelle ist das Berufungsgericht auch in anderen Verfahren gefolgt (vgl. Thüringer OLG, Urt. v. 25. Mai 2007 - 7 U 970/06, bei juris Rn. 24 ff). An die Auslegung des Berufungsgerichts zu dieser nicht über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus geltenden landesrechtlichen Regelung ist der Senat nach den gemäß Art. 111 FGG -Reformgesetz hier weiterhin anzuwendenden Bestimmungen der §§ 560 , 545 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung gebunden (vgl. BGH, Urt. v. 19. November 2009 - IX ZR 24/09 Umdruck S. 5 Rn. 8, z.V.b.).

2. Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aufgrund des Urteils des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 23. April 2009 (ThürVerfGH 32/05, bei juris; Leitsatz: NVwZ-RR 2009, 612) als unrichtig.

a) Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass die hier gegenständliche Neuregelung des Beitragsrechts für Wasserentsorgungseinrichtungen in § 7 Abs. 7 Satz 2 bis 6 ThürKAG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 2004 mit der Landesverfassung unvereinbar und nichtig ist. Die Entscheidung hat nach § 25 Abs. 2, § 11 Nr. 2 des Thüringer Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof Gesetzeskraft. Das Verfassungsgericht hat damit im Hinblick auf die Fälligkeit noch nicht entrichteter Erschließungsbeiträge für Wasserentsorgungseinrichtungen die vor der ThürKAG-Novelle bestehende Rechtslage wieder hergestellt (ThürVerfGH aaO. bei juris Rn. 177). Die Nichtigkeit des vom Berufungsgericht angewandten Rechts ist trotz dessen fehlender Revisibilität (§ 545 ZPO a.F.) auch im Revisionsverfahren beachtlich (vgl. RGZ 152, 86, 90; BGHZ 36, 348, 352; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 560 Rn. 6; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 560 Rn. 4).

b) Die Nichtigkeitserklärung durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof ist nicht deshalb unbeachtlich, weil bei der Entscheidung über die Widerspruchsklage nach § 115 Abs. 1 ZVG , §§ 876 ff ZPO auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Verteilungstermins abzustellen ist. Auch wenn die Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Zeitpunkt des Verteilungstermins noch nicht vorlag, war die Verfassungswidrigkeit der hier maßgeblichen Bestimmungen der ThürKAG-Novelle bereits im Verteilungstermin gegeben und beruht nicht auf einer nachträglichen Änderung der Rechtslage. Zudem gebieten verfassungsprozessrechtliche Erwägungen die Berücksichtigung der Nichtigkeitserklärung.

Gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG lässt die Nichtigkeitserklärung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidungen unberührt; sie führt jedoch zur Unzulässigkeit ihrer Vollstreckung. Hieraus folgt zugleich, dass die Nichtigkeitserklärung bei noch anfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen im Rahmen des nach der jeweiligen Verfahrensordnung gegebenen Rechtsmittels stets zu berücksichtigen ist (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge, BVerfGG 29. Aufl. § 79 Rn. 51; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht 2. Aufl. Rn. 1255). Gleichlautende Regelungen im Hinblick auf Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte sieht das Bundesrecht nur für die Verwaltungs- und die Finanzgerichtsbarkeit (§ 183 VwGO ; § 157 FGO ), nicht jedoch die Zivilrechtspflege vor. Während einzelne Landesrechte entsprechende Bestimmungen für die Entscheidung ihrer Verfassungsgerichte vorsehen (§ 24 VerfGHG Sachsen; § 46 VerfGHG Saarland; § 26 Abs. 4 Satz 3 und 4 VerfGHG Rheinland-Pfalz; § 40 Abs. 3 Satz 2 und 3 StGHG Hessen), enthält das Thüringer Recht keine ausdrückliche Regelung. Diese Regelungslücke ist durch Rückgriff auf den in Art. 79 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. BVerfGE 20, 230 , 236; 37, 217, 262 f; 97, 35, 48; BGHZ 54, 76, 79) zu schließen, welcher auch § 183 VwGO , § 157 FGO sowie den Regelungen der bezeichneten Landesrechte zu Grunde liegt (vgl. Bethge, aaO. § 79 Rn. 9; Sodan/Ziekow/Heckmann, VwGO 2. Aufl. § 183 Rn. 23; Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 183 Rn. 49; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 159 Rn. 13; vgl. auch Pestalozza, Verfassungsprozessrecht 3. Aufl. § 23 Rn. 125, § 28 Rn. 25, § 29 Rn. 42). Die durch den Thüringer Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärten Bestimmungen der ThürKAG-Novelle vom 17. Dezember 2004 können daher vorliegend nicht mehr zur Anwendung kommen.

c) Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben und zwischen den Parteien in rechtlicher Hinsicht auch nicht in Streit steht, war die Beitragsforderung der Beklagten nach der Rechtslage vor der ThürKAG-Novelle vom 17. Dezember 2004 und dem hierauf beruhenden Beitragsbescheid vom 4. Dezember 2002 fällig (§ 7 Abs. 5 Satz 2 ThürKAG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. September 2000) und ruhte als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 9 ThürKAG in dieser Fassung). Auf der Grundlage der vom Thüringer Verfassungsgerichtshof wieder hergestellten Gesetzeslage hat folglich das Vollstreckungsgericht zu Recht im Teilungsplan der Beitragsforderung der Beklagten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG Vorrang gegenüber der Grundschuldforderung der Klägerin eingeräumt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 19. November 2009 - IX ZR 24/09 z.V.b.).

3. Die Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabenrechts durch das Thüringische Beitragsbegrenzungsgesetz vom 18. August 2009 berührt die Richtigkeit des streitgegenständlichen Teilungsplans nicht.

a) Der Thüringer Landesgesetzgeber hat in dem am 28. August 2009 verkündeten Beitragsbegrenzungsgesetz (Thüringer GVBl. S. 646 f) die durch Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 23. April 2009 für nichtig erklärten Bestimmungen des ThürKAG durch eine Regelung ersetzt, die in der hier maßgeblichen Frage der Fälligkeit von Erschließungsbeiträgen für Abwasserentsorgungseinrichtungen bei unbebauten Grundstücken vollumfänglich mit der zuvor für nichtig erklärten Fassung übereinstimmt (§ 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 ThürKAG in der Fassung des Gesetzes vom 18. August 2009). Der vom Landesverfassungsgericht für nichtig befundenen Gesetzesfassung entspricht auch die Anwendbarkeit der Neuregelung auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits entstandene Beitragsforderungen (§ 21a Abs. 4 ThürKAG in dieser Fassung).

Während der Gesetzentwurf ursprünglich vorsah, die Neufassung am Tag nach der Verkündung in Kraft treten zu lassen (Art. 2 des Gesetzentwurfs vom 16. Juni 2009, Thüringer LT-Drucks. 4/5333 S. 7), ist der Gesetzgeber der Beschlussempfehlung des Innenausschusses (Thüringer LT-Drucks. 4/5428 S. 3) gefolgt und hat die Novelle rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt (Art. 2 Beitragsbegrenzungsgesetz). Der Gesetzgeber hat diese Rückwirkung hier für möglich erachtet, weil sie den Betroffenen lediglich Vorteile bringe (vgl. die Stellungnahme der Abg. Groß, Thüringer LT Plenarprotokoll 4/111 S. 11296). Indem die Neufassung in § 21a Abs. 4 Satz 1 ThürKAG sich auch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitragsbegrenzungsgesetzes bereits entstandenen Beitragsforderungen bezieht, erfasst diese auch die hier streitgegenständliche Forderung der Beklagten.

b) Unabhängig von der Frage, ob die Erstreckung auf bereits entstandene Beitragsforderungen in § 21a Abs. 4 Satz 1 ThürKAG in der Fassung vom 18. August 2009 deren Fälligkeit kraft Gesetzes abändert oder lediglich einen Anspruch auf Erlass eines Stundungsbescheids verschafft, ist diese Neufassung für die vorliegende Widerspruchsklage nicht beachtlich.

Bei der Entscheidung über die Widerspruchsklage ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Verteilungstermins abzustellen, während spätere Änderungen außer Betracht bleiben (RGZ 62, 168, 171; 65, 62, 66; 75, 313, 315; 84, 8, 10; BGHZ 113, 169 , 174 ff, 177; 166, 319, 326 Rn. 19; BGH, Urt. v. 25. Januar 1974 - V ZR 68/72, WM 1974, 371, 372; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 599; Zöller/Stöber, ZPO 28. Aufl. § 878 Rn. 14; Musielak/Becker, aaO. § 878 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Zempel, ZPO § 878 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 68. Aufl. § 878 Rn. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 30. Aufl. § 878 Rn. 6; a.A. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 878 Rn. 36; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 3. Aufl. § 878 Rn. 26; Hk-ZPO/Kindl, 3. Aufl. § 878 Rn. 4). Die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Verteilungstermins bedeutet dabei keine Abweichung von dem verfahrensrechtlichen Grundsatz, wonach die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Zivilprozess eingetretenen und vorgetragenen Ereignisse Grundlage der Entscheidung sind, sondern stellt eine materiell-rechtliche Regel dar. Der Teilungsplan begründet einen Anspruch auf Zuteilung nach der im Zeitpunkt des Verteilungstermins gegebenen Rechtslage. Wird ein zu diesem Zeitpunkt nicht berechtigter Widerspruch erhoben und findet deshalb insoweit die gesetzlich vorgesehene sofortige Verteilung des Erlöses (§ 117 Abs. 1 ZVG ) nicht statt, vermag dieser Widerspruch den Zuteilungsanspruch des Begünstigen nicht zu beseitigen, auch wenn er aufgrund einer später eintretenden rückwirkenden Änderung der Rechtslage als begründet anzusehen sein würde (vgl. BGHZ 113, 169 , 176 f).

Im vorliegenden Fall war wegen der Nichtigkeit der ThürKAG-Novelle vom 17. Dezember 2004 zum Zeitpunkt des Verteilungstermins am 16. März 2005 die Fassung des Gesetzes vom 19. September 2000 weiterhin geltendes Recht. Auf dieser Grundlage ist der Beitragsforderung der Beklagten im Teilungsplan zu Recht der Vorrang gegenüber der Grundschuldforderung der Klägerin eingeräumt worden. Die mit Gesetz vom 18. August 2009 rückwirkend zum 1. Januar 2005 erfolgte Änderung des ThürKAG berührt den Zuteilungsanspruch der Beklagten daher nicht.

Vorinstanz: OLG Thüringen, vom 22.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 269/06
Vorinstanz: LG Mühlhausen, vom 21.02.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 443/05
Fundstellen
NVwZ-RR 2010, 372