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BGH - Entscheidung vom 16.06.2005

IX ZR 27/04

Normen:
BGB § 675

Fundstellen:
BB 2005, 1813
BGHReport 2005, 1314
BGHZ 163, 223
BRAK-Mitt 2005, 230
DB 2005, 2188
FamRZ 2005, 1562
JZ 2006, 198
MDR 2005, 1319
NJW 2005, 3071
VersR 2006, 657
WM 2005, 2103
ZGS 2005, 327
ZIP 2005, 1927

BGH, Urteil vom 16.06.2005 - Aktenzeichen IX ZR 27/04

DRsp Nr. 2005/11682

Haftungsausfüllende Kausalität im Anwaltshaftungsprozess

»a) Im Anwaltshaftungsprozeß darf der Richter bereits vorliegende Beweisergebnisse nicht deshalb außer Betracht lassen, weil der Richter des Vorprozesses auch ohne Verfahrensfehler zu diesen Erkenntnissen nicht gelangt wäre. b) Hat der Rechtsanwalt es versäumt, ein gerichtliches Gutachten durch Vorlage eines bereits erstatteten, zu gegenteiligen Ergebnissen kommenden Privatgutachtens anzugreifen, und dadurch seine Mandatspflichten verletzt, bedeutet der materiellrechtlich nicht gerechtfertigte Verlust dieses Prozesses für den Mandanten keinen Schaden im Rechtssinne, wenn das Gericht des Vorprozesses bei sämtlichen von der Zivilprozeßordnung ermöglichten Verfahrensweisen notwendigerweise zum Nachteil des Mandanten hätte entscheiden müssen. c) Die Ungewißheit, ob der Vorprozeß trotz der anwaltlichen Pflichtverletzung bei allen rechtlich möglichen Verfahrensweisen zum Nachteil des Mandanten hätte ausgehen müssen, geht zu Lasten des Rechtsanwalts.«

Normenkette:

BGB § 675 ;

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Bauträgerin, errichtete von 1984 bis 1987 eine Wohnungseigentumsanlage. Später trat an der Decke der vorgelagerten, mit gärtnerischen Anlagen bedeckten Tiefgarage Feuchtigkeit in Erscheinung. Im Jahre 1991 beanstandete die Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber der Klägerin diesen Mangel. Diese beauftragte die verklagten Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung. In einem von den Wohnungseigentümern eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige D. fest, daß das Tiefgaragendach einige Risse aufweise, die teilweise Wasser führten. Ferner stellte er fest, daß die durch das Garagendach gebildete Terrasse nicht ordentlich durch eine Kunststoff-Dachbahn abgedichtet sei, weil diese am Rande der Attika abgeschnitten und nicht an deren Innenwand hochgezogen sei. Die so hergestellte Terrasse sei eine Fehlkonstruktion. Zur Mangelbehebung müsse der gesamte Terrassenaufbau erneuert werden.

Im Anschluß an dieses Beweissicherungsverfahren verlangte die Wohnungseigentümergemeinschaft von der Klägerin einen Vorschuß für erforderliche Abdichtungsmaßnahmen. Nachdem die Klägerin in erster Instanz zur Zahlung von 120.879,34 DM verurteilt worden war, beauftragte sie den Sachverständigen Q. mit der Erstattung eines neuen Gutachtens über etwa vorhandene Mängel und deren Ursachen. Dieser Sachverständige gelangte Ende 1994 zu dem Ergebnis, das Gutachten D. richte sich an den Anforderungen einer Abdichtung nach DIN 18195 aus. Im vorliegenden Fall sei indes die alternative Abdichtung nach DIN 1045 (Verwendung wasserundurchlässigen Betons) gewählt worden. Die Ausführung habe die vertraglich zugesicherten Eigenschaften, entspreche den Regeln der Technik - nämlich der DIN 1045 - und sei auch, abgesehen von nie ganz zu vermeidenden Rissen, die nachträglich mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand geschlossen (verpreßt) werden könnten, mangelfrei. Dieses Privatgutachten wurde dem Oberlandesgericht am 11. Juni 1996 vorgelegt. Am selben Tage wies dieses die Berufung der Klägerin zurück.

Wegen der an die Wohnungseigentümer gezahlten Urteilssumme, Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 179.152,96 DM sowie wegen der Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des weiteren Schadens hat die Klägerin die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie hat diesen zur Last gelegt, ihre anwaltlichen Pflichten verletzt zu haben. Insbesondere hätten sie vor Gericht nicht deutlich gemacht, daß das Gutachten D. von falschen Voraussetzungen ausgehe. Auch hätten sie nicht dafür Sorge getragen, daß das Gutachten Q. rechtzeitig dem Gericht vorgelegt worden sei. Mit Urteil vom 19. Februar 1998 hat das Landgericht der Klage im wesentlichen stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Beklagten ihrerseits ein Privatgutachten des Sachverständigen K. vorgelegt. Dieses hält das Gutachten D. nicht für widerlegt, solange nicht das Vorhandensein eines funktionsfähigen wasserundurchlässigen Baukörpers aus Beton (sogenannte weiße Wanne) nachgewiesen sei, woran es bisher fehle. Mit Urteil vom 14. September 1999 hat der Einzelrichter des Berufungssenats das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr ein Gutachten des Sachverständigen F. und ein Ergänzungsgutachten desselben Sachverständigen erhoben. Darin ist der Sachverständige F. im wesentlichen dem Gutachten Q. gefolgt. Daraufhin hat das Landgericht mit Urteil vom 4. Februar 2002 der Zahlungsklage wiederum im wesentlichen stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die neuerliche Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht, das D. als sachverständigen Zeugen gehört hat, die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagten hafteten grundsätzlich für die Schäden, die der Klägerin aus anwaltlichen Pflichtverletzungen entstanden seien. Solche Pflichtverletzungen lägen vor, wie sich schon aus den bindenden Ausführungen in dem ersten Berufungsurteil ergebe, mit dem die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden sei. Die anwaltlichen Fehler der Beklagten seien indes für den Schaden der Klägerin nicht ursächlich. Entscheidend sei, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Regreßrichters richtigerweise hätte entschieden werden müssen, wenn die Beklagten ihre anwaltlichen Aufgaben pflichtgemäß erfüllt hätten. Daher komme es darauf an, welchen Sachverhalt die Beklagten dem Gericht des Vorprozesses hätten unterbreiten müssen, welche Aufklärungen daraufhin vermutlich stattgefunden hätten, zu welchem Ergebnis diese geführt hätten und wie der Rechtsstreit auf dieser Grundlage zu entscheiden gewesen wäre. Wenn das Landgericht im Vorprozeß mit dem Vortrag konfrontiert worden wäre, dessen Unterbleiben die Klägerin den Beklagten anlaste, hätte es den Sachverständigen D. dazu anhalten müssen, sein Gutachten zu ergänzen oder zu erläutern. Wie sich dieser dann geäußert hätte, habe der Senat im vorliegenden Verfahren durch Vernehmung D. als sachverständiger Zeuge geklärt. Dessen Aussage sei so plausibel, stimmig und überzeugend gewesen, daß - falls sie bereits im Vorprozeß erfolgt wäre - für die damals mit der Sache befaßten Gerichte kein Anlaß bestanden hätte, ein weiteres Gutachten einzuholen. Damit komme es - unabhängig davon, ob das Gutachten D. objektiv richtig sei - auf die weiteren Gutachten, insbesondere das des Sachverständigen F., nicht an.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage kann die Klage nicht deshalb abgewiesen werden, weil die von den Vorderrichtern angenommenen Fehler der Beklagten für den geltend gemachten Schaden nicht ursächlich seien.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Schaden nicht rein rechnerisch bestimmt werden. Das mit Hilfe der Differenzmethode gewonnene Ergebnis bedarf einer normativen Kontrolle, die am Schutzzweck der Haftung sowie an Funktion und Ziel des Schadensersatzes ausgerichtet ist (BGHZ 98, 212 , 217 f.; BGH, Urt. v. 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309 , 2311; v. 6. Juli 2000 - IX ZR 198/99, WM 2000, 1814 , 1816). Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die der Kläger aufgrund der objektiven Umstände keinen Anspruch hatte, stellt bei einer wertenden Betrachtungsweise keinen ersatzfähigen Schaden dar (BGHZ 72, 328, 331 f.; 124, 86, 95; 125, 27, 34).

Wenn im Haftpflichtprozeß die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens (im folgenden: Vorprozeß oder Inzidenzprozeß) abhängt, muß deshalb das Regreßgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (BGHZ 133, 110, 111; BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, WM 1996, 35 , 36; v. 18. November 1999 - IX ZR 420/97, WM 2000, 189 , 192; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM 2000, 959 , 962; v. 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, WM 2000, 966 , 968). Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozeß befaßte Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang. Vielmehr ist die Sicht des Regreßgerichts maßgeblich.

Die hypothetische Betrachtung, ob der Kläger bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung den Vorprozeß gewonnen hätte, betrifft nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Tatsachenfeststellungen. Die Frage, wie der Vorprozeß richtigerweise hätte entschieden werden müssen, beantwortet sich nach § 287 ZPO , weil es sich um ein Element der haftungsausfüllenden Kausalität handelt (BGH, Urt. v. 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, WM 1992, 2020 , 2022; v. 5. November 1992 - IX ZR 12/92, WM 1993, 382 ). Das Regreßgericht hat seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde zu legen, der dem Gericht des Vorverfahrens bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre. Wird dem Rechtsanwalt vorgeworfen, der Mißerfolg des Mandanten im Vorprozeß sei auf mangelhaften Prozeßvortrag zurückzuführen, hat das Regreßgericht deshalb grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Inzidenzverfahrens bei pflichtgemäßem Verhalten des dortigen Prozeßbevollmächtigten - nunmehrigen Regreßbeklagten - unterbreitet worden wäre (BGHZ 133, 110, 111 f.; BGH, Urt. v. 18. November 1999 aaO.; v. 9. Dezember 1999 aaO.; v. 27. Januar 2000 aaO.).

Da der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor der wirklichen Kausalität gebührt, kommt es nicht darauf an, welche Tatsachen das Inzidenzgericht mutmaßlich festgestellt hätte, sondern welche Beweiserhebungen nach Auffassung des Regreßrichters zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind (BGHZ 133, 110, 112). Der Regreßrichter ist dabei nicht auf die Aufklärungsmöglichkeiten beschränkt, die dem Richter des Vorprozesses ohne die anwaltlichen Pflichtversäumnisse im damaligen Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätten. Von diesem unzuverlässigen Beurteilungsmaßstab soll im Interesse eines gerechten Ergebnisses der Prozeß, bei dem es um die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens geht, wie er sich im gegenwärtigen Zeitpunkt darstellt, gerade freigestellt sein. Dem Mandanten, der geltend macht, durch das anwaltlicher Sorgfalt widersprechende Verhalten seines damaligen Prozeßbevollmächtigten den Vorprozeß verloren zu haben, darf nicht die Möglichkeit beschnitten werden, mit allen im Regreßprozeß zulässigen Beweismitteln den Beweis zu führen, daß er sonst den Vorprozeß hätte gewinnen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, NJW 1987, 3255 , 3256). Deshalb darf - und muß - der Richter des Regreßprozesses auch verwertbare Beweismittel berücksichtigen, auf welche im Vorprozeß nicht hätte zurückgegriffen werden können (BGHZ 72, 328, 330; 133, 110, 115; BGH, Urt. v. 22. November 1983 - VI ZR 36/82, VersR 1984, 160, 161). Insbesondere steht der Gegner des Vorprozesses nunmehr als Zeuge zur Verfügung.

2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Klageanspruch auf der Grundlage des Gutachtens D. abgesprochen, obwohl es dessen "objektive Richtigkeit" hat dahingestellt sein lassen, dieses mithin auch falsch sein kann.

a) Nachdem gegen das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen F. seitens der Beklagten Einwände erhoben worden waren, hatte das Berufungsgericht den Sachverständigen geladen, um ihn zu seinem Gutachten anzuhören. Davon hat es jedoch nach der Vernehmung des sachverständigen Zeugen D. abgesehen, weil es nunmehr die Anhörung des Sachverständigen F. für "überflüssig" erachtete. Es hat angenommen, daß D. als Sachverständiger im Vorprozeß dasselbe ausgesagt hätte, was er jetzt als sachverständiger Zeuge bekundet hat. Dann - so das Berufungsgericht - hätten die Gerichte im Vorprozeß ihm folgen dürfen. Auf weiteres komme es daher nicht mehr an.

b) Dies ist rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht den realen im Haftungsprozeß erlangten Kenntnisstand - wonach sich die Ergebnisse jeweils zweier Gutachten (einerseits D. und K., andererseits Q. und F.) diametal gegenüberstehen, so daß weiterer Aufklärungsbedarf besteht - nicht zugunsten einer mit Unsicherheiten behafteten hypothetischen Betrachtung der weiteren Entwicklung des Vorprozesses vernachlässigen durfte. Falls das Gericht im Vorprozeß dem damaligen Sachverständigen D. jedenfalls nach den Ergänzungen seines Gutachtens, die er im Regreßprozeß als sachverständiger Zeuge nachgeliefert hat, hätte folgen dürfen, besagt dies nicht, das Regreßgericht dürfe die Augen davor verschließen, daß inzwischen weitere Gutachten mit gegenteiligen Ergebnissen vorliegen. Dies stünde mit dem Streben nach einer richtigen Sachentscheidung im Widerspruch, das nach der zitierten Rechtsprechung Vorrang hat.

Das Argument der Revisionserwiderung, im Haftungsprozeß dürfe ein unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 412 ZPO eingeholtes neues Gutachten nicht verwertet werden, geht fehl. Der Haftungsprozeß stellt gegenüber dem Vorprozeß ein neues und selbständiges Verfahren dar. Deswegen durfte das Landgericht im Regreßprozeß, ohne gegen § 412 ZPO zu verstoßen, die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen als D. anordnen. Auf diesem Wege wird der Regreßrichter seiner Aufgabe zu prüfen, wie der Vorprozeß rechtlich und tatsächlich objektiv richtig hätte ausgehen müssen, möglicherweise sogar am besten gerecht.

c) Beruht die tatsächliche Würdigung des Regreßrichters jedoch auf Erkenntnissen, die selbst bei pflichtgemäßem Handeln der im Vorprozeß auftretenden Rechtsanwälte und sachgerechtem Verfahren des mit diesem Prozeß befaßten Gerichts keinesfalls zur Verfügung gestanden hätten, dürfen diese auch im Regreßprozeß nicht berücksichtigt werden. Andernfalls käme der Mandant aufgrund des Anwaltsfehlers im Wege des Schadensersatzes in den Genuß eines Vorteils, den er ohne jenen Fehler unter keinen Umständen hätte erlangen können. Die Gewährung eines derartigen Schadensersatzes wäre mit dem Schutzzweck der verletzten Norm nicht zu vereinbaren. Gegebenenfalls ist der Schaden der Verletzungshandlung nicht zuzurechnen.

aa) Demjenigen, der durch eine Pflichtverletzung eine ursächliche Bedingung gesetzt hat, darf der Schaden nur zugerechnet werden, wenn sich dieser innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Pflicht verwirklicht hat (BGHZ 37, 311, 315; 57, 137, 142; BGH, Urt. v. 20. Januar 1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057 , 2058). Der Rechtsanwalt hat nur für solche Nachteile einzustehen, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat (BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946 , 2947 m.w.N.).

Die Pflicht, den Standpunkt des Mandanten vor Gericht zur Geltung zu bringen, insbesondere sachgerecht, vollständig und rechtzeitig vorzutragen, dient nicht der Abwendung von Nachteilen, die durch die Wahrnehmung jener Pflicht nicht beeinflußt werden können. Hat es der Rechtsanwalt beispielsweise im Vorprozeß schuldhaft versäumt, eine Behauptung unter Beweis zu stellen, so haftet er für die Nachteile der Beweislosigkeit dann nicht, wenn damals ein Beweismittel nicht zur Verfügung gestanden hätte. Daran ändert nichts, daß im Regreßprozeß ein solches vorliegt. Zwar wurde ein Schaden im Rechtssinne verneint, wenn der Regreßkläger bei sachgerechter Vertretung durch den jetzt verklagten Rechtsanwalt im Vorprozeß obsiegt hätte, weil der Gegner einen ihm obliegenden Beweis mit den dort zulässigen Beweismitteln nicht hätte führen können, sich jedoch im Regreßprozeß aufgrund des hier zulässigerweise erhobenen Beweises herausstellt, daß er den Vorprozeß materiellrechtlich zu Recht verloren hat (BGH, Urt. v. 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, NJW 1987, 3255 ; vgl. ferner BGHZ 72, 328, 329 f.; BGH Urt. v. 22. November 1983 - VI ZR 36/82, VersR 1984, 160, 161). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Hier geht es jedoch um den umgekehrten Fall. Ergibt sich im Regreßprozeß, daß der Mandant den Vorprozeß materiellrechtlich zu Unrecht verloren hat, kann ein Schaden im Rechtssinne nicht bejaht werden, wenn diese Erkenntnis im prozeßordnungsgemäß geführten und von keinem Anwaltsfehler beeinflußten Vorprozeß aus verfahrensrechtlichen Gründen, etwa wegen Beweislosigkeit, nicht hätte gewonnen werden können.

Entsprechend zu beurteilen ist die Lage, wenn das Gericht bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts verschiedene, jeweils verfahrensrechtlich zulässige Wege hätte wählen können und sämtliche Alternativen nicht die im Regreßprozeß gewonnenen Erkenntnisse erbracht hätten. In diesem Falle ist der Verlust des Vorprozesses nicht der anwaltlichen Pflichtverletzung zuzurechnen. Insoweit gilt im Tatsächlichen für die Haftungszurechnung ein entsprechender Maßstab wie bei der rechtlichen Würdigung, falls sich die höchstrichterliche Rechtsprechung nachträglich ändert (vgl. BGHZ 145, 256 , 259 ff.).

bb) Kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts der Mandant den Vorprozeß gewonnen hätte, ist der Zurechnungszusammenhang nicht unter wertenden Gesichtspunkten zu verneinen. Der Regreßrichter darf Beweisergebnisse, die bereits vorliegen, nicht deshalb außer Betracht lassen, weil es lediglich möglich ist, daß der Richter des Inzidenzprozesses auch ohne Verfahrensfehler einen Weg gewählt hätte, auf dem er zu diesen Erkenntnissen nicht gelangt wäre. In einem solchen Fall ist nicht hypothetisch aufzuklären, welche Alternative das Gericht des Vorprozesses gewählt hätte. Dies wäre mit zu vielen Unwägbarkeiten belastet und mit dem normativen Schadensbegriff nicht vereinbar (BGHZ 124, 86 , 95 f.; BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, NJW 1996, 48 , 49). Der Regreßrichter darf das objektiv Richtige nur dann außer Betracht lassen, wenn diese Erkenntnis im Vorprozeß unter keinen Umständen gewonnen werden konnte.

c) Grundsätzlich hat der Mandant, der seinen Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, neben der Pflichtverletzung (BGH, Urt. v. 25. März 1999 - IX ZR 283/97, WM 1999, 1328 , 1329), dem Schaden (BGHZ 131, 110, 115; BGH, Urt. v. 8. Juli 1999 - IX ZR 338/97, WM 1999, 1846 , 1849) und dem Ursachenzusammenhang (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, WM 2000, 966 , 968 m.w.N.) auch den Zurechnungszusammenhang darzulegen und zu beweisen. Ausnahmsweise gilt etwas anderes dann, wenn bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts dem Gericht verschiedene prozessual gleich gangbare Wege offen gestanden hätten. Hier muß nicht der Mandant darlegen und beweisen, daß auf einem dieser Wege der Schaden für ihn vermieden worden wäre. Noch weniger muß er belegen, daß das Gericht des Vorprozesses diesen Weg eingeschlagen hätte. Vielmehr muß der Rechtsanwalt darlegen und beweisen, daß auf allen in Betracht kommenden Wegen der Schaden nicht vermeidbar gewesen wäre. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil er sich auf hypothetische Geschehensabläufe beruft und deren Unaufklärbarkeit auf der von ihm zu vertretenden Pflichtwidrigkeit beruht.

3. Daraus ergibt sich für den Streitfall folgendes:

Für das Inzidenzgericht wären bei rechtzeitiger Vorlage des Privatgutachtens Q. folgende Verfahrensweisen in Betracht gekommen: Es hätte den in dem Beweisverfahren tätig gewordenen Gutachter D. befragen können (erste Variante). Es hätte seinerzeit jedoch auch den Privatgutachter Q. anhören dürfen (zweite Variante), wenn die Beklagten - wie es anwaltlicher Sorgfalt entsprochen hätte - darauf angetragen hätten (zur Sachaufklärung nach Vorlage von Privatgutachten vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95, NJW 1996, 1597 , 1598; v. 13. Februar 2001 - VI ZR 272/99, NJW 2001, 2796 , 2797). Schließlich hätte das Gericht nach § 412 Abs. 1 BGB auch die Möglichkeit gehabt, ein Obergutachten in Auftrag zu geben (dritte Variante). Offen ist zumindest, welche Ergebnisse die zweite und die dritte Variante ergeben hätten. Möglicherweise wäre das Obergutachten so ausgefallen wie das Gutachten F.. Deswegen kann nicht gesagt werden, daß alle drei Alternativen zum Verlust des Vorprozesses für die Klägerin geführt hätten.

III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die von der Revisionserwiderung erhobene Gegenrüge, das Berufungsgericht habe sich - was die Pflichtwidrigkeit des von den Beklagten an den Tag gelegten anwaltlichen Handelns angehe - fälschlich an sein erstes Berufungsurteil gebunden gefühlt, greift im Ergebnis nicht durch.

1. Allerdings ist das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Bindungswirkung seines ersten Berufungsurteils ausgegangen. In diesem ist das erste landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden, weil das Landgericht den durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen habe, das Gutachten D. sei (wenigstens im Ergebnis) zutreffend gewesen und deshalb sei die anwaltliche Pflichtverletzung für den Ausgang des Vorprozesses nicht kausal geworden. Gebunden war das Berufungsgericht in entsprechender Anwendung des § 565 Abs. 2 ZPO a.F. (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23. Juni 1992 - XI ZR 227/91, NJW 1992, 2831 , 2832; Beschl. v. 17. Januar 1995 - XI ZR 182/94, BGHR ZPO § 565 Abs. 2 - Bindungswirkung 5) nur an diejenige rechtliche Beurteilung, auf der die Aufhebung unmittelbar beruhte (vgl. BGHZ 132, 6 , 10; 145, 316, 319; BGH, Urt. v. 29. März 1990 - IX ZR 24/88, NJW 1990, 2127 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 565 Rn. 9; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 563 Rn. 11). Die Ausführungen des ersten Berufungsurteils über die anwaltliche Pflichtverletzung der Beklagten waren als nur mittelbare Grundlagen der Aufhebung nicht bindend.

2. Indes hat das Berufungsgericht ungeachtet der von ihm angenommenen Bindung auch darauf hingewiesen, daß es insoweit die Auffassung des zurückverweisenden Einzelrichterurteils teile. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung genügt dies den Anforderungen, die gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2, § 313 Abs. 3 ZPO an eine Urteilsbegründung zu stellen sind.

Daß die Annahme anwaltlicher Pflichtverletzungen der Beklagten in dem ersten Berufungsurteil, die sich das Berufungsgericht in dem zweiten Urteil zu eigen gemacht hat, unrichtig sei, hat die Revisionserwiderung nicht dargetan. In dem ersten Berufungsurteil ist zutreffend ausgeführt, daß wesentlich auch über die Notwendigkeit der von dem Sachverständigen D. vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten - somit über die Höhe des Schadens - gestritten worden war. Dafür war die Art des Mangels ausschlaggebend. Insofern war es von Bedeutung, welches Abdichtungsverfahren bei dem fraglichen Objekt angewandt worden war. Der Aufgabe, dieser Frage nachzugehen, waren die Beklagten nicht deshalb enthoben, weil Sanierungsmaßnahmen irgendwelcher (geeigneten) Art auf jeden Fall erforderlich waren.

IV. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), damit geprüft wird, auf welcher Tatsachengrundlage - sei es der von dem Sachverständigen, nunmehrigen sachverständigen Zeugen D., eventuell mit der durch den Sachverständigen K. befürworteten Modifikation, sei es der von den Sachverständigen Q. und F. ermittelten - zu beurteilen ist, welche Aufwendungen zur Reparatur der an dem Garagendach festgestellten Schäden erforderlich waren.

Hinweise:

Anmerkung Thorsten Mätzig BGHReport 2005, 1314

Hinweise:

Anmerkung Gerald Mäsch JZ 2006, 198

Vorinstanz: OLG Frankfurt/M.19.12.2003,
Vorinstanz: LG Frankfurt/Main,
Fundstellen
BB 2005, 1813
BGHReport 2005, 1314
BGHZ 163, 223
BRAK-Mitt 2005, 230
DB 2005, 2188
FamRZ 2005, 1562
JZ 2006, 198
MDR 2005, 1319
NJW 2005, 3071
VersR 2006, 657
WM 2005, 2103
ZGS 2005, 327
ZIP 2005, 1927