Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 24.10.2018

B 13 R 239/17 B

Normen:
VersAusglG § 37 Abs. 2
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 62
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 24.10.2018 - Aktenzeichen B 13 R 239/17 B

DRsp Nr. 2019/651

Anspruch auf Auszahlung ungekürzter Altersrente nach dem Tod der geschiedenen versorgungsausgleichsberechtigten Ehefrau Umfang des rechtlichen Gehörs

Das Recht auf rechtliches Gehör beinhaltet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen; ihn also zu "erhören".

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

VersAusglG § 37 Abs. 2 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 62 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 27.6.2017 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung ungekürzter Altersrente nach dem Tod seiner geschiedenen versorgungsausgleichsberechtigten Ehefrau verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt ausschließlich die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

1. Der Kläger beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst Senatsbeschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).

Die Beschwerdebegründung vom 15.8.2017 verfehlt diese Darlegungsvoraussetzungen bereits deshalb, weil der Kläger schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - formuliert hat (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).

Den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits wird selbst dann nicht genügt, wenn man zugunsten des Klägers der Beschwerdebegründung die Frage entnehmen wollte, ob ein Bezug einer Versorgung aus dem Versorgungsausgleich auch iS des § 37 Abs 2 VersAusglG dann vorliegt, wenn diese Versorgung mit Wirkung für die Vergangenheit bewilligt und insoweit nicht als laufende Leistung, sondern als Nachzahlung in einem Betrag erbracht wird. Denn anders als nach § 160a Abs 2 S 3 SGG erforderlich, versäumt es der Kläger, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihm sinngemäß aufgeworfenen Frage enthält und so deren Klärungsbedürftigkeit darzulegen. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8, Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2, Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - Juris RdNr 19). Daher hätte der Kläger zumindest auf die vom LSG auf Seite 9 des Urteils zitierte BSG -Rechtsprechung eingehen und aufzeigen müssen, dass entgegen der Ansicht des LSG die aufgeworfene Frage hierdurch noch nicht geklärt ist. Entsprechende Ausführungen fehlen in der Beschwerdebegründung. Dass der Kläger stattdessen lediglich seine von der des LSG abweichende Ansicht zur Auslegung des § 37 Abs 2 VersAusglG begründet, kann dies nicht ersetzen. Denn insoweit wendet er sich ausschließlich gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Hiermit kann aber - wie oben bereits ausgeführt - der Antrag auf Zulassung der Revision nicht begründet werden. Darüber hinaus fehlen in der Beschwerdebegründung des Klägers - anders als erforderlich - jegliche Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage im angestrebten Revisionsverfahren.

2. Die Beschwerdebegründung genügt ebenfalls nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 S 3 SGG , soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln beansprucht.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ). Diese Voraussetzungen werden durch die Beschwerdebegründung des Klägers nicht erfüllt.

Soweit sich der Kläger an den Regeln des Zivilprozesses orientiert und darauf hinweist, dass bestimmtes Vorbringen bestritten bzw nicht bestritten worden sei, legt er nicht wie erforderlich dar, inwiefern hierin ein Verstoß gegen Vorschriften über das sozialgerichtliche Verfahren liegen und wieso die Entscheidung des LSG hierauf beruhen könnte. Dies im Einzelnen zu begründen wäre aber notwendig gewesen, denn nach § 103 SGG erforschen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit den Sachverhalt von Amts wegen, ohne an das Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein. Eine Verletzung dieses Grundsatzes, die der Kläger möglicherweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur Frage eines Hinweises des Rentenversicherungsträgers an die geschiedene Ehefrau geltend machen will, wird gleichfalls nicht formgerecht gerügt. Zum einen benennt der Kläger - anders als nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG notwendig - keinen Beweisantrag, den er zur Aufklärung dieses Sachverhalts gestellt hätte. Zum anderen legt er nicht dar, wieso ein solcher Hinweis trotz der vom LSG zurecht nicht in Frage gestellten Bindungswirkung (§ 39 Abs 2 SGB X , § 77 SGG ) der gegenüber der geschiedenen Ehefrau ergangenen Bescheide entscheidungserheblich für das angegriffene Urteil hätte sein können.

Die Entscheidungserheblichkeit eines vermeintlichen Verfahrensfehlers wird entgegen den oben dargestellten Anforderungen auch nicht dargelegt, soweit der Kläger rügen wollte, das LSG habe sein nichtbestrittenes Vorbringen bzw das Bestreiten von Vorbringen der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen und hierdurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) verletzt. Im Übrigen gebietet das Recht auf rechtliches Gehör nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen; ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN). Dasselbe gilt im Hinblick auf das Vorbringen, das LSG habe die Belastung des Klägers durch den 2013 geschlossenen familiengerichtlichen Vergleich übersehen. Welchen rechtlich relevanten Einfluss dieser vom Kläger heute als nachteilig empfundene Vergleich mit seiner geschiedenen Ehefrau für die Entscheidung des LSG über seine Ansprüche gegen den beklagten Rentenversicherungsträger haben könnte, wird in der Beschwerdebegründung nicht einmal angesprochen. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass mit der Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils der Antrag auf Zulassung der Revision nicht begründet werden kann.

Schließlich genügt die Beschwerdebegründung auch nicht den Darlegungsanforderungen, soweit der Kläger zumindest sinngemäß eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG ) durch eine Überraschungsentscheidung rügt, weil die Revision im angegriffenen Urteil nicht zugelassen worden sei, obwohl einer der Richter in der Berufungsverhandlung erklärt habe, diese "auf jeden Fall" zulassen zu wollen. Denn der Kläger zeigt nicht auf, dass auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit der gerügten Entscheidung zu rechnen brauchte (zu dieser Voraussetzung einer Überraschungsentscheidung vgl zB BVerfG [Kammer] Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - Juris RdNr 18 mwN), obwohl eine solche Äußerung als Einzelmeinung nicht für die (nachfolgende) Entscheidung des "Gerichts", dh des gesamten Spruchkörpers, bindend sein kann (zur Äußerung des Vorsitzenden, einem bestimmten Gutachten folgen zu wollen vgl BSG Beschluss vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 27.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 4695/16
Vorinstanz: SG Stuttgart, vom 24.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 24 R 3226/16