Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen OLG (Stand: 01.01.2021)
Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Schleswig-Holsteinischen OLG dienen nur als Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Sie beruhen auf Erfahrungswerten, gewonnen aus typischen Sachverhalten, und sollen zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts beitragen. Sie haben keine bindende Wirkung und können eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtschau nicht ersetzen.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen. Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).
1. Geldeinnahmen |
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2. Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:
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6. Haushaltsführung Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist. |
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7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, FamRZ 2006, 846). |
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8. Freiwillige Zuwendungen Dritter Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten. |
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9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion Wer unter leichtfertigem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung bzw. Obliegenheit eine Erwerbsquelle nicht in zumutbarem Umfang nutzt, muss sich das erzielbare Einkommen zurechnen lassen. Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen bis zu dem Zeitpunkt fiktiv zuzurechnen, zu dem er aus anderem, nicht vorwerfbaren Grund die Arbeitsstelle verloren hätte (BGH, NJW 2008, 1525 ff.). Bei der Zurechnung von fiktiven Einkünften können fiktive berufsbedingte Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten) berücksichtigt werden. Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht ist vom Unterhaltsschuldner im Hinblick auf den nicht gesicherten Mindestunterhalt seines Kindes auch zu verlangen, dass er neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eine ihm mögliche und zumutbare Nebentätigkeit ausübt. Dies gilt auch bei der Zurechnung eines lediglich fiktiven Einkommens aus einer vollschichtigen Haupttätigkeit (BGH, FamRZ 2014, 1992). |
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10. Bereinigung des Einkommens
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Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt) Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I.). |
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Verrechnung des Kindergeldes |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
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16. nicht belegt |
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17. Erwerbsobliegenheit
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Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615l BGB Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils. Er ist auch dann nicht nach dem Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, wenn dieser mit dem unterhaltsberechtigten Elternteil zusammengelebt hat. Die Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte (BGH, FamRZ 2015, 1369). Der Bedarf darf das Existenzminimum für Nichterwerbstätige (derzeit 960 €) nicht unterschreiten. Die Inanspruchnahme ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt. |
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19. Elternunterhalt Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9). |
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20. Lebenspartnerschaft Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
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22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten |
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23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten Der monatliche notwendige Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt, unabhängig davon, ob er erwerbstätig ist oder nicht:
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24. Mangelfall
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Anhang:
I. Düsseldorfer Tabelle:
A. Kindesunterhalt
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Nettoeinkommen des/der Barunterhalts pflichtigen (Anm. 3, 4) |
Prozent- satz |
Bedarfskon- troll- betrag (Anm. 6) |
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0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
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Alle Beträge in Euro |
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1. |
bis 1.900 |
393 |
451 |
528 |
564 |
100 |
960/1.160 |
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2. |
1.901 |
- |
2.300 |
413 |
474 |
555 |
593 |
105 |
1.400 |
3. |
2.301 |
- |
2.700 |
433 |
497 |
581 |
621 |
110 |
1.500 |
4. |
2.701 |
- |
3.100 |
452 |
519 |
608 |
649 |
115 |
1.600 |
5. |
3.101 |
- |
3.500 |
472 |
542 |
634 |
677 |
120 |
1.700 |
6. |
3.501 |
- |
3.900 |
504 |
578 |
676 |
722 |
128 |
1.800 |
7. |
3.901 |
- |
4.300 |
535 |
614 |
719 |
768 |
136 |
1.900 |
8. |
4.301 |
- |
4.700 |
566 |
650 |
761 |
813 |
144 |
2.000 |
9. |
4.701 |
- |
5.100 |
598 |
686 |
803 |
858 |
152 |
2.100 |
10. |
5.101 |
- |
5.500 |
629 |
722 |
845 |
903 |
160 |
2.200 |
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ab 5.501 |
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Auf den Beschluss des BGH vom 16.09.2020 – XII ZB 499/19 wird hingewiesen. |
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II. Kindergeldanrechnungstabelle
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Ab dem 01.01.2021 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 219 €, für das dritte Kind 225 € und ab dem vierten Kind 250 €.
III. Umrechnung nach früherem Recht erstellter dynamischer Unterhaltstitel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO:
Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 01.01.2008). Dieser richtet sich einheitlich nach der am 01.01.2008 gültigen Altersstufe und ist auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:
a) Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld |
x 100 = Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel 1. Altersstufe |
Kontrollberechnung |
(196 € + 77 €) |
x 100 = 97,8 % |
279 € x 97,8 % = 272,86 €, gerundet 273 € |
279 € |
Zahlbetrag 273 € – 77 € = 196 €
b) Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.
Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld |
x 100 = Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel 1. Altersstufe |
Kontrollberechnung |
(273 € – 77 €) |
x 100 = 70,2 % |
279 € x 70,2 % = 195,85 €, gerundet 196 € |
279 € |
Zahlbetrag 196 € + 77 € = 273 €
c) Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor
Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld |
x 100 = Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel 2. Altersstufe |
Kontrollberechnung |
(177 € + 154 €) |
x 100 = 102,7 % |
322 € x 102,7 % = 330,69 €, gerundet 331 € |
322 € |
Zahlbetrag 331 € – 154 € = 177 €
d) Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld |
x 100 = Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel 3. Altersstufe |
Kontrollberechnung |
(329 € + 77 €) |
x 100 = 111,2 % |
365 € x 111,2 % = 405,88 €, gerundet 406 € |
365 € |
Zahlbetrag 406 € – 77 € = 329 €.
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