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Thüringer OLG

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Thüringer OLG: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand: 01.01.2019)

Die Familiensenate des Thüringer Oberlandesgerichts verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH.

Die „Düsseldorfer Tabelle“, Stand: 01.01.2019 ist einbezogen.

Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.

Unterhaltsrechtliches Einkommen

1. Einkünfte aus Erwerb und Vermögen

1.1 Auszugehen ist vom regelmäßigen Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.

1.2 Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.

1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

1.4 Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten i.d.R. als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind abzuziehen.

Bei Aufwendungspauschalen (ausgenommen km-Geld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden.

1.5 Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist i.d.R. der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen.

1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuss der Bruttoeinkünfte über die Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

2. Einkünfte aus Sozialleistungen

2.1 Arbeitslosengeld (§ 136 SGB III) und Krankengeld.

2.2 Leistungen nach den §§ 19 ff. SGB II beim Verpflichteten; Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II sind beim Berechtigten kein Einkommen, es sei denn, die Nichtberücksichtigung der Leistungen ist in Ausnahmefällen treuwidrig (vgl. BGH, FamRZ 1999, 843; 2001, 619); nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen, insbesondere befristete Zuschläge (§ 24 SGB II), Einstiegsgeld (§ 29 SGB II), Entschädigung für Mehraufwendungen „1-€-Job“ (§ 16 Abs. 3 SGB II).

2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5 Elterngeld ist, soweit es über den Sockelbetrag i.H.v. 300 €, bei verlängertem Bezug über 150 €, hinausgeht, Einkommen. Der Sockelbetrag des Elterngeldes und das Betreuungsgeld sind kein Einkommen, es sei denn, es liegt einer der Ausnahmefälle des § 11 Satz 4 BEEG vor.

2.6 Unfallrenten

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB sind zu beachten.

2.8 Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 In der Regel Leistungen nach §§ 4143 SGB XII (Grundsicherung) beim Verwandtenunterhalt, nicht aber beim Ehegattenunterhalt.

2.10 Kein Einkommen sind sonstige Sozialhilfe nach SGB XII und Leistungen nach dem UVG.

3. Kindergeld

Kindergeld mindert den Unterhaltsbedarf der Kinder nach Maßgabe des § 1612b BGB und unterstützt den betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistungen. Es stellt kein Einkommen des Bezugsberechtigten dar.

4. Geldwerte Zuwendungen

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers (z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis) sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Vorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und jene Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt.

Während des Getrenntlebens ist zunächst regelmäßig die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, sind Ausnahmen von der Berücksichtigung des vollen Mietwerts grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt (BGH, FamRZ 2008, 963 ff.), es sei denn, es ist nicht möglich oder zumutbar, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern.

Die in den Selbstbehaltsätzen ausgewiesenen Kaltmiet-Wohnkosten können im Mangelfall als Maßstab für die Anrechnung mietfreien Wohnens herangezogen werden.

6. Haushaltsführung

Die Führung des Haushalts eines leistungsfähigen Dritten kann dem Nichterwerbstätigen als (fiktives) Einkommen zugerechnet werden. In der Regel kann ein Betrag von 450 € monatlich dafür angesetzt werden.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 01.07.2015 – XII ZB 240/14). Keine freiwilligen Zuwendungen Dritter sind Leistungen, die einem Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts zufließen.

9. Fiktives Einkommen

Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder tatsächliche, angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags).

10.2.1 Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen. Bei entsprechenden Anhaltspunkten kann – auch bei fiktiven Einkünften – eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – mindestens 50 €, bei geringfügiger Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 € monatlich – geschätzt werden. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie in voller Höhe konkret darzulegen.

10.2.2 Für Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz sind – jedenfalls in engen wirtschaftlichen Verhältnissen – i.d.R. nur die Kosten öffentlicher Verkehrsmittel absetzbar. Ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar, sind die Kosten der Pkw-Nutzung i.d.R. mit 0,30 € je Kilometer (Formel: Entfernungskilometer x 2 x 0,30 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate) abzugsfähig. Wenn die einfache Entfernung über 30 Kilometer hinausgeht, wird empfohlen, die weiteren Kilometer wegen der eintretenden Kostenersparnis nur mit den Betriebskosten von 0,20 €/km anzusetzen. Neben den Fahrtkosten sind regelmäßig keine weiteren Kosten (etwa für Kredite oder Reparaturen) abzugsfähig.

Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskosten sind enthalten.

10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Kindergartenkosten stellen jedoch Mehrbedarf des Kindes dar (BGH, FamRZ 2009, 962 ff.). Geht ein Ehegatte überobligatorisch einer Vollzeittätigkeit nach, obwohl er minderjährige Kinder betreut, so kann ihm gegenüber dem anderen Ehegatten ein Kinderbetreuungsbonus anrechnungsfrei belassen werden, wenn er darlegt, dass er oder Dritte zusätzliche Kosten durch die Betreuung der Kinder haben.

10.7 Zur ausnahmsweisen Berücksichtigung von Umgangskosten (BGH, FamRZ 2009, 1300; 1391; 1477, 1479; FamRZ 2014, 917–921).

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anlage I).

11.1 In den Tabellenbeträgen sind Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht enthalten.

11.2 Die Tabelle weist monatliche Unterhaltsrichtsätze aus, bezogen auf zwei Unterhaltspflichten ohne Rücksicht auf den Rang.

Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein.

12. Minderjährige Kinder

Der Betreuungsunterhalt i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB entspricht wertmäßig i.d.R. dem vollen Barunterhalt.

13. Volljährige Kinder

13.1 Bedarf

Der Bedarf des volljährigen Schülers oder Studenten umfasst i.d.R. den Wohnbedarf und übliche ausbildungsbedingte Aufwendungen.

Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.

13.1.1 Für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle. Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3), ist der Bedarf des Kindes i.d.R. nach dem zusammengerechneten Einkommen zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

Dies gilt auch für ein Kind i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Erzielt das volljährige Kind eigenes Einkommen, beträgt der Unterhaltsbedarf (ohne Kranken-/Pflegeversicherungsbedarf und ohne Studiengebühren) mindestens monatlich 610 €.

Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist vor ihrer Anrechnung i.d.R. um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 100 € zu kürzen.

Die Anrechnung darf nicht zu unangemessenen Ergebnissen führen.

13.1.2 Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt i.d.R. monatlich mindestens 735 € (darin sind enthalten Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu 300 €), ohne Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie ohne Studiengebühren. Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden.

13.2 Einkommen des Kindes

Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch das Kindergeld (siehe Nr. 14), BAföG-Darlehen und Ausbildungsvergütung bzw. -beihilfen angerechnet. Bei in der Berufsausbildung befindlichen Volljährigen sind von diesen Einkünften des Kindes ausbildungsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend.

13.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil

Für den Bedarf des Volljährigen haften die Eltern anteilig nach dem Verhältnis ihrer verfügbaren Einkommen. Vor der Bildung der Haftungsquote ist der angemessene Selbstbehalt jedes Elternteils (vgl. Nr. 21.3.1) und der Unterhalt vorrangig Berechtigter abzusetzen. Die Haftung ist auf den Tabellenbetrag nach Maßgabe des eigenen Einkommens des jeweils Verpflichteten begrenzt.

Diese Berechnung findet für den Bedarf des volljährigen Schülers i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung. In diesem Fall ist vor der Bildung der Haftungsquote der notwendige Selbstbehalt jedes Elternteils (vgl. Nr. 21.2) abzusetzen.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Maßgeblich sind jeweils die die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkünfte der (geschiedenen) Ehegatten.

Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen als prägend.

Verfügt der Berechtigte über die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägendes eigenes Einkommen, so kommt die sogenannte Anrechnungsmethode zur Anwendung. Hier wird das Erwerbseinkommen des Berechtigten mit 6/7 angerechnet.

15.2 Hat der Berechtigte kein eigenes Einkommen, beträgt der Bedarf 3/7 des bereinigten Nettoeinkommens zuzüglich 1/2 der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Verpflichteten.

Hat der Berechtigte eigenes Einkommen, beträgt der Bedarf 3/7 der Differenz zwischen dem anrechenbaren Nettoeinkommen der (geschiedenen) Ehegatten bzw. 1/2 der anrechenbaren sonstigen Einkünfte, jeweils begrenzt durch den vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB).

15.3 Bei einem Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags (also derzeit 2 x 5.500 € = 11.000 €) ist davon auszugehen, dass dieses vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden.

Bei einem höheren Familieneinkommen muss der Unterhaltsberechtigte jedoch, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darlegen und bei substantiiertem Bestreiten in vollem Umfang beweisen (BGH, Beschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16).

Eigenes Einkommen des bedürftigen Ehegatten – Erwerbseinkommen ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus – ist hierauf anzurechnen (BGH, FamRZ 2011, 192).

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Erleidet dieser einen konkreten Verdienstausfall, ist er auch für den Unterhalt zugrunde zu legen. Der Mindestbedarf entspricht i.d.R. dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen (Nr. 21.2 a), vgl. BGH, FamRZ 2010, 357 ff.

Die Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte (BGH, FamRZ 2015, 1369).

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB), dem eheangemessenen (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

21.2 Er beträgt

gegenüber Minderjährigen und gem. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegierten volljährigen Kindern (notwendiger oder kleiner Selbstbehalt)

a) für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige:

880 €

b) für erwerbstätige Unterhaltspflichtige:

1.080 €

Darin enthalten sind 380 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete).

Verursacht der Umgang des Unterhaltspflichtigen mit den minderjährigen Kindern besondere Kosten, die er nur unter Gefährdung seines Selbstbehalts aufbringen könnte, kommt eine maßvolle Erhöhung in Betracht.

Bei Deckung des Mindestunterhalts gilt auch gegenüber Ansprüchen minderjähriger Kinder und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder der angemessene Selbstbehalt nach Nr. 21.3.1.

21.3.1 gegenüber volljährigen Kindern, die nicht gem. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert sind (angemessener oder großer Selbstbehalt): 1.300 €

Darin ist eine Warmmiete i.H.v. 480 € enthalten.

21.3.2 gegenüber dem getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten (eheangemessener Selbstbehalt) sowie dem nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten: 1.200 €

Darin sind bis 430 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.

21.3.3 Der Selbstbehalt (Nr. 21.5) beträgt gegenüber den Eltern 1.800 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt. Darin enthalten sind Kosten des Wohnbedarfs i.H.v. 480 € (Warmmiete).

Der angemessene Unterhalt eines mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1.440 €; darin sind Kosten des Wohnbedarfs i.H.v. 380 € enthalten (Warmmiete).

Bei Zusammenleben beträgt der Familienselbstbehalt (1.800 + 1.440 =) 3.240 €, wobei 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens anrechnungsfrei verbleiben (BGH, FamRZ 2010, 1535–1541).

21.3.4 Der Selbstbehalt der Großeltern beträgt 1.800 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt. Bei Zusammenleben der Großeltern beträgt der Selbstbehalt 3.240 €, wobei 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens anrechnungsfrei verbleiben (BGH, FamRZ 2010, 1535–1541).

Die Haushaltsersparnis, die bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Erwerbseinkommen eintritt, ist regelmäßig mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen.

Aufwendungen für eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht als vorweg abziehbare Verbindlichkeiten zu behandeln (BGH, a.a.O.).

21.4 Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

Das Existenzminimum des unterhaltsberechtigten Ehegatten einschließlich des trennungsbedingten Mehrbedarfs beträgt i.d.R.:

1. falls erwerbstätig: 1.080 €

2. falls nicht erwerbstätig: 880 €

23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig

1. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig

a) gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten 1.200 €,

b) gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern 1.300 €,

c) gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen 1.800 €.

2. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des Ehegatten, der in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebt, unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig:

a) gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten 960 €,

b) gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern 1.040 €,

c) gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen 1.440 € (siehe Nr. 21.3.3).

24. Mangelfall

24.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zur Deckung seines Selbstbehalts und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche der Berechtigten nicht ausreicht. Für diesen Fall ist die nach Abzug des Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.

24.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich

bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern auf den Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle nach den jeweiligen Zahlbeträgen.

Beim Kindesunterhalt ist im Mangelfall gegenüber Berechtigten i.S.v. § 1609 Nr. 2 BGB trotz Vorrangs nur der Mindestunterhalt anzusetzen, BGH, FamRZ 2008, 2189 ff.

Die nach Abzug des Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse ist anteilig auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.

Anrechenbares Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist vom Einsatzbetrag abzuziehen.

Sonstiges

25. Rundungen

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

Anmerkung: Die nicht durchgängige Nummerierung beruht auf der einheitlichen Gliederung der Leitlinien in den Oberlandesgerichtsbezirken. Die fehlenden Punkte wurden beim Thüringer Oberlandesgericht nicht besonders geregelt.

Anlage I

Düsseldorfer Tabelle für den Kindesunterhalt (Stand: 01.01.2019)

Nettoeinkommen des/der Barunterhaltspflichtigen

Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB)

Prozentsatz

Bedarfskontrollbetrag

0–5

6–11

12–17

ab 18

Alle Beträge in Euro

1.

 

bis

1.900

354

406

476

527

100

880/1.080

2.

1.901

2.300

372

427

500

554

105

1.300

3.

2.301

2.700

390

447

524

580

110

1.400

4.

2.701

3.100

408

467

548

607

115

1.500

5.

3.101

3.500

425

488

572

633

120

1.600

6.

3.501

3.900

454

520

610

675

128

1.700

7.

3.901

4.300

482

553

648

717

136

1.800

8.

4.301

4.700

510

585

686

759

144

1.900

9.

4.701

5.100

539

618

724

802

152

2.000

10.

5.101

5.500

567

650

762

844

160

2.100

 

 

ab

5.501

nach den Umständen des Falls

Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe entsprechen dem Mindestbedarf gemäß der Ersten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 28.09.2017 (BGBl I, 3525). Der Prozentsatz drückt die Steigerung des Richtsatzes der jeweiligen Einkommensgruppe gegenüber dem Mindestbedarf (= 1. Einkommensgruppe) aus. Die durch Multiplikation des gerundeten Mindestbedarfs mit dem Prozentsatz errechneten Beträge sind entsprechend § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB aufgerundet.

Die Bedarfssätze der vierten Altersstufe – ab 18 Jahren – entsprechen bis auf weiteres den für 2017 maßgeblichen Werten.

Anlage II

Tabelle Zahlbeträge

Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge, und zwar für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 (nachstehend I.) und für die Zeit ab 1. Juli 2019 (nachstehend II.).

I.

1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019

Ab dem 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2019 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 194 €, für das dritte Kind 200 € und ab dem vierten Kind 225 €.

1. und 2. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

257

309

379

333

100

2.

1.901 – 2.300

275

330

403

360

105

3.

2.301 – 2.700

293

350

427

386

110

4.

2.701 – 3.100

311

370

451

413

115

5.

3.101 – 3.500

328

391

475

439

120

6.

3.501 – 3.900

357

423

513

481

128

7.

3.901 – 4.300

385

456

551

523

136

8.

4.301 – 4.700

413

488

589

565

144

9.

4.701 – 5.100

442

521

627

608

152

10.

5.101 – 5.500

470

553

665

650

160

3. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

254

306

376

327

100

2.

1.901 – 2.300

272

327

400

354

105

3.

2.301 – 2.700

290

347

424

380

110

4.

2.701 – 3.100

308

367

448

407

115

5.

3.101 – 3.500

325

388

472

433

120

6.

3.501 – 3.900

354

420

510

475

128

7.

3.901 – 4.300

382

453

548

517

136

8.

4.301 – 4.700

410

485

586

559

144

9.

4.701 – 5.100

439

518

624

602

152

10.

5.101 – 5.500

467

550

662

644

160

Ab 4. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

241,50

293,50

363,50

302

100

2.

1.901 – 2.300

259,50

314,50

387,50

329

105

3.

2.301 – 2.700

277,50

334,50

411,50

355

110

4.

2.701 – 3.100

295,50

354,50

435,50

382

115

5.

3.101 – 3.500

312,50

375,50

459,50

408

120

6.

3.501 – 3.900

341,50

407,50

497,50

450

128

7.

3.901 – 4.300

369,50

440,50

535,50

492

136

8.

4.301 – 4.700

397,50

472,50

573,50

534

144

9.

4.701 – 5.100

426,50

505,50

611,50

577

152

10.

5.101 – 5.500

454,50

537,50

649,50

619

160

II.

Ab 1. Juli 2019

Ab dem 1. Juli 2019 beträgt das Kindergeld für das erste und zweite Kind 204 €, für das dritte Kind 210 € und ab dem vierten Kind 235 €.

1. und 2. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

252

304

374

323

100

2.

1.901 – 2.300

270

325

398

350

105

3.

2.301 – 2.700

288

345

422

376

110

4.

2.701 – 3.100

306

365

446

403

115

5.

3.101 – 3.500

323

386

470

429

120

6.

3.501 – 3.900

352

418

508

471

128

7.

3.901 – 4.300

380

451

546

513

136

8.

4.301 – 4.700

408

483

584

555

144

9.

4.701 – 5.100

437

516

622

598

152

10.

5.101 – 5.500

465

548

660

640

160

3. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

249

301

371

317

100

2.

1.901 – 2.300

267

322

395

344

105

3.

2.301 – 2.700

285

342

419

370

110

4.

2.701 – 3.100

303

362

443

397

115

5.

3.101 – 3.500

320

383

467

423

120

6.

3.501 – 3.900

349

415

505

465

128

7.

3.901 – 4.300

377

448

543

507

136

8.

4.301 – 4.700

405

480

581

549

144

9.

4.701 – 5.100

434

513

619

592

152

10.

5.101 – 5.500

462

545

657

634

160

Ab 4. Kind

0–5

6–11

12–17

ab 18

%

1.

bis 1.900

236,50

288,50

358,50

292

100

2.

1.901 – 2.300

254,50

309,50

382,50

319

105

3.

2.301 – 2.700

272,50

329,50

406,50

345

110

4.

2.701 – 3.100

290,50

349,50

430,50

372

115

5.

3.101 – 3.500

307,50

370,50

454,50

398

120

6.

3.501 – 3.900

336,50

402,50

492,50

440

128

7.

3.901 – 4.300

364,50

435,50

530,50

482

136

8.

4.301 – 4.700

392,50

467,50

568,50

524

144

9.

4.701 – 5.100

421,50

500,50

606,50

567

152

10.

5.101 – 5.500

449,50

532,50

644,50

609

160

Anlage III

Umrechnung dynamischer Titel nach § 36 Nr. 3 EGZPO

Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrags zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich.

An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt.

Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB).

Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.

Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:

A. Stand: 01.01.2008

1. Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes (für das erste bis dritte Kind 77 €, ab dem vierten Kind 89,50 €) oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3a EGZPO).

(Bisheriger Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) x 100 / Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu

Beispiel für 1. Altersstufe

(196 € + 77 €) x 100 / 279 € = 97,8 %

279 € x 97,8 % = 272,86 €, aufgerundet 273 €

Zahlbetrag: 273 € – 77 € = 196 €

2. Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3b EGZPO).

(Bisheriger Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld) x 100 / Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu

Beispiel für 1. Altersstufe

(273 € – 77 €) x 100 / 279 € = 70,2 %

279 € x 70,2 % = 195,85 €, aufgerundet 196 €

Zahlbetrag: 196 € + 77 € = 273 €

3. Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3c EGZPO).

(Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld) x 100 / Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu

Beispiel für 2. Altersstufe

(177 € + 154 €) x 100 / 322 € = 102,7 %

322 € x 102,7 % = 330,69 €, aufgerundet 331 €

Zahlbetrag: 331 € – 154 € = 177 €

4. Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3d EGZPO).

(Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) x 100 / Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu

Beispiel für 3. Altersstufe

(329 € + 77 €) x 100 / 365 € = 111,2 %

365 € x 111,2 % = 405,88 €, aufgerundet 406 €

Zahlbetrag: 406 € – 77 € = 329 €

B. Für die Zeit ab 01.01.2009 und die Folgejahre bestimmen sich der Mindestunterhalt und die Rechengrößen „1/1 Kindergeld“ sowie „1/2 Kindergeld“ in den obigen Berechnungsbeispielen nach den jeweiligen gesetzlich geltenden Beträgen.

C. Der zum 01.01.2008 errechnete neue Prozentsatz bleibt bis zu einer etwaigen Abänderung auch für die Folgejahre gültig. Für die Ermittlung des konkreten Zahlbetrags sind die jeweils aktuellen Beträge des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe und des Kindergeldes maßgeblich.