OLG Rostock: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand 01.01.2011)
Vorbemerkung
Die Familiensenate des Oberlandesgerichts Rostock verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH, wobei die Angemessenheit des Ergebnisses in jedem Fall zu überprüfen ist.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht.
Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.
1. Geldeinnahmen
1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Renten und Pensionen. |
|
1.2 Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) zu verteilen. |
|
1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen regelmäßig zugerechnet, soweit sie in geringem Umfang anfallen oder berufsüblich sind, darüber hinaus im absoluten Mangelfall (vgl. Nr. 23). Entsprechendes gilt für Einkünfte aus Nebentätigkeiten. |
|
1.4 Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen – vermindert um häusliche Ersparnis – sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen eingesetzt werden. |
|
1.5 Bei der Ermittlung des zukünftigen Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen. |
|
1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen: |
|
Auszugehen ist von den Einnahmen abzüglich notwendiger Ausgaben. Für Gebäude ist keine Absetzung für Abnutzung (AfA) anzusetzen. |
|
1.7 Steuerzahlungen oder -erstattungen sind in der Regel im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistung zu berücksichtigen. Es besteht die Obliegenheit, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen. |
|
1.8 Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder |
2. Auch folgende Sozialleistungen sind Einkommen:
2.2 Arbeitslosengeld II (§§ 19 ff. SGB II) beim Verpflichteten; beim Berechtigten nur, soweit es um Unterhalt für die Vergangenheit geht und der Unterhaltsanspruch nicht nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangen ist |
|
2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt |
|
2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach den §§ 36, 37 BAföG |
|
2.5 Elterngeld nach Maßgabe des § 11 Bundeselterngeldgesetz Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG |
|
2.6 Unfall- und Versorgungsrenten nach Abzug des Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen |
|
2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindenhilfe, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten. |
|
2.8 Der Anteil des Pflegegeldes bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI. |
|
2.9 In der Regel Leistungen nach §§ 41–43 SGB XII (Grundsicherung) beim Verwandtenunterhalt, nicht aber beim Ehegattenunterhalt |
|
2.10/2.11 Kein Einkommen sind Sozialhilfe nach dem SGB XII und Leistungen nach dem UVG. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein. |
3. Kindergeld
Kindergeld ist kein Einkommen der Eltern (vgl. Nr. 14).
4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.
5. Wohnwert
Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.
Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst und erforderliche Instandhaltungskosten übersteigt.
Auszugehen ist vom vollen Mietwert (Nettokaltmiete). Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zum endgültigen Scheitern der Ehe (in der Regel Ablauf des Trennungsjahres, ggf. Zustellung des Scheidungsantrags) in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.
6. Haushaltsführung
Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen. Bei Haushaltsführung durch einen Nichterwerbstätigen geschieht das in der Regel mit einem Betrag von 200 €–550 €.
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen). |
|
10.1.1 Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z.B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, für unstreitigen oder rechtskräftig titulierten Unterhalt). |
|
10.1.2 Zur Absicherung einer angemessenen Altersvorsorge kann insbesondere der nichtselbständig Erwerbstätige eine zusätzliche Altersvorsorge von bis zu 4 % seines jeweiligen Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres, gegenüber Ansprüchen auf Elternunterhalt von bis zu 5 % seines Bruttoeinkommens betreiben. |
|
10.2 Berufsbedingte Aufwendungen sind – wenn sie geltend gemacht, dargelegt und im Falle des Bestreitens bewiesen werden – im Rahmen des Angemessenen vom Arbeitseinkommen abzuziehen. Eine Schätzung ist möglich, § 287 ZPO. |
|
10.2.1 Konkrete Aufwendungen |
|
10.2.2 Die Kosten einer notwendigen Pkw-Nutzung für berufsbedingte Fahrten, insbesondere zum Arbeitsplatz, werden mit einer Pauschale in Höhe von 0,30 € je gefahrenen Kilometer berücksichtigt. Hierin sind Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskosten enthalten. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann für die Gesamtstrecke nach unten abgewichen werden. Steuervorteile sind gegenzurechnen. |
|
10.2.3 Der Auszubildende hat seinen Ausbildungsaufwand konkret darzulegen und zu beweisen, ein pauschaler Abzug erfolgt nicht. |
|
10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Ein auf überobligatorischer Tätigkeit beruhendes Mehreinkommen kann ganz oder teilweise anrechnungsfrei bleiben, wenn keine konkreten Betreuungskosten anfallen. Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen mindern das Einkommen nicht; es handelt sich um Mehrbedarf des Kindes. |
|
10.4 Schulden |
|
Zins- und Tilgungsraten (ggf. unter Berücksichtigung einer möglichen Tilgungsstreckung) für Schulden können je nach den Umständen des Einzelfalls (Art, Grund und Zeitpunkt der Entstehung) das anrechenbare Einkommen vermindern. |
|
Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Prüfung der Leistungsfähigkeit oder Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen. |
|
Kann der Unterhaltsschuldner den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder aus anderen Mitteln nicht decken, sind Schulden in der Regel nur bis zur Höhe des pfändbaren Betrages (§ 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO) zu berücksichtigen. |
|
10.5 Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen; Unterhaltsleistungen an nachrangig Berechtigte sind angemessen zu berücksichtigen. |
|
10.6 Vermögensbildende Aufwendungen sind, soweit sie angemessen sind, abzugsfähig. |
|
10.7 Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts, die über den dem Umgangsberechtigten verbleibenden Anteil am Kindergeld hinausgehen, können sich, soweit sie notwendigerweise anfallen, einkommensmindernd auswirken. |
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Unterhaltstabelle im Anhang I (Düsseldorfer Tabelle). Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder gemäß § 1612a BGB als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts geltend gemacht werden. |
|
11.1 Die Tabellensätze enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen. Kosten für den Besuch eines Kindergartens oder vergleichbare Betreuungsformen werden mit Ausnahme der Verpflegungskosten durch die Tabellensätze nicht erfasst. Sie sind Mehrbedarf des Kindes. |
|
11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Berechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen. Bei einer größeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten kann eine Korrektur an Hand des Bedarfskontrollbetrages erfolgen. Der Bedarfskontrollbetrag ist nicht identisch mit dem Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten gewährleisten. Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten verbleibende bereinigte Einkommen nicht den für die Einkommensgruppe ausgewiesenen Bedarfskontrollbetrag, ist soweit herabzustufen, bis dem Unterhaltspflichtigen der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt. |
12. Minderjährige Kinder
12.1 Der Betreuungsunterhalt im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt. |
|
12.2 Einkommen des minderjährigen Kindes, das nach Abzug ausbildungsbedingter Kosten (vgl. Nr. 10.2.3) verbleibt, ist zur Hälfte auf den Barunterhalt anzurechnen. Die andere Hälfte kommt dem betreuenden Elternteil zugute. |
|
12.3 Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten, es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils und der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). |
|
Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Gesamtbedarf. Betreuungsleistungen sind zu berücksichtigen. |
|
12.4 Bei Zusatzbedarf (Verfahrens-/Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Kosten für den Kindergarten (ohne Verpflegungskosten) oder vergleichbare Betreuungseinrichtungen sind Mehrbedarf des Kindes. |
13. Volljährige Kinder
13.1 Bedarf |
|
Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben. |
|
13.1.1 Volljährige Kinder, die noch im Haushalt eines Elternteils leben: |
|
Der Bedarf volljähriger unverheirateter Kinder ist der 4. Altersstufe der beiliegenden Unterhaltstabelle zu entnehmen, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben; die maßgebende Einkommensgruppe ergibt sich, wenn beide Elternteile leistungsfähig sind, aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern ohne Erhöhung nach Nr. 11.2. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen nach der Tabelle ergibt. |
|
13.1.2 Andere volljährige Kinder: |
|
Der Bedarf (einschließlich Wohnbedarf) eines nicht unter Nr. 13.1.1 fallenden Kindes beträgt 670 € monatlich. |
|
In diesem Betrag sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren nicht enthalten. |
|
Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden. |
|
13.2 Auf den Unterhaltsbedarf werden das volle Kindergeld (Nr. 14) und die Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen) angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend. |
|
13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gemäß Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem sind vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts von 1.150 € und Unterhaltsleistungen für vorrangig Berechtigte abzuziehen. |
|
Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (950 €/770 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann. |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Bei der Bedarfsbemessung dürfen nur eheprägendes Einkommen und grundsätzlich nur eheprägende Schulden berücksichtigt werden. Spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens der Ehegatten sind grundsätzlich zu berücksichtigen, unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Erhöhungen handelt. |
|
15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz; vom bereinigten Nettoerwerbseinkommen ist ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 abzuziehen. |
|
15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht. |
|
15.4 Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese von dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. durch Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten auf seinen Bedarf. Vorsorgeunterhalt kann nur beansprucht werden, wenn der Elementarunterhalt in Höhe des notwendigen Selbstbehalts für Nichterwerbstätige sichergestellt ist. |
16. Bedürftigkeit
Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist.
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 Bei Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes kann bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden. Danach besteht eine Erwerbsobliegenheit nach Maßgabe der Betreuungsbedürftigkeit und der zumutbaren Betreuungsmöglichkeit. Soweit mehrere Kinder zu betreuen sind, ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.
Geht der unterhaltsberechtigte Ehegatte über das an sich zumutbare Maß hinaus einer Erwerbstätigkeit nach, so richtet sich die Anrechenbarkeit seines dadurch erzielten Einkommens auf den Unterhaltsanspruch nach § 1577 Abs. 2 BGB.
17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615l BGB
Der Bedarf der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils (§§ 1615l Abs. 3 Satz 1, 1610 BGB).
19. Elternunterhalt
Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen nach den §§ 41–43 SGB XII (Grundsicherung) zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt des Verpflichteten
21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) sowie dem dem Selbstbehalt gegenüber Ehegatten (§ 1581 BGB).
21.2 Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten volljährigen Kindern gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme.
Er beträgt
beim Erwerbstätigen 950 €, |
|
beim Nichterwerbstätigen 770 €. |
21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.
21.3.1 Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern, die nicht gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert sind, 1.150 €.
21.3.2 Gegenüber der Mutter oder dem Vater nichtehelicher Kinder nach § 1615l Abs. 1 BGB beträgt der angemessene Selbstbehalt 1.050 €.
21.3.3 Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt mindestens 1.500 € zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens (bei Vorteilen des Zusammenlebens in der Regel 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens). Der angemessene Unterhalt eines mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1.200 €.
21.3.4. Für den Selbstbehalt gegenüber Enkeln gilt Nr. 21.3.3 entsprechend.
21.4 Gegenüber Ehegatten beträgt der Selbstbehalt (§ 1581 BGB) 1.050 €.
Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere im absoluten Mangelfall, kann der Selbstbehalt angemessen bis zum notwendigen Selbstbehalt (950 €/770 €) vermindert werden.
21.5 Beim Verwandtenunterhalt kann der jeweilige Selbstbehalt unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch seinen Ehegatten gedeckt ist (vgl. Nr. 22). Wegen der Kostenersparnisse bei gemeinschaftlicher Haushaltsführung kommt eine Kürzung des Selbstbehalts dann in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem Dritten zusammenlebt.
22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammen lebenden Ehegatten
22.1 Der Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen des nachrangigen geschiedenen Ehegatten beträgt 840 €.
22.2 Der Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder beträgt 920 €.
22.3 Zum Mindestbedarf des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Ansprüchen von Eltern oder Enkeln vgl. Nr. 21.3.3 bzw. 21.3.4.
23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten
23.1 gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten 1.050 €
23.2 gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern 1.150 €
23.3 gegenüber Eltern und Enkeln des Unterhaltspflichtigen 1.500 €
24. Mangelfall
24.1 Grundsatz
Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Selbstbehalts des Verpflichteten (Nr. 21) zur Verfügung steht, nicht aus, um alle Ansprüche zu erfüllen, so ist der den Selbstbehalt übersteigende Betrag auf die Berechtigten unter Beachtung der Rangverhältnisse zu verteilen.
24.2 Einsatzbeträge
Die Einsatzbeträge für minderjährige unverheiratete und ihnen gleichgestellte volljährige Kinder entsprechen den Tabellenbeträgen der ersten Einkommensgruppe der Tabelle in Anlage I abzüglich des nach § 1612b Abs. 1 BGB zur Bedarfsdeckung zu verwendenden Kindergeldes.
24.3 Berechnung
Die nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse ist anteilig auf alle gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis der (ggf. um eigene Einkünfte gekürzten) Einsatzbeträge zu verteilen.
24.4 Angemessenheitskontrolle
Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen.
Anhang
i) |
Unterhaltstabelle |
ii) |
Zahlbetragstabelle |
iii) |
Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gem. § 36 Nr. 3 EGZPO |
Anhang
Unterhaltstabelle (Stand 01.01.2011)
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen |
Altersstufen in Jahren |
Prozentsatz |
Bedarfskontrollbetrag |
||||
|
|
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
|
|
Alle Beträge in Euro |
|||||||
1 |
bis 1.500 |
317 |
364 |
426 |
488 |
100 |
770/950 |
2 |
1.501 – 1.900 |
333 |
383 |
448 |
513 |
105 |
1.050 |
3 |
1.901 – 2300 |
349 |
401 |
469 |
537 |
110 |
1.150 |
4 |
2.301 – 2.700 |
365 |
419 |
490 |
562 |
115 |
1.250 |
5 |
2.701 – 3.100 |
381 |
437 |
512 |
586 |
120 |
1.350 |
6 |
3.101 – 3.500 |
406 |
466 |
546 |
625 |
128 |
1.450 |
7 |
3.501 – 3.900 |
432 |
496 |
580 |
664 |
136 |
1.550 |
8 |
3.901 – 4.300 |
457 |
525 |
614 |
703 |
144 |
1.650 |
9 |
4.301 – 4.700 |
482 |
554 |
648 |
742 |
152 |
1.750 |
10 |
4.701 – 5.100 |
508 |
583 |
682 |
781 |
160 |
1.850 |
|
über 5.100 |
nach den Umständen des Falls |
II. Zahlbetragstabelle
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. und 2. Kind beträgt das Kindergeld ab dem 01.01.2010 184 €, für das 3. Kind 190 €, ab dem 4. Kind 215 €.
1. Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. und 2. Kind
Einkommensgruppe |
0–5 Jahre |
6–11 Jahre |
12–17 Jahre |
ab 18 Jahren |
1 (bis 1.500) |
225 |
272 |
334 |
304 |
2 (1.501–1.900) |
241 |
291 |
356 |
329 |
3 (1.901–2.300) |
257 |
309 |
377 |
353 |
4 (2.301–2.700) |
273 |
327 |
398 |
378 |
5 (2.701–3.100) |
289 |
345 |
420 |
402 |
6 (3.101–3.500) |
314 |
374 |
454 |
441 |
7 (3.501–3.900) |
340 |
404 |
488 |
480 |
8 (3.901–4.300) |
365 |
433 |
522 |
519 |
9 (4.301–4.700) |
390 |
462 |
556 |
558 |
10 (4.701–5.100) |
416 |
491 |
590 |
597 |
2. Anrechnung des Kindergeldes für das 3. Kind
Einkommensgruppe |
0–5 Jahre |
6–11 Jahre |
12–17 Jahre |
ab 18 Jahren |
1 (bis 1.500) |
222 |
269 |
331 |
298 |
2 (1.501–1.900) |
238 |
288 |
353 |
323 |
3 (1.901–2.300) |
254 |
306 |
374 |
347 |
4 (2.301–2.700) |
270 |
324 |
395 |
372 |
5 (2.701–3.100) |
286 |
342 |
417 |
396 |
6 (3.101–3.500) |
311 |
371 |
451 |
435 |
7 (3.501–3.900) |
337 |
401 |
485 |
474 |
8 (3.901–4.300) |
362 |
430 |
519 |
513 |
9 (4.301–4.700) |
387 |
459 |
553 |
552 |
10 (4.701–5.100) |
413 |
488 |
587 |
591 |
3. Anrechnung des Kindergeldes für das 4. Kind und jedes weitere Kind
Einkommensgruppe |
0–5 Jahre |
6–11 Jahre |
12–17 Jahre |
ab 18 Jahren |
1 (bis 1.500) |
209,50 |
256,50 |
318,50 |
273 |
2 (1.501–1.900) |
225,50 |
275,50 |
340,50 |
298 |
3 (1.901–2.300) |
241,50 |
293,50 |
361,50 |
322 |
4 (2.301–2.700) |
257,50 |
311,50 |
382,50 |
347 |
5 (2.701–3.100) |
273,50 |
329,50 |
404,50 |
371 |
6 (3.101–3.500) |
298,50 |
358,50 |
438,50 |
410 |
7 (3.501–3.900) |
324,50 |
388,50 |
472,50 |
449 |
8 (3.901–4.300) |
349,50 |
417,50 |
506,50 |
488 |
9 (4.301–4.700) |
374,50 |
446,50 |
540,50 |
527 |
10 (4.701–5.100) |
400,50 |
475,50 |
574,50 |
566 |
III. Umrechnung dynamisierter Titel alten Rechts gem. § 36 Nr. 3 EGZPO
Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt. Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersgruppe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:
a) Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.
(Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) x 100 |
= Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel für 1. Altersstufe
(196 € + 77 €) x 100 |
= 97,8 % |
279 € |
Kontrollberechnung: 279 € x 97,8 % = 272,86 €, gerundet 273 €
Zahlbetrag: 273 € – 77 € = 196 €
b) Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.
(Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld) x 100 |
= Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel für 1. Altersstufe
(273 € – 77 €) x 100 |
= 70,2 % |
279 € |
Kontrollberechnung: 279 € x 70,2 % = 195,85 €, gerundet 196 €
Zahlbetrag: 196 € + 77 € = 273 €
c) Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor.
(Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld) x 100 |
= Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel für 2. Altersstufe
(177 € + 154 €) x 100 |
= 102,7 % |
322 € |
Kontrollberechnung: 322 € x 102,7 % = 330,69 €, gerundet 331 €
Zahlbetrag: 331 € – 154 € = 177 €
d) Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor.
(Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) x 100 |
= Prozentsatz neu |
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe |
Beispiel für 3. Altersstufe
(329 € + 77 €) x 100 |
= 111,2 % |
365 € |
Kontrollberechnung: 365 € x 111,2 % = 405,88 €, gerundet 406 €
Zahlbetrag: 406 € – 77 € = 329 €
© 2024 Deubner Recht & Steuern
|