Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

OLG Rostock: Unterhaltsrechtliche Leitlinien (Stand: 01.07.2007)

Die Familiensenate des Oberlandesgerichts Rostock verwenden diese Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH, wobei die Angemessenheit des Ergebnisses in jedem Fall zu überprüfen ist.



Die vorliegende Fassung knüpft an die Leitlinien 2005 an. Eine umfassende Überarbeitung soll erst im Zusammenhang mit der Reform des Unterhaltsrechts erfolgen. Änderungen gegenüber den Leitlinien 2005 sind durch Kursivschrift gekennzeichnet.

Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht.

Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.

1. Geldeinnahmen

1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Renten und Pensionen.

1.2 Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitzaum (in der Regel mehrere Jahre) zu verteilen.

1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen regelmäßig zugerechnet, soweit sie in geringem Umfang anfallen oder berufsüblich sind, darüber hinaus im absoluten Mangelfall (vgl. Nr. 23). Entsprechendes gilt für Einkünfte aus Nebentätigkeiten.

1.4 Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen – vermindert um häusliche Ersparnis – sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen eingesetzt werden.

1.5 Bei der Ermittlung des zukünftigen Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen.

1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen:

Auszugehen ist von den Einnahmen abzüglich notwendiger Ausgaben. Für Gebäude ist keine Absetzung für Abnutzung (AfA) anzusetzen.

1.7 Steuerzahlungen oder -erstattungen sind in der Regel im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistung zu berücksichtigen. Es besteht die Obliegenheit, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.

1.8 Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder.

2. Auch folgende Sozialleistungen sind Einkommen:

2.1 Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III) und Krankengeld.

2.2 Arbeitslosengeld II (§§ 19 ff. SGB II) beim Verpflichteten; beim Berechtigten nur, soweit es um Unterhalt für die Vergangenheit geht und der Unterhaltsanspruch nicht nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangen ist.

2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach den §§ 36, 37 BAföG.

2.5 Elterngeld nach Maßgabe des § 11 Bundeselterngeldgesetz. Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 BErzGG.

2.6 Unfall- und Versorgungsrenten.

2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindenhilfe, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrags für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8 Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9 Zn der Regel Leistungen nach §§ 4143 SGB XII (Grundsicherung) beim Verwandtenunterhalt, nicht aber beim Ehegattenunterhalt.

2.10/11 Kein Einkommen sind Sozialhilfe und Leistungen nach dem UVG. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein.

3. Kindergeld

Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet (vgl. Nr. 14).

4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst und erforderliche Instandhaltungskosten übersteigt.

Auszugehen ist vom vollen Mietwert (Nettokaltmiete). Wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu veräußern, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre, Dies kommt insbesondere für die zeit bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.

6. Haushaltsführung

Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen. Bei Haushaltsführung durch einen Nichterwerbstätigen geschieht das in der Regel mit einem Betrag von 200–550 €.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

Einkommen können auch auf Grund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen). Anknüpfungspunkt sind in der Regel die zuletzt erzielten Erwerbseinkünfte.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und/oder angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).

10.2 Berufsbedingte Aufwendungen sind – wenn sie geltend gemacht, dargelegt und im Falle des Bestreitens bewiesen werden – im Rahmen des Angemessenen vom Arbeitseinkommen abzuziehen. Eine Schätzung ist möglich, § 287 ZPO.

10.2.1 Konkrete Aufwendungen.

10.2.2 Die Kosten einer notwendigen Pkw-Nutzung für berufsbedingte Fahrten, insbesondere zum Arbeitsplatz, werden mit einer Pauschale in Höhe von derzeit 0,27 € je gefahrenen Kilometer berücksichtigt. Hierin sind Anschaffungs-, Reparatur- und sonstige Betriebskasten enthalten. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann nach unten abgewichen werden. Steuervorteile sind gegenzurechnen.

10.2.3 Der Auszubildende hat seinen Ausbildungsaufwand konkret darzulegen und zu beweisen, ein pauschaler Abzug erfolgt nicht.

10.3 Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann ein Kinderbetreuungsbonus angesetzt werden.

10.4 Schulden

Zins- und Tilgungsraten (ggf. unter Berücksichtigung einer möglichen Tilgungsstreckung) für Schulden können je nach den Umständen des Einzelfalles (Art, Grund und Zeitpunkt der Entstehung) das anrechenbare Einkommen vermindern.

Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Prüfung der Leistungsfähigkeit oder Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls.

Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen.

Kann der Unterhaltsschuldner den Regelbetrag minderjähriger Kinder aus anderen Mitteln nicht decken, sind Schulden in der Regel nur bis zur Höhe des pfändbaren Betrags (§ 850e Abs. 1 Satz 2 ZPO) zu berücksichtigen.

10.5 Unterhaltsleistungen an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen; Unterhaltsleistungen an nachrangig Berechtigte sind angemessen zu berücksichtigen.

Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Unterhaltstabelle im Anhang I/Berliner Tabelle als Vortabelle zur Düsseldorfer Tabelle. Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder gem. § 1612a BGB als Vomhundertsatz des Regelbetrags geltend gemacht werden.

11.1 Die Tabellensätze enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten zu bereinigen.

11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder nähere Einkommensgruppe vorzunehmen.

12. Minderjährige Kinder

12.1 Der Betreuungsunterhalt im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.

12.2 Einkommen des Kindes wird bei beiden Elternteilen hälftig angerechnet.

12.3 Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten, es sei denn, sein Einkommen ist bedeutend höher als das des anderen Elternteils, und der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB).

Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Gesamtbedarf. Betreuungsleistungen sind zu berücksichtigen.

12.4 Bei Zusatzbedarf (Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB.

13. Volljährige Kinder

13.1 Bedarf

Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern/eines Elternteils leben oder einen eigenen Hausstand haben.

13.1.1 Privilegiert volljährige Kinder:

Der Bedarf volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ist der 3. Altersstufe der beiliegenden Unterhaltstabelle zu entnehmen, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden; die maßgebende Einkommensgruppe ergibt sich, wenn beide Elternteile leistungsfähig sind, aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern ohne Erhöhung nach 11.2. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen nach der Tabelle ergibt.

13.1.2 Andere volljährige Kinder:

Der Bedarf (einschließlich Wohnbedarf) eines nicht unter Nr. 13.1.1 fallenden Kindes beträgt 590 € monatlich.

In diesem Betrag sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht enthalten.

Von diesem Betrag kann bei erhöhtem Bedarf oder mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern abgewichen werden.

Der Umstand, dass das Kind im Haushalt eines EIternteils lebt, führt nicht zur Verringerung des Bedarfs. Ob die Wohnungsgewährung durch den Elternteil als Erfüllung des diesem gegenüber bestehenden Unterhaltsanspruchs anzusehen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalles entschieden werden. Gleiches gilt für privilegierte Kinder.

13.2 Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen (gekürzt um ausbildungsbedingte Aufwendungen) angerechnet. Bei Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit gilt § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend.

13.3 Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln. Außerdem sind vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts und Unterhaltsleistungen für vorrangig Berechtigte abzuziehen.

Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (820 €/710 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Kindergeld ist nach Maßgabe des § 1612b BGB auszugleichen. Bei volljährigen Kindern ist das Kindergeld auf den Bedarf anzurechnen.

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Bei der Bedarfsbemessung dürfen nur eheprägendes Einkommen und grundsätzlich nur eheprägende Schulden berücksichtigt werden. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit des haushaltsführenden Ehegatten nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen als prägend.

15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz; vom bereinigten Nettoeinkommen ist ein Erwerbstätigenbonus von 1/7 abzuziehen.

Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind und hat dies die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (bei minderjährigen Kindern um den Tabellenbetrag) bereinigt. Erbringt der Verpflichtete sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Nr. 10.3.

15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen der Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.

15.4 Werden Altersvorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese von dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, soweit nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. durch Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten auf seinen Bedarf.

15.5 Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden.

 

16. Bedürftigkeit

Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist.

17. Erwerbsobliegenheit

17.1 Die Erwerbsobliegenheit des Ehegatten, der minderjährige Kinder betreut, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei ist insbesondere auf die Zahl der Kinder und deren Alter, auf etwaige Schulprobleme und andere Betreuungsmöglichkeiten abzustellen.

Geht der unterhaltsberechtigte Ehegatte über das an sich zumutbare Maß hinaus einer Erwerbstätigkeit nach, so richtet sich die Anrechenbarkeit seines dadurch erzielten Einkommens auf den Unterhaltsanspruch nach § 1577 Abs. 2 BGB.

17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.

Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615 l BGB

Der Bedarf der Mutter oder des Vaters eines nichtehelichen Kindes richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils (§§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1610 BGB).

19. Elternunterhalt

Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen nach den §§ 41 bis 43 SGB XII (Grundsicherung)zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten die §§ 12, 16 LPartG.

Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) sowie dem billigen Selbstbehalt (§ 1581 BGB).

21.2 Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern sowie gegenüber getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten mit gemeinsamen minderjährigen Kindern gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme.

Er beträgt:

-

beim Erwerbstätigen 820 €,

-

beim endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Unterhaltsschuldner 710 €.

 

21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1 Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern, die nicht gem. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert sind

– beim Erwerbstätigen 1.010 €,

– beim endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Unterhaltsschuldner 900 €.

21.3.2 Gegenüber den Eltern und Enkeln des Unterhaltspflichtigen beträgt er

– beim Erwerbstätigen 1.300 €,

– beim endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Unterhaltsschuldner 1.190 €.

wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt.

21.4 Gegenüber Ehegatten beträgt der Selbstbehalt (§ 1581 BGB) 915 €.



Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere im absoluten Mangelfall, kann der Selbstbehalt angemessen bis zum notwendigen Selbstbehalt (820 €/710 €) vermindert werden.

21.5 Gegenüber der Mutter oder dem Vater nach § 1615 1 Abs. 1 BGB beträgt der angemessene Selbstbehalt

-

beim Erwerbstätigen 915 €,

-

beim endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Unterhaltsschuldner 805 €.

21.6 Beim Verwandtenunterhalt kann der jeweilige Selbstbehalt unterschritten werden, wenn der eigene Unterhalt des Pflichtigen ganz oder teilweise durch seinen Ehegatten gedeckt ist (vgl. Nr. 22).

21.7 Wegen der Kostenersparnisse bei gemeinschaftlicher Haushaltsführung kommt eine Kürzung des Selbstbehaltes dann in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige mit einem Dritten zusammenlebt.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammen lebenden Ehegatten

22.1 Ist bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellter Kinder der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammen lebenden Ehegatten folgende Beträge angesetzt:

-

Ehegatte selbst auch erwerbstätig 580 €

-

Ehegatte selbst nicht erwerbstätig 500 €

22.2 Ist bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder, Enkel oder nach § 16151 BGB der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammen lebenden Ehegatten, wenn dieser erwerbstätig ist, 820 € angesetzt. Ist der Ehegatte nicht erwerbstätig, beträgt der Bedarf mindestens 710 €.

Eigenes Einkommen ist nach Abzug konkret darzulegender Aufwendungen abzuziehen.

23. Mangelfall

23.1 Grundsatz

Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Selbstbehalts des Verpflichteten (Nr. 21) zur Verfügung steht, nicht aus, um alle Ansprüche zu erfüllen, so findet, sofern nicht ein Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der §§ 1609, 1582, 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB vorgeht und ein anderer nur nachrangig Berücksichtigung findet, eine Mangelfallberechnung statt.

23.2 Einsatzbeträge

23.2.1 Konkurrieren lediglich Unterhaltsansprüche mehrerer gleichberechtigter Kinder, so bemisst sich der Einsatzbetrag zur Verteilung des verfügbaren Einkommens des Unterhaltsverpflichteten nach dem Verhältnis der Regelbedarfssätze nach der Regelbetrag-Verordnung, d.h. nach der niedrigsten Stufe der Tabelle.

Konkurrieren Ansprüche auf Kindesunterhalt mit gleichrangigen Unterhaltsansprüchen eines Ehegatten, ist jeweils als Existenzminimum für die Kinder ein Betrag in Höhe von 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung und für den unterhaltsberechtigten Ehegatten der Eigenbedarf als Einsatzbetrag in die Mangelfallberechnung einzustellen.

23.2.2 Für den in einem eigenen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Ehegatten ist im Mangelfall der Eigenbedarf als Einsatzbetrag zu berücksichtigen (700 €/600 €).

23.2.3 Für den in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten ist im Mangelfall der seiner jeweiligen Lebenssituation entsprechende Eigenbedarf als Einsatzbetrag zu berücksichtigen (580 €/500 €).

23.3 Berechnung

Die nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse ist anteilig auf alle gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer Unterhaltsansprüche zu verteilen.

Eine Mangelfallberechnung unterbleibt, wenn unter Berücksichtigung der Zahlbeträge nach Kindergeldverrechnung und nach Kürzung der Einsatzbeträge um eigene Einkünfte der Berechtigten der notwendige Selbstbehalt gewahrt bleibt.

23.4 Für die Kindergeldverrechnung gilt § 1612b BGB.

Sonstiges

24. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

25. Ost-West-Fälle

Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen.

Anhang

I. Unterhaltstabelle (Stand: 01.07.2007)

Altersstufen in Jahren

1612a Abs. 3 BGB)

1. Altersstufe:

0–5

(Geburt bis 6. Geburtstag)

2. Altersstufe:

6–11

(6. bis 12. Geburtstag)

3. Altersstufe:

12–17

(12. bis 18. Geburtstag)

4. Altersstufe:

ab 18

(wenn im Elternhaushalt lebend)

Prozentsatz Ost der Regelbeträge

Prozentsatz West der Regelbeträge

Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen

Alle Beträge in Euro

Gruppe

a)

 

bis

1.000

186

226

267

361

100

 

b)

1.000

1.150

194

236

278

361

 

 

 

 

ab

1.150

wie Düsseldorfer Tabelle (aber ohne Bedarfskontrollbetrag)

Gruppe

1

 

bis

1.300

202

245

288

389

 

100

2

1.300

1.500

217

263

309

389

 

107

3

1.500

1.700

231

280

329

389

 

114

4

1.700

1.900

245

297

349

401

 

121

5

1.900

2.100

259

314

369

424

 

128

6

2.100

2.300

273

331

389

447

 

135

7

2.300

2.500

287

348

409

471

 

142

8

2.500

2.800

303

368

432

497

 

150

9

2.800

3.200

324

392

461

530

 

160

10

3.200

3.600

344

417

490

563

 

170

11

3.600

4.000

364

441

519

596

 

180

12

4.000

4.400

384

466

548

629

 

190

13

4.400

4.800

404

490

576

662

 

200

 

über

 

4.800

nach den Umständen des Falles

Die Vomhundertsätze Ost ab Gruppe b) sind gem. § 1612a Abs. 2 Satz 1 BGB zu errechnen (z.B. 194 € : 186 €= 104,3 %). Die 135 %-Grenze Ost für die Kindergeldanrechnung nach § 1612b Abs. 5 BGB beträgt in den drei Altersstufen 252 € bzw. 306 € bzw. 361 €. Die 150 %-Grenze Ost für das vereinfachte Verfahren (§ 645 Abs. 1 ZPO) beläuft sich in den drei Altersstufen auf 279 € bzw. 339 € bzw. 401 €.

II. Kindergeldverrechnungstabelle (Stand: 01.07.2007)

Kindergeldanrechnung nach § 1612b Abs. 5 BGB:

Kind

Gruppe der BT

1. Altersstufe

2. Altersstufe

3. Altersstufe

1. bis 3. Kind

a) [bis 1.000]

186 –

11

= 175

226 –

0

= 226

267 –

0

= 267

ab 4. Kind

a) [bis 1.000]

186 –

23,50

= 162,50

226 –

9,50

= 216,50

267 –

0

= 267

1. bis 3. Kind

b) [1.000 – 1.150]

194 –

19

= 175

236 –

7

= 229

278 –

0

= 278

ab 4. Kind

b) [1.000 – 1.150]

194 –

31,50

= 162,50

236 –

19,50

= 216,50

278 –

6,50

= 271,50

1. bis 3. Kind

1 [bis 1.300]

202 –

27

= 175

245 –

16

= 229

288 –

4

= 284

ab 4. Kind

1 [bis 1.300]

202 –

39,50

= 162,50

245 –

28,50

= 216,50

288 –

16,50

= 271,50

1. bis 3. Kind

2 [1.300 – 1.500]

217 –

42

= 175

263 –

34

= 229

309 –

25

= 284

ab 4. Kind

2 [1.300 – 1.500]

217 –

54,50

= 162,50

263 –

46,50

= 216,50

309 –

37,50

= 271,50

1. bis 3. Kind

3 [1.500 – 1.700]

231 –

56

= 175

280 –

51

= 229

329 –

45

= 284

ab 4. Kind

3 [1.500 – 1.700]

231 –

68,50

= 162,50

280 –

63,50

= 216,50

329 –

57,50

= 271,50

1. bis 3. Kind

4 [1.700 – 1.900]

245 –

70

= 175

297 –

68

= 229

349 –

65

= 284

ab 4. Kind

4 [1.700 – 1.900]

245 –

82,50

= 162,50

297 –

80,50

= 216,50

349 –

77,50

= 271,50

1. bis 3. Kind

135 %-Grenze Ost

252 –

77

= 175

306 –

77

= 229

361 –

77

= 284

ab 4. Kind

135 %-Grenze Ost

252 –

89,50

= 162,50

306 –

89,50

= 216,50

361 –

89,50

= 271,50