Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Stand: 01.07.2005)
Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Schleswig dienen nur als Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Sie beruhen auf für typische Sachverhalte geltenden Erfahrungswerten. Insofern sollen sie zu einer einheitlichen Rechtsprechung beitragen. Sie haben jedoch keine bindende Wirkung und können die Prüfung des Einzelfalls nicht ersetzen.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen. Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).
1. Geldeinnahmen
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2. Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:
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3. Kindergeld Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet. Es wird nach § 1612b BGB ausgeglichen (vgl. auch Nr. 14). |
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4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitsgebers Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. |
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5. Wohnwert Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt. Während des Getrenntlebens ist grundsätzlich die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Nach der Scheidung ist vom vollen Mietwert auszugehen. |
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6. Haushaltsführung Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist. |
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7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit (§ 1577 Abs. 2 BGB) ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben, vgl. BGH, FamRZ 2003, 518. |
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8. Freiwillige Zuwendungen Dritter Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten. |
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9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion Im Unterhaltsrecht ist jegliche Einkommensquelle, insbesondere auch die eigene Erwerbsfähigkeit, in zumutbarem Umfang zu nutzen. Soweit dies aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen nicht geschieht, ist dem Betreffenden das erzielbare Einkommen fiktiv zuzurechnen. Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen für eine Übergangszeit fiktiv zuzurechnen. Danach ist ihm das Einkommen nur so weit fiktiv zuzurechnen, als es ihm vermittels der gebotenen besonderen Bemühungen möglich wäre, eine gleichwertige, ersatzweise auch zumutbare geringerwertige Erwerbsquelle zu erlangen. |
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10. Bereinigung des Einkommens
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Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt) Der Unterhaltsbedarf eines Kindes wird der Düsseldorfer Tabelle entnommen. Deren Stand vom 1. Juli 2005 legt die dem Text im Anhang nachfolgende Tabelle zugrunde. Sie ist ergänzt um die Bedarfsbeträge eines volljährigen, im Haushalt eines Elternteils wohnenden Kindes.
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12. Minderjährige Kinder
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13. Volljährige Kinder
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14. Verrechnung des Kindergeldes Die Anrechnung von Kindergeld und anderen kindbezogenen Leistungen richtet sich nach den §§ 1612b, 1612c BGB. Wegen der Kindergeldanrechnung nach § 1612b Abs. 5 BGB wird auf die Anlage zur Unterhaltstabelle verwiesen. Bei volljährigen und privilegiert volljährigen Kindern gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB wird das Kindergeld auf den Bedarf des Kindes vorweg voll angerechnet. |
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
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16. Bedürftigkeit Vgl. Nr. 15.2. |
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17. Erwerbsobliegenheit
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Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615 l BGB Der Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes richtet sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. |
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19. Elternunterhalt Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9). |
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20. Lebenspartnerschaft Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG. |
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
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22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten.
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23. Mangelfall
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Sonstiges
24. Rundung Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro zu runden. |
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25. Ost-West-Fälle Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der an seinem Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an dessen Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen. |
Anhang
I. Düsseldorfer Tabelle
Altersstufe |
bis Volldg. des 6. Lbj. |
vom 7. bis Volldg. des 12. Lbj. |
vom 13. bis Volldg. des 18. Lbj. |
ab Volldg. des 18. Lbj. |
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Euro |
Euro |
Euro |
Euro |
Euro |
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Regelbeträge n.d. Regelbetrags-Verordnung |
204 |
247 |
291 |
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Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in Euro |
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Bedarfskontrollbetrag in Euro Gemäß Anm. 11.2 ab Gruppe 7 |
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Gruppe |
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1. |
bis 1.300 |
204 |
247 |
291 |
335 |
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2. |
1.300–1.500 |
219 |
265 |
312 |
359 |
|
3. |
1.500–1.700 |
233 |
282 |
332 |
382 |
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4. |
1.700–1.900 |
247 |
299 |
353 |
406 |
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5. |
1.900–2.100 |
262 |
317 |
373 |
429 |
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6. |
2.100–2.300 |
276 |
334 |
393 |
453 |
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7. |
2.300–2.500 |
290 |
351 |
414 |
476 |
1.200 |
8. |
2.500–2.800 |
306 |
371 |
437 |
503 |
1.250 |
9. |
2.800–3.200 |
327 |
396 |
466 |
536 |
1.350 |
10. |
3.200–3.600 |
347 |
420 |
495 |
570 |
1.450 |
11. |
3.600–4.000 |
368 |
445 |
524 |
603 |
1.550 |
12. |
4.000–4.400 |
388 |
470 |
553 |
637 |
1.650 |
13. |
4.400–4.800 |
408 |
494 |
582 |
670 |
1.750 |
14. |
über 4.800 |
nach den Umständen des Falles |
II. Kindergeldverrechnungstabellen in Euro
Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. bis 3. Kind von je 77 €:
Einkommensgruppe |
1–5 Jahre |
6–11 Jahre |
12–17 Jahre |
---|---|---|---|
1 = 100 % |
204 – 5 = 199 |
24 – 0 = 247 |
291 – 0 = 291 |
2 = 107 % |
219 – 20 = 199 |
26 – 8 = 257 |
312 – 0 = 312 |
3 = 114 % |
233 – 34 = 199 |
282 – 25 = 257 |
332 – 16 = 316 |
4 = 121 % |
247 – 48 = 199 |
299 – 42 = 257 |
353 – 37 = 316 |
5 = 128 % |
262 – 63 = 199 |
317 – 60 = 257 |
373 – 57 = 316 |
6 = 135 % |
276 – 77 = 199 |
334 – 77 = 257 |
393 – 77 = 316 |
Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 4. Kind von 89,50 €:
Einkommensgruppe |
1–5 Jahre |
6–11 Jahre |
12–17 Jahre |
---|---|---|---|
1 = 100 % |
204 – 17,50 = 186,50 |
247 – 2,50 = 244,50 |
291 – 0 = 291 |
2 = 107 % |
219 – 32,50 = 186,50 |
265 – 20,50 = 244,50 |
312 – 8,50 = 303,50 |
3 = 114 % |
233 – 46,50 = 186,50 |
282 – 37,50 = 244,50 |
332 – 28,50 = 303,50 |
4 = 121 % |
247 – 60,50 = 186,50 |
299 – 54,50 = 244,50 |
353 – 49,50 = 303,50 |
5 = 128 % |
262 – 75,50 = 186,50 |
317 – 72,50 = 244,50 |
373 – 69,50 = 303,50 |
6 = 135 % |
276 – 89,50 = 186,50 |
334 – 89,50 = 244,50 |
393 – 89,50 = 303,50 |
III. Rechenbeispiel eines Mangelfalls
Im Rechenbeispiel hat der berechtigte Ehegatte kein eigenes Einkommen, erhält jedoch das Kindergeld; weiter sind zu berücksichtigen zwei Kinder der ersten und zweiten Altersstufe.
Stufe 1:
Anrechenbares Einkommen des Unterhaltspflichtigen |
1.600,00 € |
abzüglich großer Selbstbehalt |
– 990,00 € |
verteilungsfähiger Restbetrag |
610,00 € |
Stufe 2:
Gesamtbedarf der Berechtigten:
Kind 1: DT Einkommensgruppe 1 wegen des Bedarfskontrollbetrages |
204,00 € |
Kind 2: DT Einkommensgruppe 1 wegen des Bedarfskontrollbetrages |
247,00 € |
Ehefrau: 3/7 von (1.600–204–247) |
492,00 € |
Gesamtbedarf aller Unterhaltsberechtigten |
943,00 € |
Weil der verteilungsfähige Restbetrag nicht ausreicht, um den Gesamtbedarf aller Unterhaltsberechtigten zu decken, ist eine Mangelfallberechnung vorzunehmen (23.3).
Stufe 3:
Berechnungsformel Vhs = V : S x 100
V = Verteilungsfähiger Restbetrag |
610,00 € |
S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten: |
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Kind 1: DT Einkommensgruppe 6 |
276,00 € |
Kind 2: DT Einkommensgruppe 6 |
334,00 € |
Ehefrau |
890,00 € |
Summe der Einsatzbeträge |
1.500,00 € |
Vhs = 610 : 1.500 x 100
Vhs = 40,66
Stufe 4:
Unterhaltsansprüche:
Kind 1 : 276 x 40,66 % = |
112,22 € |
zuzüglich aus der Differenz der Selbstbehalte ist aufzufüllen bis 276,00 € |
+ 50,00 € |
Gesamtunterhaltsanspruch |
162,22 € |
Kind 2 : 334 x 40,66 % = |
135,80 € |
zuzüglich aus der Differenz der Selbstbehalte ist aufzufüllen bis 334,00 € |
+ 50,00 € |
Gesamtunterhaltsanspruch |
185,80 € |
Ehegatte:
890 x 40,66 % = |
361,87 € |
Gemäß Ziff. 24. ergeben sich gerundet folgende Unterhaltsbeträge:
Kind 1: |
162,00 € |
Kind 2 |
186,00 € |
Ehegatte |
362,00 €. |
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