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BGH - Entscheidung vom 31.03.2011

V ZB 186/10

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5
AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1

BGH, Beschluss vom 31.03.2011 - Aktenzeichen V ZB 186/10

DRsp Nr. 2011/10273

Anordnung von Abschiebungshaft gegen einen Ausländer bei Fehlen von Ausführungen zum Einvernehmen der Staatsanwaltschaft in dem Haftantrag

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 24. Juni 2010 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 3. Februar 2010 die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in allen Instanzen werden der F. auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1;

Gründe:

I.

Die Betroffene, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste eigenen Angaben zufolge im Januar 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie verfügte bei ihrer Einreise zwar über einen italienischen Aufenthaltstitel, nicht jedoch über eine zur Erwerbstätigkeit berechtigende Aufenthaltserlaubnis der deutschen Behörden. Anlässlich eines bundesweiten Kontrolltags wurde sie am 2. Februar 2010 in einem Bordell von der Polizei festgenommen. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 3. Februar 2010 gegen die Betroffene die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 2. März 2010 an. In dem Antrag heißt es u.a.: "Wegen des Verdachts der illegalen Erwerbstätigkeit (Prostitution) und des illegalen Aufenthaltes wurde die Betroffene von der Polizei festgenommen". Dem Antrag war ein Personalbogen beigefügt, in dem die Betroffene als Beschuldigte geführt und nach dessen Inhalt sie über ihre Rechte als Beschuldigte in einem Strafverfahren belehrt worden ist.

Der gegen die Haftanordnung gerichteten Beschwerde der Betroffenen hat das Amtsgericht teilweise abgeholfen und die Haft mit Beschluss vom 16. Februar 2010 aufgehoben. Der weitere Antrag festzustellen, dass die Haft von Beginn an rechtswidrig war, ist indessen - auch vor dem Beschwerdegericht - ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Betroffene die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung von Beginn an rechtswidrig war.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts war die Haftanordnung rechtmäßig, denn die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründe hätten vorgelegen.

III.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 4, 10) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 Abs. 1 und 2 FamFG). Auch wenn - wie hier - das Amtsgericht der Beschwerde, mit der die Rechtsschutzziele der Haftaufhebung und Feststellung der Rechtswidrigkeit nebeneinander verfolgt werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, Rn. 12 f.), nur hinsichtlich des Feststellungsantrags nicht abhilft und die Sache insoweit dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegt, hat dessen Beschluss, der den Feststellungsantrag zurückweist, unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung im Sinne von § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat die Betroffene in ihrem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ) verletzt.

a) Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil der Haftantrag unzulässig war.

aa) Ob ein zulässiger Haftantrag vorliegt, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - V ZB 136/10, Rn. 6, zur Veröffentlichung bestimmt; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 , 211, jeweils mwN). Zu den unerlässlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, dass die Antragsbegründung insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, juris Rn. 8 f.).

bb) Diesen Anforderungen wird der Antrag der Beteiligten zu 2 vom 3. Februar 2010 nicht gerecht. Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Liegt dieses Einvernehmen nicht vor, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - V ZB 49/10 Rn. 7, zur Veröffentlichung bestimmt; Beschluss vom 21. Januar 2011 - V ZB 323/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 20. Januar 2011, aaO., Rn. 22; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 Rn. 9). Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage erhoben worden ist oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, ist der Antrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - V ZB 49/10, Rn. 6; Beschluss vom 21. Januar 2011 - V ZB 323/10, Rn. 8; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 9).

b) So ist es hier. Dem Haftantrag der Beteiligten zu 2 war die Beschuldigtenvernehmung der Betroffenen beigefügt. Dennoch fehlen Ausführungen zu einem generellen oder im Einzelfall erteilten Einvernehmen der Staatsanwaltschaft (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Februar 2011 - V ZB 49/10, Rn. 8, zur Veröffentlichung bestimmt; Beschluss vom 21. Januar 2011 - V ZB 323/10, juris Rn. 25) mit der Abschiebung der Betroffenen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO . Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510, 1511).

Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO .

Vorinstanz: LG Bremen, vom 24.06.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 10 T 94/10
Vorinstanz: AG Bremen, vom 03.02.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 91 XIV 64/10