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BSG - Entscheidung vom 17.03.2021

B 9 SB 46/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.03.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 46/20 B

DRsp Nr. 2021/6987

Rückwirkende Feststellung der Voraussetzungen für einen Grad der Behinderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In der Hauptsache begehrt die Klägerin nach einem Wegeunfall im Jahr 2010 die rückwirkende Feststellung der Voraussetzungen für einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 anstelle des durch den Beklagten festgestellten GdB von 20. Klage und Berufung waren nach wiederholter Begutachtung in den Instanzen ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, auch die chirurgisch-unfallchirurgische Begutachtung in der 2. Instanz habe zweifelsfrei ergeben, dass ein GdB von mehr als 20 nicht in Betracht komme (Urteil vom 9.7.2020) .

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht ordnungsgemäß dargelegt 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl Senatsbeschluss vom 14.2.2020 - B 9 V 41/19 B - juris RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

a) Die Klägerin versäumt es bereits, den der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalt darzustellen. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die entscheidungserheblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 12.2.2018 - B 10 ÜG 12/17 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - juris RdNr 3). Der pauschale Verweis auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanzen ist deshalb unzureichend (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 4).

b) Die Klägerin hat aber auch keine Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob das Bayerische Landessozialgericht basierend auf den Unterlagen des Bayerischen Versicherungsverbandes (private Unfallversicherung) sich um eine weitere Sachverhaltsaufklärung bemühen hätte müssen" und bzw "unter welchen Voraussetzungen ein Gericht verpflichtet ist im Rahmen der Amtsermittlung Gutachten, welche von einer privaten Unfallversicherung in Auftrag gegeben wurden, beizuziehen." Diese Fragestellung zielt jedoch auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Sachaufklärung 103 SGG ) und der Beweiswürdigung 128 Abs 1 Satz 1 SGG ). Zwar können auch Fragen verfahrensrechtlicher Natur grundsätzliche Bedeutung haben. Mit der Grundsatzrüge können aber nicht die gesetzlichen Vorgaben für eine Verfahrensrüge umgangen werden.

Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Die Beschwerdebegründung bezieht sich entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG nicht auf einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Denn sie bezeichnet keinen Beweisantrag, den die Klägerin im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs 2 SGG bis zum Schluss bei der Erklärung ihres Einverständnisses aufrechterhalten hätte (stRspr; Senatsbeschluss vom 13.1.2021 - B 9 SB 32/20 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 18.11.2020 - B 13 R 88/19 B - juris RdNr 13, jeweils mwN).

Die Zulassung der Revision kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG auch nicht mit der Behauptung verlangt werden, das LSG habe gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) verstoßen. Diese Beschränkungen gelten auch für den Fall, dass die Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung verfahrensrechtlicher Fragen geltend macht. Ein Beschwerdeführer kann die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl Senatsbeschluss vom 14.2.2020 - B 9 V 41/19 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 3.7.2019 - B 9 V 17/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - juris RdNr 5).

Die Klägerin zeigt nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 09.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 155/18
Vorinstanz: SG Landshut, vom 29.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 SB 564/16