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BSG - Entscheidung vom 01.07.2021

B 9 SB 4/21 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 01.07.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 4/21 BH

DRsp Nr. 2021/13403

Neufeststellung eines Grades der Behinderung und Zuerkennung des Merkzeichens G Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2021 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F aus W zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin macht in der Hauptsache eine Untätigkeit der Beklagten geltend und begehrt die Bescheidung ihres Antrags vom 10.11.2010, mit dem sie die Neufeststellung des Grades der Behinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens G beantragt hatte. Das SG hat die Untätigkeitsklage der Klägerin abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3.8.2020). Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Der Beklagte zu 1. habe über den Antrag vom 10.11.2010 mit Bescheid vom 15.12.2010 entschieden. Ob die Entscheidung des Beklagten zu 1. im Bescheid vom 15.10.2010 materiell-rechtlich zutreffend ergangen sei, sei nicht Gegenstand einer Untätigkeitsklage. Auch die Behauptung der Betreuerin der Klägerin, dass ihr der Bescheid vom 15.12.2010 nicht bekannt gegeben worden sei, führe nicht zur Begründetheit der Untätigkeitsklage. Zum einen sei sie damals noch nicht die Betreuerin der Klägerin gewesen, sodass ihr der Bescheid auch nicht habe bekannt gegeben werden müssen. Zum anderen habe die Betreuerin der Klägerin selbst eingeräumt, dass sie spätestens im Oktober 2018 von diesem Bescheid Kenntnis erlangt habe (Urteil vom 22.1.2021).

Die Klägerin hat mit einem am 2.3.2021 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 23.2.2021 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt F aus W für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 5.2.2021 zugestellten LSG-Urteil beantragt und ihr Begehren auch mit weiteren Schreiben begründet.

II

Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung allein in Betracht kommende zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision 160a SGG ). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Das ist hier nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nach Durchsicht der vorliegenden Akten und Würdigung des Vorbringens der Klägerin nicht erkennbar.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 2 und 4 SGG ) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) zukommt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Rechtsfragen stellen sich im Fall der Klägerin aber nicht. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Solche im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde relevanten Verfahrensmängel hat die Klägerin nicht benannt; sie sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 GG , § 62 SGG ) nicht verletzt. Das Berufungsgericht war berechtigt, in Abwesenheit der Klägerin und ihres anwaltlichen Prozessbevollmächtigten zu verhandeln und zu entscheiden, weil in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung auch im Fall des Ausbleibens hingewiesen wurde 110 Abs 1 Satz 2, § 126 SGG ). Zu Recht hat das LSG auch den Antrag der Betreuerin der Klägerin auf Terminsverlegung abgelehnt. Der schlichte Hinweis, dass in der "Corona-Situation" ein Erscheinen nicht zumutbar sei, begründet allein noch keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung iS des § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO . Insbesondere aber hat die Betreuerin der Klägerin nicht substantiiert aufgezeigt, dass und weshalb gerade ihre persönliche Anwesenheit (oder die ihres Ehemanns) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG unerlässlich sei (vgl Senatsbeschluss vom 5.3.2004 - B 9 SB 40/03 B - juris RdNr 6 mwN). Im Übrigen hatte die Betreuerin der Klägerin im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung und hat diese durch Einreichung von Schreiben auch wahrgenommen. Unerheblich für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist, dass die Klägerin mit der Entscheidung des LSG nicht einverstanden ist. Deren inhaltliche Richtigkeit ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 27.12.2018 - B 9 SB 3/18 BH - juris RdNr 18; Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 V 46/17 B - juris RdNr 8).

Aufgrund der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung von Rechtsanwalt F aus W im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 22.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SB 2866/20
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 03.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 SB 2285/18